Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.04.2014, Az.: 2 NB 133/14

Bestimmung der Reichweite der Vorlagepflicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Numerus clausus Verfahren; Vorläufige Zulassung zum Studium für den Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaftslehre im zweiten Fachsemester zum Sommersemester 2014

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.04.2014
Aktenzeichen
2 NB 133/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 14657
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0429.2NB133.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 17.03.2014 - AZ: 6 C 3/14

Amtlicher Leitsatz

Zur Reichweite der Vorlagepflicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Numerus clausus Verfahren

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 6. Kammer - vom 17. März 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird unter Änderung der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf je 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller begehrt seine vorläufige Zulassung zum Studium für den Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaftslehre im zweiten Fachsemester zum Sommersemester 2014.

Erstinstanzlich hat der Antragsteller - anwaltlich noch nicht vertreten - zunächst nur vorgetragen, er gehe davon aus, dass die Antragsgegnerin ihre Aufnahmekapazität noch nicht ausgeschöpft habe, so dass noch freie Studienplätze vorhanden seien. Auf Anforderung des Verwaltungsgerichts, die vollständigen Verwaltungsvorgänge im Original vorzulegen, hat die Antragsgegnerin die den Antragsteller persönlich betreffenden Vorgänge vorgelegt. Ein Ordner "Kapazitätsberechnung Studienjahr 2013/2014" stand dem Verwaltungsgericht bereits in anderen Verfahren zur Verfügung. Er enthält den nach § 4 KapVO in Verbindung mit dem Erlass des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 12. Dezember 2012 vorzulegenden Bericht der Antragsgegnerin vom 16. April 2013 betreffs Ermittlung der jährlichen Aufnahmekapazität und Vorschläge für Zulassungsbeschränkungen sowie Zulassungszahlen und als Anlage einen vollständigen Ausdruck der Berechnungen (hier: Lehreinheit Wirtschaftswissenschaften unter Reiter 13).

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag auf Zulassung sowohl innerhalb und außerhalb der festgesetzten Kapazität abgelehnt, weil die festgesetzte Kapazität bereits mit Überbuchung ausgeschöpft sei und der Antragsteller konkrete Fehler der Kapazitätsberechnung nicht dargetan habe. Zwar seien die Verwaltungsgerichte unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31. März 2004 (- 1 BvR 356/04 -, NVwZ 2004, 1112) gehalten, in Hochschulzulassungsstreitigkeiten schon im einstweiligen Rechtsschutzverfahren von Amts wegen die kapazitätsbestimmenden Faktoren zu prüfen. Aus den von der Antragsgegnerin übersandten Kapazitätsunterlagen ließen sich indes Berechnungsfehler nicht erkennen, und es sei auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin bei ihren Festsetzungen unzutreffende Zahlen zugrunde gelegt habe. Die Ermittlung der jährlichen Aufnahmekapazität zum Studienjahr 2013/2014 und Vorschläge für Zulassungsbeschränkungen sowie Zulassungszahlen zum Wintersemester 2013/2014 und zum Sommersemester 2014 seien im Bericht der Antragsgegnerin an das Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur vom 16. April 2013 im Einzelnen dargestellt und vom Ministerium geprüft und für richtig befunden worden. Die Antragsgegnerin habe bei der aktuellen Kapazitätsberechnung auch die maßgeblichen normativen Vorgaben beachtet und eingehalten. Ausgehend von der Kapazitätsverordnung - KapVO - und der Lehrverpflichtungsverordnung - LVVO - sei insbesondere nicht festzustellen, dass die Antragsgegnerin Lehrpersonal nicht oder mit zu geringen Deputatstunden angesetzt, unzulässige Stundenreduzierungen oder Dienstleistungen berücksichtigt oder unzutreffende Curricularnormwerte oder Schwundfaktoren zugrunde gelegt habe. Sie habe bei ihren Berechnungen insbesondere nicht nur die besetzten, sondern die besetzbaren Planstellen in Ansatz gebracht. Die einzelnen Stellen nebst Deputat (vgl. § 9 KapVO) und Reduzierungen seien in den Kapazitätsunterlagen aufgelistet und begründet. Gleiches gelte für den von der Antragsgegnerin ermittelten Dienstleistungsbedarf für andere Studiengänge (vgl. § 11 KapVO). Dass die Antragsgegnerin unzutreffende Curricularnormwerte (vgl. § 13 KapVO) in Ansatz gebracht hätte oder der in Ansatz gebrachte Wert fehlerhaft ermittelt worden wäre, sei ebenfalls nicht erkennbar. Die Berechnung sei von der Antragsgegnerin erläutert worden. Es sei schließlich nicht festzustellen, dass die Antragsgegnerin die Schwundquote (vgl. § 16 KapVO) fehlerhaft ermittelt habe. Die Antragsgegnerin habe insoweit die neuesten verfügbaren Daten berücksichtigt. Die im Wintersemester 2013/2014 vorgenommenen Überbuchungen belegten ebenfalls nicht das Vorhandensein weiterer verborgener Studienplätze.

Mit seiner dagegen gerichteten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, entgegen der vom Verwaltungsgericht selbst angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts habe das Verwaltungsgericht keine eigene Berechnung durchgeführt und damit die Kapazitätsberechnungen der Antragsgegnerin auf ihre Richtigkeit überprüft, sondern sich auf eine summarische Prüfung beschränkt. Die Antragsgegnerin habe keine substantiierten Angaben zur Ermittlung der Kapazität gemacht, so dass auch ihm selbst weitergehender Vortrag unmöglich sei. Es werde bestritten, dass das Lehrpersonal vollständig erfasst worden sei; einen Stellenplan habe die Antragsgegnerin nicht vorgelegt. Auch eine ordnungsgemäße Umsetzung der Lehrverpflichtung nach der LVVO sei nicht belegt. Die vorgenommenen Deputatsreduzierungen könnten nicht überprüft werden. Die Vorlage weiterer Nachweise habe das Verwaltungsgericht nicht verlangt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt nicht die Änderung des angegriffenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat in Numerus clausus-Verfahren den Sachverhalt gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. auch Beschl. v. 22.10.1991 - 1 BvR 393/85, 1 BvR 610/85 -, BVerfGE 85, 36 [BVerfG 22.10.1991 - 1 BvR 393/85] = DVBl. 1992, 145) aufzuklären und insoweit gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Verwaltungsvorgänge beizuziehen. Auf welche Unterlagen sich die Vorlagepflicht der Behörden im gerichtlichen Verfahren bezieht, ist in dieser Vorschrift nicht im Einzelnen geregelt. Grundsätzlich ist alles vorzulegen, was der umfassenden Sachaufklärung durch das Gericht und der Gewinnung von Grundlagen für die Führung des Prozesses durch die Beteiligten dienlich erscheint (BVerwG, Beschl. v. 9.11.1962 - VII B 91.62 -, BVerwGE 15, 132 = NJW 1963, 553; Beschl. v. 24.11.2003 - 20 F 13.03 -, BVerwGE 119, 229 = NVwZ 2004, 485). Umfasst sind deshalb jedenfalls alle in einem konkreten Antragsverfahren angefallenen Unterlagen, die hier offenbar vollständig vorgelegt worden sind. In Numerus clausus-Verfahren sind darüber hinaus stets die Kapazitätsberechnungsvorgänge der Hochschule vorzulegen. Deren Umfang fällt in der Praxis sehr unterschiedlich aus. Vor allem bei Studiengängen, in denen es regelmäßig zu Rechtsstreitigkeiten kommt, legen die Hochschulen vielfach von sich aus nicht nur die Berechnung selbst, sondern alle Unterlagen vor, welche das Verwaltungsgericht in früheren "Durchgängen" bereits nachgefordert hat bzw. in die von den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller erfahrungsgemäß Einsicht begehrt wird, und geben von sich aus umfangreiche Erläuterungen. Hochschulen, die selten mit Kapazitätsstreitigkeiten befasst sind, beschränken sich demgegenüber tendenziell - wie hier - auf den nach § 4 KapVO vorzulegenden Bericht, wobei die zugehörige Kapazitätsberechnung entsprechend der Vorgabe im oben genannten Erlass vom 12. Dezember 2012 unter Anwendung des Kapazitätsberechnungsprogramms WinKap, neue Version 1.4.15, angefertigt wird, soweit dieser Erlass nicht Ausnahmen für die medizinischen Studiengänge vorsieht.

In Betracht kommen als zusätzliche Unterlagen - jedenfalls soweit sie nicht leicht auffindbar im Internet veröffentlicht sind - vor allem Vorlesungsverzeichnisse, Zielvereinbarungen, Studien- und andere Ordnungen der Hochschule, Stellen- und Wirtschaftspläne, Vorgänge zu Deputatsverminderungen, Arbeitsverträge für wissenschaftliche Mitarbeiter und anderes. Die mögliche rechtliche Relevanz solcher Unterlagen hat der Senat bereits in einer Vielzahl von Entscheidungen erörtert. Insoweit wäre es - wenn auch rechtlich nicht geboten - jedenfalls wünschenswert, dass die Hochschulen schon aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung diese Unterlagen jedenfalls überwiegend auch ohne spezifische Anforderung mit vorlegen, jedenfalls aber auf vorhandene Fundstellen im Internet verweisen.

Bei Ausbleiben konkreter Rügen seitens des jeweiligen Antragstellers besteht allerdings keine rechtliche Verpflichtung, solche Unterlagen "auf Verdacht" anzufordern, zumal deren Herausgabe - etwa bei Arbeitsverträgen - teilweise auch datenschutzrechtliche Fragen aufwerfen kann. Das Verwaltungsgericht genügt deshalb seiner Aufklärungspflicht in solchen Fällen, wenn es - wie hier - seine eigene Prüfung auf den Inhalt des Berichts der Hochschule und das vorgelegte Rechenwerk beschränkt, soweit sich ihm nicht selbst auf Grund seiner Vertrautheit mit der Materie Fragen hinsichtlich der Validität der vorgelegten Daten aufdrängen.

Die insoweit maßgeblichen Gesichtspunkte hat - für Studiengänge, bei welchen die Kapazitätsberechnungen regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Überprüfung waren - bereits der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 19. Februar 1999 (- 7 ZE 98.10059 u.a. -, [...] Rdnrn. 16 bis 21) überzeugend dargelegt:

"Ungeachtet dessen, daß auch in Eilverfahren im Hochschulzulassungsstreit gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO der Anordnungsanspruch, also das Vorliegen freier Studienplätze über die festgesetzte Kapazität hinaus, von den Antragstellern glaubhaft zu machen ist, besteht für das Verwaltungsgericht die Verpflichtung aus § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (vgl. allgemein: Kopp/Schenke, RdNr. 32 zu § 123; Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl. 1998, RdNr. 56 zu § 123; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, RdNr. 391 und speziell zum Hochschulzulassungsrecht: 3. Aufl. 1986, RdNr. 992; VGH Kassel ESVGH 26, 196). Dies entspricht auch der den Beteiligten bekannten ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats.

Einer umfassenden Aufklärung des Sachverhaltes im Eilverfahren sind jedoch auch im Hochschulzulassungsrecht Grenzen gesetzt. Die Zahl der an der Universität Erlangen-Nürnberg im Wintersemester 1998/99 ins erste Fachsemester im Studiengang Medizin aufzunehmenden Bewerber ist normativ durch § 1 der Zulassungszahlsatzung 1998/99 der Universität vom 24. Juni 1998 (KWMBl. II S. 1061) auf 160 festgesetzt. Diese Festsetzung beruht auf einer Ermittlung der Zulassungszahl anhand der Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen (Kapazitätsverordnung - KapVO) vom 9. Dezember 1993 (GVBl. S. 1079), zuletzt geändert durch Verordnung vom 20. März 1996 (GVBl. S. 136). In eine solche Ermittlung fließen Zahlenwerte ein, die aus umfangreichen Erhebungen und Analysen hervorgegangen sind und die erst in Verbindung mit mehreren komplizierten, rechnerisch verknüpften Formeln zu konkreten Zulassungszahlen führen. Diese Komplexität setzt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle im Eilverfahren natürliche Grenzen, so daß hier die Forderung nach einer lückenlosen Kontrolle nicht erfüllbar ist. In seiner Entscheidung vom 8. Februar 1984 (BVerfGE 66, 152/174) ist auch das Bundesverfassungsgericht selbst zu der Auffassung gelangt, daß im zu entscheidenden Fall sowohl die Überprüfung des Krankenversorgungsabzuges für Tiermedizin als auch des Curricularnormwertes dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben mußte. Es ist allerdings geboten, daß die Verwaltungsgerichte von ihren Erkenntnis- und Erfahrungsstand ausgehend die gegebenen Begründungen nachvollziehen, Streitpunkten entsprechend dem Stand der Rechtsprechung und der öffentlichen Diskussion nachgehen und die Einwände der Prozeßbeteiligten würdigen (vgl. BVerfGE 85, 36/58 [BVerfG 22.10.1991 - 1 BvR 393/85]). Wie in anderen Verfahren auch gebietet somit die Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO im hochschulzulassungsrechtlichen Eilverfahren, daß die Verwaltungsgerichte den Gesichtspunkten, die von den Beteiligten vorgetragen werden, nachzugehen haben und weiter die Elemente der Ermittlung der Zulassungszahl, die erkennbar überprüfungsbedürftig sind, untersuchen müssen (vgl. BVerwGE 66, 237/238; NVwZ 1988 1019/1020; Geiger in Eyermann, RdNr. 10 zu § 86; Redeker/v. Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 1997, RdNr. 11 zu § 86). Auch im Hochschulzulassungsrecht stellt der Untersuchungsgrundsatz aber keine "prozessuale Hoffnung" eines Beteiligten dar, das Gericht werde "auf Verdacht" alle denkbaren Gesichtspunkte prüfen und so günstige entscheidungserhebliche Tatsachen finden (vgl. BVerwG in Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 76).

Für dieses Verständnis der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO sprechen auch die Besonderheiten des Hochschulzulassungsrechts. Mit der Festsetzung von Zulassungszahlen für das kommende Studienjahr beschreitet eine Universität weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht Neuland, sondern knüpft an Festsetzungen der vorausgegangenen Studienjahre an. Die in die Kapazitätsermittlung einfließenden Zahlenwerte sind teilweise seit längerem festgelegt (vgl. Verordnung zur Festsetzung von Curricularnormwerten vom 27.6.1993 - GVBl. S. 388, zuletzt geändert durch Verordnung vom 13.5.1994 - GVBl. S. 405; Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten und Fachhochschulen - Lehrverpflichtungsverordnung - LUFV vom 19.9.1994 - GVB l. S. 956), stehen teilweise seit Jahren zumindest im Grundsatz fest (Dienstleistungen nach § 11 KapVO) oder werden regelmäßig fortgeschrieben (Schwundquote nach § 16 KapVO). Die für die einzelnen Studienjahre festgesetzten Zulassungszahlen waren und sind regelmäßig, insbesondere wie hier - im Studiengang Medizin, Gegenstand gerichtlicher Überprüfung. Das Verwaltungsgericht ist daher nicht gehalten, der Richtigkeit jedes einzelnen Elements der Kapazitätsberechnung für ein Studienjahr von Amts wegen nachzugehen, wenn es von den Antragstellern nicht angesprochen wird und das Verwaltungsgericht von sich aus, etwa aufgrund der Erfahrungen früherer Verfahren, keinen Klärungsbedarf sieht. Unter diesen Umständen kann es bestimmte Bereiche der Kapazitätsfestsetzung von der eingehenderen Überprüfung ausnehmen und einem eventuellen Hauptsacheverfahren vorbehalten. Frage 3 läßt sich somit nicht konkret und verallgemeinerungsfähig beantworten, da es von den Gegebenheiten des konkreten Falles abhängt, welche Bereiche der Kapazitätsermittlung das Verwaltungsgericht zu überprüfen hat und welche es von der Überprüfung ausklammern kann.

d) Frage 4 bedarf keiner grundsätzlichen Klärung in einem Beschwerdeverfahren. Es ist, da selbstverständlich, nicht näher zu erörtern, daß auch das gerichtliche Eilverfahren im Hochschulzulassungsrecht so ausgestaltet sein muß, daß dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG so weit wie möglich Rechnung getragen wird. Dies erfordert indes nicht, daß der Antragsgegner von sich aus alle kapazitätslimitierenden Maßnahmen und Berechnungen dem Gericht und dem Antragsteller vorzulegen und glaubhaft zu machen hat. Die Verpflichtung zur Aktenvorlage nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat dienende Funktion, um dem Gericht die Klärung des Sachverhaltes zu ermöglichen und die Beteiligten über ihr Akteneinsichtsrecht (§ 100 VwGO) in die Lage zu versetzen, ihr Begehren zu begründen. Die Verpflichtung zur Aktenvorlage korrespondiert deshalb mit der Aufklärungspflicht des Gerichts, d.h. der Antragsgegner hat (nur) die Unterlagen vorzulegen, die das Gericht nach seiner Auffassung benötigt, um den Rechtsstreit zu entscheiden, also die Punkte zu klären, die Antragsteller ansprechen oder die es von sich aus für problematisch ansieht. Die Vorlage "aller" Maßnahmen und Berechnungen stieße angesichts der Komplexität und Vielschichtigkeit der Kapazitätsermittlung an natürliche Grenzen und wäre nichts anderes als die Vorstufe zur von § 86 Abs. 1 VwGO nicht geforderten Amtsermittlung "auf Verdacht".

Das Gericht muß jedoch der besonderen Situation des Studienbewerbers Rechnung tragen, der zunächst nur die festgesetzte Zulassungszahl kennt und damit nicht in der Lage ist, sein Begehren zu begründen. In der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist geklärt, daß der Antragsgegner jedenfalls stets den von der Hochschule dem Staatsministerium vorzulegenden Bericht gemäß § 7 Abs. 4 des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen vom 12. März 1992 (GVBl. 1993 S. 14) i.V. mit § 4 Abs. 1 KapVO dem Gericht vorzulegen hat. Den Antragstellern ist dieser Bericht (Datenerhebungsformularsatz) auf Verlangen zu übermitteln; ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl. BayVGH vom 15.10.1998 - 7 CE 98.10016; vom 17.11.1998 - 7 CE 98.10022). Erfolgt keine Stellungnahme seitens der Antragsteller und ergibt auch die Prüfung des Datenerhebungsformularsatzes durch das Gericht, insbesondere im Vergleich der eingestellten Zahlenwerte mit denen früherer Studienjahre, keine Auffälligkeiten, so hat es damit sein Bewenden. Anderenfalls ist der Antragsgegner gehalten, auf Anforderung des Gerichts die zur Klärung der konkret aufgeworfenen Fragen weiter erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

Die von den Antragstellern angesprochene "Umkehrung der Glaubhaftmachungspflicht" gibt nach den vorstehenden Darlegungen keinen Sinn und wird auch von der Rechtsprechung nicht gefordert. Werden die Grenzen der Ausbildungskapazität durch Rechtsverordnung bestimmt, so muß diese dem Gebot erschöpfender Kapazitätsauslastung genügen. Die Verordnung ist von den Verwaltungsgerichten auch darauf zu überprüfen, ob sie den Erfordernissen rationaler Abwägung genügt. Definiert die Verordnung die Ausbildungskapazität mittels Zahlenwerten und Formeln, so muß sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle auch auf deren Ableitung erstrecken (vgl. BVerfGE 85, 36 [BVerfG 22.10.1991 - 1 BvR 393/85]). Der erkennende Senat verfährt in ständiger Rechtsprechung auf diese Weise (vgl. vom 15.10.1998 - 7 CE 98.10016); auch insoweit besteht demnach kein Klärungsbedarf in einem Beschwerdeverfahren. Diese Überprüfung, einschließlich der Ableitung von Formeln und Zahlenwerten, ist aber nur im Rahmen der Aufklärungspflicht des Gerichts geboten. Bei Formeln und Zahlenwerten, die die Antragsteller nicht in Zweifel ziehen und gegen deren Richtigkeit sich auch dem Verwaltungsgericht keine Bedenken aufdrängen, bedarf es demnach keiner Vorlage von Unterlagen. Dadurch werden Verfahrensrechte von Antragstellern nicht verkürzt, da sie durch entsprechende - allerdings auf den konkreten Fall bezogene - Rügen die Vorlage von Unterlagen bewirken und durch Einsicht in diese auch die Kenntnis von deren Inhalt erlangen können."

Dieser Rechtsprechung folgt der Senat auch für Fälle, in welchen - wie offenbar hier - eine weitergehende gerichtliche Kontrolle in früheren Studienjahren noch nicht erfolgt ist. Dem ist durch den später ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. März 2004 (- 1 BvR 356/04 -, a.a.O.) nicht die Grundlage entzogen worden. Für das erstinstanzliche Verfahren ergeben sich zwischen dem vorliegenden und dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall signifikante Unterschiede, denn in jenem Verfahren war beantragt worden,

"der Universität L. aufzugeben, den gesamten Datenerhebungssatz nebst Anlagen für den Berechnungszeitraum Wintersemester 2003/2004 sowie sämtliche Kapazitätsunterlagen vorzulegen und die Berechnungen schriftsätzlich zu erläutern. Dann werde von ihrer Seite zu den vorgelegten Zahlen im Einzelnen Stellung genommen."

Demgegenüber hat der Antragsteller im vorliegenden Verfahren weder Akteneinsicht beantragt noch substantiiert vorgetragen. Zweitinstanzlich hatten die Beschwerdeführer in jenem Verfahren

"gerügt, das Verwaltungsgericht habe sich in einem so grundrechtsrelevanten Verfahren wie dem vorliegenden nicht auf telefonisch eingeholte Angaben der Universität verlassen dürfen, ohne über die tatsächliche Besetzungszahl eidesstattliche Versicherungen beziehungsweise die Vorlage beweiskräftiger Unterlagen verlangt zu haben. Dieser Vortrag ist durch detaillierte Ausführungen zum Stellenbestand, zu bedenklich hohen Deputatsverminderungen, zu den gebotenen Schlussfolgerungen aus der Änderung der Approbationsordnung mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Berechnung des vorklinischen Lehrangebots und den Folgen für den Curricularnormwert untermauert worden."

Demgegenüber ist im vorliegenden Verfahren zweitinstanzlich nur generell die Nichtbeiziehung weiterer Unterlagen gerügt worden. Soweit das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Würdigung des zweitinstanzlichen Beschlusses ausgeführt hat:

"Es darf von den Parteien keinen Vortrag erwarten, den sie mangels Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen nicht liefern können. Die Substantiierungspflicht kann nicht weiter gehen, als sie vom Betroffenen nach dem jeweiligen Kenntnisstand erfüllt werden kann. Gerade wenn der Mangel an überprüfbaren Unterlagen gerügt wird, widerspricht es einer fairen Verfahrensgestaltung und dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes, weiteren Vortrag zum - nur vermuteten - Inhalt dieser Unterlagen vom Rechtsmittelführer zu verlangen."

hätte der Antragsteller hier bereits erstinstanzlich jedenfalls den Kenntnisstand erwerben können, der sich aus den vorgelegten Kapazitätsunterlagen ergab. Unterlässt er einen Antrag auf Akteneinsicht - die ihm in jeden Fall hätte gewährt werden müssen -, kann er sich insoweit auf einen mangelnden Kenntnisstand nicht berufen. Soweit es um weitere Unterlagen der oben angesprochenen Art geht, deren mögliche rechtliche Relevanz in der Rechtsprechung bereits anerkannt ist, wird ihm Vortrag zu einem nur vermuteten Inhalt nicht abverlangt, sondern zunächst nur die skizzenhafte Darstellung, wo er Mängel vermutet und Aufklärungsbedarf sieht. Gerade im Zusammenhang mit den in vielen gerichtlichen Verfahren abgehandelten "Standardproblemen" der Kapazitätsermittlung lassen sich Zweifelsfragen relativ leicht identifizieren und benennen, so dass dem Rechtsschutzsuchenden nichts Unzumutbares abverlangt wird. Die Darlegungsanforderungen steigen dabei allerdings in dem Maße, in welchem das Verwaltungsgericht bereits auf Details der Kapazitätsberechnung eingegangen ist.

Daran gemessen hat das Verwaltungsgericht die ihm obliegende Amtsermittlung nicht defizitär vorgenommen. Konkrete Rügen lagen ihm nicht vor. Darüber hinaus durfte es berücksichtigen, dass die vorgelegte Kapazitätsberechnung mit einem vom zuständigen Ministerium vorgegebenen Programm (WinKap) zu erstellen war, dessen Aufgabe es nach einem dem Senat vorliegenden Benutzerhandlung zur Version 1.4.1 offenbar ist, diese Berechnung unter Berücksichtigung aller relevanter Daten nach standardisierten, den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Maßstäben durchzuführen, so dass für individuelle Berechnungsmängel der betroffenen Hochschulen tendenziell nur in Bezug auf die Korrektheit der Eingabewerte Raum verbleibt. Mängel dieses Programms sind bislang nicht geltend gemacht oder ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es bei den von den Anwendern verlangten Eingaben Missverständnissen Vorschub leistet. Vor der rechnerischen Korrektheit der Berechnung durfte das Verwaltungsgericht deshalb ausgehen.

Wie den Gründen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ferner zu entnehmen ist, hat es die Kapazitätsberechnung anhand der in dem Vorlagebericht gegebenen Erläuterungen auf Stimmigkeit der Eingabewerte überprüft. So hat es z.B. das Lehrangebot insoweit kontrolliert, als dort die besetzbaren Stellen den Planstellen gegenübergestellt und mit Deputaten ausgewiesen worden sind; es hat in diesem Zusammenhang auch die Bemerkungen zu den nicht besetzten Stellen und zu den Reduzierungen gewürdigt (Reiter 12 Blätter B bis D). Anhaltspunkte dafür, dass unzutreffende Daten verwendet wurden, drängten sich nicht auf. Mangels konkreter Hinweise des Antragstellers zu weiterem Aufklärungsbedarf brauchte das Verwaltungsgericht unter diesen Umständen keine weiteren Unterlagen anfordern.

Der Senat sieht sich auch im Beschwerdeverfahren nicht gehalten, selbst weitere Sachaufklärung zu betreiben oder gar zu diesem Zwecke die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Wie das OVG Greifswald mit Beschluss vom 7.9.2010 (- 1 M 210/09 -, NordÖR 2011, 93) zutreffend ausgeführt hat, reicht es im Beschwerdeverfahren nicht aus, auf vermeintliche Ermittlungsdefizite im erstinstanzlichen Verfahren zu verweisen und/oder das Rechtsmittelgericht um weitere Ermittlungen mit dem Ziel zu bitten, Darlegungsdefizite im eigenen Vorbringen auszugleichen bzw. eigene Darlegungen zu ersetzen. Denn an das Beschwerdevorbringen sind gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO höhere Anforderungen zu stellen als an das erstinstanzliche Vorbringen. Zwar ist die beschwerdeführende Seite durch eigene Versäumnisse in erster Instanz nicht grundsätzlich gehindert, diese im Beschwerdeverfahren auszugleichen (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 30.11.2004 - 2 NB 430/03 -, NVwZ-RR 2005, 409, u. v. 10.7.2006 - 2 NB 12/06 -, [...]). Es kommt deshalb grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren noch in Betracht, bisher nicht vorgelegte Unterlagen nachzufordern. Dazu sieht sich der Senat jedoch nicht veranlasst, weil sich die Beschwerde schon nicht zureichend mit den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen auseinandersetzt und auch nicht näher darlegt, in welche Richtung die weiteren Ermittlungen gehen sollen.

Soweit die Beschwerde rügt, ein Stellenplan sei nicht vorgelegt worden, ist dies richtig; die als Anlage 4 zum Bericht vom 16. April 2014 bezeichnete "Stellenbeilage" ist der dem Gericht vorgelegten Kapazitätsberechnung ohne weitere Erläuterung nicht beigefügt worden. Entgegen der Darstellung der Beschwerde, die Antragsgegnerin habe hierzu nicht vorgetragen, führt der Bericht selbst unter 4.1 aber aus, die Stellen für das wissenschaftliche Personal seien gemäß der vom Präsidium und vom Stiftungsrat am 6. Dezember 2012 beschlossenen Stellenbeilage in die Berechnungen einbezogen. Alle an der Lehre beteiligten Stellen dieser Beilage, deren Wertigkeiten und deren Zuordnung zu Lehreinheiten seien i.d.R. unverändert in die Kapazitätsberechnung eingeflossen. Abweichung seien jeweils auf Blatt C der Berechnungen kenntlich gemacht worden. Absehbare Datenänderungen, die in den Berechnungszeitraum fielen, seien einbezogen worden.

Das entspricht - worauf schon das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - der Struktur der vorgelegten Berechnungen, die auf Blatt B jeweils zwischen Planstellen und besetzbaren Stellen unterscheiden und auf Blatt C Bemerkungen zu den nicht besetzten Stellen aufweisen. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin von dem abstrakten Stellenprinzip abgewichen ist, ergeben sich daraus nicht. Mit den aufgeführten Abweichungen setzt sich das Beschwerdevorbringen nicht weiter auseinander.

Im Übrigen hat sich der Senat mit Stellenplänen bislang schwerpunktmäßig unter dem Blickwinkel befasst, unter welchen Umständen diese bei Stiftungsuniversitäten den gebotenen normativen Charakter aufweisen. Dazu verhält sich die Beschwerde jedoch nicht.

Schließlich ergibt sich auch aus einer Antwort der Landesregierung in der Landtags-Drucksache 17/1391 vom 20. März 2014 kein Hinweis darauf, dass der Stellenplan der Antragsgegnerin der Überprüfung bedarf.

Nicht nachvollziehbar ist, weshalb die Beschwerde bestreitet, dass die Ermittlung des Lehrangebots in einem ordnungsgemäßen Verfahren stattgefunden habe und dass die Lehrverpflichtung nach der LVVO ordnungsgemäß umgesetzt worden sei. Welche Deputate angesetzt worden sind, ergibt sich ebenfalls jeweils aus Blatt B der Berechnungen. Konkrete Rügen erhebt die Beschwerde insoweit nicht. Das gleiche gilt für die Deputatsreduzierungen, die jeweils auf Blatt D stichwortartig begründet worden sind. Teilweise halten diese sich ersichtlich in dem Rahmen, der von § 7 Abs. 1 LVVO gesetzt wird. Im Übrigen hätte die Beschwerde Gelegenheit gehabt, auffällige Deputatsreduzierungen gezielt anzusprechen, etwa solche in der Größenordnung von 6 oder 7 LVS oder die "Reduzierung à 4 SWS f. 13 FH-Profs. auf je 14 SWS aufgr. neuer LVVO f. Uni Lbg" (gemeint ist offenbar § 6 a LVVO, wonach die Lehrverpflichtung der Lehrpersonen der Universität C. abweichend von den im Übrigen geltenden Regel- und Höchstlehrverpflichtungen festgelegt werden kann). Die Beschwerde geht insoweit auch nicht auf die - wenn auch kurze - Erläuterung ein, die der Bericht vom 16. April 2013 hierzu unter 4.3 gibt. Sie macht auch nicht etwa geltend, dass die Summe der Deputatsreduzierungen eine Größenordnung erreicht, die Fragen aufwirft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG; der Senat setzt den Streitwert auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig auf den Auffangstreitwert in voller Höhe fest.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).