Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.01.2012, Az.: 11 ME 386/11
Anspruch auf Berichtigung von Daten im Ausländerzentralregister bei nachweisbarer Unrichtigkeit der Daten; Sperrung von Daten im Ausländerzentralregister durch die Registerbehörde
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.01.2012
- Aktenzeichen
- 11 ME 386/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 10034
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0104.11ME386.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 03.11.2011 - AZ: 1 B 1057/11
Rechtsgrundlagen
- § 3 Nr. 4, 5 AZRG
- § 35 AZRG
- § 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AZRG
- § 17 Abs. 2 S. 1, 2 AZRG-DV
Fundstellen
- InfAuslR 2012, 158-159
- NdsVBl 2012, 165-166
- ZAR 2012, 307
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein Anspruch auf Berichtigung von Daten im Ausländerzentralregister besteht nur, wenn die Daten nachweisbar unrichtig sind (§ 35 AZRG).
- 2.
Bestreitet ein Ausländer die Richtigkeit der gespeicherten Daten und kann weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit festgestellt werden, hat die Registerbehörde die Daten zu sperren (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AZRG). Nicht gesperrt werden die Grundpersonalien und die weiteren Personalien nach § 3 Nr. 4 und Nr. 5 AZRG; hier gelten die Angaben des Betroffenen als richtig (§ 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 AZRG-DV).
- 3.
Beruhen die bestrittenen Grundpersonalien (hier: Vorname und Geburtsdatum) auf früheren Angaben des Ausländers, kann dieser - ohne Nachweis der Unrichtigkeit - keine Berichtigung verlangen. Weitere Personalien sind als Aliaspersonalien einzutragen.
Gründe
Dem Antragsteller kann für das Beschwerdeverfahren keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, weil seine Beschwerde, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste im September 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. In der vom Antragsteller unterschriebenen Niederschrift zu dem Asylantrag ist sein Name mit "Hassan A. " und als Geburtsdatum der 1. Januar 1988 angegeben.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2011 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Berichtigung des unrichtigen Datensatzes "Hasan A., geboren 1. Januar 1988" in den richtigen Datensatz "Shirhasan A., geboren 1993". Gleichzeitig stellte er den Antrag, den unrichtigen Datensatz in allen Dateien, in denen Speicherungs-, Veränderungs- und Berichtigungsrechte bestehen, sowie in der Akte des Asylverfahrens des Antragstellers sofort zu sperren. Am 29. August 2011 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht und beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Datensatz "Hasan A., geboren 1. Januar 1988" in allen Dateien, in denen die Antragsgegnerin Speicherungs-, Veränderungs- und Berechtigungsrechte habe, unverzüglich zu sperren. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der Antragsteller weder den notwendigen Anordnungsgrund für eine Datensperrung noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs fehle es an einer hinreichenden Substantiierung des Begehrens, da der Antragsteller nicht hinreichend bestimmt dargelegt habe, in welcher konkreten "Datei" bzw. in welchen "Dateien" der Antragsgegnerin der Datensatz überhaupt gespeichert sei und wo bzw. in welcher "Datei" genau eine Sperrung erfolgen solle.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er nunmehr beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, im Ausländerzentralregister den Datensatz "Hasan A., geboren 1. Januar 1988" in "Shirhasan A., geboren 1. Januar 1993" zu ändern.
Die von dem Antragsteller geltend gemachten Beschwerdegründe, auf deren Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Der Antragsteller stützt seine Beschwerde darauf, dass ihm ein Anspruch auf Berichtigung seines Vornamens und des Geburtsdatums im Ausländerzentralregister zustehe. Dem kann nicht gefolgt werden.
Nach § 35 Ausländerzentralregistergesetz (AZRG) hat die Registerbehörde - dies ist nach § 1 Abs. 1 AZRG die Antragsgegnerin - die nach den §§ 3 bis 5 und 29 AZRG gespeicherten Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. Zu den nach § 3 AZRG zu speichernden Daten gehören nach § 3 Nr. 4 AZRG die Grundpersonalien, d.h. Familienname, Geburtsname, Vorname, Schreibweise der Namen nach deutschem Recht, Geburtsdatum, Geburtsort und -bezirk, Geschlecht, Staatsangehörigkeit sowie nach § 3 Nr. 5 AZRG weitere Personalien (u.a. abweichende Namensschreibweisen, andere Namen, frühere Namen, Aliaspersonalien, Familienstand, Angaben zum Ausweispapier, letzter Wohnort im Herkunftsland).
Die von dem Antragsteller erstrebte Berichtigung seines Vornamens und Geburtsdatums setzt somit voraus, dass die gespeicherten Daten unrichtig sind. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Der Antragsteller hat lediglich die Kopie eines Dokuments aus Afghanistan vorgelegt, aus dem nach seinen Angaben hervorgehen soll, dass er 2006 auf das Alter von 13 Jahren geschätzt worden sein soll. Dies reicht als Nachweis dafür, dass die von ihm beanstandeten Daten unrichtig und wie von ihm gewünscht zu berichtigen sind, nicht aus.
Der Antragsteller kann den geltend gemachten Anspruch auf Berichtigung des Vornamens und Geburtsdatums auch nicht aus§ 37 AZRG i.V.m. § 17 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Ausländerzentralregister (AZRG-DV) herleiten.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AZRG hat die Registerbehörde die Daten zu sperren, soweit die Richtigkeit von dem Betroffenen bestritten wird und weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit von der Registerbehörde, der aktenführenden Ausländerbehörde oder der Stelle, die die Daten an die Registerbehörde übermittelt hat, festgestellt werden kann. Dabei wird nach § 17 Abs. 2 Satz 1 AZRG-DV der Datensatz des Betroffenen mit Ausnahme der Grundpersonalien und der weiteren Personalien gesperrt, wenn sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit der bestrittenen Daten zur Überzeugung der Registerbehörde feststellen lässt. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 AZRG-DV gelten die Angaben des Betroffenen zu seinen Grundpersonalien und seinen weiteren Personalien als richtig, soweit sich nicht nachweisen lässt, dass die davon abweichend gespeicherten Daten richtig sind. Aus § 17 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AZRG-DV folgt somit, dass die Grundpersonalien und die weiteren Personalien in keinem Fall gesperrt werden müssen und sich die Sperrung immer nur auf die darüber hinaus gespeicherten Daten beziehen kann (Das Deutsche Bundesrecht, I E 43, Erl. zu § 37 AZRG, Rn. 1).
Davon geht im Übrigen auch der Antragsteller aus, der nach seinem Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht (mehr) die Sperrung, sondern die Berichtigung der beanstandeten Daten erreichen möchte. Entgegen seiner Auffassung kann er sich für einen solchen Anspruch nicht auf§ 17 Abs. 2 Satz 2 AZRG-DV berufen. § 17 AZRG-DV betrifft ausschließlich die Sperrung von Daten nach § 37 AZRG. Da eine Sperrung von Einzeldaten aus technischen Gründen nicht möglich ist, erfasst die Sperrung stets den ganzen Datensatz. Um zu verhindern, dass der Betroffene durch Bestreiten einzelner Daten seiner Personalien die Sperrung des gesamten Datensatzes bewirken und so die Funktion des Registers, den Nutzern die benötigten Sachinformationen zu geben, lahm legen kann, stellt § 17 Abs. 2 Satz 2 AZRG-DV eine Fiktion auf: Bei einem Bestreiten von Daten, die zu den Grundpersonalien oder weiteren Personalien des Betroffenen gehören, gelten diese als richtig, soweit sich nicht nachweisen lässt, dass die gespeicherten Daten richtig sind (Das Deutsche Bundesrecht, a.a.O., Erl. zu § 37 AZRG, Rn. 1). Dies führt im vorliegenden Fall aber nicht dazu, dass der Antragsteller eine Berichtigung seiner Daten verlangen kann. Denn die von ihm jetzt beanstandeten Daten beruhen gerade auf seinen eigenen Angaben bei der Stellung seines Asylantrags am 21. Oktober 2010. Dies ergibt sich aus der Niederschrift zu dem Asylantrag (Teil 1), in der sein Name mit "Hassan A. " und als Geburtsdatum der 1. Januar 1988 angegeben ist. Durch seine Unterschrift hat der Antragsteller bestätigt, dass seine Angaben richtig sind und die Niederschrift in allen Punkten mit seinen Angaben übereinstimmt. Dadurch, dass er nunmehr behauptet, mit Vornamen "B. " zu heißen und erst 1993 geboren zu sein, kann er die einmal getätigten Angaben nicht ohne Weiteres rückgängig machen. Denn sonst könnte ein Ausländer durch immer wieder wechselnde Angaben eine wiederholte Änderung seiner Grundpersonalien oder weiteren Personalien im Ausländerzentralregister erreichen, was zu Problemen bei der Feststellung in der Vergangenheit liegender Vorgänge führen und die Stellung von erneuten Asylanträgen unter anderem Namen begünstigen könnte. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein Ausländer - wie hier der Antragsteller am 24. Dezember 2010 in Schweden - einen erneuten Asylantrag unter anderen Personalien stellt, ist es sachgerecht, die weiteren von ihm verwendeten Personalien als Aliaspersonalien in das Ausländerzentralregister einzutragen, um die ausländerrechtlich relevanten Vorgänge lückenlos erfassen zu können.
Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Datenberichtigung aus Art. 14 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG vom 24. Oktober 1995 herleitet, führt auch dies nicht zum Erfolg seiner Beschwerde.§ 20 Abs. 5 BDSG, der in Umsetzung der vorgenannten Vorschrift unter bestimmten Voraussetzungen ein Widerspruchsrecht gegen eine rechtmäßige Datenverarbeitung und Nutzung garantiert, findet nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AZRG keine Anwendung. Ein solcher Ausschluss ist nach Art. 14 Buchst. a Satz 1 Halbsatz 2 Richtlinie 95/46/EG zulässig (Das Deutsche Bundesrecht, a.a.O., Erl. zu § 37 AZRG, Rn. 2).
Das weitere Vorbringen des Antragstellers zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes genügt bereits nicht den an die Begründung einer Beschwerde zu stellenden Anforderungen. Die Beschwerdebegründung muss nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Da der Antragsteller zum Anordnungsgrund lediglich sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt, fehlt es insofern an einer hinreichenden Darlegung der Beschwerdegründe.