Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.04.1995, Az.: 13 TaBV 93/94

Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur Eingruppierung einer Arbeitnehmerin in eine bestimmte Vergütungsgruppe

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
25.04.1995
Aktenzeichen
13 TaBV 93/94
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 16149
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1995:0425.13TABV93.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 16.06.1994 - AZ: 5 BV 10/93

In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Anhörung vom 25. April 1995
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ...
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 16.06.1994, 5 BV 10/93, abgeändert.

Die Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin Wagner in die Vergütungsgruppe V b BAT wird ersetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Arbeitgeber begehrt Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin ... nach Vergütungsgruppe V b BAT. Anlaß für den Eingruppierungsantrag war die Änderung der Tätigkeitsmerkmale für den Sozial- und Erziehungsdienst durch Tarifvertrag vom 24.04.1991 mit Wirkung vom 01.01.1991 (im folgenden: TV-Erziehungsdienst neu).

2

Der Arbeitgeber betreibt Lebenshilfeeinrichtungen mit den Bereichen Frühförderung, Sonderkindergarten, Tagesbildungsstätte und Wohnheime. Auf die Arbeitsverhältnisse findet kraft vertraglicher Vereinbarung der BAT-VKA Anwendung.

3

Die Arbeitnehmerin ... ist eingesetzt in der Tagesbildungsstätte, in der in Gruppen jeweils sechs bis acht behinderte Kinder und Jugendliche schulisch betreut werden. Die Kinder und Jugendlichen erfüllen mit dem Besuch ihre Schulpflicht und werden im Rahmen der Möglichkeiten unterrichtet in Lesen, Rechnen, Schreiben und ähnlichem. Die Gruppen werden geleitet von einer Gruppenleiterin und sind im übrigen besetzt mit einem Gruppenhelfer, einem Zivildienstleistenden oder einer Anerkennungspraktikantin. Die Beteiligten streiten in einem weiteren anhängigen Verfahren auch über die Eingruppierung der Gruppenleiterinnen.

4

Die Arbeitnehmerin ... ausgebildete Erzieherin und staatlich anerkannte Heilpädagogin, beschäftigt seit 1981, ist eingesetzt für gruppenübergreifende Förderungsmaßnahmen. Der Arbeitsplatz beinhaltet heilpädagogische, spieltherapeutisch und psychomotorisch orientierte Einzel- und Kleingruppenförderung; Angebot von Neigungsgruppen und Arbeitsgemeinschaften. Einzelförderung besteht z. B. darin, daß sie mit einem Kind mit Verhaltensauffälligkeiten und familiären Problemen spieltherapeutsich arbeitet und Puppen- und Rollenspiele durchführt. In Neigungsgruppen, etwa einer Theater-AG, erarbeitet sie mit Jugendlichen Produktionen über einen Zeitraum von einem Jahr mit dem Ziel der Aufführung vor Eltern oder Schülern. Gruppenförderung erfolgt durch psychomotorische Übungen, etwa heilpädagogische Angebote in der Turnhalle wie großformatige Bauvorhaben, Partnerübungen, Spielen mit Hindernisbahnen. Die Förderungsmaßnahmen erfolgen im Rahmen der unter Verantwortung der Gruppenleiterinnen erstellten Förderpläne für jedes Kind in Absprache und Zusammenarbeit mit den jeweiligen Gruppenmitarbeitern. Ergänzend wird Bezug genommen auf die von der Arbeitnehmerin ... unter dem Datum vom 20.12.1993 erstellte Arbeitsplatzbeschreibung (Bl. 38 f. d. A.) und auf die Stellenbeschreibung Gruppenleitung (Bl. 11 und 12 d. A.).

5

Die Arbeitnehmerin ... war nach dem Tarifvertrag Sozial- und Erziehungsdienst in der bis 31.12.1990 gültigen Fassung nach Teil II (im folgenden: TV-Erziehungsdienst alt) eingruppiert nach Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 k (heilpädagogische Gruppe) in Verbindung mit Protokollnotiz Nr. 3. Aufgrund vierjähriger Berufsausübung erhielt sie Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 4.

6

Am 24.09.1992 beantragte der Arbeitgeber unter Verlängerung der Zustimmungsverweigerungsfrist bis zum 15.10.1992 Eingruppierung der Arbeitnehmerin ... nach Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 6 TV-Erziehungsdienst neu. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung mit Schreiben vom 14.10.1992, auf den Inhalt, Bl. 8 bis 10 d. A. wird Bezug genommen. Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen darüber, daß die Arbeitnehmerin ... weiterhin Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b BAT erhält gemäß der Übergangsvorschrift des § 6 des TV-Erziehungsdienst neu. Streit besteht darüber, ob die Arbeitnehmerin ... nach dem TV-Erziehungsdienst neu entsprechend einer Sozialpädagogin nach Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 17 einzugruppieren ist mit der Folge, daß Anspruch auf Zulage gemäß Fußnote II besteht.

7

Der Arbeitgeber hat vorgetragen, die Tätigkeit der Gruppenleitung sei keine sozialpädagogische Arbeit, sondern erzieherische Tätigkeit. Da die Tätigkeit der Arbeitnehmerin ... in der gruppenübergreifenden Förderung im Rahmen der Förderpläne erfolgt, also im Rahmen der Tätigkeit der Gruppenleiterinnen, handele es sich ebenfalls nicht um sozialpädagogische Tätigkeit, die Arbeitnehmerin ... sei nach Vergütungsgruppe V b als Heilpädagogin einzugruppieren.

8

Der Arbeitgeber hat beantragt,

die Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin ... in die Vergütungsgruppe V b zu ersetzen.

9

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

10

Er hat vorgetragen, es handele sich vorliegend um sozialpädagogische Arbeit im schulischen Bereich. Heil- und Sonderpädagogik seien Teilbereiche der Ausbildung von Sozialpädagogen. Es handele sich nicht um die Tätigkeit von Erziehern, sondern von Sozialpädagogen. Die Arbeitnehmerin Wagner sei aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und Kenntnisse auch wie eine Sozialpädagogin einzugruppieren.

11

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Arbeitgebers zurückgewiesen. Auf die Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses wird Bezug genommen.

12

Mit Beschwerde macht der Arbeitgeber geltend, die Arbeitnehmerin könne nicht als Sozialpädagogin eingruppiert werden, sie verfüge nicht über die entsprechende Ausbildung, gleichwertige Fähigkeiten seien nicht dargelegt.

13

Der Arbeitgeber beantragt,

Abänderung des angefochtenen Beschlusses und Entscheidung nach dem erstinstanzlichen Antrag.

14

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

15

Er verteidigt den erstinstanzlichen Beschluß und trägt im einzelnen dazu vor, daß die Arbeitnehmerin ... über gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie ein ausgebildeter Sozialpädagoge verfüge.

16

Ergänzend wird wegen des zweitinstanzlichen Beteiligtenvorbringens Bezug genommen auf die Beschwerdebegründung und die Beschwerdeerwiderung nebst Anlagen.

17

II.

Die Beschwerde des Arbeitgebers ist statthaft, sie ist form und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 87, 89, 66 ArbGG. Zwar hat der Arbeitgeber innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist keinen konkreten Beschwerdeantrag angekündigt. Dies ist jedoch unschädlich, weil aus der Beschwerdebegründung eindeutig zu entnehmen ist, daß der Arbeitgeber sein ursprüngliches Antragsziel (Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung nach Vergütungsgruppe V b BAT) weiter verfolgen will.

18

Die Beschwerde des Arbeitgebers ist begründet. Die Arbeitnehmerin ... ist als Heilpädagogin einzugruppieren nach Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 6 TV-Erziehungsdienst neu. Die Zustimmung des Betriebsrates ist deshalb gemäß § 99 BetrVG zu ersetzen.

19

Der Betriebsrat hat fristgemäß gemäß § 99 Abs. 3 BetrVG die Zustimmung verweigert, zwar ist die Wochenfrist nicht eingehalten, der Arbeitgeber hat jedoch von vornherein Erklärungsfrist bis zum 15.10.1992 eingeräumt. Auszugehen ist damit von einer einverständlichen Verlängerung der Äußerungsfrist. Eine solche einverständliche Verlängerung der Äußerungsfrist ist zulässig (dazu BAG EzA § 99 BetrVG 1972, Nr. 36). Die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates ist auch beachtlich, sie ist ausreichend begründet. Aus der Begründung für die Zustimmungsverweigerung geht hervor, daß er die Auffassung vertritt, daß die Arbeitnehmerin ... einem Sozialpädagogen gleichzustellen sei, daß daran die Änderung des Tarifvertrages nichts ändere und sie im übrigen sozialpädagogische Tätigkeiten leiste. Aus dem Hinweis auf die Vergütungsgruppenzulage geht im übrigen hervor, daß er die Auffassung vertritt, daß die Arbeitnehmerin auch nach neuem Tarifrecht nach Vergütungsgruppe IV b BAT einzugruppieren sei.

20

Der Arbeitgeber war auch berechtigt und verpflichtet, einen Antrag auf Umgruppierung für die Arbeitnehmerin ... zu stellen. Zwar ist die Arbeitnehmerin nicht neu eingestellt worden, auch ihr Tätigkeitsbereich ist nicht verändert worden, durch TV-Erziehungsdienst neu sind aber die Tätigkeitsmerkmale für Erzieher, Heilpädagogen und Sozialarbeiter und Sozialpädagogen neu gefaßt worden. Das im TV-Erziehungsdienst alt enthaltene Tätigkeitsmerkmal Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 k, Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe, ist beispielsweise durch TV-Erziehungsdienst neu ersatzlos entfallen. Eine Änderung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale macht aber eine Neueingruppierung der Arbeitnehmer erforderlich (BAG EzA § 99 BetrVG 1972, Nr. 100 und Nr. 113). Der Arbeitgeber war deshalb berechtigt und verpflichtet, die Arbeitnehmerin ... nach den neuen tariflichen Tätigkeitsmerkmalen einzugruppieren unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates.

21

Dem Antrag des Arbeitgebers auf Umgruppierung nach Vergütungsgruppe V b BAT steht nicht entgegeben, daß die Arbeitnehmerin ... wie zwischen den Parteien unstreitig, nach der Übergangsvorschrift des § 6 des TV-Erziehungsdienst neu weiterhin Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b BAT hat. Die Übergangsvorschrift besagt in Ziffer 1 lediglich, daß ein Angestellter, der am 31.12.1990 einen Anspruch auf Vergütung aus einer höheren Vergütungsgruppe erhält als aus der Vergütungsgruppe, in der er nach dem neuen Tarifvertrag eingruppiert ist, diesen Vergütungsanspruch behält. Die Übergangsvorschrift gewährt damit lediglich die Vergütung nach der bisherigen tariflichen Vergütungsgruppe, sie bewirkt nicht automatisch eine Eingruppierung in dieselbe Vergütungsgruppe nach neuem Tarifvertrag. Trotz Übergangsvorschrift war deshalb eine neue Eingruppierung nach TV-Erziehungsdienst neu erforderlich.

22

Das Erfordernis der neuen Eingruppierung folgt auch daraus, daß der TV-Erziehungsdienst neu in Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 17 z. B. eine Zulage vorsieht, die es nach TV-Erziehungsdienst alt nicht gegeben hat. Die Neueingruppierung nach neuem Tarifrecht ist deshalb auch erforderlich, um festzustellen, ob die Arbeitnehmerin Anspruch auf diese Zulage hat bzw. in Zukunft haben kann. Die Übergangsvorschrift gewährt, wie dargelegt, keinen Anspruch auf diese neu geschaffene Zulage. Auch wenn die Arbeitnehmerin ... nach wie vor Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b BAT erhält, ist danach eine neue Eingruppierung nach TV-Erziehungsdienst neu erforderlich.

23

Nach TV-Erziehungsdienst neu ist die Arbeitnehmerin ... aber tarifgerecht in Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 6 eingruppiert.

24

Für die Eingruppierung maßgebend ist gemäß § 22 Abs. 2 BAT, daß mindestens zeitlich zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die den Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsgruppe entsprechen. Abzustellen ist damit auf die aufgrund der ausgeübten Tätigkeit zu bildenden Arbeitsvorgänge. Arbeitsvorgang ist dabei unter Hinzurechnung von Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung die nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit, die zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führt (z. B. BAG AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG vom 13.07.1994, 4 AZR 451/93).

25

Die Tätigkeit der Klägerin, Durchführung von gruppenübergreifenden heilpädagogischen Förderungsmaßnahmen, bildet einen Arbeitsvorgang. Im Ausgangspunkt erfolgt die Förderung im Rahmen der aufgestellten Förderpläne für die einzelnen Kinder. Unabhängig davon, ob Betreuung im Rahmen von Einzelmaßnahmen, Neigungsgruppen oder Gruppenbetreuung erfolgt, ist einheitliches Ziel der Tätigkeit Förderung der Kinder und Jugendlichen durch heilpädagogische Maßnahmen. Es ist deshalb von einem einheitlichen Arbeitsvorgang auszugehen.

26

Nach TV-Erziehungsdienst neu sind Heilpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit in Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 8 eingruppiert mit Bewährungsaufstieg nach vier Jahren nach Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 6. Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, sind nach Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 10 und nach zweijähriger Bewährung nach Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 17 eingruppiert.

27

Ob die Arbeitnehmerin Wagner aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und Erfahrungen als sonstige Angestellte einem Sozialpädagogen gleichgestellt werden kann, war vorliegend nicht zu entscheiden. Maßgeblich ist, daß für eine Eingruppierung als Sozialpädagogin nicht nur die entsprechende Qualifikation vorliegen muß, sondern daß darüber hinaus die auszuübende Tätigkeit der eines ausgebildeten Sozialpädagogen entspricht. Diese Voraussetzung, nämlich Sozialpädagogentätigkeit, kann vorliegend nicht festgestellt werden. Die Arbeitnehmerin übt die Tätigkeit einer Heilpädagogin aus und ist entsprechend nach Vergütungsgruppe V c bzw. Vergütungsgruppe V b einzugruppieren.

28

Nach TV-Erziehungsdienst alt war Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe besonders erfaßt, die Neureglung sieht dies nicht mehr vor, sondern unterscheidet die Tätigkeiten von Erziehern, Heilpädagogen und Sozialpädagogen. Entsprechend hat das BAG im Urteil vom 13.07.1994, 4 AZR 451/93, zur Eingruppierung einer Gruppenleiterin in einer Tagesbildungsstätte ausgeführt, der TV-Erziehungsdienst neu erfasse die Tätigkeit von Erziehern und ihnen gleichgestellt von Heilpädagogen in Einrichtungen für Behinderte als schwierige fachliche Tätigkeit nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 8 oder Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 6. Daraus schließt das BAG, daß die entsprechende Tätigkeit in einer Tagesbildungsstätte dem Berufsbild des Erziehers oder Heilpädagogen zuzuordnen sei. Es handele sich nicht um Sozialpädagogentätigkeit, sondern um eine Tätigkeit, die die Tarifvertragsparteien als eine solche von Erzieherinnen ansehen.

29

Dieser Rechtsprechung ist zu folgen. Indem die Tarifvertragsparteien für Heilpädagogen mit entsprechender Tätigkeit gesonderte Eingruppierungsmerkmale geschaffen haben, ist damit klargestellt, daß Heilpädagogentätigkeit nicht als Tätigkeit von Sozialpädagogen gewertet kann. Der Tarifvertrag bewertet Heilpädagogentätigkeit besonders, aufgrund des tariflichen Gesamtzusammenhangs ist es deshalb nicht möglich, heilpädagogische Tätigkeit als Tätigkeit eines Sozialpädagogen anzuerkennen.

30

Der Betriebsrat wendet demgegenüber ein, Heilpädagogik und Sonderpädagogik, wie sie von der Arbeitnehmerin ... geleistet werde, sei auch Teil der Ausbildung zum Sozialpädagogen und damit auch Teil der entsprechenden Tätigkeit. Soweit Sozialpädagogen in Heilpädagogik geschult werden, geschieht dies im Rahmen einer umfassenderen Ausbildung. Zwar können auch Sozialpädagogen in heilpädagogischen Bereichen eingesetzt sein. Trotzdem zwingt die Tarifgestaltung zur Trennung zwischen der Tätigkeit eines Heilpädagogen und eines Sozialpädagogen mit der Folge, daß ein ausgebildeter Heilpädagoge mit entsprechender heilpädagogischer Tätigkeit nicht einem Sozialpädagogen gleichgestellt werden kann.

31

Die Arbeitnehmerin ... übt im Rahmen der gruppenübergreifenden Förderung typische heilpädagogische Tätigkeiten aus. Heilpädagogik ist die besondere Erziehung für Kranke, Gehemmte, geistig Behinderte oder körperlich behinderte Kinder. "In der heilpädagogischen Beziehungsgestaltung soll der behinderte oder beeinträchtigte Mensch im Heilpädagogen einen Partner gewinnen, mit dem er seine Schwierigkeiten, Ängste und Aufgaben klären, durcharbeiten und in einer für ihn möglichen Form bewältigen kann. Der Heilpädagoge wird dabei mit methodischem Einsatz beratender, helfender, übender, fördernder und heilender Tätigkeit auf ganzheitliche Erziehungsziele hin integrieren und dadurch den Betroffenen Erfahrungen anbieten und ermöglichen und ihnen so ein sinnerfülltes Leben erschließen." (So BAG AP Nr. 31 § 99 BetrVG 1972 unter Bezugnahme auf Blätter für Berufskunde; ähnlich BAG AP Nr. 148 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

32

Aus der Arbeitsplatzbeschreibung der Arbeitnehmerin ... geht hervor, daß sie z. B. in der Einzelförderung Spieltherapie (Rollenspiele) durchführt mit dem Ziel, einen Schonraum innerhalb einer Einzelspielsituation zu gewähren, die Ruhe, Entspannung und sichere Beziehungsbasis ermöglicht. Dadurch soll Selbstvertrauen und Ausgeglichenheit gefördert werden. Bei den Neigungsgruppen stehen nach ihren Angaben Schwerpunkte wie Persönlichkeitsentfaltung, bewußter Körpereinsatz, Erfolgserlebnisse im Vordergrund. In der Gruppenförderung durch psychomotorische Übungen soll erfolgen Lernen über Bewegung, Handlungen und einen bewußt gemachten Umgang mit dem Körper zur Ausbildung und Festigung der Grundlagen für das weitere schulische Lernen. Es handelt sich dabei um die Betreuung behinderter Kinder, die unter Einsatz besonderer Erziehungsformen betreut und gefördert werden sollen. Aus dem Ziel der Tätigkeit und den eingesetzten Erziehungsformen wie Spieltherapie, Theaterspiel oder psychomotorische Übungen folgt im Gesamtbild eine typisch heilpädagogische Tätigkeit, die dementsprechend auch nur eine Eingruppierung als Heilpädagogin nach Vergütungsgruppe V c mit Bewährungsaufstieg nach Vergütungsgruppe V b BAT zuläßt.

33

Der Betriebsrat bezieht sich zur Stützung seiner Auffassung, es liege Sozialpädagogentätigkeit vor, auf einen Beschluß des BAG vom 06.12.1994, 1 ABR 38/94, sowie (nachgereicht nach Schluß der mündlichen Anhörung) auf einen Beschluß des LAG Niedersachsen, ergangen zwischen den Beteiligten des vorliegenden Beschlußverfahrens, vom 14.10.1994, 12 TaBV 21/93. Zum Beschluß des BAG ist festzustellen, daß dort die Eingruppierung der Arbeitnehmerin als Sozialpädagogin nicht streitig war, streitig war allein die Frage, ob Eingruppierung nach Vergütungsgruppe V b oder Vergütungsgruppe IV b zu erfolgen hatte. Folgerichtig hat das BAG die hier zu entscheidende Frage der Abgrenzung zwischen Heilpädagogentätigkeit und Sozialpädagogentätigkeit nicht entschieden. Der Beschluß des LAG Niedersachsen befaßt sich mit der Eingruppierung einer Sozialpädagogin, eingesetzt in der Frühförderung. Der Tätigkeitsbereich ist damit mit dem vorliegenden nicht ohne weiteres vergleichbar. Insbesondere bietet der Beschluß keine Anhaltspunkte dafür, daß Sozialpädagogentätigkeit und Heilpädagogentätigkeit wie vorliegend geschehen nicht zu trennen sind.

34

Auf Beschwerde war danach der erstinstanzliche Beschluß abzuändern und entsprechend dem Antrag des Arbeitgebers die Zustimmung zur Eingruppierung nach Vergütungsgruppe V b BAT zu ersetzen.

35

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.