Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.04.2014, Az.: 2 PA 115/14

Begründung eines Antrags auf Gestattung der nochmaligen Wiederholung der zweiten Staatsprüfung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.04.2014
Aktenzeichen
2 PA 115/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 14652
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0423.2PA115.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 04.01.2014 - AZ: 6 A 6829/12

Amtlicher Leitsatz

Zu den Anforderungen an die Begründung eines Antrags auf Gestattung der nochmaligen Wiederholung der zweiten Staatsprüfung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 NJAG.

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 6. Kammer (Einzelrichter) - vom 4. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Das Verwaltungsgericht hat eine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens der Klägerin (§ 166 VwGO i.V.m. (jetzt:) § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) zu Recht verneint. Der Senat macht sich die zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses zu eigen und verweist deshalb auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit der Klägerin davon aus, dass an die Prüfung der Erfolgsaussicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen; die insoweit vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung formulierten Anforderungen werden vom Senat ebenfalls in ständiger Praxis zugrunde gelegt. Hier sind die maßgeblichen Fragen - wie das Verwaltungsgericht mit entsprechenden Nachweisen ausgeführt hat - in der Rechtsprechung hinreichend geklärt; das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

Der Senat selbst hat zu § 17 Abs. 2 Satz 1 NJAG bereits mit Beschluss vom 22. März 2007 (- 2 LA 756/06 -, n.v.) ausgeführt (im gleichen Sinne Beschl. v. 7.3.2007 - 2 LA 386/05 -, n.v.):

"Der Gesetzgeber hat mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der "außergewöhnlichen Beeinträchtigung" eine persönliche Situation des Prüflings gekennzeichnet, die über die mit der Situation und den Inhalten einer Prüfung verbundenen typischen Belastungen weit hinausgeht und der er sich nicht entziehen kann, weil ihr Eintritt unerwartet und nicht abwendbar erscheint. Eine derartige atypische individuelle Sonderlage ist etwa bei im Privatbereich wurzelnden unerwarteten Schicksalsschlägen gegeben, die aus dem Rahmen gewöhnlicher privater Konfliktsituationen deutlich herausfallen. Gründe, die die Rechtmäßigkeit bereits abgelegter Prüfungen betreffen und durch Rücktritt von der Prüfung oder deren Anfechtung hätten geltend gemacht werden können und müssen, bleiben bei der Entscheidung über die Zulassung zu einer zweiten Wiederholungsprüfung außer Betracht. Denn andernfalls würde die Unanfechtbarkeit der bereits getroffenen Prüfungsentscheidungen unterlaufen. Dies gilt insbesondere, wenn sich der Prüfling in Kenntnis seiner Leistungsbeeinträchtigung dem Prüfungsrisiko aussetzt (Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 2. Aufl. 2001, Rndr. 38 f. m. w. N.). Die Klägerin übersieht mithin bei ihrer Kritik, dass - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - sie gehalten war, gesundheitliche Beeinträchtigungen im Rahmen des ersten Wiederholungsverfahrens zeitnah geltend zu machen. Eine (erst- oder nochmalige) Berücksichtigung derartiger Verfahrensfehler im Rahmen von § 17 Abs. 2 Satz 1 NJAG bei der Prüfung der "außergewöhnlichen Beeinträchtigungen" scheidet aus. Ein Wahlrecht steht dem Prüfling insoweit nicht zu. Bei den von der Klägerin vorgetragenen Gründen handelt es sich ausschließlich um gesundheitliche Gründe, die sie im Widerspruchsverfahren hinsichtlich ihrer ersten Wiederholungsprüfung hätte geltend machen können und müssen."

Soweit die Klägerin demgegenüber unter Berufung auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (Beschl. v. 13.3.1996 - 4 S 1684/95 -) und des Verwaltungsgerichts Freiburg (Beschl. v. 24.7.2007 - 1 K 1177/07 -) geltend gemacht hat, ein Indiz für das Vorliegen außergewöhnlicher Beeinträchtigungen könne auch darin liegen, dass die in den anderen Prüfungsteilen erzielten Noten deutlich besser seien, beruhten die genannten Entscheidungen auf anders ausgestalteten Rechtsgrundlagen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim lag § 22 Abs. 3 der Verordnung des baden-württembergischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen - RPO I - vom 30.6.1981 (GBl. S. 351) zugrunde, wonach eine zweite Wiederholung nur mit Genehmigung des Prüfungsamtes möglich war, sofern der Bewerber unter Einschluss der Wiederholungsprüfung einen für die Gesamtnote maßgebenden Durchschnitt von mindestens 4,0 erreicht hatte und ein besonderer Härtefall vorlag. Eine außergewöhnliche Beeinträchtigung war mithin nicht vorausgesetzt; zudem war das übrige Notenniveau unmittelbar im Tatbestand der Norm angesprochen. Das Verwaltungsgericht Freiburg hatte demgegenüber von einer Prüfungsordnung auszugehen, die überhaupt nur regelte, dass über Ausnahmen der Prüfungsausschuss entscheide. Mit der hier in Rede stehenden Regelung war dies nicht vergleichbar. Ähnlich verhielt es sich in dem Fall, der einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zugrunde lag (Urt. v. 26.11.1993 - 22 A 3246/92 -, DVBl. 1994, 652); danach war eine zweite Wiederholung derselben Fachprüfung oder der ganzen Diplom-Vorprüfung nur in "begründeten Ausnahmefällen" zulässig. Im Übrigen ist eine für alle Bundesländer und Prüfungssituationen einheitliche Regelung und/oder Handhabung auch nicht durch Art. 3 Abs. 1 GG gefordert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.11.1998 - 6 PKH 11/98 -, NVwZ-RR 1999, 245; Beschl. v. 30.3.2000 - 6 B 8.00 -, NVwZ-RR 2000, 503).

Soweit das Verwaltungsgericht Freiburg auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darüber zurückgegriffen hat, wie oft eine Wiederholungsprüfung zuzulassen sei (Beschl. v. 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82 und 174/84 -, DVBl. 1989, 814), ist dort nach Erörterung verschiedener Gesichtspunkte nur zum Ausdruck gebracht worden, ein Ausschluss jeder Wiederholungsmöglichkeit könne verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen. Die Beschränkung auf eine einmalige Wiederholung kann hiernach erst recht - auch wenn es dabei um eine subjektive Berufszugangsschranke geht - von Verfassungs wegen nur zu beanstanden sein, wenn Besonderheiten der jeweiligen Prüfung erwarten lassen, dass damit der Berufszugang unverhältnismäßig eingeschränkt wäre. Dafür gibt es in Bezug auf die zweite juristische Staatsprüfung keine Anhaltspunkte (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 12.11.1998, a.a.O.).

Hat der Landesgesetzgeber mithin zulässigerweise eine zweite Wiederholungsmöglichkeit nur unter engen Voraussetzungen vorgesehen, liefe eine dies nicht hinreichend ernst nehmende Auslegung und Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 1 NJAG ihrerseits Gefahr, gegen den prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit zu verstoßen, weil der Prüfling damit ohne hinreichende verfassungsrechtliche Rechtfertigung besser gestellt würde als die anderen Prüflinge, denen diese weitere Chance nicht offen steht.

Der Senat hat deshalb keinen Anlass, von seiner eigenen, oben dargestellten Rechtsprechung abzugehen.

Diese umschreibt nicht nur einen materiell-rechtlichen Maßstab, sondern hat unmittelbare Auswirkungen bereits für die Anforderungen an die inhaltliche Substantiierung der Antragsbegründung. Da es sich bei den "Beeinträchtigungen" im Zweifel um Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Prüflings handelt, muss dieser sie selbst plausibel und detailreich darlegen; ist es regelmäßig nicht Sache der Behörde bzw. nachfolgend des Gerichts, solche Umstände von sich aus aufzudecken.

Hier sind die von der Klägerin bis jetzt gegebenen Begründungen mangels hinreichender Substantiierung unzureichend geblieben. Infolgedessen haben der Beklagte und das Verwaltungsgericht völlig zu Recht diese Begründungsdefizite in den Mittelpunkt ihrer jeweiligen Entscheidung bzw. auch ihres Vorbringens im Streitverfahren gestellt. Auf weitere materiell-rechtliche Erwägungen kam es hiernach nicht mehr an.

Insbesondere hat die Klägerin nicht einmal nach Aufforderung hinreichend konkretisiert, welche Folgen der Verkehrsunfall, den ihre Mutter vor der Prüfung im Ausland erlitten hatte, für sie in der Prüfungsphase hatte. Sie hat zwar dargelegt, eine der "möglichen Folgen" dieses Verkehrsunfalles sei es gewesen, dass sie sich um ihre Mutter im Ausland zu kümmern gehabt hätte. Dieser Fall ist aber ersichtlich nicht eingetreten.

Soweit sie ihre Begründung nachträglich durch den Vortrag ergänzt hat, ihr Lebensgefährte habe nach sechs Jahren kurz vor dem Examen die Beziehung mit ihr beendet, waren die daraus gezogenen Folgerungen unschlüssig. Sie hat zum einen die Auffassung vertreten, die emotionalen und finanziellen Folgen hätten ein Fernbleiben von der Prüfung aus gesundheitlichen Gründen nicht gerechtfertigt. Zum anderen hat sie aber auch geltend gemacht, sie habe in acht Wochen acht Kilogramm Körpergewicht verloren. Während der schriftlichen Prüfung sei "eine völlige Blockade, Blackout" aufgetreten. Die Richtigkeit letzterer Behauptung unterstellt, wäre ein Rücktritt von der Prüfung nicht ohne Erfolgschancen gewesen.

Auf nochmalige Aufforderung zur Substantiierung hat die Klägerin zwar - abgesehen von Angaben zur Art der Verletzung ihrer Mutter und einer Bestätigung ihres früheren Lebensgefährten, dass die Trennung erfolgt sei -, noch vorgebracht, dass sie ihrer Mutter psychischen Beistand geleistet habe und sie sich dabei selbst in einer zusätzlichen Stress- und Schocksituation befunden habe. Nach Ergehen des Ablehnungsbescheides hat sie dann aber keine Gelegenheit mehr genommen, die außergewöhnliche Beeinträchtigung in ihren Einzelheiten nachvollziehbar darzulegen.

Insgesamt erschöpfte sich die von der Klägerin gegebene Begründung mithin in Äußerlichkeiten, obwohl die geltend gemachten Sachverhalte für sich genommen möglicherweise geeignet gewesen wären, als Gründe für eine außergewöhnliche Beeinträchtigung anerkannt zu werden. Der Klägerin ist insoweit keine Selbstentblößung in Bezug auf das von ihr empfundene persönliche Leid abverlangt worden, sondern nur eine nähere Darlegung der Auswirkungen der Schicksalsschläge auf ihre Lebensumstände. Soweit sie für sich die Entscheidung trifft, von deren näherer Darlegung abzusehen, ist ihr dies unbenommen; sie muss dann nur die Konsequenz hinnehmen, dass eine ihr günstige Entscheidung nach § 17 Abs. 2 NJAG auf dieser Grundlage nicht ergehen kann.

Vor diesem Hintergrund sind weder der Ablehnungsbescheid noch die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu beanstanden. Soweit die Beschwerde rügt, dass das Verwaltungsgericht eine eigene Abwägungsentscheidung getroffen habe, die rechtlich nur der Behörde zustehe, verfehlt dies den Prüfungsansatz des Verwaltungsgerichts. Dieses hat in der Sache zutreffend nur befunden, dass das bisherige Vorbringen der Klägerin die Annahme eines Anspruchs auf nochmalige Wiederholung nicht trage. Darin liegt keine unzulässige Beweisantizipation, weil das Verwaltungsgericht auf der Grundlage des bisherigen Vorbringens keinen Beweis zu erheben hätte. Das käme vielmehr nur in Betracht, wenn die Klägerin ihr Vorbringen erstmals zureichend substantiierte und alsdann streitig bliebe, ob sie zutreffende Angaben gemacht hat.

Das Verwaltungsgericht durfte bei der Bewertung, ob die (ergänzte) Antragsbegründung für sich genommen eine der Klägerin günstige Entscheidung trug, auch den Umstand mit einbeziehen, dass die Klägerin ihren Vortrag hinsichtlich des Verlustes an Körpergewicht noch nicht belegt hatte, zumal der Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 21. Februar 2013, die durchgängig auf mangelnde Substantiierung des Vorbringen der Klägerin abstellte, gerade auch beanstandet hat, dass der Gewichtsverlust nicht glaubhaft gemacht worden sei, etwa durch Aussage Dritter.

Nach § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).