Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.06.1995, Az.: 11 Sa 944/94
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 27.06.1995
- Aktenzeichen
- 11 Sa 944/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 32736
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1995:0627.11SA944.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Göttingen
Rechtsgrundlagen
- § 41 Abs. 4 a.F. SGB VI
- § 60 BAT
- § 53 Abs. 2 BAT
- § 53 Abs. 3 BAT
- § 55 BAT
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Unkündbarkeitsregelung des § 53 Abs. 3 BAT gilt bei Arbeitsverhältnissen, die wegen Verstoß des § 60 Abs. 1 BAT gegen § 41 Abs. 4 SGB VI a. F. über das 65. Lebensjahr des Mitarbeiters fortgesetzt worden sind, nicht.
- 2.
Ein solches Arbeitsverhältnis ist fristgemäß mit der sich aus § 53 Abs. 2 BAT ergebenden Frist kündbar.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 14. März 1994 - 1 Ca 735/93 - wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13. Januar 1995 - 3 Ca 377/94 - teilweise abgeändert und neu gefaßt.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers zu dem Beklagten durch dessen Kündigung vom 02. Juni 1994 nicht zum 30. Juni 1994, sondern erst zum 31. Dezember 1994 beendet wird.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 5/6, der Kläger zu 1/6.
Der Streitwert für den Rechtsstreit 11 Sa 368/95 bis zur Verbindung wird auf 24.000,- DM und für den Rechtsstreit 11 Sa 944/94 ebenfalls bis zur Verbindung auf 24.000,- DM, danach auf 48.000,- DM festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen, soweit es um die Dauer der Kündigungsfrist geht.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien über das fünfundsechzigste Lebensjahr des Klägers hinaus fortbestanden hat und um die Wirksamkeit einer am 02. Juni 1994 zum 30. Juni 1994 erklärten Kündigung.
Der am . geborene Kläger steht seit Mai 1956 in den Diensten des Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.
Der Beklagte, eine bundesweit arbeitende Forschungsinstitution, unterhält in Göttingen eine Forschungseinrichtung, in der mehr als 5 Mitarbeiter beschäftigt werden.
Der Kläger, der am . 65 Jahre alt geworden ist, hat von dem Beklagten seine Weiterbeschäftigung über den 30. November 1993 hinaus begehrt. Der Beklagte hat dies abgelehnt.
Mit einer am 10. Dezember 1993 beim Arbeitsgericht Göttingen eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß sein Arbeitsverhältnis über den 30. November 1993 hinaus fortbesteht. Er hat die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis ende nicht gemäß § 60 Abs. 2 BAT mit Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres. Dem stehe § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI entgegen.
Der Kläger hat beantragt,
- 1
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit dem 30. November 1993 seine Beendigung gefunden hat, sondern unverändert fortbesteht;
- 2
den Beklagten zu verurteilen, unabhängig von der Entscheidung über den Klageantrag zu 1), das dem Kläger am 29. November 1993 erteilte Hausverbot aufzuheben und ihm freien Zutritt während der Dienststunden zu seinem Betriebsgelände, Bunsenstraße 10, 37073 Göttingen zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat bestritten, dem Kläger ein Hausverbot erteilt zu haben und die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe wegen Erreichens der Altersgrenze tarifgemäß am 30. November 1993 geendet.
Mit Urteil vom 14. März 1994 hat das Arbeitsgericht festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. November 1993 hinaus fortbesteht und den Beklagten verurteilt, dem Kläger während der Dienststunden freien Zutritt zu dem . zu gewähren. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu 5/34 und dem Beklagten zu 29/34 auferlegt. Den Streitwert für dieses Urteil hat es auf 34.000,- DM festgesetzt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, § 65 Abs. 2 BAT, wonach das Arbeitsverhältnis eines Angestellten, ohne daß es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monatsende, in dem der Angestellte das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet, sei wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot unwirksam. Diese Bestimmung des Tarifvertrages verstoße gegen § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI und sei damit unwirksam. Der Beklagte sei auch verpflichtet, dem Kläger freien Zugang zum Betriebsgelände zu gewähren. Die Klage sei aber abzuweisen, soweit der Kläger die Aufhebung eines Hausverbotes begehre, da er ein solches Hausverbot des Beklagten nicht bewiesen habe.
Mit Schreiben vom 02. Juni 1994 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. Juni 1994 auf.
Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit einer beim Arbeitsgericht am 09. Juni 1994 eingegangenen Klage zur Wehr gesetzt.
Er hat die Kündigung für sozialwidrig gehalten. Darüber hinaus sei die Kündigung auch rechtsunwirksam, weil er nach dem Bundesangestelltentarifvertrag aus betriebsbedingten Gründen nicht gekündigt werden könne. Darüber hinaus sei auch, wenn die Kündigung wirksam sei, die Kündigungsfrist nicht eingehalten.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung vom 02. Juni 1994 zum 30. Juni 1994 beendet worden ist, sondern unverändert fortbesteht.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen erfolgt. Sie sei aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen gewesen, auf dem speziellen Gebiet, auf dem der Kläger gearbeitet habe, die Forschungstätigkeit einzustellen.
Mit Urteil vom 13. Januar 1995 hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits insoweit auferlegt und den Streitwert auf 30.000,- DM festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen wirksam, da der Arbeitsplatz aufgrund einer gerichtlich nicht nachprüfbaren unternehmerischen Entscheidung dadurch zum Wegfall gekommen sei, daß der Beklagte die bislang vom Kläger verfolgten Forschungsziele aus seinem Programm gestrichen habe.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 1995 selbst eingeräumt, daß seine Arbeiten auf dem Gebiet der theoretischen Physik unerläßlich seien und die Maßnahmen des Beklagten, nämlich die Einstellung dieser Forschungstätigkeit als sinnlos bezeichnet. Damit habe er selbst zugegeben, daß der Beklagte die Forschung in seinem Gebiet aufgegeben habe. Ob dies zweckmäßig oder richtig sei, sei eine unternehmerische Entscheidung, die vom Arbeitsgericht nicht nachgeprüft werden könne.
Der Kläger könne sich nicht auf § 53 Abs. 3 BAT berufen, wonach er wegen seines Alters von über 40 Jahren und seiner Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren betriebsbedingt nicht mehr kündbar sei. Zwar habe das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht mit Erreichen des fünfundsechzigsten Lebensjahres sein Ende gefunden, jedoch findet die tarifliche Unkündbarkeit ihre zeitliche Grenze mit Erreichen des fünfundsechzigsten Lebensjahres. Die nach Erreichung des fünfundsechzigsten Lebensjahres wieder mögliche fristgerechte Kündigung richte sich hinsichtlich der Kündigungsfrist nach der kürzest möglichen tariflichen Kündigungsfrist, die nach § 53 Abs. 1 BAT zwei Wochen zum Monatsschluß betrage.
Der Kläger hat gegen das ihm am 06. Mai 1994 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 14. März 1994 am 30. Mai 1994 Berufung eingelegt und diese am 29. Juni 1994 begründet.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 06. Februar 1995 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13. Januar 1995 am 21. Februar 1995 Berufung eingelegt und diese am 20. März 1995 begründet.
Mit Beschluß des Landesarbeitsgerichts vom 27. Juli 1995 sind die Berufung des Klägers (11 Sa 368/95) und die Berufung des Beklagten (11 Sa 944/94) miteinander verbunden worden. Der Rechtsstreit 11 Sa 944/94 führt.
Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, daß das Arbeitsverhältnis nach der tariflichen Regelung des § 65 Abs. 2 BAT mit Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres des Klägers, dem 30. November 1993, beendet worden sei. Dem stehe § 41 Abs. 4 SGB VI nicht entgegen. Dies könnte allenfalls dann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer vor Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres oder danach keinen Antrag auf Rente gestellt habe. Dies sei beim Kläger nicht der Fall. Dieser beziehe ab 01. Dezember 1993 Altersrente. Am 10. Dezember 1993 habe er Antrag auf Zusatzrente nach VBL gestellt. Damit würden die Ziele des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI verfehlt und könnten auch nicht erreicht werden, denn das Verhältnis zwischen Rentenbeziehern und Beitragszahlern sei dadurch nicht zu verbessern.
Weiter vertritt der Beklagte die Auffassung, daß zumindest die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch ihn am 30. Juni 1994 das Arbeitsverhältnis beendet habe. Er verteidigt das vom Kläger angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13. Januar 1995 nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 04. Mai 1995, auf den Bezug genommen wird.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Göttingen vom 14. März 1994 - 1 Ca 735/93 - die Klage abzuweisen,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13. Januar 1995 - 3 Ca 377/94 - zurückzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 14. März 1994 - 1 Ca 735/93 - zurückzuweisen,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13. Januar 1995 - 3 Ca 377/94 - festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch Kündigung vom 02. Juni 1994 zum 30. Juni 1994 beendet worden ist, sondern unverändert fortbesteht.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 14. März 1994. Er bestreitet, daß sein Arbeitsplatz durch eine Entscheidung des Beklagten, den von ihm bis November 1993 betriebenen Forschungsbereich einzustellen, weggefallen sei. Darüber hinaus verstoße die Kündigung auch gegen § 53 Abs. 3 BAT, denn er sei als Angestellter mit über 15-jähriger Beschäftigung nach Vollendung des vierzigsten Lebensjahres betriebsbedingt nicht mehr kündbar. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, § 60 BAT, der wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nichtig sei, entfalte nach Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres hinsichtlich der dann wieder eintretenden Kündbarkeit und der Kündigungsfristen Wirkung, sei rechtsirrig. Insoweit verstoße die Auslegung des Arbeitsgerichts gegen das Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung.
Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beschluß vom 27. Juli 1995 (Bl. 106, 101 d.A.) auf den Bezug genommen wird. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27. Juli 1995 (Bl. 105 bis 110 d.A.) verwiesen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 14. März 1994 ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht gemäß § 65 Abs. 2 BAT mit Ablauf des Monats endet, in dem er das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet hat, sondern über den 30. November 1993 hinaus fortbesteht. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil v. 20.10.1993 - 7 AZR 135/93 - in SAE 1994, 165) hat das Arbeitsgericht festgestellt, daß eine generelle tarifliche Altersgrenze von 65 Lebensjahren, mit deren Erreichung das Arbeitsverhältnis automatisch enden soll, gegen § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI verstößt und daß dies seit dem 01. Januar 1992 für alle Arbeitsverhältnisse unabhängig davon gilt, wann die Altersgrenze vereinbart wurde. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. Das Landesarbeitsgericht schließt sich den Ausführungen und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (a.a.O.) an.
Die Berufung ist nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob § 41 Abs. 4 Sozialgesetzbuch VI a.F. seinen Zweck, nämlich die stufenweise Anhebung und Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit und eine Verminderung der Belastung der Rentenkasse nur erreichen kann, wenn der Arbeitnehmer nach dem fünfundsechzigsten Lebensjahr keine Rente bezieht. Selbst wenn dies zugunsten des Beklagten unterstellt wird, ist die Berufung des Beklagten darauf rechtsmißbräuchlich. Der Beklagte hat nämlich entgegen dem Verlangen des Klägers und der gesetzlichen Regelung in § 41 Abs. 4 SGB VI a.F. und entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (a.a.O.) die Weiterbeschäftigung des Klägers verweigert. Der Kläger war daher, wollte er seinen Lebensunterhalt bestreiten, gezwungen, einen Antrag auf den Bezug von Altersrente und Zusatzversorgung nach VBL zu stellen. Darauf kann sich der Beklagte daher nicht berufen.
Da § 60 Abs. 1 BAT gegen § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI a.F. verstößt, war dem Klageantrag des Klägers, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. November 1993 hinaus fortbesteht, stattzugeben.
Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13. Januar 1995 teilweise abzuändern.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 02. Juni 1994 nicht mit dem 30. Juni 1994, sondern erst mit dem 31. Dezember 1994 beendet worden. Die Kündigung ist rechtswirksam.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, denn der Kläger war bei dem Beklagten, der regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt, länger als 6 Monate tätig (§§ 23 Abs. 1, 1 Abs. 1 KSchG). Nach § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG).
Die Kündigung des Klägers ist betriebsbedingt gerechtfertigt. Als betriebliche Erfordernisse kommen insbesondere wirtschaftliche, technische und organisatorische Umstände in Betracht. Dabei kann der Arbeitgeber durch eine entsprechende unternehmerische Gestaltung seines Betriebes den Personalbedarf und damit auch die Notwendigkeit eines etwaigen Personalabbaus weitgehend selbst bestimmen, indem er Betriebsteile einschränkt oder die Betriebsorganisation ändert. Die Gerichte für Arbeitssachen sind nicht befugt, solche unternehmerische Entscheidungen auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu untersuchen. Eine gerichtliche Überprüfung kann sich nur darauf erstrecken, ob die aufgrund der Unternehmerentscheidung getroffene betriebliche Maßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist, wobei die Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitnehmer liegt (vgl. BAG in AP Nr. 22 zu § 1 KSchG, betriebsbedingte Kündigung).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegt eine solche unternehmerische Entscheidung bei dem Beklagten vor.
Nach der Aussage des Zeugen . hat sich der Beklagte wegen der Finanzlage stärker Aufgaben zugewandt, die für den Bereich der Industrie relevant sind, weil von dort Mittel zu erhalten waren. Der Beklagte hat daher beschlossen, die Arbeiten, die der Kläger forschungsmäßig abgedeckt hat, nicht weiterzuführen. Der Kläger hat an grundlegenden Untersuchungen der Turbulenzmodellierung gearbeitet. Der Zeuge hat bekundet, daß nach der Zielsetzung des Instituts solche Arbeiten nicht mehr Gegenstand der laufenden Projekte gewesen sind. Aus der Aussage des Zeugen ergibt sich zudem, daß nach der Zusammenlegung der Institute für theoretische Strömungen und für experimentelle Strömungen die Grundlage für den Forschungsbereich des Klägers entfallen ist und das Tätigkeitsfeld des Klägers, was dieser bearbeitet hatte, nicht mehr zu sonstigen Arbeiten des Instituts paßte, und der Beklagte daher Forschungstätigkeiten auf diesem Gebiet beendet hat.
Nach der glaubwürdigen Aussage des Zeugen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, daß der Beklagte das Forschungsgebiet des Klägers seit Dezember 1993 nicht mehr betreibt und dieser Beschluß auf fehlenden finanziellem Mitteln für solche Arbeiten beruht. Die Entscheidung des Beklagten, diese Tätigkeit nicht fortzusetzen, ist eine unternehmerische Entscheidung, die vom Landesarbeitsgericht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit nicht überprüft werden kann. Es ist Sache des Beklagten, festzulegen, auf welchem Gebiet er weiter Forschungen betreiben will.
Der Arbeitsplatz des Klägers ist damit auch zum Fortfall gekommen. Nach der weiteren Aussage des Zeugen Meier ist nämlich die ganze theoretische Abteilung für direkte numerische Turbulenzsimulation eingestellt worden. Dies war aber das Gebiet auf dem der Kläger gearbeitet hat. Unerheblich ist, was auch der Zeuge eingeräumt hat, daß das Forschungsgebiet, auf dem der Kläger gearbeitet hatte, wichtig ist. Entscheidend ist hier allein, daß der Beklagte den Entschluß gefaßt hat, auf diesem Gebiet nicht weiterforschen zu wollen und damit die Beschäftigungsmöglichkeit von Mitarbeitern auf diesem Gebiet entfallen ist. Damit entfiel auch die Möglichkeit, den Kläger dort weiterzubeschäftigen.
Das andere freie und gleichwertige Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden hätten, auf denen er hätte eingesetzt werden können, hat der Kläger nicht behauptet. Der Kläger hat auch nicht behauptet, daß die Beklagte die soziale Auswahl falsch vorgenommen habe und deshalb auch keinen Beweis dafür angetreten (§ 1 Abs. 3 letzter Satz KSchG).
Die Kündigung ist daher aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt.
Die Kündigung ist nicht unwirksam, weil sie gegen § 53 Abs. 3 BAT. der kraft Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, verstößt. Nach § 53 Abs. 3 BAT ist ein Angestellter nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren frühestens nach Vollendung des vierzigsten Lebensjahres unkündbar. Nach § 55 Abs. 2 berechtigten bei unkündbaren Angestellten dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Angestellten entgegenstehen, den Arbeitgeber nicht zur Kündigung.
Aus den Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, wozu neben der Regelung über die Kündigungsmöglichkeit (§§ 53 ff. BAT) auch § 60 gehört, der bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Erreichung der Altersgrenze vorgesehen hat, ergibt sich, daß die Tarifvertragsparteien den Bestandsschutz älterer, länger beschäftigter Arbeitnehmer zwar verstärken wollten, jedoch nur bis zum Erreichen der Altersgrenze, mit der das Arbeitsverhältnis automatisch enden sollte. Die Regelung des § 60 BAT, die wie bereits oben ausgeführt, wegen Verstoßes gegen § 41 Abs. 4 Satz 2 SGB VI a.F. unwirksam ist, führt zu einer teilweisen Unwirksamkeit des Bundesangestelltentarifvertrages. Die teilweise Unwirksamkeit eines Tarifvertrages führt zu einer ergänzenden Vertragsauslegung, für die der zum Ausdruck gebrachte Regelungswille der Tarifvertragsparteien entscheidend ist. Für die tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Normenadressaten ist erkennbar, daß Arbeitnehmer, die wegen Erreichens der tariflichen Altersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden sollen, nicht über diesen Zeitpunkt hinaus in den Genuß eines besonderen Bestandschutzes kommen sollen. Da es den Tarifvertragsparteien freisteht, ob sie den Kündigungsschutz der Arbeitnehmer verstärken, könne sie die Unkündbarkeit grundsätzlich auch zeitlich begrenzen. Jedenfalls soweit Arbeitnehmer ihre Unkündbarkeit erst mit dem vollendeten fünfundsechzigsten Lebensjahr verlieren sollen, ist diese Einschränkung der Unkündbarkeit auch mit § 41 Abs. 4 SGB VI a.F. zu vereinbaren. Denn nach dieser Vorschrift muß bei einer Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen nur der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Rente vor Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres bei der sozialen Auswahl unberücksichtigt bleiben (BAG, Urteil v. 20.10.1993 a.a.O. unter Ziffer I 6 der Gründe).
Der Wille der Tarifvertragsparteien, den besonderen Schutz älterer langfristig beschäftigter Arbeitnehmer nach § 53 Abs. 3 BAT mit Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres zu begrenzen, ergibt sich hier eindeutig aus § 60 Abs. 2 BAT, in dem die Tarifvertragsparteien den Fall geregelt haben, daß trotz Erreichens der Altersgrenze der Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden sollte. Für diesen Fall haben sie ein neues Arbeitsverhältnis mit der kürzesten tariflichen Kündigungsfrist vorgesehen. Daraus ergibt sich eindeutig der Wille der Tarifvertragsparteien den sozialen Schutz der sogenannten Unkündbarkeit mit Ablauf des Monats entfallen zu lassen, in dem der Arbeitnehmer das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet hat. Auf die Unkündbarkeit des § 53 Abs. 3 BAT kann sich daher der Kläger nicht berufen.
Die Berufung und damit auch die Klage mußte aber insoweit Erfolg haben, als das Arbeitsgericht unzutreffend von einer Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsende und damit mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1994 ausgegangen ist.
Der Bestimmung der zum Zeitpunkt der Kündigung unwirksamen Regelung des § 60 Abs. 2 BAT kann nicht der Regelungswille der Tarifvertragsparteien entnommen werden, für Mitarbeiter, die über das fünfundsechzigste Lebensjahr hinaus ohne Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages weiterbeschäftigt werden, nur eine Kündigungsfrist gelten zu lassen, wie sie bei Neuabschluß eines Arbeitsvertrages während der Probezeit anfällt. Bei der Vereinbarung der Regelung des § 60 Abs. 2 BAT haben die Tarifvertragsparteien ganz offensichtlich an eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des fünfundsechzigsten Lebensjahres gedacht und haben daher konsequenterweise bei einer Weiterbeschäftigung ein neues Arbeitsverhältnis begründet. Für dieses neue Arbeitsverhältnis ist dann folgerichtig auch eine Kündigungsfrist unter Festlegung der neuen Beschäftigungszeit zugrunde gelegt worden. Hier wird aber abweichend von der Regelung des § 60 Abs. 1 BAT, wegen dessen zeitweiliger Unwirksamkeit, abweichend von dem von den Tarifvertragsparteien geregelten Fall, der Zeitpunkt des automatischen Ausscheidens aufgehoben. Das Arbeitsverhältnis wird ohne Unterbrechung fortgesetzt. Damit setzt er sich nicht nur ohne zeitliche, sondern auch ohne rechtliche Unterbrechung fort, bis es durch Kündigung oder andere Umstände beendet wird. Die Weiterbeschäftigungszeit über den in § 60 Abs. 1 BAT vorgesehenen Zeitpunkt hinaus läßt sich nicht rechtlich verselbständigen und ist nicht mit dem Fall vergleichbar, daß der Arbeitnehmer erstmals beschäftigt wird (vgl. BAT in AP Nr. 1 zu § 63 MTL II). Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 72 Abs. 2 ArbGG, soweit es um die Dauer der tariflichen Kündigungsfrist, mit der das Arbeitsverhältnis des Klägers beendet werden konnte, geht.