Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.01.2012, Az.: 12 ME 291/11
Möglichkeit einer Behörde der Ersetzung des betreffenden Verwaltungsakts durch einen neuen im Wesentlichen inhaltsgleichen Bescheid i.R.d. Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.01.2012
- Aktenzeichen
- 12 ME 291/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 14372
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0126.12ME291.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 27.10.2011 - AZ: 4 B 2183/11
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO
- § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB
Fundstellen
- BauR 2012, 921-922
- DVBl 2012, 583
- DÖV 2012, 368
- NVwZ-RR 2012, 385-387
- NordÖR 2012, 261
Amtlicher Leitsatz
Hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen einen Verwaltungsakt (hier Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens) wiederhergestellt, so ist die Behörde durch einen solchen stattgebenden Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht gehindert, den betreffenden Verwaltungsakt durch einen neuen im Wesentlichen inhaltsgleichen Bescheid zu ersetzen. Sie darf diesen aber - ohne Befassung des Gerichts - nicht mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung nach§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO versehen, sondern ist gehalten, insoweit einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu stellen.
Gründe
I.
Der Antragsteller und der Beigeladene wenden sich gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses festgestellt hat, dass dem Widerspruch der Antragstellerin gegen die Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens hinsichtlich eines Vorhabens des Beigeladenen aufschiebende Wirkung zukommt.
Im Jahr 2006 beantragte der Beigeladene die Erteilung von zwei Genehmigungen zur Errichtung und zum Betrieb von insgesamt drei Windenergieanlagen.
Nach Anhörung ersetzte der Antragsgegner mit (zwei) Bescheiden vom 26. Januar 2011 jeweils das verweigerte gemeindliche Einvernehmen der Antragstellerin für die Vorhaben und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit der beiden Ersetzungsverfügungen an. Zur Begründung seiner Entscheidungen führte er im Wesentlichen an, es liege ein atypischer Fall im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB vor und öffentliche Belange stünden den Vorhaben nicht entgegen.
Die Antragstellerin erhob gegen die beiden Ersetzungsbescheide Widerspruch und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Mit Beschluss vom 26. Mai 2011 im Verfahren 4 B 471/11 gab das Verwaltungsgericht dem Eilantrag statt und stellte die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen die Ersetzungsbescheide vom 26. Januar 2011 wiederher. Die Entscheidung wurde rechtskräftig, nachdem der Beigeladene die von ihm eingelegte Beschwerde zurückgenommen hatte (Beschluss d. Sen. v. 30. Juni 2011 - 12 ME 142/11 -).
Mit Bescheid vom 4. August 2011 hob der Antragsgegner im Folgenden die Ersetzungsbescheide vom 26. Januar 2011 auf, ersetzte nach Anhörung der Antragstellerin mit (zwei) Bescheiden vom 8. August 2011 (erneut) deren gemeindliches Einvernehmen für die Errichtung der insgesamt drei Windenergieanlagen und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit der Ersetzungsverfügungen an. Zur Begründung führte er (der Antragsgegner) an: Da die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens Bestand habe, könne über eine Einvernehmensersetzung neu entschieden werden. Dem Flächennutzungsplan der Antragstellerin komme keine Ausschlusswirkung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu, da die 25. Änderung des Flächennutzungsplanes aus dem Jahre 1998 offenkundig unwirksam sei und auch die 41. Änderung des Flächennutzungsplanes aus dem Jahre 2002 infiziere. Den Vorhaben stünden auch keine Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB entgegen. Da die zulässigen Immissionsrichtwerte eingehalten würden, die als Standort gewählten Flächen sowohl für Vögel als auch für Feldermäuse keine hohe Bedeutung besäßen und ein Verstoß gegen artenschutzrechtliche Bestimmungen nicht zu erwarten sei, seien insbesondere § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 5 BauGB nicht einschlägig.
Die Antragstellerin erhob mit Schreiben vom 6. September 2011 Widerspruch gegen diese Ersetzungsbescheide vom 8. August 2011 und beantragte am 8. September 2011 gerichtlich festzustellen, dass ihrem Widerspruch aufschiebende Wirkung zukomme, hilfsweise die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche wiederherzustellen.
Das Verwaltungsgericht hat ihrem Hauptantrag durch den im Tenor näher bezeichneten Beschluss mit folgender Begründung stattgegeben: Der Antragsgegner sei nicht berechtigt gewesen, die sofortige Vollziehbarkeit der (neuen) Ersetzungsbescheide vom 8. August 2011 anzuordnen. Dieses stelle sich nämlich als unzulässige Umgehung des Änderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO dar. Der die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin wiederherstellende Beschluss vom 26. Mai 2011 im Verfahren 4 B 471/11 binde die am Verfahren Beteiligten. Zwar erstrecke sich diese Bindung nicht auf die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes, die Bindungswirkung verbiete es aber der Behörde, die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes erneut anzuordnen. Wolle sie die sofortige Vollziehbarkeit herbeiführen, müsse sie nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO bei Gericht eine Aufhebung oder Änderung des Aussetzungsbeschlusses erwirken. Die Behörde dürfe den gerichtlichen Aussetzungsbeschluss auch nicht durch Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes und Erlass eines ganz oder teilweise inhaltsgleichen und sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes umgehen. Nur bei einer wesentlichen Änderung des Verwaltungsaktes entfalle die Bindungswirkung und könne die Behörde erneut die sofortige Vollziehbarkeit anordnen. Da die erneuten Ersetzungsbescheide des Antragsgegners vom 8. August 2011 keine wesentliche Änderung der ursprünglichen Ersetzungsbescheide vom 26. Januar 2011 herbeigeführt hätten, würden auch sie von der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im Beschluss der Kammer vom 26. Mai 2011 erfasst. Dies habe zur Folge, dass - wie auf den Antrag der Antragsstellerin festzustellen gewesen sei - die wiederhergestellte aufschiebende Wirkung fortgelte und nur über einen Antrag nach§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO abänderbar sei. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob ein Verwaltungsakt im Kern unverändert ist, sei die Regelung in der Hauptsache. Die Genehmigungsfrage sei vorliegend in bauplanungs- und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht nicht erneut aufgeworfen worden, so dass keine andere bauplanungs- oder bauordnungsrechtliche Beurteilung in Betracht komme als diejenige, die bei dem ursprünglich genehmigten Vorhaben anzustellen gewesen sei. Mithin liege eine relevante Änderung nicht vor. Anders als der Antragsgegner meine, könne er sich nicht durch die Aufhebung der ursprünglich angefochtenen Ersetzungsbescheide und den Erlass neuer Ersetzungsbescheide von der Bindungswirkung des Beschlusses der Kammer lösen. Gerade bei Änderung oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände sei der Weg nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO für ein Änderungsverfahren vorgezeichnet. Zwar verweise der Antragsgegner zutreffend darauf, dass nach dem Beschluss der Kammer von einer "veränderten rechtlichen Ausgangslage" für die Beantwortung der Frage, ob das gemeindliche Einvernehmen ersetzt werden kann, auszugehen sei. Durch diese Annahme sei aber nichts für die Frage gewonnen, in welcher Art und Weise - in welcher Verfahrensweise - sich der Antragsgegner von der Bindungswirkung des Beschlusses der Kammer vom 26. Mai 2011 lösen könne. Im Grundsatz sei gerade die Veränderung der zur Zeit der Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage ein Anzeichen dafür, dass das Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO einzuhalten sei. Zwar habe der Antragsgegner - unter Berücksichtigung der Ausführungen der Kammer im Beschluss vom 26. Mai 2011 - einen anderen Begründungsansatz für seine Entscheidungen über die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gewählt und sei nunmehr von einer unwirksamen Flächennutzungsplanung der Antragstellerin ausgegangen. Da aber der Genehmigungsgegenstand - drei Windkraftanlagen - weiterhin identisch sei, seien die (Ausgangs-)Ersetzungsbescheide vom 26. Januar 2011 nicht "wesentlich"/"im Kern" geändert worden. Vielmehr habe der Antragsgegner - unter Berücksichtigung der im Beschluss der Kammer geäußerten Rechtsauffassung - das gemeindliche Einvernehmen erneut für dieselben Anlagen am selben Standort ersetzt.
II.
Die Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts haben keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, die erstinstanzliche Entscheidung zu ändern.
Die Beschwerdeführer machen geltend, eine Bindungswirkung könne nur hinsichtlich der ursprünglichen Ersetzungsbescheide vom 26. Januar 2011 bestehen. Diese hätten nicht mit einer neuen Vollzugsanordnung versehen werden dürfen. Nachdem diese Bescheide jedoch aufgehoben worden seien, sei es dem Antragsgegner nicht verwehrt gewesen, nach erneuter Anhörung auf eine "veränderte rechtliche Ausgangslage" durch den Erlass einer neuerlichen Ersetzungsentscheidung mit entsprechender Vollzugsanordnung zu reagieren.
Dies überzeugt nicht. Der Senat schließt sich insoweit mit dem Verwaltungsgericht der wohl herrschenden Meinung an, wonach der durch § 80 Abs. 7 VwGO zum Ausdruck gebrachte Vorrang der gerichtlichen Entscheidungszuständigkeit nicht nur der nochmaligen Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit hinsichtlich des "Ursprungsverwaltungsakts" entgegensteht. Vielmehr ist es danach auch nicht zulässig, dass die Behörde eine mit der früheren Regelung inhaltlich identische "Neuregelung" vornimmt und deren sofortige Vollziehbarkeit anordnet (so auch: Nds. OVG, Beschl. v. 22.7.2003 - 7 ME 104/03 -, NVwZ-RR 2004, 170; Beschl. v. 22.12.1994 - 1 M 7516/94 -, NVwZ-RR 1995, 376; OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 18.6.2003 - 2 M 84/02 -, [...]; Bay. VGH, Beschl. v. 18.12.1998 - 7 ZS 98.1660 u. a. -,DVBl. 1999, 624; OVG Bremen, Beschl. v. 14.3.1991 - 1 B 14/91 -, NVwZ 1991, 1194; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage, Rn. 1016; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. 1; § 80 Rn. 358 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage, § 80 Rn. 173; a. A.: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 5.3.1991 - 5 S 323/91 -, NVwZ 1991, 1000). Für diese Auffassung spricht insbesondere der - ansonsten leicht zu umgehende - Zweck der Regelung des § 80 Abs. 7 VwGO. Wie sich aus Satz 2 dieser Norm ergibt, ist es - worauf bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - der Behörde nach Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch ein Gericht selbst bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage verwehrt, den Sofortvollzug in dieser Sache (erneut) anzuordnen. Auch im Falle einer Änderung der Lage soll die Behörde gezwungen sein, den Weg über § 80 Abs. 7 VwGO zu gehen, damit vor dem erneuten Versuch eines behördlichen Sofortvollzugs eine unabhängige Instanz, nämlich das Gericht darüber befindet, ob das Abänderungsverfahren eröffnende veränderte Umstände eingetreten sind und ob diese von solchem Gewicht sind, dass die rechtliche Würdigung zu einem anderen Ergebnis als bei der Aussetzungsentscheidung führt. Das Gericht - und nicht die Verwaltung in eigener Zuständigkeit - soll demnach prüfen, ob sich die Umstände wesentlich geändert haben und ob - im Falle der Bejahung dieser Frage - die von dem Gericht zuvor im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO getroffene Entscheidung ganz oder teilweise rückgängig gemacht oder aufgehoben werden soll. Würde man diese Befugnis der Behörde zuerkennen, hätte dies zudem die (unerwünschte) Folge, dass der ursprüngliche Antragsteller erneut in die Defensive geriete, da er sich wiederum an das Gericht wenden und gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO (nochmalige) Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragen müsste (Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 1707 f.). Da die Erheblichkeit veränderter Umstände und die Begründetheit eines Abänderungsantrages oftmals streitbefangen sein wird, soll die Exklusivität des gerichtlichen Abänderungsverfahrens aber gerade sicherstellen, dass die durch die gerichtlich angeordnete Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung geschaffene "Ruhelage" die von ihr geforderte Befriedungswirkung entfalten kann (Schoch, a. a. O, S. 1709). Vor dem Hintergrund dieses Gesetzeszwecks macht es aber keinen Unterschied, ob die Behörde nach einer Änderung der Sach- oder Rechtslage (erneut) den Sofortvollzug des ursprünglichen Verwaltungsakts anordnet oder - ggf. gar ohne Änderung der Lage - den ursprünglichen Verwaltungsakt zwar aufhebt, aber durch einen neuen Verwaltungsakt mit (im wesentlichen) gleichen Inhalt ersetzt und dann diesen "neuen" Verwaltungsakt mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versieht. Anders als die Beschwerdeführer geltend machen, wird durch diese Auffassung auch nicht etwa die Entscheidungszuständigkeit bzw. -kompetenz der Behörde in Frage gestellt. Es ist ihr unstreitig - worauf schon das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - unbenommen, den ursprünglichen Verwaltungsakt aufzuheben und durch einen neuen, ggf. auch inhaltlich identischen Verwaltungsakt zu ersetzen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 6.7.2000 - 3 M 561/00 -, NVwZ-RR 2001, 362 m. w. N.) und diesen nach Eintritt der Bestandskraft auch zu vollziehen. Es fehlt ihr im Falle einer stattgebenden Eilentscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO aus den dargelegten Gründen lediglich die Befugnis, hinsichtlich eines mit dem Ursprungsverwaltungsakt (im Wesentlichen) inhaltsgleichen "neuen" Verwaltungsakts den Sofortvollzug nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO anzuordnen. Will sie die sofortige Vollziehbarkeit dieses "neuen" Verwaltungsakts erreichen, muss sie sich stattdessen an das Gericht wenden und einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO stellen.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht hier davon ausgegangen ist, die Bescheide vom 8. August 2011 hätten die (Ausgangs-)Ersetzungsbescheide vom 26. Januar 2011 nicht "wesentlich"/"im Kern" geändert. Alle (vier) Bescheide ersetzen im Tenor jeweils das Einvernehmen der Antragstellerin "für das o. g. Vorhaben" und ordnen die sofortige Vollziehung der Ersetzungsentscheidung an. Bei jeweils einem der Bescheide vom 26. Januar 2011 und vom 8. August 2011 handelt es sich bei dem "o. g. Vorhaben" um die "Errichtung einer Windenergieanlage des Typs G., E-70 E4, Nabenhöhe 64 m und einer Nennleistung von 2000 kW" und bei dem jeweils anderen um die "Errichtung von zwei Windenergieanlagen des Typs G., E-70 E4, Nabenhöhe 64 m und einer Nennleistung von 2000 kW". Dieses belegt, dass mit den Bescheiden vom 8. August 2011 das gemeindliche Einvernehmen erneut für dieselben Anlagen am selben Standort ersetzt worden ist wie zuvor durch die Bescheide vom 26. Januar 2011. Der Antragsgegner hat, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, "lediglich" die Begründung der Ersetzungsentscheidungen geändert und dabei die in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. Mai 2011 (4 B 471/11) geäußerte Rechtsauffassung berücksichtigt
Die Beschwerdeführer halten dem entgegen, die Ersetzung des Einvernehmens stehe im Ermessen der Behörde. Bei einem Ermessensverwaltungsakt liege nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber schon dann eine "Wesensänderung" vor, wenn als ermessensfehlerhaft beanstandete Erwägungen durch ermessensfehlerfreie ersetzt würden. Da die in den ursprünglichen Bescheiden vom 26. Januar 2011 angestellten Ermessenserwägungen in den "neuen" Bescheiden vom 8. August 2011 durch einen gänzlich anderen Begründungsansatz ausgewechselt worden seien, bildeten die neuen Ersetzungsentscheidungen gegenüber den ursprünglichen ein "aliud" mit der Folge, dass sich eine Bindung des Antragsgegners an den zu den ursprünglichen Bescheiden ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. Mai 2011 nicht einmal über das "Umgehungsargument" begründen lasse.
Dieser Einwand überzeugt nicht. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei der Einvernehmensersetzung nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB um eine gebundene oder eine im behördlichen Ermessen stehende Entscheidung handelt. Der Senat hat zwar Letzteres bejaht (Urt. v. 23.6.2009 - 12 LC 136/07 -, NVwZ-RR 2009, 866), dies ist aber nicht unumstritten (vgl. zum Meinungsstand ferner jüngst: VHG Bad.-Württ., Beschl. v. 2.8.2011 - 8 S 1516/11 -, BauR 2011, 1954 m. w. N.). Ebenso bedarf keiner Entscheidung, ob - wie die Beschwerdeführer meinen - die Behörde nach Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsakts immer schon dann berechtigt ist, die sofortige Vollziehung eines neuen, im Tenor aber identischen Verwaltungsakts anzuordnen, wenn sich dieser neue Verwaltungsakt bei Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht zum Nachschieben von Gründen entwickelten Kriterien durch neue oder ausgetauschte Ermessenserwägungen als "im Wesen verändert" (vgl. dazu: BVerwG, Urt. v. 5.5.1998 - 1 C 17.97 -, BVerwGE 106, 351) darstellt oder ob insoweit ein anderer Maßstab anzuwenden ist.
Der auch vom Verwaltungsgericht angenommene "andersgeartete Begründungsansatz" des Antragsgegners bei den "neuen" Ersetzungen des Einvernehmens vom 8. August 2011 gegenüber den ersten Ersetzungsbescheiden vom 26. Januar 2011 betrifft nämlich - anders als der Antragsgegner geltend macht - nicht die Ermessensebene. Ausgetauscht worden sind vielmehr lediglich die Darlegungen zur Tatbestandsseite des§ 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB. Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens ist nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB nur zulässig, wenn "ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde" anzunehmen ist. Die Rechtswidrigkeit der Versagung kann zwangsläufig nur mit Blick auf die Zulässigkeit eines konkreten Vorhabens beurteilt werden. Dem Rechnung tragend heißt es sowohl in den Bescheiden vom 26. Januar 2011 als auch vom 8. August 2011 zunächst: "Die Versagung des Einvernehmens ist aus folgenden Gründen rechtswidrig:". Im Anschluss führt der Antragsgegner in den Bescheiden vom 26. Januar 2011 ausführlich aus, die Antragstellerin habe das Einvernehmen nicht verweigern dürfen, weil das Vorhaben des Beigeladenen als atypischer Fall im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zulässig sei. Vor dem Hintergrund der Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 26. Mai 2011 begründet der Antragsgegner in den Bescheiden vom 8. August 2011 die Rechtswidrigkeit der Versagung des Einvernehmens für die Vorhaben des Beigeladenen dagegen mit einer unwirksamen Flächennutzungsplanung der Antragstellerin und damit, dass öffentliche Belange, insbesondere in Gestalt von schädlichen Umwelteinwirkungen, des Vogel-, des Fledermaus- und des Artenschutzes, den Vorhaben nicht entgegenstünden. Die Ermessensentscheidung zugunsten der Ersetzung des Einvernehmens wird dagegen sowohl in den beiden Bescheiden vom 26. Januar 2011 (vgl. S. 4) als auch in den (zwei) Bescheiden vom 8. August 2011 (S. 5 f.) nur sehr kurz, nämlich wie folgt, begründet:
"Gründe für die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens liegen nicht vor. Es kann nicht hingenommen werden, dass der Antragsteller trotz bauplanungsrechtlicher Zulässigkeit des begehrten Vorhabens wegen fehlendem Einvernehmen versagt bleibt, so dass die Ersetzung des Einvernehmens insbesondere erforderlich und angemessen ist."
Diese in allen vier Bescheiden wortgleichen (und nur dem Sinn nach verständlichen) Ausführungen zeigen, dass - entgegen den Darlegungen der Beschwerdeführer - vorliegend nicht etwa fehlerhafte Ermessenserwägungen durch beanstandungsfreie ausgetauscht worden sind. Vielmehr wählt der Antragsgegner in den Bescheiden vom 8. August 2011 im Verhältnis zu den Bescheiden vom 26. Januar 2011 (lediglich) einen anderen Begründungsansatz, um die für die Ersetzung des Einvernehmens gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB tatbestandlich vorausgesetzte Rechtswidrigkeit der Versagung des Einvernehmens zu begründen. Dass der Antragsgegner dabei davon ausging, den im Beschluss vom 26. Mai 2011 geäußerten Beanstandungen des Verwaltungsgerichts an den Ersetzungsentscheidungen vom 26. Januar 2011, die letztlich zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin führten, Rechnung tragen zu können, und nach Aufhebung dieser Bescheide durch neue Bescheide vom 8. August 2011 (erneut) das Einvernehmen ersetzte, ist eine als solche zulässige Vorgehensweise. Die Behörde kann aber in solchen Konstellationen - wie dargelegt - hinsichtlich der neuen Bescheide nicht aus eigenem Recht (erneut) den Sofortvollzug anordnen. Vielmehr hat die zu den Bescheiden vom 26. Januar 2011 getroffene Entscheidung des Gerichtes, wonach dem Widerspruch der Antragstellerin gegen die Ersetzungsentscheidungen aufschiebende Wirkung zukommt, Bedeutung auch für den Widerspruch der Antragstellerin gegen die Bescheide vom 8. August 2011 und ist der Antragsgegner, will er den Sofortvollzug erreichen, gehalten, sich mit einem Antrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO an das Gericht zu wenden. Allein diesem kommt die Kompetenz zu, zu prüfen, ob die Auffassung des Antragsgegners zutrifft, die im Beschluss vom 26. Mai 2011 geäußerten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Ersetzungsverfügungen vom 26. Januar 2011, die seinerzeit zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung geführt haben, seien bei den "neuen" Ersetzungsentscheidungen vom 8. August 2011 ausgeräumt.