Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.04.2014, Az.: 7 OA 20/14

Statthaftigkeit einer Streitwertbeschwerde; Gebühren in einem Verfahren über eine unstatthafte Beschwerde

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.04.2014
Aktenzeichen
7 OA 20/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 13228
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0402.7OA20.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 07.01.2014

Fundstelle

  • JurBüro 2014, 381-382

Amtlicher Leitsatz

Nicht zugelassene Streitwertbeschwerden, deren Beschwerdegegenstand die Wertgrenze von 200 EUR nicht übersteigt, sind unstatthaft; das Verfahren über sie ist nicht gebührenfrei.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Berichterstatterin - vom 7. Januar 2014 wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist nach § 68 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GKG (i. V. m. § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG) unstatthaft, weil weder das Verwaltungsgericht die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat noch der Wert des Beschwerdegegenstands 200 EUR übersteigt.

Das Verwaltungsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes auf 500 EUR festgesetzt. Hieraus errechnet sich ein Vergütungsanspruch (vgl. hierzu auch § 17 Nr. 4 c RVG) der Beschwerdeführerin von 83,54 EUR als Summe aus:

1. Anwaltsgebühr (vgl. Bischof, in Bischof u. a., RVG , 6. Aufl. 2014, Vorbem. 3.1 VV Rn. 2) VVNR 3100: 1,3 x 45 EUR = 58.50 EUR

2. Kostenpauschale VVNR 7002: 11,70 EUR (= 58,50 EUR x 20%)

3. Umsatzsteuer VVNR 7008 (19% von 2. + 3.): 13,34 EUR

Nach dem mit der Beschwerde angestrebten Streitwert von 812,50 EUR ergäbe sich zwar ein Vergütungsanspruch von 147,56 EUR:

1. Anwaltsgebühr VVNR 3100: 1,3 x 80 EUR = 104 EUR

2. Kostenpauschale VVNR 7002: 20 EUR

3. Umsatzsteuer VVNR 7008 (19% von 2. + 3.): 40,85 EUR

Die als Wert des Beschwerdegegenstandes zu betrachtende Differenz des bestehenden und des erstrebten Vergütungsanspruchs beträgt aber lediglich 64,02 EUR (= 147,56 EUR - 83,54 EUR) und liegt damit unterhalb des erforderlichen Beschwerdewerts.

Die Kostenlastentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und ist nicht im Hinblick auf § 68 Abs. 3 GKG entbehrlich. Denn § 68 Abs. 3 GKG gilt nur für statthafte Verfahren, sodass das Verfahren über eine unstatthafte Streitwertbeschwerde nicht gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG generell gebührenfrei ist (BGH, Beschl. v. 3. 3. 2014 - IV ZB 4/14 -, [...]; BVerwG, Beschl. v. 17. 11. 1994 - BVerwG 11 B 110.94 -, NVwZ-RR 1995, 361; Nds. OVG, Beschl. v. 11. 11. 2013 - 1 OA 191/13 -, [...], Langtext Rn. 3, m. w. N.). Unstatthaft ist eine Beschwerde nicht nur dann, wenn sie zu Gerichten eines bestimmten Rechtszuges bedingungslos ausgeschlossen ist, sodass das potentielle Beschwerdegericht sich in keinem Fall (vgl. BGH, Beschl. v. 14. 6. 2007 - V ZB 42/07 -, [...], Langtext Rn. 1) mit der Überprüfung von Entscheidungen solcher Art befassen soll. Denn die Statthaftigkeit eines Rechtsbehelfs bedeutet lediglich, dass er gegen eine Entscheidung überhaupt stattfinden kann, d. h. durch die Rechtsordnung überhaupt zugelassen wird (Creifelds, Rechtswörterbuch, 20. Aufl. 2011, Schlagwort "Statthaftigkeit"). Für die zivilprozessualen Rechtsmittel wird sie zwar bereits bejaht, wenn eine mit dem jeweiligen Rechtsmittel anfechtbare Entscheidung vorliegt und das Rechtsmittel von einem hierzu berechtigten Beteiligten eingelegt ist (Heßler, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, vor § 511, Rn. 6). Das Erreichen der sogenannten "Erwachsenheitssumme" wird nicht als Voraussetzung der Statthaftigkeit, sondern nur der Zulässigkeit des Rechtsmittels eingeordnet (so bereits Rosenberg/Schwab, Zivilprozessrecht, 14. Aufl. 1986, § 137 II. 1. [S. 859], vgl. auch Heßler, a. a. O., vor § 511 Rnrn. 6 und 8). Letzteres ergibt sich aber nicht aus der "Natur der Sache", sondern aus dem Wortlaut der Zivilprozessordnung, welche eine derartige Einordnung der Berufungs- und Beschwerdesummen sprachlich vorgibt (vgl. die §§ 511 Abs. 1 und 567 Abs. 1 ZPO einerseits und die §§ 511 Abs. 2 Nr. 1 und 567 Abs. 2 ZPO andererseits). Denn allein dem Gesetzgeber obliegt es zu bestimmen, wie er die Voraussetzungen umreißt, unter denen ein Rechtsmittel grundsätzlich gegeben und damit statthaft sein soll. Dementsprechend kann er gleichartige Sachentscheidungsvoraussetzungen unterschiedlich einordnen: So ist etwa die Zulassung des Rechtsmittels im Falle der zivilprozessualen Revision eine Voraussetzung der Statthaftigkeit des Rechtsmittels (§§ 542 Abs. 1 und 543 Abs. 1 ZPO), für die zivilprozessuale Berufung dagegen nur eine Zulässigkeitsbedingung (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Terminologie des Gerichtkostengesetzes mag in anderen seiner Vorschriften Zweifel aufwerfen (vgl. § 66 Abs. 2 GKG). Dies gilt aber nicht für den hier in Rede stehenden § 68 GKG. Denn wie sich gerade aus einem Vergleich des Wortlauts des § 68 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GKG ("... findet die Beschwerde statt, ..." ; "Die Beschwerde findet auch statt, ...") mit dem Wortlaut des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG unschwer erschließt ("Die Beschwerde ist nur zulässig, ..."), wird hier das alternative Überschreiten der Wertgrenze von 200 EUR oder die Zulassung der Streitwertbeschwerde - anders als etwa im Falle der zivilprozessualen Berufung (vgl. § 511 Abs. 1 und Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ZPO) - sprachlich unmissverständlich gegenüber anderen Zulässigkeitsbedingungen hervorgehoben, und zwar als Voraussetzung bereits der Statthaftigkeit des Rechtsmittels. Nicht zugelassene Streitwertbeschwerden, deren Beschwerdegegenstand die Wertgrenze von 200 EUR nicht übersteigt, sind daher nicht nur einfach unzulässig, sondern unstatthaft. Deshalb sind die Verfahren über sie nicht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG gerichtsgebührenfrei (Nds. OVG, Beschl. v. 7. 2. 2007 - 5 OA 109/07 -, NVwZ-RR 2007, 429, hier zitiert nach [...], Langtext Rn. 2; Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl. 2013, § 68 GKG Rn. 21; a. A. Schneider, Kostenerstattung in Verfahren über die Beschwerde oder Rechtsbeschwerde gegen eine gerichtliche Wertfestsetzung, NJW 2011, 2628 [2630, unter V.]). Auch die Erhebung von Auslagen ist in Verfahren über unstatthafte Streitwertbeschwerden nicht ausgeschlossen (vgl. Kostenverzeichnis - KV - [Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG] Teil 9. Auslagen, Vorbemerkung 9 Abs. 1).

In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses ist darauf hingewiesen worden, unter welchen Voraussetzungen die Beschwerde statthaft ist. Die anwaltliche Beschwerdeführerin hat zudem durch den Berichterstatter zweiter Instanz Gelegenheit erhalten, die Statthaftigkeit ihrer Beschwerde nochmals zu überprüfen und durch deren Rücknahme die Erfüllung eines Gebührentatbestands (KVNR 5502) zu vermeiden. Sie hat davon jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil im Verfahren über die unstatthafte Beschwerde lediglich eine Festgebühr (KVNR 5502) anfällt.