Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.04.2014, Az.: 5 LA 13/14
Möglichkeit der Erhöhung eines Mindestruhegehalts um einen Kindererziehungsergänzungszuschlag
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.04.2014
- Aktenzeichen
- 5 LA 13/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 14651
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2014:0416.5LA13.14.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 11.12.2013 - AZ: 6 A 2807/12
Rechtsgrundlagen
- § 50a Abs. 7 S. 2 BeamtVG
- § 50b Abs. 3 S. 2 BeamtVG
- § 1 Abs. 3 NBesG a. F.
- § 58 Abs. 8 S. 2 NBeamtVG
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, ob die Erhöhung des Mindestruhegehalts um einen Kindererziehungsergänzungszuschlag beansprucht werden kann.
Tenor:
Das Berufungszulassungsverfahren wird eingestellt, soweit es sich auf das Begehren der Klägerin bezogen hat, ihr für die Zeit ab dem 1. Dezember 2011 einen monatlichen Kindererziehungsergänzungszuschlag zu gewähren.
Auf den Antrag der Klägerin wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 6. Kammer - vom 11. Dezember 2013 zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich des Begehrens der Klägerin, ihr für die Zeit vom 1. August 2009 bis zum 30. November 2011 einen monatlichen Kindererziehungsergänzungszuschlag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2012 zu gewähren, abgewiesen hat.
Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen
5 LB 69/14
geführt.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für den zweiten Rechtszug auf 580,80 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wurde mit Ablauf des 31. Juli 2009 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Sie erhält seit dem 1. August 2009 Versorgungsbezüge. Da die seinerzeit erdienten Versorgungsbezüge einschließlich eines zu berücksichtigenden Kindererziehungsergänzungszuschlags und nach Abzug des Versorgungsabschlags geringer waren als die amtsunabhängige Mindestversorgung, wird der Klägerin ein Ruhegehalt in Höhe der amtsunabhängigen Mindestversorgung einschließlich des Unterschiedsbetrages A 4 für ein Kind gezahlt.
Unter dem 1. März 2011 beantragte die Klägerin, ihr rückwirkend seit dem 1. August 2009 zusätzlich zu der Mindestversorgung einen Kindererziehungsergänzungszuschlag zu gewähren. Die Beklagte lehnte das Begehren ab (Bescheid vom 24.3.2011, Widerspruchsbescheid vom 2.2.2012). Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Dezember 2013, zugestellt am 18. Dezember 2013, abgewiesen.
Die Klägerin hat am 15. Januar 2014 die Zulassung der Berufung beantragt. In ihrer Zulassungsbegründung vom 14. Februar 2014 hat die Klägerin ausgeführt, dass sie die Zulassung der Berufung lediglich insoweit begehre, als ihre Klage die rückwirkende Gewährung eines Kindererziehungsergänzungszuschlags für die Zeit vom 1. August 2009 bis zum 30. November 2011 betreffe. Für die Zeit ab dem 1. Dezember 2011 teile sie die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 17. Februar 2014 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die in der Zulassungsbegründung vom 14. Februar 2014 vorgenommene zeitliche Beschränkung des Begehrens hinsichtlich der Zeit ab dem 1. Dezember 2011 als Rücknahme des Zulassungsantrags gewertet werde. Die Klägerin ist dieser Verfügung nicht entgegengetreten.
II.
1. Das Berufungszulassungsverfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit es sich auf das Begehren der Klägerin bezogen hat, ihr für die Zeit ab dem 1. Dezember 2011 einen monatlichen Kindererziehungsergänzungszuschlag zu gewähren. Denn die Klägerin hat ihren Antrag auf Zulassung der Berufung insoweit mit Schriftsatz vom 14. Februar 2014 zurückgenommen.
2. Soweit das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich des Begehrens der Klägerin, ihr für die Zeit vom 1. August 2009 bis zum 30. November 2011 einen monatlichen Kindererziehungsergänzungszuschlag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2012 zu gewähren, abgewiesen hat, sind die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfüllt. Denn insoweit bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.4.2008 - 5 LA 154/07 -).
Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Vorbringen der Klägerin zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, soweit das Verfahren das Begehren der Klägerin betrifft, ihr für die Zeit vom 1. August 2009 bis zum 30. November 2011 einen monatlichen Kindererziehungsergänzungszuschlag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2012 zu gewähren.
Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil die Auffassung vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, rückwirkend vom 1. August 2009 bis zum 30. November 2011, dem Tag vor dem Inkrafttreten des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG, gemäß § 1 Abs. 3 NBesG a. F. in Verbindung mit § 50 b Abs. 3 Satz 2 und § 50 a Abs. 7 des Beamtenversorgungsgesetzes in der bis zum 31. August 2006 gültigen Fassung (BBesG a. F.) zusätzlich zu der Mindestversorgung einen monatlichen Kindererziehungsergänzungszuschlag zu erhalten. Bei der landesrechtlichen Regelung des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG, die die Berücksichtigung des Kindererziehungsergänzungszuschlags für die Zeit ab dem 1. Dezember 2011 ausdrücklich ausschließe, handele es sich - ebenso wie bei der mit Wirkung vom 12. Februar 2009 in das Beamtenversorgungsgesetz des Bundes eingefügten Bestimmung des § 50 a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG - lediglich um eine Klarstellung der Rechtslage, die ohnehin auch bereits zuvor bestanden habe.
Die von dem Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten.
Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung maßgeblich auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Juli 2011 (- 10 A 10132/11 -, [...] Rn 24 ff.) gestützt. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in dem vorgenannten Urteil die Auffassung vertreten, dass das Mindestruhegehalt mit dem Kindererziehungsergänzungszuschlag "nichts zu tun" habe. Falls das erdiente Ruhegehalt einschließlich etwaiger Zuschläge (z. B. des Kindererziehungsergänzungszuschlags) für den Beamten ungünstiger sei als das Mindestruhegehalt, gehe es einschließlich etwaiger Zuschläge in dem Mindestruhegehalt "unter" (OVG Rh.-Pf., Urteil vom 22.7.2011, a. a. O., Rn 29 f.). Diese Rechtsauffassung wird auch in der Literatur vertreten (vgl. GKÖD, Band I, Teil 3c, Versorgungsrecht Kommentar II, § 50 a BeamtVG, Stand: Februar 2005, Rn 10 und 61; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Band II, § 50 a BeamtVG, Stand: Oktober 2012, Anm. 3 a; Plog/Wiedow, BBG, Band 2, § 50 a BeamtVG, Stand: Juni 2007, Rn 93).
Demgegenüber wird in der ganz überwiegenden Rechtsprechung eine gegenteilige Rechtsauffassung vertreten. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seinem rechtskräftigen Urteil vom 12. Februar 2013 (- 3 A 2192/10 -, [...] Rn 30 ff.) die Auffassung vertreten, der Anspruch auf die in den §§ 50 a ff. BeamtVG a. F. geregelten Zuschläge zum Ruhegehalt bestehe unabhängig von der Berechnung des Ruhegehaltes, auch wenn gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG a. F. das amtsunabhängige Mindestruhegehalt gewährt werde. Bei der mit Wirkung vom 12. Februar 2009 in das Beamtenversorgungsgesetz des Bundes eingefügten Bestimmung des § 50 a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG handele es sich nicht lediglich um eine bloße Klarstellung einer zuvor ohnehin bereits bestehenden Rechtslage (OVG NRW, Urteil vom 12.2.2013, a. a. O., Rn 43). Diese Rechtsauffassung wird auch vom Verwaltungsgericht Potsdam (Urteil vom 6.12.2006 - 2 K 3619/03 -, [...] Rn 17), vom Verwaltungsgericht Frankfurt (Urteil vom 20.8.2007 - 9 E 3794/06 -, [...] Rn 16), vom Verwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 14.7.2009 - 26 A 263.05 u. a. -, [...] Rn 18; Urteil vom 24.9.2009 - 5 A 200.07 -, [...] Rn 13) und vom Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urteil vom 14.11.2011 - 23 K 6040/09 -, [...] Rn 17; Urteil vom 17.2.2014 - 23 K 8455/13 -, [...] Rn 25) vertreten (vgl. auch OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 17.11.2011 - OVG 4 B 71.09 -, [...] Rn 17 f.; Urteil vom 29.6.2012 - OVG 4 B 2.10 -, [...] Rn 29).
Das Bundesverwaltungsgericht hat die hier streitige Rechtsfrage - soweit ersichtlich - noch nicht beantwortet. In dem Beschwerdeverfahren, das die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Juli 2011 (a. a. O.) betraf, war die Frage zwar aufgeworfen worden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage in seinem Beschluss vom 17. April 2013 (- BVerwG 2 B 109.11 -, [...] Rn 7), mit dem es die Beschwerde zurückgewiesen hat, jedoch nicht beantwortet, weil es die Frage als in jenem Fall nicht entscheidungserheblich eingestuft hat.
Angesichts des Meinungsstreites, der zu der von dem Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsauffassung besteht, ist ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg.
Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124 a Abs. 5 Satz 5 VwGO). Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, oder Postfach 2371, 21313 Lüneburg, einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124 a Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 6 VwGO).
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG (24 Monate x 24,20 € = 580,80 €).
4. Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).