Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.02.1995, Az.: 9 Sa 1799/94 E

Tarifgerechte Eingruppierung eines Arbeitnehmers; Tätigkeit eines Erziehers mit staatlicher Anerkennung ; Tarifliche Bewertung pädagogischer Betreuungsarbeit ; Einbezug der Fähigkeiten und Erfahrungen eines Arbeitnehmers

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
09.02.1995
Aktenzeichen
9 Sa 1799/94 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 10872
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1995:0209.9SA1799.94E.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 16.08.1994 - AZ: 3 Ca 732/93 E
nachfolgend
BAG - 13.11.1996 - AZ: 4 AZR 289/95

Verfahrensgegenstand

Feststellung

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 09.02.1995
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dierking und
die ehrenamtlichen Richter Bücker und
Dziallas
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 16.08.1994 - 3 Ca 732/93 E - abgeändert:

Es wird festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin, beginnend mit dem 01.01.1991, Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT, einschließlich Zuwendung nach dieser Vergütungsgruppe, unter Anrechnung der zu diesem Zeitpunkt gewährten Vergütung, zu gewähren, nebst 4 % Zinsen auf die sich jeweils ergebenden Nettodifferenzbeträge ab jeweiliger monatlicher Fälligkeit, frühestens ab Klagezustellung (26.11.1993).

Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin.

2

Die ... 1959 geborene Klägerin ist ausgebildete Kinderpflegerin. Sie wurde mit Wirkung vom 01.10.1978 als Betreuungskraft im Schuldienst des beklagten Landes eingestellt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung nach den Bestimmungen des Bundesangestellten-Tarifvertrages und der diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.

3

Die Klägerin schloß 1987 eine zweijährige sonderpädagogische Zusatzausbildung für pädagogische Mitarbeiter erfolgreich ab. Da die Ausbildung regelmäßig für Erzieher und Sozialpädagogen gedacht ist, hatte die Klägerin zuvor eine Aufnahmeprüfung zu absolvieren. Die Ausbildung beinhaltete die Fächer Theorie und Praxis der Erziehung und Bildung Geistigbehinderter, Medizinische Grenzgebiete der Geistigbehindertenpädagogik, Sprachgeschädigtenpädagogik mit Geistigbehinderten, Didaktik und Methodik der Betreuungsarbeit sowie ausgewählte Fragen der Sozialkunde, Jugendhilfe und des Schulrechts. Die Klägerin bestand die Prüfung mit dem Gesamtergebnis gut. Auf das Zeugnis vom 20.03.1987 nimmt die Kammer Bezug (Bl. 27 d. A.).

4

Die Klägerin ist an einer Sonderschule für Geistigbehinderte in ... tätig. Sie übt ausweislich einer vom Schulaufsichtsamt des beklagten Landes erstellten Arbeitsplatzbeschreibung vom 21.10.1981 folgende Tätigkeiten aus:

1.Unterrichtsbegleitung während des Unterrichts des Klassenlehrers50 %
2.Betreuung der Schüler bei der Durchführung von Unterrichtsaufgaben Betreuung nach Absprache und Anleitung des Klassenlehrers vorwiegend im musisch-technischen Bereich, Übungsbereich und in der Vor- und Nacharbeit12,5 %
3.Hilfe für Schwerbehinderte
-beim Transport (z.B. von der Schule in die Klinik, auf dem Weg von der Schule zum Elternhaus)
-beim An- und Ablegen von Kleidung
-beim An- und Ablegen von Prothesen
-vor, während und nach therapeutischen Maßnahmen
-bei der Aufnahme von Speisen und Getränken5 %
4.Betreuung von Fachräumen5 %
5.Sonstige Betreuungsaufgaben und Verpflichtungen
-Assistenz bei medikamentöser Versorgung
-Hilfe bei Benutzung von Selbstfahrern, Gehgestellen usw.
-Begleitung bei Lehrausflügen, Schullandheimaufenthalten, Festen, Feiern usw.
-Begleitung bei ambulanten Arztbesuchen während der Schulzeit
-Mithilfe bei Erstversorgung nach Unfällen
-Mithilfe bei der Betreuung von Sammlungen und Büchereien5 %
-Teilnahme an Konferenzen. Dienstbesprechungen und Gruppengesprächen nach Maßgabe der geltenden Vorschriften10 %
-Aufsichtsführung beim Mittagessen12,5 %
5

Die betreuten Kinder sind häufig mehrfach-behindert. Viele müssen lernen, wie man richtig ißt, die Toilette benutzt; Motorik und Sprache müssen trainiert werden. Sauberkeitserziehung, Nahrungsaufnahme, Motorik usw. sind Teil des pädagogischen Konzepts. Die Klassen an dem Sonderschultyp, an dem die Klägerin eingesetzt ist, werden von einer Lehrkraft geleitet. Nach der Konzeption eines Erlasses des Kultusministers des beklagten Landes vom 28.09.1982 unterstützen pädagogische Mitarbeiter mit unterrichtsbegleitender Funktion die Erziehungs- und Unterrichtsarbeit an Sonderschulen. Daneben gibt es Betreuungspersonal, dessen Aufgaben die pflegerische Betreuung der Schüler während des Unterrichts, die Hilfe für Schwerbehinderte bei der Beförderung innerhalb der Schulanlage, beim An- und Ablegen von Kleidung und von Prothesen und sonstige Betreuung sind (SVBl. 1982.298).

6

In einem Besichtigungsbericht des Schulaufsichtsamts Hannover-Land III vom 21.10.1981 heißt es wörtlich:

"Ich habe (die Klägerin) an diesem Tage in ihrer unterrichtsbegleitenden Funktion kennengelernt."

7

Die Kammer nimmt auf den Besichtigungsbericht vom 21.10.1981 Bezug (Bl. 13 d. A.). Auch in dem Vermerk des Schulaufsichtsamtsvom 05.02.1991, in einem Besichtigungsbericht vom 04.11.1991 und in einem Vermerk vom 06.11.1991 wird die Klägerin Jeweils als Unterrichtsbegleiterin bezeichnet. Die Kammer nimmt auch auf den Inhalt dieser Vermerke Bezug (Bl. 16 ff., Bl. 20 ff. und 25 ff. d. A.).

8

Das beklagte Land zahlt der Klägerin seit dem 01.01.1991 Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT. Mit Schreiben vom 24.01.1991 und 03.07.1991 machte die Klägerin gegenüber der Bezirksregierungschriftlich einen Anspruch auf Höhergruppierung geltend.

9

Mit der 15.11.1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß sie ab 01.01.1991 in Vergütungsgruppe V b BAT eingruppiert sei.

10

Sie hat die Auffassung vertreten, ihre gesamte Tätigkeit stelle einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar. Sie übe erzieherische Tätigkeiten aus. Die Hilfe beim Erlernen und Trainieren der Nahrungsaufnahme, der Verrichtung der persönlichen Bedürfnisse, des An- und Entkleidens, die Sauberkeitserziehung und die Übung der Motorik seien Teil des pädagogischen Konzepts. Sie (die Klägerin) nehme unter Anleitung der Lehrkräfte die gleichen Aufgaben wahr wie pädagogische Mitarbeiter. Unterschiede hinsichtlich des Einsatzes und der Tätigkeit gebe es zwischen ihr und ihren Kolleginnen mit Erzieherausbildung nicht. Sie übe daher erzieherische Tätigkeiten aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten aus.

11

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin, beginnend mit dem 01.01.1991, Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b, einschließlich Zuwendung nach dieser Vergütungsgruppe, unter Anrechnung der zu diesem Zeitpunkt gewährten Vergütung, zu gewähren, nebst 4 % Zinsen auf die sich ergebenden Nettodifferenzbeträge ab Jeweiliger monatlicher Fälligkeit, frühestens ab Klagzustellung.

12

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Es hat gemeint, die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten seien pflegerischer Art. Die zeitweise auch ausgeübten erzieherischen Tätigkeiten erreichten nicht 50 % der Gesamttätigkeiten der Klägerin. Die Klägerin verfüge auch nicht über die erforderlichen gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen. Sie habe durch ihre sonderpädagogische Zusatzausbildung lediglich Spezialkenntnisse auf einem engbegrenzten Teilgebiet erworben.

14

Durch Urteil vom 16.08.1994 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt und den Streitwert auf 17.234,54 DM festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt, aus dem Vorbringen der Klägerin ergebe sich nicht, daß sie ihre Tätigkeit aufgrund "gleichwertiger Fähigkeiten" im Sinne der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 5 ausübe. Die Absolvierung der sozialpädagogischen Zusatzausbildung, verbunden mit der vorher abgelegten Aufnahmeprüfung, lasse den Schluß auf gleichwertige Fähigkeiten, wie sie Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung hätten, nicht zu. Die Klägerin habe eine ähnlich gründliche Beherrschung des umfangreichen Wissensgebietes einer Erzieherin nicht dargetan. Auch aus der Tatsache, daß die Klägerin ebenso eingesetzt werde wie ihre Kolleginnen mit Erzieherausbildung, ließen sich hinreichende Rückschlüsse auf die Fähigkeiten der Klägerin nicht ziehen. Wegen der weiteren rechtlichen Erwägungen, auf die das Arbeitsgericht sein Ergebnis gestützt hat, wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 94 bis 98 d. A.) Bezug genommen.

15

Gegen dieses ihr am 12.09.1994 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 12.10.1994 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem am 09.11.1994 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

16

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klagebegehren nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 08.11.1994 (Bl. 109 bis 114 d. A.), auf deren Inhalt die Kammer Bezug nimmt, weiter. Sie meint insbesondere, das Arbeitsgericht habe sich nicht weigern dürfen, aus dem Umstand, daß die Klägerin seit 1978 hochqualifizierte erzieherische Tätigkeit ausgeübt habe, auf die dahinterstehenden entsprechenden Fähigkeiten rückzuschließen. Die Tarifvertragsparteien hätten nämlich Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen Erzieherinnentätigkeit ausübten, Erzieherinnen gleichgestellt. Abzustellen sei bei einer Tätigkeit deshalb zunächst auf das Resultat. Indem die Klägerin 16 Jahre lang beanstandungsfrei unterrichtsbegleitend, also erzieherisch, tätig gewesen sei, habe sie Fähigkeiten und Erfahrungen einer Erzieherin nachgewiesen. Das Arbeitsgericht verkenne auch, daß sich die Klägerin in ihrer täglichen Arbeit qualifiziere, in der sie ständig in Fachgesprächen eingebunden sei, die mit Personen unterschiedlicher erziehungswissenschaftlicher, therapeutischer oder psychologischer Qualifikation geführt würden. Wegen der von der Klägerin genannten Beispiele wird auf Seite 3 bis Seite 5 der Berufungsbegründungsschrift (Bl. 111 bis 113 d. A.) verwiesen.

17

Die Fähigkeiten der Klägerin seien auch nicht auf ein enges Fachgebiet beschränkt. Die Arbeit mit geistigbehinderten Kindern sei ein Mehr gegenüber der normalen Erziehungsarbeit.

18

Die Klägerin beantragt daher.

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 16.08.1994 - 3 Ca 732/93 E - festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin, beginnend mit dem 01.06.1991, Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b, einschließlich Zuwendung nach dieser Vergütungsgruppe, unter Anrechnung der zu diesem Zeitpunkt gewährten Vergütung, zu gewähren, nebst 4 % Zinsen auf die sich Jeweils ergebenden Nettodifferenzbeträge ab jeweiliger monatlicher Fälligkeit, frühestens ab Klagzustellung.

19

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

20

Es verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 11.01.1995 (Bl. 126 bis 129 d. A.), auf deren Inhalt die Kammer ebenfalls Bezug nimmt.

21

Das beklagte Land meint nach wie vor, die Tätigkeit der Klägerin sei in verschiedene Arbeitsvorgänge aufzuteilen. Die pflegerischen Tätigkeiten überwögen dabei. Auch decke die Klägerin im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit nur einen Teilbereich der Verwendungsmöglichkeiten einer Erzieherin ab.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufung ist begründet, da die Klage begründet ist. Die Klägerin verlangt zu Recht die Feststellung, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihr ab dem 01.01.1991 Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BAT zu zahlen. Denn die Klägerin ist in Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 5 der Anlage 1 a zum BAT (Bund/Länder) Teil II Abschnitt G (Sozial-/Erziehungsdienst) (im folgenden: BAT) eingruppiert. Diese Vergütungsgruppe/Fallgruppe lautet:

Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 5.

23

In Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 5 BAT sind eingruppiert:

Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten (hierzu Protokollnotizen Nrn. 1, 6, 7 und 8).

24

Die Klägerin ist zwar nicht staatlich anerkannte Erzieherin, aber sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen Tätigkeiten einer Erzieherin ausübt. Denn die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge entspricht den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Für den Begriff des Arbeitsvorgangs ist anhand der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT von der Umschreibung auszugehen, wie sie der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts in ständiger Rechtsprechung (zuletzt BAG Urteil vom 18.05.1994, 4 AZR 461/93, mit weiteren Nachweisen) entwickelt hat, nämlich als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten. Bei Zugrundelegung dieses Begriffs ergibt sich, daß die unter Ziffern 1 und 2 der Arbeitsplatzbeschreibung umschriebenen Tätigkeiten einen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden, zu dem sich noch in Ziffern 4 und 5 genannte Tätigkeiten (in Ziff. 5: Begleitung bei Lehrausflügen pp., Teilnahme an Konferenzen, Dienstbesprechungen pp.) als Zusammenhangstätigkeiten gesellen. Arbeitsergebnis ist die Unterrichtsbegleitung während des Unterrichts durch den Lehrer sowie die Betreuung der behinderten Schüler bei der Durchführung von Unterrichtsaufgaben.

25

Diese pädagogische Betreuungsarbeit in Form der Unterrichtsbegleitung und der Betreuung der Schüler bei der Durchführung von Unterrichtsaufgaben ist typische Erziehertätigkeit. Dies ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Rahmenrichtlinien für den Unterricht in der Schule für Geistigbehinderte (Bl. 42 ff. d. A.), die sich vorrangig an den Lehrer wenden, und aus dem Erlaß des Niedersächsischen Kultusministers vom 28.09.1992, soweit er (in Ziff. 1) sich an pädagogische Mitarbeiter wendet. Die Klägerin verweist zu Recht darauf, daß im Unterricht der Schule für Geistigbehinderte die Nahrungsaufnahme und angemessenes Eßverhalten, Sauberkeit, Körperpflege, Toilettenbenutzung, das An- und Auskleiden u. ä. Lernziele darstellen, so daß die Hilfe bei der Verwirklichung dieser Ziele typische pädagogische Tätigkeiten einer Erzieherin beinhalten (vgl. BAG vom 15.05.1991 - 4 AZR 532/90 -). Es geht nicht darum, daß die Kinder "sattgemacht oder saubergehalten werden", wie die Klägerin zu Recht vorträgt, sondern daß den Kindern beigebracht wird, wie sie sich demnächst selbst helfen können. Bei dieser erzieherischen Tätigkeit muß ein Erzieher das durch die Fachschulausbildung erworbene Wissen auf pädagogischem und psychologischem Gebiet einsetzen.

26

Die Klägerin hat auch gleichwertige Erfahrungen und Fähigkeiten. Diese liegen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG AP Nr. 66 und 96 zu §§ 22, 23 BAT 1975) dann vor, wenn eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes, wie es durch die Fachausbildung vermittelt wird, festzustellen ist. Diese Fähigkeiten und Erfahrungen dürfen sich nicht nur auf ein engbegrenztes Teilgebiet beschränken, sondern der sonstige Angestellte muß ähnlich umfangreich wie eine ausgebildete Kraft eingesetzt werden können. Aus der ausgeübten Tätigkeit können Rückschlüsse auf die subjektiven Voraussetzungen, also die Fähigkeiten und Erfahrungen, gezogen werden (BAG a.a.O.). Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin ist sie, obwohl als Betreuungskraft eingestellt, von Anfang an als pädagogische Mitarbeiterin in unterrichtsbegleitender Funktion eingesetzt worden und hat exakt die gleiche Tätigkeit ausgeübt wie ihre Kolleginnen, die den Status als pädagogische Mitarbeiterinnen hatten. Diese Tätigkeit hat die Klägerin seit 1978 ausgeübt; bereits in der Arbeitsplatzbeschreibung vom 21.10.1981 hat dies seinen Niederschlag gefunden. Ohne Widerspruch des beklagten Landes hat die Klägerin in der Berufungsbegründung eine Reihe von Beispielen vorgetragen (Bl. 111 bis 113 d. A.), die belegen, daß sie sich in ihrer täglichen Arbeit pädagogisch und psychologisch qualifiziert hat. Die Mitgliedschaft in der Fachkonferenz, regelmäßige Gespräche mit den Sprachtherapeutinnen der Schule, mit den Krankengymnasten, der Schulpsychologin und anderen, die Mitarbeit bei der Planung und Durchführung von Theaterprojekten an der Schule, die Teilnahme an der gutachterlichen Überprüfung der neueinzustellenden bzw. umzuschulenden Kinder zeigen, daß die Arbeit der Klägerin den Zuschnitt von Erziehertätigkeit hat.

27

Die Klägerin hat ihre Aufgaben ordnungsgemäß erledigt. Das ist ebenfalls unstreitig. Sie verfügt zwar nicht über eine gleichwertige, aber für das Fachgebiet einschlägige Ausbildung als Kinderpflegerin, ist also nicht fachfremd. Zudem hat sie eine sonderpädagogische Zusatzausbildung für pädagogische Mitarbeiter erfolgreich absolviert, die an sich nur für Erzieher und Sozialpädagogen gedacht ist.

28

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt Urteil vom 23.02.1994 - 4 AZR 217/93 -) liegt eine "entsprechende Tätigkeit" eines Erziehers nur dann vor, wenn die Tätigkeit des Angestellten sich auf die konkrete Fachrichtung der Jeweiligen Ausbildung bezieht und die Tätigkeit die durch die Ausbildung erworbenen Fähigkeiten gerade erfordert. Nicht ausreichend ist es, wenn die entsprechenden Kenntnisse des Angestellten für seinen Aufgabenbereich nützlich oder wünschenswert sind. Sie müssen vielmehr für die Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben notwendig sein. Auch diese Voraussetzung erfüllt die Tätigkeit der Klägerin. Daß die von ihr auszuübende Tätigkeit eine Erzieherausbildung oder gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, ergibt sich aus dem Erlaß des MK vom 28.09.1992. Aus Ziff. 1.1 dieses Erlasses geht hervor, daß staatlich anerkannte Sozialarbeiter/Sozialpädagogen und Erzieher/Kindergärtnerinnen als pädagogische Mitarbeiter mit unterrichtsbegleitender Funktion eingesetzt werden.

29

Die Klägerin übt auch besonders schwierige fachliche Tätigkeiten aus. Das ergibt sich aus Ziff. 8 b der Protokollnotiz, wo Tätigkeiten in Gruppen von Behinderten im Sinne des § 39 BSHG oder von Kindern oder Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten als Beispiel für besonders schwierige fachliche Tätigkeiten genannt sind. Mit dieser Protokollerklärung haben die Tarifvertragsparteien das Heraushebungsmerkmal der besonders schwierigen fachlichen Tätigkeit verbindlich festgelegt (vgl. BAG AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT 1975; AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4).

30

Die Klägerin macht Bezahlung nach Vergütungsgruppe V b BAT zu Recht ab 01.01.1991 geltend. Der Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24.04.1991 ist rückwirkend ab 01.01.1991 in Kraft getreten. Nach der Übergangsvorschrift Ziff. 2 des § 5 des Tarifvertrages wird, wenn die Eingruppierung des Angestellten nach dem Tarifvertrag von der Zeit einer Tätigkeit oder von der Zeit einer Bewährung in einer bestimmten Vergütungs- und Fallgruppe oder von der Zeit einer Berufstätigkeit abhängt, die vor dem 01.01.1991 zurückgelegte Zeit so berücksichtigt, wie sie zu berücksichtigen wäre, wenn der Tarifvertrag bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte. Die Klägerin hat die vierjährige Bewährungszeit in Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 5 BAT also ersichtlich erfüllt, und zwar auch dann, wenn man in ihrem Fall eine Zelt der praktischen Tätigkeit für erforderlich hält, die doppelt so lang ist wie die Ausbildungszeit einer Erzieherin (vgl. LAG Niedersachsen Urteil vom 22.02.1994 - 13 Sa 1601/93 -).

31

Die Kostenentscheidung fußt auf § 91 ZPO.

32

Die Revisionszulassung gründet sich auf §§ 72 Abs. 2 Ziff. 1, 72 a Abs. 1 Ziff. 2 ArbGG.