Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.01.2012, Az.: 13 LA 106/11
Anforderungen eines die Genehmigungsfiktion des § 21 NRettDG i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 5 PBefG auslösenden Antrags
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.01.2012
- Aktenzeichen
- 13 LA 106/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 10365
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0118.13LA106.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 22.03.2011 - AZ: 4 A 174/09
Rechtsgrundlagen
- § 21 NRettDG
- § 15 Abs. 1 S. 5 PBefG
Amtlicher Leitsatz
Zu den Anforderungen eines die Genehmigungsfiktion des § 21 NRettDG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG auslösenden Antrags.
Gründe
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung kann nur aus den in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Gründen zugelassen werden. Die Zulassung setzt nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO voraus, dass einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe dargelegt ist und vorliegt. In der Begründung des Zulassungsantrages ist mithin darzulegen, ob die Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wegen Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bezeichneten Gerichte oder wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) beantragt wird. Eine hinreichende Darlegung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert, dass in der Begründung des Zulassungsantrags im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt sein soll.
Der Rechtsstreit ist zunächst nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine Rechtssache ist nur dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache genügt daher nur dann den Darlegungserfordernissen des § .124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren. Eine in diesem Sinne konkret zu beantwortende Frage hat die Klägerin nicht formuliert.
Die zunächst aufgeworfene "Frage der Genehmigungsfiktion" bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da sich deren Geltung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. § 21 Abs. 1 NRettDG ordnet die entsprechende Anwendung u.a. des § 15 PBefG an. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG ist von der Genehmigungsbehörde über den Antrag innerhalb von 3 Monaten nach Eingang zu entscheiden. Kann die Prüfung des Antrags in dieser Zeit nicht abgeschlossen werden, ist die Frist vor ihrem Ablauf in einem den Antragstellern mitzuteilenden Zwischenbescheid um den Zeitraum zu verlängern, der notwendig ist, um die Prüfung abschließen zu können (Satz 3). Die Verlängerung dieser Frist darf höchstens 3 Monate betragen (Satz 4). Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der Frist versagt wird (Satz 5).
Die weitere Frage, "ob eine Genehmigungsfiktion eintritt und welche Anforderungen an die Vollständigkeit eines Antrages für eine Genehmigung zum Krankentransport im Sinne des NRettDG zu stellen sind", ist zu allgemein, um in einem Berufungsverfahren abschließend geklärt werden zu können. Klärungsfähig wäre allenfalls die Frage, ob einzelne genau bezeichnete Anforderungen an die Vollständigkeit des Antrags bzw. an den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu stellen sind, sofern ihnen im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt. Eine vom Einzelfall isolierte generelle Klärung der Anforderungen an die Vollständigkeit eines Genehmigungsantrages bzw. das Eingreifen der Genehmigungsfiktion ist hingegen nicht Aufgabe eines Berufungsverfahrens.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils können nur dann bestehen, wenn gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gründe sprechen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein die Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458; BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - 7 AV 4/03 -, [...]). Ist das Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller Begründungen Zulassungsgründe dargelegt werden (Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll: VwGO, 5. Aufl. 2011, § 124a Rdnr. 82).
Die Darlegung ernstlicher Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ist der Klägerin nicht gelungen. Sie wendet sich gegen die vom Verwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an einen die Genehmigungsfiktion des § 21 Abs. 1 NRettDG i.V.m.§ 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG auslösenden Antrag.
Die Frage, welche Anforderungen an einen "Antrag" im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG zu stellen sind, wird unterschiedlich beantwortet. Während überwiegend "vollständige" Unterlagen gefordert werden, lässt eine andere Auffassung die in der Genehmigungsurkunde gemäß § 17 Abs. 1 PBefG enthaltenen Mindestangaben ausreichen (vgl. zum Meinungsstand: OVG MV, Beschl. v. 9. Dezember 2003 - 1 L 174/03 -, [...], Rdnrn. 12 ff.; VG Hamburg, Beschl. v. 15. Dezember 2010 - 15 E 894/10 -, [...], Rdnrn. 74 ff.; Bauer, Personenbeförderungsgesetz, 2010, Rdnrn. 6 f.; jew. m.w.N). Diese Frage bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Entscheidung. § 21 Abs. 2 Nr. 2 NRettDG schreibt über den nach § 12 Abs. 1 PBefG gebotenen Inhalt hinaus für einen Antrag auf Genehmigung nach § 19 NRettDG zwingend die Angabe des Standortes des Fahrzeugs fest. Dieser gehört nach § 23 Abs. 2 Satz 1 NRettDG auch zum Inhalt der Genehmigungsurkunde. Standort in diesem Sinne ist der mit Straße und Hausnummer bezeichnete Ort in einer Gemeinde, zu dem das Fahrzeug nach Durchführung eines Krankentransports zurückkehren muss (§ 21 Abs. 1 NRettDG i.V.m. § 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG) und von dem aus es zur Durchführung neuer Transporte abfährt (vgl. Ufer, Niedersächsisches Rettungsdienstgesetz, § 20, Anm. 1, Loseblatt, Stand März 2006). Diesen Anforderungen genügt der Antrag der Klägerin nicht, da mit Schreiben vom 12. August 2008 lediglich der "Bereich Uslar" als Standort bezeichnet wird. Sofern die Klägerin diese ungenügende Angabe mit der Vermeidung im Falle der Erfolglosigkeit ihres Antrags unnötiger finanzieller Belastungen begründet, ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz keine Ausnahme von der Benennung eines Standortes bereits im Antrag kennt. Soweit mit diesem Erfordernis ein finanzielles Risiko ggf. für die Anmietung einer bestimmten Räumlichkeit verbunden ist, ist dieses im Hinblick auf eine Überprüfung der Seriosität des Antrags und die ordnungsgemäße Ausstellung der Genehmigungsurkunde hinzunehmen. Die Ausführungen der Klägerin zur Frage der Wartezeiten und der Größe des Betriebsbereichs greifen demgegenüber nicht durch.
Ob der Antrag auch wegen der weiteren vom Verwaltungsgericht vermissten Angaben zur 24-Stunden-Bereitschaft und zur personellen Besetzung des Fahrzeugs nicht geeignet war, die Fiktionswirkung auszulösen, bedarf keiner Entscheidung. Zwar spricht vieles dafür, im Hinblick auf die Zielrichtung des NRettDG - den Schutz zu befördernder kranker Fahrgäste - einen auch im Hinblick auf die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 1 NRettDG vollständigen Genehmigungsantrag zu fordern. Da der Antrag der Klägerin aber schon die nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 NRettDG zwingende Angabe des Standortes des Fahrzeuges nicht enthält und bereits aus diesem Grunde die Fiktionswirkung nicht auslöst, kommt es auf die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Übrigen zu strenge Anforderungen gestellt hat, für die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils nicht mehr an.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).