Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.01.2012, Az.: 1 ME 226/11

Gesondertes Genehmigungsverfahren für einzelne Prüfungen ohne Verstoß gegen das Bestimmtheitserfordernis bzgl. Baugenehmigung für ein Geschäftshaus mit Betrieb einzelner Läden; Vorlage einer schalltechnischen Untersuchung eines Bauherrn als Bestandteil der Baugenehmigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.01.2012
Aktenzeichen
1 ME 226/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 10336
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0126.1ME226.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 17.11.2011 - AZ: 2 B 84/11

Fundstellen

  • BauR 2012, 783-785
  • DVBl 2012, 371-373
  • NVwZ-RR 2012, 306
  • NVwZ-RR 2012, 5
  • NordÖR 2012, 241-244
  • ZfBR 2012, 386

Amtlicher Leitsatz

  1. 1)

    Die Baugenehmigung für ein Geschäftshaus, in dem eine Vielzahl einzelner Läden betrieben werden soll, kann ohne Verstoß gegen das - auch nachbarrechtlich beachtliche - Bestimmtheitserfordernis einzele Prüfungen (z.B. auf zusätzliche Stellplatzanforderungen) einem gesonderten Genehmigungsverfahren vorbehalten, das nach Vermietung der jeweiligen Verkaufsräume durchgeführt wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn bereits die "Grundgenehmigung" die zu erwartende Nutzung insgesamt größenordnungsmäßig korrekt zugrunde legt.

  2. 2)

    Legt ein Bauherr eine schalltechnische Untersuchung vor, um die nicht von vornherein offensichtliche nachbarrechtliche Zulässigkeit seines Bauvorhabens zu belegen, wird diese auch ohne Bezugnahme in einer Inhalts- oder Nebenbestimmung der Baugenehmigung zu deren Bestandteil; die in der Untersuchung zur Einhaltung der maßgeblichen Richtwerte für erforderlich gehaltenen Maßnahmen gehen abweichenden Angaben in Bau- oder Betriebsbeschreibungen vor und sind strikt einzuhalten.

Gründe

1

Die Antragstellerin wendet sich als Nachbarin gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin für den Neubau eines Geschäftshauses ("B. -C. ").

2

Das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt, weil nach summarischer Prüfung Nachbarrechte nicht verletzt würden. Die Baugenehmigung sei mit der Vorhabenbezeichnung "Geschäftshaus" nicht zu unbestimmt, auch wenn die Konkretisierung der Nutzungen der Verkaufsräume in nachträgliche ergänzende Baugenehmigungsverfahren verlagert worden sei. Dies entspreche bei der Errichtung eines größeren Geschäftshauses einem praktischen Bedürfnis. Nachbarliche Belange würden dadurch nicht zurückgestellt; die Nachbarn könnten aber auch noch gegen nachfolgende Baugenehmigungen vorgehen.

3

Auch in Bezug auf das zugrunde gelegte Verhältnis zwischen Verkaufs- und Lagerflächen fehle es nicht an der erforderlichen Bestimmtheit; die davon beeinflusste Zahl der notwendigen Stellplätze sei zahlenmäßig beziffert. Zwar lasse die Baugenehmigung die Möglichkeit offen, dass in einem nachfolgenden Genehmigungsverfahren eine höhere Zahl festzulegen sei. Das beeinträchtige die Antragstellerin aber nicht. Soweit ein solcher Mehrbedarf einen zusätzlichen Parkverkehr nach sich ziehe, der in der schalltechnischen Untersuchung noch nicht berücksichtigt sei, unterliege auch dies der Prüfung in dem nachfolgenden Verfahren.

4

Anhaltspunkte dafür, dass die Baugenehmigung nur eine "Konfliktbewältigung auf dem Papier" betreibe, bestünden nicht. Aus der Baugenehmigung, der Baubeschreibung und der schalltechnischen Untersuchung, die zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärt worden sei, ergäben sich hinreichende Detailregelungen zum Lieferverkehr, zu den Betriebs- und Öffnungszeiten und ähnlichem.

5

Dafür, dass bei Einrichtung einer Schrankenanlage in der Einfahrt zu den Parkdecks zusätzliche Geräuschimmissionen zu berücksichtigen seien, ergäben sich unter Berücksichtigung beiderseitigen Vorbringens keine ausreichenden Anhaltspunkte.

6

Eine mögliche Überschreitung nächtlicher Immissionsrichtwerte am Haus der Antragstellerin könne hingenommen werden, weil darin gewerbliche Räume untergebracht seien, nachts also üblicherweise kein Aufenthalt von Personen zu erwarten sei.

7

Die Festsetzung der Baumassenzahl im Bebauungsplan habe keinen nachbarschützenden Charakter. Etwas anderes gelte möglicherweise für die Festsetzung der Bauhöhe. Eine Überschreitung habe die Antragstellerin aber nicht hinreichend dargetan. Ihrer Behauptung, die Baugenehmigung weiche in Bezug auf die festgesetzte Geländehöhe vom Bebauungsplan ab, seien die anderen Beteiligten substantiiert entgegengetreten. Danach verwende die Baugenehmigung nur einen anderen Bezugspunkt, so dass eine Umrechnung erforderlich sei. Ob die Baugenehmigung eine Festsetzung zur Geländehöhe im Sinne des § 16 Abs. 2 NBauO treffe, sei zweifelhaft; jedenfalls sei aber nicht ersichtlich, dass ihre nachbarlichen Belange außer Acht geblieben seien.

8

Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde trägt die Antragstellerin vor:

9

Die angefochtene Baugenehmigung sei zu ihrem Nachteil unbestimmt. Eine Baugenehmigung könne ihre Legalisierungswirkung nur entfalten, wenn eine bestimmte Nutzung angegeben sei. Das fehle hier. Außerdem sei unklar, ob und unter welchen Umständen überhaupt eine weitere Genehmigung erteilt werde, gegen welche wiederum Nachbarrechtsschutz beantragt werden könne, und wie weit die Schutzwirkung der schon erteilten Baugenehmigung reichen solle, insbesondere, ob diese eine planerische Vorbelastung erzeuge.

10

Auch die Stellplatzberechnung habe deshalb in dieser Baugenehmigung einschließlich ihrer Nebenbestimmung in Ziffer 14 keine tragfähige Grundlage. Anders als im Bauleitplanverfahren müsse die Stellplatzzahl abschließend konkretisiert werden, zumal hiervon auch die schalltechnische Beurteilung abhänge.

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Insoweit komme es u.a. auf das Verhältnis zwischen Verkaufs- und Lagerfläche an. Hierfür könne - anders als beim Lebensmitteleinzelhandel - nicht auf Annahmen des Gesetzgebers zurückgegriffen werden. Bei Geschäften wie Handyshops, Textileinzelhandel u.Ä. werde ohnehin so gut wie keine Lagerhaltung betrieben. Eine Lagerfläche von 20% der Gesamtfläche könne deshalb der Berechnung der Einstellplätze nicht zugrunde gelegt werden; es müsse die Gesamtfläche herangezogen werden.

12

Das Vorhaben verursache unzumutbare Verkehrsimmissionen. Unrichtig sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, nach Ziffer 6.1 der Baugenehmigung sei die schalltechnische Untersuchung Gegenstand der Baugenehmigung. Jeder Baugenehmigung wohne eine eigene Variationsbreite zulässiger Nutzungen inne, so dass von den Annahmen der schalltechnischen Untersuchung auch abgewichen werden könne. Eine effektive Konfliktbewältigung in einer Baugenehmigung könne nur dadurch erfolgen, dass die Kernaussagen der schalltechnischen Untersuchung in entsprechenden Nebenbestimmungen wiederholt würden.

13

Die von der Beigeladenen nachgereichte Stellungnahme der Lärmkontor GmbH treffe nicht zu. Diese gehe zu.U.nrecht davon aus, dass die Bayerische Parkplatzlärmstudie die Situation einer Schrankenanlage im Einfahrtsbereich mit anschließender Rampe gesondert geprüft habe. Dies sei nur bei Tiefgaragen der Fall. Wegen der Ampelanlage sei ein Vergleich zu lichtzeichengeregelten Kreuzungen geboten, insbesondere mit dem Phänomen des "beschleunigten Anfahrens". Zur Überwindung der Rampensteigung werde regelmäßig besonders "Gas gegeben".

14

Im Übrigen befinde sich die Garageneinfahrt hier zwar nicht in einem "Blockinnenbereich"; die nachbarliche Situation sei aber insoweit vergleichbar, als sich unmittelbar neben der schrankengeregelten Parkhauszufahrt das Gebäude der Antragstellerin befinde. Gerade die "sensible" Obergeschossnutzung als Arztpraxis hätte beachtet werden müssen.

15

Ebenfalls unzutreffend sei die Beurteilung der Bauhöhen. Die Oberkante der Attika liege bis zu 24 m über dem Bezugspunkt. Dies bedeute eine Überschreitung der im Bebauungsplan als nachbarschützend festgesetzten Gebäudehöhe von 17,6 m. Die maßgebliche Gebäudehöhe sei selbst dann überschritten, wenn es sich bei der Attika um eine Brüstung mit einer Höhe von 1,60 m handele.

16

Schließlich seien auch die Baumassenzahl und die Geschossigkeit unzutreffend ermittelt. Offenkundig fehlerhaft sei die Berechnung anhand mehrer nicht gleichmäßig um das Gebäude verteilter Messpunkte. Der Grundriss habe vielmehr in verschiedene Quadrate eingeteilt werden müssen. Das führe dazu, dass der zur Lindenstraße hin gelegene Teil eine Deckenhöhe von im Mittel über 1,40 m über der Geländeoberkante aufweise. Unter diesen Umständen sei die Annahme zweifelhaft, dass hier kein Vollgeschoss gegeben sei. Es solle auch gerade der Eindruck erweckt werden, dass der Eingangsbereich von der Lindenstraße her das Erdgeschoss sei.

17

Auszugehen sei ferner davon, dass die Festsetzung der Baumassenzahl nachbarschützende Wirkung habe. Einzubeziehen sei dabei auch die Spindel (Zufahrt zu den Parkgeschossen), denn die Ausnahmeregelung des § 21a BauNVO gelte nur für Parkgeschosse.

18

Die Baugenehmigung nehme die maßgebliche Geländeoberkante zur Lindenstraße hin offenbar bei 68,28 m über NN an. Das sei gegenüber dem Grundstück Lindenstraße 17 um 1,30 m abgesenkt. Dadurch sehe die Antragstellerin sich abgeschnitten. Denn wegen der Tieferlegung der öffentlichen Verkehrsfläche müsse der Höhenversprung mit einem Gitter versehen werden, der ihr Gebäude optisch und praktisch abschirme. Darin liege eine bewusste Schädigung ihres Gebäudes ohne nachvollziehbaren Grund.

19

Die anderen Beteiligten treten dem mit ausführlichen Begründungen entgegen.

20

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt nicht die Änderung des angegriffenen Beschlusses.

21

Der Senat kann dabei überwiegend auf die Gründe dieses Beschlusses Bezug nehmen, da das Beschwerdevorbringen über das erstinstanzliche Vorbringen nicht wesentlich hinausgeht. Es besteht allerdings Anlass zu folgenden Bemerkungen:

22

Es ermangelt der angegriffenen Baugenehmigung nicht an der erforderlichen Bestimmtheit. Richtig ist, dass ein Nachbar insoweit "rügeberechtigt" ist, wenn die Unbestimmtheit gerade zu seinen Lasten geht. Es trifft auch zu, dass die angegriffene Baugenehmigung hier bestimmte Prüfungen weiteren Genehmigungsverfahren vorbehält. Das ist jedoch nicht zu beanstanden.

23

Der Senat folgt allerdings nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, mit der Baugenehmigung müsse nicht notwendig zugleich über die Nutzung der baulichen Anlage entschieden werden (Urt. v. 27.10.2000 - 8 S 445/00 -, BauR 2001, 616). Abgesehen von bestimmten Einschränkungen - etwa bei Konkurrenz paralleler Genehmigungsverfahren - ist die beabsichtigte Nutzung regelmäßig notwendiger Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.1974 - IV C 32.71 -, BVerwGE 47, 185 = DVBl. 1975, 498; Beschl. v. 30.1.1997 - 4 B 172.96 -, NVwZ-RR 1997, 519; Beschl. v. 14.6.2011 - 4 B 3.11 -, BauR 2011, 1642; Senatsbeschl. v. 19.1.1981 - 1 B 111/80 -, BauR 1981, 267, u. v. 9.11.1982 - 1 B 59/82 -, DVBl. 1983, 184; ferner Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Aufl. 2006, § 75 Rdnr. 7, 8). Das gilt gerade im Hinblick auf möglicherweise betroffene Nachbarrechte.

24

Dem ist hier jedoch hinreichend Rechnung getragen Die angegriffene Baugenehmigung lässt den Nutzungszweck nicht offen, sondern bezeichnet die Maßnahme als "Neubau eines Geschäftshauses". Daran ändert auch die Nebenbestimmung Nr. 14 nichts, derzufolge für die Nutzungen der "Verkaufsräume" entsprechende Anträge mit den zugehörigen Unterlagen zur Prüfung einzureichen sind. In Abhängigkeit von der angestrebten Größe der Verkaufsfläche sollen dann erst die Anforderungen des Arbeitsschutzes berücksichtigt und ein eventueller Mehrbedarf an Stellplätzen per Baulast auf einem anderen Grundstück gesichert oder abgelöst werden. Mit anderen Worten steht die eigentliche Nutzung fest, nämlich Geschäftshaus mit einzelnen Verkaufsräumen. Es ist auch davon auszugehen, dass die "Grundgenehmigung" die zu erwartende Nutzung insgesamt größenordnungsmäßig korrekt zugrunde legt. Hinsichtlich der Stellplatzanforderungen hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 12. Juli 2010 (- 1 MN 23/10 -) im vorangegangene Normenkontrolleilverfahren nicht beanstandet, dass (nur) 260 Stellplätze für erforderlich gehalten werden. Hier knüpft der Prüfungsvorbehalt lediglich daran an, dass die individuelle Nutzung der einzelnen Verkaufsräume unterschiedliche Intensität haben kann. Insoweit können sich während der Nutzungsdauer eines Geschäftshauses dieser Art im Zeitablauf durch Kündigungen und Neuvermietungen ohnehin immer wieder Änderungen ergeben, die ggf. baugenehmigungsbedürftig sind.

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Vergleichbare Ausgestaltungen einer Baugenehmigung hat der Senat bereits in unterschiedlichen rechtlichen Zusammenhängen als unbedenklich angesehen. In Bezug auf sogenannte Factory Outlet Center, die eine Vielzahl möglicherweise im Zeitablauf wechselnder Einzelläden aufweisen können, ist er in Bezug auf die Verkaufsflächenobergrenze davon ausgegangen, dass sie ein einziges Bauvorhaben bilden können (Beschl. v.18.2.2011 - 1 ME 252/10 -, www.dbovg.niedersachsen.de und [...]; vgl. dazu auch BVerwG, Beschl. v. 9.2.2011 - 4 BN 43.10 -, BauR 2011, 1118). In einem Gemeindenachbarstreit hat er im Hinblick auf die Prognose zum Kaufkraftabfluss ausgeführt (Beschl. v. 30.11.2005 - 1 ME 172/05 -, NVwZ-RR 2007, 79):

"Namentlich kommt der Antragstellerin nicht zugute, dass das Sortiment, welches in den 12 genehmigten "Shops" angeboten werden soll, in den genehmigten Bauunterlagen (Baubeschreibung) nicht näher bezeichnet worden ist. Das ergibt sich aus mehreren Gesichtspunkten:

Aus den Ausführungen auf Seite 3 des Widerspruchsbescheides des Antragsgegners vom 6. Juli 2005 geht hervor, dass in diesen zwölf "Shops" Textil- und Sportartikel feilgehalten werden sollen. Das ist eine realistische, durch das Antragsvorbringen erhärtete Annahme, welche damit zugleich den Bauschein vom 17. März 2005 verbindlich konkretisiert.

Eine weitergehende, an sich wünschenswerte Konkretisierung durfte hier unterbleiben, ohne dass dies die Abwehrposition der Antragstellerin stärken würde. In der Rechtsprechung (vgl. z.B. B.-W. VGH, Urt. v. 9. Dezember 1993 - 5 S 1650/92 -, ESVGH 43, 142 = BRS 55 Nr. 193; Nds. OVG, B. v. 5. Oktober 1994 - 1 M 5589/94 -, BRS 56 Nr. 108 = NdsRpfl. 1995, 74) ist anerkannt, dass Unbestimmtheiten der genehmigten Bauvorlagen zu Lasten des Bauherren gehen können. Sie rechtfertigen eine Antragsstattgabe jedoch erst dann, wenn die Ausnutzung dieser Bauvorlagen eine Bauausführung ermöglichte, welche nachbarrechtsrelevante Belange ohne ausreichende Bewältigung hintanstellt. Zu ermitteln ist daher, was in den "Shops" realistischerweise untergebracht werden wird und wie es sich im schlimmstmöglichen Fall, d.h. in dem nachbarunverträglichsten Fall auswirken wird. Erst wenn diese Prüfung ergibt, dass Nachbarrechtsverletzungen nicht verlässlich ausgeschlossen werden können, kann der Antrag Erfolg haben. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben."

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Auch hier fällt der Prüfungsvorbehalt nachbarrechtlich nicht ins Gewicht. Fragen des Arbeitsschutzes berühren den Rechtskreis der Nachbarn von vornherein nicht. Dafür, dass die ursprüngliche Baugenehmigung in nachfolgenden Genehmigungsverfahren als "Vorbelastung" berücksichtigt werden könnte, spricht nichts. Nachfolgende Baugenehmigungen haben sich vielmehr im Rahmen der ursprünglichen Baugenehmigung zu halten - zumal dann, wenn bei ihnen nur noch ein beschränktes "Prüfprogramm" abgewickelt wird - und müssen im Übrigen den Festsetzungen des Bebauungsplans entsprechen. Zu den Auswirkungen auf die Berechnung der Zahl der erforderlichen Stellplätze hat der Senat bei einer jedenfalls teilweise vergleichbaren Fallgestaltung - Einkaufszentrum in Oldenburg - mit Beschluss vom 21. Dezember 2010 (- 1 LA 274/09 -) ausgeführt:

"Schließlich fehlt es der angefochtenen Baugenehmigung nicht an der erforderlichen Bestimmtheit. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf S. 34 f. ist an sich nichts hinzuzufügen. Bei einem Vorhaben dieser Größenordnung ist es nicht ungewöhnlich, wenn im Laufe der Zeit im Detail gelegentlich baugenehmigungsbedürftige bauliche Änderungen vorgenommen werden, z.B. um geänderten Kundenerwartungen zu entsprechen. Insoweit muss die "Grundgenehmigung" des Vorhabens von vornherein berücksichtigen, welche maximalen Nutzungsmöglichkeiten das Vorhaben bietet, und jedenfalls größenordnungsmäßig die hierfür erforderliche Anzahl an Stellplätzen festsetzen. Darauf hat allerdings der Nachbar keinen unmittelbaren Anspruch. Soweit Richtwerte bestehen - wie in Niedersachsen die Richtzahlen für den Einstellplatzbedarf -, orientieren sich diese an dem Ziel der Fernhaltung des ruhenden Verkehrs von den öffentlichen Straßenflächen (vgl. Senatsbeschl. v. 3.12.1987 - 1 OVG B 60/87 -, Gemeinde 1988, 59). Dass sie nicht zugleich nachbarrechtlich orientiert sind, zeigt sich bereits an der nach § 47a NBauO unter gewissen Voraussetzungen gegebenen Möglichkeit einer Ablösung der Stellplatzpflicht. Im Übrigen sind die Richtwerte gerade für Fälle der vorliegenden Art nicht "dogmatisch" anzuwenden. Zu berücksichtigen ist vielmehr auch die Einbettung des Vorhabens in die Umgebungssituation. So kann der durch ein Vorhaben ausgelöste Verkehr unter günstigen Umständen zum Teil auch durch Busse und Bahnen aufgefangen werden. Außerdem ist nicht unwahrscheinlich, dass Einkaufsbesuche in der Innenstadt gleich mehrere Geschäfte zum Ziel haben, so dass der Gesamtstellplatzbedarf geringer ist als die Summe der Bedarfe für die einzelnen Geschäfte.

Nachbarrechtlich kann allenfalls geltend gemacht werden, dass das Vorhaben wegen defizitärer Stellplatzaustattung zu Auswirkungen führt, die der Nachbar nicht hinzunehmen hat, etwa zu einem unverträglichen Park- und Suchverkehr mit der Folge, dass er sein eigenes Grundstück nicht mehr ohne Weiteres anfahren kann (vgl. z.B. VGH Mannheim, Beschl. v. 10.1.2008 - 3 S 2773/07 -, NVwZ-RR 2008, 600; VGH Kassel, Beschl. v. 12.5.2003 - 9 TG 2037/02 -, BRS 66 Nr. 190; OVG Bremen, Beschl. v. 18.10.2002 - 1 B 315/02 -, NVwZ-RR 2003, 549; OVG Münster, Urt. v. 10.7.1998 - 11 A 7238/95 -, NVwZ-RR 1999, 365; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.3.1997 - 1 M 6589/96 -; ferner Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/ Wiechert, NBauO, 8. Auflage. 2006, § 47 Rdnr. 6 und § 72 Rdnr. 86). Das wird jedoch nicht bereits durch den Umstand indiziert, dass eine Baugenehmigung nicht die diejenige Anzahl von Stellplätzen vorgibt, welche sich nach "mathematischer" Anwendung der Richtwerte ergeben würden. ...

Vor diesem Hintergrund hätten auch untergeordnete Fehler in der der Baugenehmigung zugrunde gelegten Stellplatzberechnung keine weiteren Auswirkungen auf die rechtliche Betroffenheit der Klägerin."

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Das gilt auch für den vorliegenden Fall. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Grundstück der Antragstellerin Gefahr läuft, nicht mehr angefahren werden zu können, was von der Frage zu unterscheiden ist, ob dort unmittelbar an der Straße Parkplätze bestehen. Soweit die Antragstellerin meint, aus einer später möglichen Erhöhung der Stellplatzanforderungen ergäben sich möglicherweise Folgerungen für die schalltechnische Beurteilung, ist eine solche Korrelation nicht zwingend anzunehmen. Ausgangspunkt für eine schalltechnische Untersuchung kann nicht die Zahl der vorgesehenen Stellplätze sein; sowohl die zahlenmäßigen Stellplatzanforderungen als auch die zu prognostizierenden Lärmwerte sind vielmehr gleichsinnig von der "Anziehungskraft" des Vorhabens für Besucher abhängig, die mit dem Auto anreisen. Infolgedessen kommt in diesem Zusammenhang nur der Frage Bedeutung zu, ob die Antragsgegnerin bei den Verkaufsräumen das Verhältnis von Verkaufs- zu Lagerfläche mit Werten von vier zu eins (zuzüglich einiger gesonderter Lagerräume) unzutreffend angesetzt und damit die Attraktivität des Vorhabens unterschätzt hat. Das lässt sich im Eilverfahren nicht abschließend beurteilen, weil für die hier in Betracht kommenden Nutzungen keine Erfahrungswerte präsent sind. Der Ansatz von 20% Lagefläche ist aber jedenfalls nicht von vornherein verfehlt, selbst wenn die fraglichen "Shops" auf maximale Ausschöpfung ihrer räumlichen Gegebenheiten Bedacht legen dürften. Nach den für das Eilverfahren geltenden Maßstäben rechtfertigen solche verbleibende Unsicherheiten die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht.

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Das Verwaltungsgericht ist des Weiteren zu Recht davon ausgegangen, dass die schalltechnische Untersuchung Bestandteil der Baugenehmigung geworden ist. Die gegenteilige Auffassung der Antragstellerin, im Rahmen der üblichen Variationsbreite einer genehmigten Nutzung bestehe keine enge Bindung an solche Bauvorlagen, trifft nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 10.8.2010 - 1 KN 218/07 -, NdsVBl. 2011, 16 unter Hinweis auf nicht veröffentlichte Beschlüsse vom 16.4.2007 - 1 ME 90/07 - und vom 28.11.2007 - 1 ME 296/07 -) kommt schalltechnischen Gutachten, die vom Bauherrn vorgelegt werden, um die nicht von vornherein offensichtliche nachbarrechtliche Zulässigkeit seines Bauvorhabens zu belegen, besondere Bedeutung zu. Im Hinblick darauf, dass sich an ihnen praktisch die Zumutbarkeit des Vorhabens für die Nachbarn entscheidet, sind sie nicht anders zu behandeln als andere auf strikte Einhaltung angelegte Bauvorlagen, also z.B. solche, die Grenzabstände betreffen und anerkannterweise "zentimetergenau" sein müssen. Bestätigt ein vom Bauherrn vorgelegtes schalltechnisches Gutachten die Zumutbarkeit nur unter bestimmten Voraussetzungen, geht dies (möglicherweise abweichenden) Angaben in Betriebs- oder Anlagebeschreibungen vor. Die in einem solchen Gutachten erforderlichen Restriktionen (Betriebszeiten, Abstände usw.) werden unmittelbar Gegenstand der Baugenehmigung, auch wenn dies nicht ausdrücklich in einer Inhalts- oder Nebenbestimmung zum Ausdruck gebracht wird. Werden die zulässigen Werte nur knapp eingehalten, besteht bei der Ausnutzung der Baugenehmigung keinerlei Variationsspielraum zu Lasten der Nachbarn. Das Baugenehmigungsverfahren lässt mit anderen Worten keinen Raum für die Vorlage von "Beschwichtigungsgutachten", die nur eine nicht wirklich angestrebte Nutzungsvariante untersuchen.

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Soweit die Antragstellerin meint, bei der Lärmbeurteilung des beschrankten Einfahrtsbereichs zu den Parkdecks habe zusätzlich zu den Standardannahmen nach der Bayerischen Parkplatzlärmstudie ein Zuschlag für "beschleunigtes Anfahren" in Ansatz gebracht werden müssen, hat dies nicht die für einen Erfolg im Eilverfahren erforderliche Überzeugungskraft. Die anderen Beteiligten haben Gründe für die Annahme vorgebracht, die Schrankensituation sei in der genannten Studie bereits eingearbeitet. Es dürften sich in der Praxis auch nur wenige Parkhäuser ohne derartige Schranken finden, an denen man entsprechend Lärmmessungen vornehmen könnte. Darüber hinaus begünstigt die bauliche Situation gängiger Parkhäuser keineswegs einen "Kavaliersstart" die gebogene Rampe hinauf.

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Eine Übertretung der im Bebauungsplan festgesetzten Gebäudehöhe lässt sich dem Vorbringen der Antragstellerin nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen. Richtig ist, dass die Gebäudehöhe auf 17,6 m beschränkt ist; für technische Aufbauten darf dies um 3,5 m überschritten werden (insgesamt 21,1 m). Wie z.B. der "Ansicht Süd" des Bauvorhabens zu entnehmen ist, soll die "Aufstellfläche Haustechnik" bis auf 24 m reichen. Die Antragstellerin entkräftet jedoch nicht den Einwand, die Baugenehmigung verwende für die Höhe nicht den gleichen Bezugspunkt wie der Bebauungsplan, sondern einen aus bautechnischen Gründen gewählten Bezugspunkt, der um 3,27 m abweiche, so dass diese Höhe umgerechnet auf den Bezugspunkt der Baugenehmigung sogar 24,47 m betrage.

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Auch die von der Antragstellerin geäußerten Zweifel an den Feststellungen zur Geländehöhe mit ihren Folgen für die Beurteilung des Geschossigkeit des Bauvorhabens reichen für einen "Baustopp" nicht aus. Abgesehen davon, dass sich eine nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen des Bebauungsplans insoweit nicht aufdrängt, präferiert die Antragstellerin nur eine abweichende Herangehensweise an die Feststellung der Geländehöhe, ohne deren rechtliche Gebotenheit darzutun. Im Eilverfahren ist deshalb dieser eher technisch geprägten Fragestellung nicht weiter nachzugehen.

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Soweit die Antragstellerin ihr eigenes Grundstück durch eine Absenkung der Geländeoberfläche zum Bauvorhaben hin benachteiligt sieht und von der Notwenigkeit ausgeht, ein ihr Gebäude abschirmendes Gitter anzubringen, bestätigt sich zwar aus der genehmigten "Ansicht Süd", dass das Straßennivau ihres Grundstücks durchgängig bei 1,14 m liegt, westlich davon aber bis zur Gebäudeecke jenseits der Einfahrt rasch auf 0,42 m abfällt. Solche Probleme lassen sich aber - wie der Blick auf Siedlungsflächen in weniger "platten" Landschaftsformen beweist - bautechnisch regelmäßig ohne größere Nachteile bewältigen.