Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.10.1995, Az.: 12 Sa 436/94
Zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses; Zulässigkeit der zeitlichen Befristung; Aneinanderreihung mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 07.10.1995
- Aktenzeichen
- 12 Sa 436/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 10869
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1995:1007.12SA436.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg - 11.01.1994 - AZ: 5 Ca 613/93
Prozessführer
...
Prozessgegner
...
In dem Rechtsstreitverfahren
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 11. Januar 1994 - 5 Ca 613/93 - abgeändert.
Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Wert des Berufungsverfahrens: 1.800,00 DM.
Tatbestand
Die am ... geborene Klägerin steht seit dem 17. Januar 1986 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit 20 Wochenstunden zum beklagten Land und wird im Bibliotheks- und Informationssystem der ... beschäftigt. Daneben besteht ein Arbeitsvertrag vom 6. August 1986 (Fotokopien Bl. 7, 8 d.A.) mit 10 Wochenstunden ab 1. August 1986 als Aushilfsangestellte zur Vertretung der beurlaubten Frau ... bis 11. Dezember 1986 einschließlich. Des weiteren wurden danach noch 4 Folgeverträge hinsichtlich der Vertretung ... zwischen den Parteien geschlossen (Nachtrage Nr. 1 bis 4 zum Arbeitsvertrag vom 6. August 1986 = Fotokopien Bl. 9 bis 15 d.A.). Der letzte Vertrag (Nachtrag Nr. 4) vom 24. Juni 1992 sieht eine Befristung bis zum 30. September 1993 vor. Da das beklagte Land trotz erneuter Beurlaubung der Mitarbeiterin ... bis zum 30. September 1995 die Klägerin über den 30. September 1993 nicht weiterbeschäftigt hat, macht sie mit der vorliegenden Klage die Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrages vom 6. August 1986 geltend und begehrt den Fortbestand des Teilzeitarbeitsverhältnisses über den 30. September 1993 hinaus.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das mit Vertrag vom 06.08.1986 zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis über den 30.09.1993 hinaus fortbesteht.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat geltend gemacht, die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei sachlich gerechtfertigt.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird im übrigen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 56 bis 58 d.A.) sowie die zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
Das Arbeitsgericht Oldenburg hat durch das am 11. Januar 1994 verkündete, hiermit in Bezug genommene Urteil (Bl. 55 bis 64 d.A.) der Klage stattgegeben.
Gegen das ihm am 11. Februar 1994 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 10. März 1994 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11. Mai 1994 am nämlichen Tage begründet.
Das beklagte Land macht geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts liege ein Verstoß gegen die Protokollnotiz Nr. 2 Satz 1 zu SR 2 y BAT nicht vor. Es handele sich im Streitfall um keinen einheitlichen Arbeitsvertrag, sondern die Nachtrage seien jeweils als rechtlich selbständige Vertrage anzusehen. Auch die Auffassung des Arbeitsgerichts, daß die Befristungsabrede im Nachtrag Nr. 4 vom 24. Juni 1992 unwirksam sei, weil ein sachlicher Grund für die Befristung fehle bzw. nicht ausreichend dargetan sei, sei abzulehnen. Die Annahme des Gerichts erster Instanz, das beklagte Land habe nach der dritten Verlängerung der Beurlaubung im März 1992 davon ausgehen müssen, daß die Mitarbeiterin ... nunmehr nach der Geburt ihres zweiten Kindes und einer Ausweitung der Beurlaubung auch über den 30. September 1993 hinaus von der Möglichkeit der Beurlaubung Gebrauch machen wurde, sei weder aufgrund einer allgemein anzustellenden Prognose noch im konkreten Fall der Frau gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht setze eine Spekulation an die Stelle einer auf gesicherter Tatsachengrundlage überhaupt nur anzustellenden Prognose des Arbeitgebers.
Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 11. Januar 1994 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 6. Juni 1994 (Bl. 94 bis 96 d.A.).
Wegen weiterer Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien vor dem Berufungsgericht gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Im Gegensatz zur Annahme des Arbeitsgerichts ist das befristete Teilzeitarbeitsverhältnis der Parteien wirksam mit dem 30. September 1993 beendet worden.
Im Streitfall haben die Parteien jeweils die Anwendung der Bestimmungen der SR 2 y BAT vereinbart. Gemäß Protokollnotiz Nr. 2. zu Nr. 1 SR 2 y BAT ist der Abschluß eines Zeitvertrages für die Dauer von mehr als 5 Jahren unzulässig. Dies bedeutet nach der Rechtsprechung des BAG (AP Nr. 90 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; ZTR 94, 112 f.), welcher die Kammer folgt, daß lediglich verboten ist, einen Zeitvertrag von vornherein für die Dauer von mehr als 5 Jahren abzuschließen, wahrend durch die Aneinanderreihung mehrerer befristeter Arbeitsverträge, die nur insgesamt die Höchstdauer von 5 Jahren überschreiten, die Protokollnotiz Nr. 2 zu Nr. 1 der SR 2 y zum BAT nicht objektiv umgangen wird. Im vorliegenden Fall liegt entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ein einheitlicher von vornherein befristeter Arbeitsvertrag nicht vor. Die Parteien haben seit dem 6. August 1986 insgesamt 5 Vertrage geschlossen. Auch wenn die Vertrage zu 2 bis 5 als Nachträge (Nr. 1 bis 4) zum Arbeitsvertrag vom 6. August 1986 bezeichnet werden, steht dies nach Auffassung der Kammer ihrer Eigenschaft als selbständige aneinandergereihte Vertrage nicht entgegen. Durch den Vertrag vom 6. August 1986 war die Klägerin zur Aushilfe bis längstens zum 11. Dezember 1986 befristet eingestellt. Wenn der Vertrag vom 2. Dezember 1986 (Nachtrag Nr. 1) mit Wirkung vom 12. Dezember 1986 eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis einschließlich 11. Dezember 1989 vorsieht, so handelt es sich eindeutig um einen neuen befristeten Arbeitsvertrag. Daß das Arbeitsverhältnis verlängert worden ist, ändern nichts daran, daß dies durch einen weiteren Zeitvertrag erfolgte, denn der erste Vertrag war mit dem 11. Dezember 1986 abgelaufen. Auch der Nachtrag Nr. 2 ist ein eigener neuer Vertrag, denn er ändert das Arbeitsverhältnis der Parteien per 1. Mai 1987 ab. Das gleiche gilt für die Nachträge Nr. 3 und Nr. 4. Sie beinhalten jeweils neue zusätzliche Regelungen und stellen deshalb das Arbeitsverhältnis der Parteien auf andere Grundlagen. Daß jeweils auf den Ursprungsvertrag vom 6. August 1986 Bezug genommen wird, ändert nichts an dem Umstand, daß jeweils neue selbständige Vertrage vorliegen, die zwar an die vorhergehenden anknüpfen, jedoch als eigenständig angesehen werden müssen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist auch der letzte Arbeitsvertrag der Parteien (Nachtrag Nr. 4 vom 24. Juni 1992) nicht mangels sachlichen Grundes für eine Befristung zum 30. September 1993 unwirksam. Maßgeblich für das Bestehen eines befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnisses der Parteien im Streitfall ist die Wirksamkeit des letzten Vertrages, denn die Klägerin hat diesen vorbehaltlos abgeschlossen. Der Nachtrag Nr. 4 vom 24. Juni 1992 enthält nicht an "versteckter Stelle" eine datumsmäßige Befristung, sondern ist übersichtlich gestaltet (vgl. Fotokopie Bl. 14 d.A.) und unter 5.3.1. ist deutlich eingesetzt "für die Zeit bis zum 30.09.1993". Hinzu kommt, daß zeitnah - nämlich am 25. Juni 1992 - die Klägerin ein Formular "Angaben zum Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages" unterzeichnet hat, in dem es heißt, daß der Arbeitsvertrag befristet werden soll bis zum 30.09.1993. Die im letzten Vertrag vorgesehene Befristung ist auch bei verschärfter Prüfung angesichts der steigenden Zahl befristeter Vertrage der Parteien wirksam. Das beklagte Land weist zutreffend darauf hin, daß es auf die Freiheit der Stelleninhaberin (hier: Frau ...) Beurlaubungsanträge zu stellen, diese zu befristen und anschließend weitere Beurlaubungen zu beantragen, keinen Einfluß nehmen kann, sondern sich jeweils mit seiner Prognose an den gestellten Antragen ausrichten muß. Wenn Frau ... in der Verfügung vom 9. März 1992 antragsgemäß vom 1. April 1992 bis zum 30. September 1993 Urlaub gewahrt wird, dann muß das beklagte Land sich an dieser Zeitvorgabe orientieren. Alles andere ist - worauf das beklagte Land zutreffend hinweist - Spekulation und kann deshalb nicht Grundlage für die Prognose des Arbeitgebers sein. Das beklagte Land war auch nicht gehalten, die ausgeschriebene Stelle der Frau ... mit der Klägerin zu besetzen. Zwar bestimmt die Protokollnotiz Nr. 4 zu Nr. 1 SR 2 y BAT, daß die Angestellten, die unter Nr. 1 SR 2 y BAT fallen, bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen bevorzugt zu berücksichtigen sind. Das beklagte Land hat hierzu vorgetragen, bei der hausinternen Ausschreibung im August 1993 sei die Klägerin von der Besetzungskommission nicht vorgeschlagen worden. Daß - insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Klägerin bereits teilweise in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land steht - die anderweitige Besetzung durch die Beklagte sachwidrig gewesen wäre, hat die Klägerin im einzelnen nicht naher dargelegt.
Nach alledem kann das Urteil erster Instanz keinen Bestand haben und die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Streitwertbeschluss:
Wert des Berufungsverfahrens: 1.800,00 DM.