Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.04.2014, Az.: 1 LA 131/13

Führen eines zweiten Rettungswegs (hier: Feuer(außen)treppe) eines Altenheims durch ein mit Pflegebedürftigen belegten Zimmer

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.04.2014
Aktenzeichen
1 LA 131/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 14952
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0416.1LA131.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 19.06.2013 - AZ: 12 A 3309/13

Fundstellen

  • NVwZ-RR 2014, 588-590
  • NVwZ-RR 2014, 6
  • NdsVBl 2014, 322-323

Amtlicher Leitsatz

Der zweite Rettungsweg (hier: Feuer(außen)treppe) eines Altenheimes darf im Regelfall nicht durch ein Zimmer führen, das mit Pflegebedürftigen belegt ist.

Tenor:

Die Anträge, die Berufung gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer (Einzelrichterin) - vom 19. Juni 2013 zuzulassen, werden abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten der Zulassungsverfahren.

Unter Änderung der Festsetzungen in den angegriffenen Urteilen wird der Streitwert für beide Zulassungsverfahren und beide Ausgangsverfahren auf jeweils 25.000,-- € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin möchte erreichen, drei Räume, die im Hochparterre sowie dem 1. und 2. Obergeschoss des etwa im Jahr 1924 errichteten (BA F 1 LA 130/13) und denkmalgeschützten Gebäudes C. straße 1 in D. gelegen sind, mit jeweils zwei Personen belegen, als Evakuierungsräume für die auf diesen Geschossen untergebrachten Wohngruppen und zugleich als Zuwegung für eine an der Gebäudeaußenwand angebrachte Feuertreppe (2. Rettungsweg) verwenden zu können. Ein Voreigentümer, die Landesversicherungsanstalt Hannover - Abteilung Krankenversicherung -, hatte etwa im Jahre 1976 an die Gebäudesüd-, d. h. -rückwand eine von Ost nach West schräg herabführende metallene Feuertreppe angefügt (BA G 1 LA 130/13). Diese ist in den beiden Obergeschossen von Fenstern in der Ost- bzw. Westachse des südlichen Risalits zu erreichen und reicht dergestalt bis zum zweiten Fenster im Hochparterre, dass vor jedem Fenster in den drei Geschossen ein in etwa quadratisches Podest angebracht ist.

Im Dezember 2011 stellte die Klägerin die Umnutzung des Gebäudes zu einem Alten- und Altenpflegeheim zur Genehmigung. Insgesamt 37 Personen (jeweils 9 in Erd- und Dach/2. Obergeschoss, 11 im 1. OG und 2 im Kellergeschoss) sollten dort untergebracht, dabei auf jeder Etage eine Wohngruppe betreut werden. Die Klägerin gab an (vgl. BA A dieses Verfahrens, dort namentlich Bl. 169), sie wolle die Zimmer (EG: Zimmer 3; 1. OG: Zimmer 2 und 2. OG/DG: Zimmer 1), von denen die Feuertreppe erreicht werden kann, von jeweils zwei Personen und zugleich als sog. Evakuierungsraum für einen Teil der Wohngruppe nutzen lassen. Dazu sollten (nur) diese Zimmer mit T30-RS-Türen versehen und sichergestellt werden, dass die Möbel dieser beiden Personen den teils gerade, teils verschwenkt zum Fenster verlaufenden Fluchtweg nicht verstellen.

In den Bauschein vom 31. März 2013 nahm der Beklagte folgende Bestimmungen auf:

1.2 Die in den Antragsunterlagen dargestellten Zimmer 3 -EG, Zimmer 2 -OG und Zimmer 1 -DG sind ausschließlich als Evakuierungsräume zu nutzen. Die gleichzeitige Nutzung dieser Zimmer 1, 2 und 3 als Bewohnerzimmer widerspricht den öffentlich-rechtlichen Vorschriften und wird hiermit abgelehnt. Ihrem Antrag auf Genehmigung von 37 Betten kann insoweit nicht entsprochen werden.

2. Das <<Brandschutzkonzept BSK 12/27 V 122303 des Dr. Ing. E. F. >> wird verpflichtender Bestandteil der Baugenehmigung; unter Berücksichtigung der Regelungen in I. und Nr. 1.1 und I. - Nr. 1.2 dieses Bescheides.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2011 hatte der Beklagte der Klägerin unter Anordnung des Sofortvollzuges die Nutzung der drei Räume als bewohnte Zimmer untersagt. Das Eilverfahren ging zum Nachteil der Klägerin aus (B. des VG Hannover vom 29.2.2012 - 12 B 539/12 -; Senatsb. v. 30.5.2012 - 1 ME 54/12 -).

Das Verwaltungsgericht hat die (Anfechtungs- und Verpflichtungs-) Klagen mit den angegriffenen Entscheidungen, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, und im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen:

Ein Anspruch auf uneingeschränkte Genehmigung des Vorhabens dergestalt, dass die drei genannten Zimmer allen drei genannten Zwecken (zwei Belegbetten, Evakuierung und Durchgang zur Außentreppe) dienten, stehet der Klägerin nicht zu. Weil das inliegende Treppenhaus keinen Sicherungstreppenraum darstelle, müsse das Gebäude einen zweiten Rettungsweg aufweisen. Zu diesem führende "notwendige Flure" dürften nach § 17 Abs. 5 DVNBauO (vom 11.3.1987, GVBl. S. 29) nicht durch "andere Räume" unterbrochen werden. Als solche seien die "Evakuierungszimmer" aber anzusehen, wenn sie mit jeweils zwei Bewohnern belegt seien und damit ein brandtechnisches Sicherheitsrisiko enthielten; denn dann enthielten sie in der Regel Brandlasten, deren Realisierung den zweiten Rettungsweg blockierte. § 13 Abs. 1 Satz 2 DVNBauO privilegiere nur normale Wohnnutzung, nicht aber die mit erhöhten Ansprüchen einhergehende Nutzung als Alten- und Pflegeheim. Hinsichtlich der Anfechtungsklage (Nutzungsuntersagung) hat das Verwaltungsgericht seinen Eilbeschluss vom 29.2.2012 (12 B 539/12) wiederholt und angefügt, zwischenzeitlich habe sich keine Änderung ergeben, welche eine der Klägerin günstigere Entscheidung rechtfertige. Der Beklagte habe vielmehr die Erteilung einer uneingeschränkten Baugenehmigung zu Recht abgelehnt.

Hiergegen richten sich die auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 und 5 VwGO gestützten Zulassungsanträge der Klägerin, welchen der Beklagte entgegen tritt.

Die Anträge haben keinen Erfolg. Zu den im Wesentlichen gleichlautenden Zulassungsantragsbegründungen sind folgende Ausführungen veranlasst.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn es dem Zulassungsantragsteller gelingt, einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage zu stellen (BVerwG, 2. Kammer des Ersten Senats, B. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458, 1459 = NVwZ 2000, 1163 = NdsVBl. 2000, 244), dass sich hierdurch etwas am Ergebnis der angegriffenen Entscheidung ändert; dieses entscheidet. Der Erfolg des Rechtsmittels muss nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg (BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 = UPR 2004, 305 = NJW 2004, 2510 [BVerfG 03.03.2004 - 1 BvR 461/03]). Das Zulassungsverfahren soll nicht das Berufungsverfahren vorwegnehmen (BVerfG, B. v. 21.1.2009 - 1 BvR 2524/06 -, NVwZ 2009, 515 = UPR 2009, 182 = JZ 2009, 850).

Das darzutun ist der Klägerin nicht gelungen.

Ihr Angriff, das Vorhaben sei womöglich von früher erteilten Genehmigungen erfasst, ist zu unsubstantiiert (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), als dass es ernstliche Zweifel begründen könnte. Die Klägerin stellt in den wegen der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO maßgeblichen Antragsbegründungsschriften vom 26. August 2013 lediglich die Möglichkeit in den Raum, eine nach ihrer Einschätzung gebotene Untersuchung aller überreichten Verwaltungsvorgänge durch die Einzelrichterin hätte diese zur Einschätzung gelangen lassen müssen, die in Rede stehende Nutzung sei auch für das zur Genehmigung gestellte Vorhaben bestandskräftig genehmigt. Mit der gebotenen Substanz wäre dies erst dann dargelegt gewesen, wenn die Klägerin auf der Grundlage der durchgeführten Akteneinsicht (Schriftsatz vom 12.8.2013, Bl. 75 GA; Übersendung mit Verfügung vom 13.8.2013, Bl. 78 GA) die Bauscheine bezeichnet hätte, die das einschließen. Das fehlt.

Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge greift ebenfalls nicht durch. Das Zulassungsverfahren ist nicht dazu da, die Versäumnisse zu heilen, welche einem anwaltlich beratenen Kläger in erster Instanz unterlaufen sind (vgl. BVerwG Urt. v. 25.2.1993 - 2 C 14.91 -, DVBl. 1993, 955). Wenn die Klägerin meinte, die in beiden Verfahren zahlreich überreichten Verwaltungsvorgänge bildeten das Baugeschehen auf ihrem Grundstück nicht vollständig ab, hätte sie auf eine Vervollständigung von Akten hinwirken müssen. Das Zulassungsantragsvorbringen enthält zudem keine Schilderung, die überreichten (und übersandten) Vorgänge enthielten für bestimmte Zeiträume lückenhafte Einträge, so dass die Annahme plausibel wäre, für bislang nicht oder nur unvollständig erfasste Nutzer könnten solche Genehmigungen erteilt worden sein. Es kommt schließlich hinzu, dass die Klägerin ein recht spezielles Konzept zur Unterbringung und Behandlung der alten und pflegebedürftigen Personen zur Genehmigung gestellt hat (etagenweise Unterbringung in Gruppen). Da liegt es nicht auf der Hand, für Vergleichbares seien einst Genehmigungen erteilt worden, welche ungeachtet der Pflicht, die Nutzungsänderung insgesamt zur Genehmigung zu stellen, zum Vorteil der Klägerin fortwirkten.

Nicht im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ernstlich zweifelhaft ist ferner die Annahme des Verwaltungsgerichts, die oben genannten drei Räume dürften - außer als Evakuierungsraum - nicht zugleich der Unterbringung jeweils zweier Pflegebedürftiger dienen. In seinem Eilbeschluss vom 30. Mai 2012 - 1 ME 54/12 - hatte der Senat dazu ausgeführt:

In jedem Fall entspricht die Forderung mit der Folge materiell dem Bauordnungsrecht, dass die Beschwerde insoweit aus diesem Grund ohne Erfolg bleiben muss. Nach § 20 Abs. 1 NBauO müssen bauliche Anlagen so angeordnet, beschaffen und für ihre Nutzung geeignet sein, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und - das steht hier in Rede - bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Welche Anforderungen im Einzelfall zu stellen sind, richtet sich nach dessen Eigenheiten. Notwendig ist nach § 20 Abs. 2 NBauO, dass das Vorhaben über einen zweiten Rettungsweg verfügt. Entgegen der Annahme der Antragstellerin ist dabei gerade nicht vorzustellen, dass sowohl das Haupttreppenhaus als auch der zweite Rettungsweg im Brandfall unbenutzbar sind. Der vom Gesetz vorgestellte Regelfall ist vielmehr der, dass der erste Rettungsweg ausfällt und die Bewohner auf einen zweiten nutzbaren Rettungsweg angewiesen sind. Es mag nun zwar sein, dass als Alternative dazu ein Sicherheits(treppen)raum in Betracht kommt. Ein solcher ist hier aber gerade in der Gestalt der in Rede stehenden drei Zimmer nicht vorhanden. Dazu sind diese baulich nicht entsprechend armiert.

Bei der Ausgestaltung des notwendigen zweiten Rettungsweges sind zum einen die Anforderungen zu beachten, welche die Durchführungsverordnung zur Niedersächsischen Bauordnung (Urfassung vom 11.3.1987, GVBl. S. 29; DVNBauO) stellt, zum anderen § 20 NBauO unmittelbar anzuwenden. Im Hinblick auf den letztgenannten Gesichtspunkt hat das Verwaltungsgericht zutreffend auf den Nutzerkreis hingewiesen. Dieser schließt es mit Rücksicht auf die fehlende Beweglichkeit - dort werden Personen bis zur Pflegestufe III betreut - aus, die betagten, teilweise sogar pflegebedürftigen Nutzer bei Unbenutzbarkeit des ersten Rettungsweges (Treppenhaus) nur über Außenleitern zu bergen (§ 13 Abs. 1 Satz 2, Alt., 1 DVNBauO). Die von der Antragstellerin angestellten Betrachtungen beziehen sich auf eine abgeschlossene Wohnung. Dort kann es ausreichen, wenn deren Bewohner über einen (von mehreren) zur Wohnung gehörenden Raum von außen von der Feuerwehr erreicht werden können. Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht, sondern um Wohngruppen, deren Zimmer um einen zentralen Flur angeordnet sind.

Erforderlich ist mithin ein zweiter Rettungsweg, der im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 2, Alt. 2 DVNBauO als zweite/weitere weitere notwendige Treppe ausgestaltet ist. Zu dieser müssen notwendige Flure im Sinne des § 1 Abs. 2 DVNBauO unmittelbar hinführen, § 17 Abs. 5 DVNBauO. Zwischen notwendigem, d. h. einem Flur, der als Rettungsweg dient, und der (zweiten) Treppe darf mithin kein anderer Raum liegen.

Das ist eine Anforderung, derer es eigentlich keiner Vorschrift in der Durchführungsverordnung zur Niedersächsischen Bauordnung bedarf. Denn schon deren § 20 Abs. 1 und 2 schreibt, wie oben wiedergegeben vor, dass im Brandfall ein zweiter Rettungsweg vorhanden sein muss, welcher die Rettung von Menschen wirksam ermöglicht.

Daran fehlt es - ebenso wie wenn ein Treppenhaus mit Möbeln voll gestellt wird -, wenn Menschen im Brandfalle den zweiten Rettungsweg entweder gar nicht innerhalb der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nutzen können, weil das zwischen notwendigem Flur und zweiter Treppe liegende Zimmer abgeschlossen ist (weil sein Nutzer dazu zivilrechtlich berechtigt ist oder dies ohne eine solche Berechtigung tut), oder wenn sie diesen nicht richtig nutzen können, weil dieses Zimmer (zwar unverschlossen, aber) mit Möbeln so voll gestellt ist, dass sie in zumutbarer Zeit das zweite (hier: Außen-)Treppenhaus nicht erreichen können. Dies gilt erst recht, wenn man (neuerlich) berücksichtigt, dass hier die Rettung betagter und teilweise sogar pflegebedürftige Menschen in Rede steht.

Die Richtigkeit dieser Ausführungen wird durch das Antragsvorbringen nicht in ernstliche Zweifel gezogen. Es mag sein, dass § 9 Abs. 1 der Heimmindestbauverordnung (vom 3.5.1983, BGBl. I S. 550) anordnet, Wohn-, Schlaf- und Sanitärräume müssten im Notfall von außen zugänglich sein, dürften mithin schon aus diesem Grunde von den Pflegebedürftigen nicht verschlossen werden. Maßgeblich ist indes die Freiheit des Fluchtweges. Sinn und Zweck der § 20 NBauO a.F. und § 14 NBauO n. F. ist es unter anderem/insbesondere, im Brandfall eine wirkungsvolle Rettung von Menschen zu ermöglichen. Sowohl § 15 Abs. 7 und § 17 Abs. 5 DVNBauO alter, d. h. Fassung vom 11.3.1987 (GVBl. S. 29) als auch §§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 3 und 17 Abs. 5 DVNBauO vom 26. September 2012 (GVBl. S. 382) wollen sicherstellen, dass Rettungswege nicht nur in noch akzeptabler Entfernung zum (zweiten) Rettungsweg führen. Sie wollen auch sicherstellen, dass diese in dem Aufruhr (Panik), der im Brandfalle herrscht, wirkungsvoll genutzt werden können. Zugrunde zu legen ist für die Beurteilung die Situation, in der sich der erste Rettungsweg wegen Rauchs oder Feuers als unerreichbar/nicht passierbar erweist (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, Komm. 8. Aufl. 2006, § 20 Rdnr. 19). Dann muss der zweite Rettungsweg in der Zeit erreicht werden können, welcher sich angesichts der Besonderheiten der in Rede stehenden Nutzung als noch "akzeptabel" darstellt (Große-Suchsdorf, aaO, Rdnrn. 22 und 20). Dazu muss er funktionstüchtig sein und für diese Zwecke uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Das ist nicht mehr gewährleistet, wenn die drei benannten Zimmer die beiden übrigen Funktionen erfüllen sollen.

Dabei mag es sein, dass nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in Pflegeheimen auf Fluren zuweilen Tee- und Essenswagen, Rollstühle, Wagen mit medizinischen Gerätschaften und Tabletten für die Pflegebedürftigen usw. abgestellt werden. Das mag keinen Bedenken begegnen, solange eine Mindestbreite (§ 17 Abs. 2 DVNBauO n.F.) freigehalten wird. Der Unterschied zu den klägerischen Plänen besteht darin, dass diese Flure - hinreichende Rauchfreiheit vorausgesetzt - auch im Brandfall auf längere Stücke hin eingesehen werden können. Das ist in dem hier vorzustellenden Fall anders, in dem die drei Zimmer die Funktion des zweiten Rettungsweges erfüllen sollen. Dann ist der erste Rettungsweg nicht mehr vollständig zu nutzen und sind die Pflegebedürftigen dementsprechend in gewisser Panik. In solcher Verfassung in Rettungsabsicht eines der genannten Zimmer aufzusuchen, birgt bei der hier anzustellenden typisierenden Betrachtungsweise erhebliche Gefahren. Ist schon der erste Rettungsweg verschlossen oder mit zumutbaren Mitteln nicht mehr zu erreichen, darf der zweite keine Hindernisse in der Gestalt herumstehenden Mobiliars und sonstiger Natur aufweisen und dadurch Schwierigkeiten in seinem Gebrauch verursachen. Dementsprechend lässt § 19 DVNBauO n. F. vor notwendigen Treppenhäusern nur sog. Vorräume zu. Diese müssen nicht nur mindestens so breit sein wie die Treppen es sind, auf die sie führen. Sie dürfen vor allem keine Doppelfunktionen erfüllen. Das mag "hölzern", d. h. unflexibel und schablonenhaft wirken, trägt aber dem Umfang der Gefahren Rechnung, welche gerade Pflegebedürftigen im Brandfall drohen. Diese sind schon im "Normalfall" in ihrer Reaktionsfähigkeit eingeschränkt. Diese Fähigkeit wird durch das Brandereignis und die Ineffektivität des (gewohnten) ersten Rettungsweges noch weiter eingeschränkt. Das erfordert es, die wohlerwogene, gleich in beiden Fassungen der Durchführungsverordnung zur Niedersächsischen Bauordnung getroffene Anordnung, die Effektivität und Passierbarkeit des zweiten Rettungsweges uneingeschränkt zu erhalten, im Einzelfall auch durchzusetzen.

Das von der Klägerin angebotene "Austauschmittel", durch Auflagen sicherzustellen, dass in den drei Räumen die "Fluchtkorridore" stets freizuhalten sind, ist nicht im erforderlichen Umfang geeignet, den Zustand herzustellen, den die Niedersächsische Bauordnung und die zu ihrer Durchführung erlassenen Verordnungen (jeweils beider Fassungen) anordnen. Erster wie zweiter Rettungsweg sollen danach im Brandfalle nicht nur für einige Zeit hinreichend rauchfrei, sondern auch von Profil, Verlauf und vorhersehbar verlässlicher Freiheit von Barrieren und Hindernissen jederzeit und ohne weitere, im Brandfall ja gerade nicht mehr zu treffende Vorbereitungen geeignet sein, nicht (mehr) mit den Attributen der Gelassenheit ausgestattete, sondern solche Pflegebedürftige zum zweiten Rettungsweg zu leiten, denen ein Brandereignis zusetzt. Es mag sein, dass ein Teil der Pflegebedürftigen dabei ohnedies auf die Hilfe von Personal angewiesen sein wird. Das sowie eine sinnfällige Einzeichnung der Fluchtwege ändert nichts an den Gefahren, welche dem zweiten Rettungsweg im Brand- und Falle

drohen, dass der erste Rettungsweg verstellt/unbrauchbar (geworden) ist. Das zeigt gerade die von der Klägerin vorgenommene Einzeichnung von Flächen für sogenannte Rettungsmatten in Zimmer 2 des ersten Obergeschosses sowie Zimmer 1 des 2. OG/DG (vgl. Vergrößerung Bl. 57 und 58 BA A 1 LA 131/13). Der Bereich, in dem der Fluchtweg verlaufen soll, wird durch diese Matten für diejenigen verstellt, welche nach dem vergeblichen Versuch, das Treppenhaus/den ersten Rettungsweg zu gewinnen, es mit dem zweiten Rettungsweg versuchen wollen/müssen. Denn werden - wie die Klägerin in anderem Zusammenhang ihrer Zulassungsantragsbegründungen hervorhebt - verstärkt besonders pflegebedürftige Personen aufgenommen, wird die Notwendigkeit nach dem Gebrauch dieser Rettungsmatten zunehmen. Der Fall eines übergroßen Zimmers ("100m2") steht hier nicht zur Diskussion.

Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, hier sei eine Befreiung veranlasst. Das Wohl der Allgemeinheit (§ 86 Abs. 1 Nr. 2 NBauO a.F.) fordert sie gerade nicht. Zu Unrecht setzt die Klägerin ihr - nachvollziehbares - Bestreben nach größtmöglicher Bereitstellung von Betten für Pflegebedürftige mit dem Wohl der Allgemeinheit gleich. Dass die Zahl pflegebedürftiger Personen eher zunimmt, verschafft nicht jeder Pflegeeinrichtung einen Anspruch auf Befreiung von den Vorschriften, welche sich einer größtmöglichen Gebäudenutzung in den Weg stellen.

Es gibt auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte für die Annahme, die Einhaltung der genannten Vorschriften führe zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte, wenn die drei genannten Räume keine Doppel- oder eher: Dreifachfunktion als Belegbetten, Evakuierungsraum und zweiter Rettungsweg erfüllen können. Es mag sein, dass die Reduzierung der Bettenzahl um 6 auf dann noch 32 die Rentabilität des Pflegeheims schwächt. Auch unter Einbeziehung des Umstandes, dass das Gebäude denkmalgeschützt ist, enthält das Antragsvorbringen keinen durchgreifenden Grund, eine Befreiung (§ 86 NBauO a.F.) oder eine Abweichung nach § 66 NBauO n. F. zu bewilligen. Es ist (namentlich auf Seite 11 der Antragsbegründung vom 26.8.2013) nicht in der für das Zulassungsverfahren zu fordernden Plausibilität dargetan, dass die Rentabilität des Pflegeheimes werde bei Wegfall der 6 Betten so leiden, dass weder dessen Betrieb noch (erst recht) die denkmalgeschützte Substanz werde erhalten bleiben können. Die eingereichten eidesstattlichen Versicherungen ersetzen nicht die von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotene Vorlage einer detaillierten, den Ist- und den Soll-Zustand miteinander vergleichenden Gewinn- und Verlustrechnung.

Dass ein Brandsachverständiger sein Konzept für ausreichend hält, die Effektivität eines zweiten Rettungsweges zu garantieren, begründet noch keinen Abweichungsfall. Nach den von der Klägerin und dem Verwaltungsgericht zitierten Ausführungen bezieht sich die Effektivität allenfalls auf die Nutzung als Evakuierungsraum, nicht aber auf die Frage, ob der zweite, für Pflegebedürftige ohnedies nur mit Mühe zu nutzende zweite Rettungsweg (Außentreppe) im Brandfall bei Ausfall des ersten Rettungsweges zureichend wird genutzt werden können.

Daher kommt es auf die Frage, ob und wodurch der nach § 86 Abs. 1 NBauO a. F. / § 66 Abs. 2 Satz 1 NBauO n.F. erforderliche (ausdrückliche) Antrag gestellt worden sein soll, nicht mehr an. Nur ergänzend ist daher darauf hinzuweisen, dass im Bauantrag vom 8. Dezember 2011 (Bl. 1 ff. BA A) die Rubrik "Begründeter Antrag auf Befreiung (z.B. § 86 Abs.1 NBauO oder § 31 BauGB)" unausgefüllt geblieben war. Es ist ausgesprochen zweifelhaft, ob der blanke, d h. nicht durch Nennung von Vorschriften begleitete Hinweis auf ein der Bauaufsichtsbehörde vermeintlich eröffnetes Ermessen als Antrag auf Erteilung einer Befreiung wird angesehen werden können. Die (ausdrückliche) Antragstellung soll sowohl dem Bauherrn als auch der Bauaufsichtsbehörde verdeutlichen, dass, aus welchen Gründen und von welchen genau zu bezeichnenden Vorschriften Abweichungen gewünscht werden. Es ist aller Voraussicht nach nicht Sache der Bauaufsichtsbehörde, die Vorschriften herauszusuchen, von denen der Bauherr mit seinem Vorhaben abweichen will.

Besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art rechtfertigen die Berufungszulassung nicht. Solche liegen nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. z.B. B. v. 31. August 1998 - 1 L 3914/98 -, NdsRpfl. 1999, 44 = NdsVBl. 1999, 95 = ZfBR 1999, 56 <LS>) erst vor, wenn das Zulassungsantragsvorbringen schwierige Fragen aufwirft, welche sich im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres beantworten lassen. Das ist hier nicht der Fall. Spätestens durch das Eilverfahren 1 ME 54/12 ist eine gewisse Vorklärung eingetreten.

Fragen grundsätzlicher Bedeutung stellten sich im Berufungsverfahren nicht. Die auf Seite 13 der Antragsbegründung vom 26. August 2013 zu Nummer 2 formulierte Frage ist ungeeignet, die Berufungszulassung zu bewirken. Denn für § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt es auf die Fragen an, welche im Berufungsverfahren geklärt werden sollen. Die von der Klägerin zu Nummer 2 unterbreitete bezieht sich hingegen nur auf das Zulassungsverfahren.

Die erstgenannte würde sich im Berufungsverfahren nicht stellen, weil kein Befreiungs- bzw. Abweichungsgrund vorliegt.

Die dritte Frage bezieht sich nur auf diesen Einzelfall und lässt keine Beantwortung zu, welche über diesen Einzelfall hinausgeht und zur Fortbildung des Rechts beitragen kann.

Die Verfahrensrüge war im Zusammenhang mit den ernstlichen Zweifeln behandelt worden.

Weitere Ausführungen zu den beiden Zulassungsanträgen sind nicht veranlasst.

Die Nebenentscheidungen folgen jeweils aus §§ 154 Abs. 2 VwGO, 52 Abs. 1 GKG. Dabei sind die Streitwertfestsetzungen des Verwaltungsgerichts gem. § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG zu korrigieren. Angesichts der Bedeutung, welche die Klägerin ihren Zulassungsangriffen, die Rentabilität ihrer Einrichtung sei bei Wegfall der sechs Betten ernstlich gefährdet, zufolge dem Erfolg mindestens einer der Klagen beimisst, können die Vorstellungen, welche die Wertfestsetzungen des Verwaltungsgerichts sowie des Senats im Verfahren 1 ME 54/12 leiteten, keinen Bestand mehr haben. Einbußen von nur 9.000,-- € kann eine Pflegeeinrichtung dieser Größe hinnehmen, ohne dass damit ihr Fortbestand ernstlich gefährdet wäre. Nun mag es so sein, dass dieser - möglicherweise nicht ohne Grund unsubstantiiert gebliebene - Zulassungsangriff nicht vollständig "für bare Münze" zu nehmen ist. Doch zeigt er immerhin, dass das Interesse der Klägerin an einem Erfolg (einer) ihrer beiden Klagen deutlich höher einzuschätzen ist. Das rechtfertigt den im Tenor genannten Betrag.