Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.04.1995, Az.: 2 Sa 1859/94
Anspruch auf Freischichten nach dem Bundesmanteltarifvertrag für die Mitarbeiter und Angestellten in der Sägeindustrie und übrigen Holzbearbeitung (BMS vom 07. Februar 1990); Vereinbarkeit einer ohne Beachtung des Mitbestimmung gesetzten Regelung über die Beibehaltung der 40-Stunden-Woche mit dem Tarifvertrag; Gewährung von Freischichten für Zeiträume in denen der Arbeitnehmer keine Lohnfortzahlung erhält
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 12.04.1995
- Aktenzeichen
- 2 Sa 1859/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 10874
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1995:0412.2SA1859.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Lingen - AZ: 3 Ca 248/94
Rechtsgrundlage
- BMTV für Arbeiter und Angestellte in der Sägeindustrie und übrigen Holzbearbeitung (BMS) vom 07.02.1990, gültig ab 01.07.1989 hier Ziffer 15 b BMS
Prozessführer
...
Prozessgegner
...
Amtlicher Leitsatz
Kein Erwerb von Freischichtansprüchen während der Krankheit, die über den sechswöchigen Lohnfortzahlungszeitraum hinaus besteht.
In dem Rechtsstreit
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 1995
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1)
Die Berufung wird zurückgewiesen.
- 2)
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
- 3)
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger über die im Kalenderjahr 1993 gewährten 12 Freischichten hinaus weitere 6 Freischichten zustehen.
Der Kläger ist seit 1968 bei der Beklagten in deren Betrieb in Papenburg als Schleifmaschinenführer tätig. Der Brutto-Stundenlohn des Klägers beträgt 21,17 DM.
Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter und Angestellte in der Sägeindustrie und übrigen Holzbearbeitung (BMS) vom 07.02.1990, gültig ab 01.07.1989, Anwendung.
Unter dem Stichwort "Arbeitszeit" regelt der Manteltarifvertrag folgendes:
"Allgemeine Arbeitsbestimmungen"
15. a)
Die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen darf für Vollbeschäftigte bis zum 31. Dezember 1990 38,5 Stunden nicht übersteigen.Sie beträgt ab 1. Januar 1991 37,5 Stunden und ab 1. Oktober 1991 37 Stunden pro Woche.
Für Betriebe bis höchstens 20 Beschäftigte gilt die Arbeitszeitverkürzung auf 37,5 Stunden ab 1. Juli 1991 und auf 37 Stunden ab 1. April 1992.
Die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 37,5 bzw. 37 Stunden pro Woche erfolgt jeweils mit vollem Lohnausgleich (2,67/1,35 %).
b)
Ab 1. Januar 1991 sind durch Betriebsvereinbarung für Betriebsabteilungen oder den ganzen Betrieb folgende abweichende Regelungen zulässig:1.
Planwochenarbeitszeiten zwischen 34 und 40 Stunden, wenn im Planungszeitraum 37,5 (ab 1. Januar 1991) bzw. 37 (ab 1. Oktober 1991) Stunden je Woche für jeden Arbeitnehmer erreicht werden. Der Planungszeitraum darf zwischen 14 und 26 Wochen betragen. Der Planungszeitraum ist zugleich der Ausgleichszeitraum ...2.
Beibehaltung der 40-Stunden-Woche (bezahlt werden 37,5 bzw. 37 Stunden) und 15 bzw. ab 1. Oktober 1991 18 bezahlte Frei schichten im Kalenderjahr. Für einen Zeitraum von vier Monaten können nicht mehr als 5 bzw. 6 Freischichten vereinbart werden. Die für den einzelnen Arbeitnehmer vereinbarten Frei schichten können nicht verlegt werden. Ruht das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise, besteht nur ein Anspruch auf anteilige Freischichten ...Protokollnotizen zu Ziffer 15 b)
... 3. c)
Werden abweichende Betriebsvereinbarungen nach Ziffer 15 b) getroffen, erfolgt die Lohnzahlung auf der Basis der jeweils gültigen regelmäßigen Wochenarbeitszeit gemäß Ziffer 15 a) (verstetigtes Entgelt).d) ...
e) ...
f)
Wird eine Regelung nach Ziffer 15 b) getroffen, ist Arbeitnehmern bis zu einer Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten die tatsächliche Arbeitszeit zu vergüten. Scheidet ein Arbeitnehmer nach einer Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten aus, ist ein evtl. Ausgleich auf der Basis der 37,5- bzw. 37-Stunden-Woche während der Kündigungsfrist durch entsprechende Arbeitsleistung (bis zu einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden zuschlagsfrei) oder bezahlte Freizeit herbeizuführen. Ist dies nicht möglich, hat der Arbeitgeber bei mehr als durchschnittlich 37,5 bzw. 37 geleisteten Arbeitsstunden je Woche den Ausgleich durch Zahlung eines entsprechenden Entgeltbetrages vorzunehmen; bei durchschnittlich weniger als 37,5 bzw. 37 Stunden geleisteter Arbeit je Woche ist das zuviel gezahlte Entgelt zurückzuerstatten, wenn der Arbeitnehmer die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu vertreten hat. Lohnzahlungspflichtige Krankheitszeiten gelten als geleistete Arbeit.Protokollnotizen zu Ziffer 16 a)
1.
...2.
Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erfolgt, wenn abweiche Betriebsvereinbarungen nach Ziffer 15 b) getroffen werden oder wenn durch Betriebsvereinbarung Wochenarbeitszeiten von 36 Stunden oder weniger auf vier Tage verteilt werden, für alle Tage von Montag bis Freitag auf der Basis der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit gemäß Ziffer 15 a) (verstetigtes Entgelt).
Die Beklagte behielt in ihrem Betrieb die 40-Stunden-Woche bei und gewährte für 1993 zur Umsetzung der tariflich vorgesehenen 37-Stunden-Woche den Mitarbeitern 18 Freischichten für das Kalenderjahr 1993. Bezahlt werden den Arbeitnehmern, die 40 Stunden pro Woche arbeiten, 37 Stunden pro Woche.
Eine Betriebsvereinbarung über die Durchführung des Freischichtmodells existiert nicht. Die Lage der Freischichten wird nicht von vornherein festgelegt, sondern einvernehmlich mit den einzelnen Arbeitnehmern vereinbart.
Der Kläger war in der Zeit vom 08.02.1993 bis 08.08.1993 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte gewährte ihm deshalb nur 12 Freischichten, denn sie berücksichtigte die Zeiten, in denen der Kläger keine Lohnfortzahlungsansprüche mehr besessen hat, anspruchsmindernd.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, sein Anspruch auf 18 Freischichten für das Kalenderjahr 1993 bestehe unabhängig von der tatsächlich von ihm erbrachten Arbeitsleistung im Kalenderjahr. Die tarifliche Regelung gehe nicht von einer einzelfallbezogenen Berechnung eines Freizeitguthabens aus, sondern lege für alle Arbeitnehmer die Anzahl der Freischichten verbindlich fest. Eine Reduzierung des jährlichen Freischichtenvolumens sehe der einschlägige Bundesmanteltarifvertrag in Ziffer 15 b) Nr. 2 nur bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses vor.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem Jahre 1993 noch 6 Freischichten zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die tariflichen Regelungen der Ziffer 15 des BMS seien dahingehend auszulegen, daß ein Anspruch auf 18 Freischichten im Kalenderjahr nur dann bestehe, wenn entsprechende Freischichtanteile durch tatsächliche Arbeitsleistung angesammelt worden seien. Dies könne bei krankheitsbedingten Fehltagen nicht geschehen.
Das Arbeitsgericht Lingen hat die Klage durch sein Urteil vom 14.07.1994 abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Streitwert auf 940,00 DM festgesetzt.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt, auf das Arbeitsverhältnis komme der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Sägeindustrie und übrigen Holzbearbeitung vom 07.02.1990 zur Anwendung. Eine ausdrückliche Regelung darüber, ob sich der Freischichtenanspruch im Falle einer Erkrankung des Arbeitnehmers verändere, wenn die Erkrankung sich Über den Lohnfortzahlungszeitraum hinaus erstrecke, enthalte der Tarifvertrag nicht. Da die Betriebsparteien im übrigen eine Festlegung der Freischichten nicht vorgenommen haben, sei über Sinn und Zweck und den Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung zu ermitteln, wie sich längere Krankheiten auf den Anspruch auf Freischichten auswirken. Aus der Ziffer 15 f) des Tarifvertrages, dort Satz 2, ergebe sich, daß die tatsächlich geleistete Arbeitszeit mit den Freischichtansprüchen eines Arbeitnehmers korrespondiere, denn bei einem Arbeitnehmer, der nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit ausscheide, sei ein Zeitausgleich innerhalb der Kündigungsfrist auf der Basis der 37-Stunden-Woche durchzuführen. Im übrigen gelte gemäß Ziffer 15 f) Satz 4 des BMS nur der lohnzahlungspflichtige Krankheitszeitraum als geleistete Arbeit. Schließlich ergebe sich aus Ziffer 15 b) Nr. 2 Satz 2. daß innerhalb eines Viermonatszeitraumes nicht mehr als 6 Frei schichten vereinbart werden dürften, was heiße, daß die 18 Freischichten auf das ganze Jahr verteilt werden müßten. Mehr als 18 Freischichten könnten daher im Kalenderjahr gar nicht untergebracht werden. Daraus folge zwangsläufig daß, dann, wenn ein Arbeitnehmer nicht jeweils in vier Monaten 6 Freischichten genommen habe, sie in dem restlichen Jahr gar nicht mehr vereinbart werden können. Die dem Kläger im Jahr 1993 nicht gewährten Frei schichten müßten im Jahr 1994 genommen werden, so daß der Kläger dann statt 18 Frei schichten 24 Freischichten hätte. Diese wiederum aber könnten nicht untergebracht werden, da innerhalb eines Viermonatszeitraumes nur 6 Frei schichten vereinbart werden dürften.
Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 22.09.1994 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 19.10.1994, beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangen am 21.10.1994, hat der Kläger Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. Januar 1995 mit Schriftsatz vom 16.01.1995, der am selben Tage beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen einging, begründet hat.
Der Kläger ist der Ansicht, aus dem systematischen Zusammenhang des Tarifwerks ergebe sich, daß der Freischichtenanspruch wegen Krankheit, Erholungsurlaub, Bildungsurlaub, Freistellung gemäß § 37 Abs. 6, 7 BetrVG oder sonstiger Fälle vergleichbarer Fehlzeiten nicht gekürzt werden dürfe. In Ziffer 15 b) Nr. 2 Satz 4 BMS sei festgelegt, daß bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses ein anteiliger Anspruch auf Freischichten bestehe.
Im Umkehrschluß ergebe sich daraus, daß bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit eine Kürzung durch die Tarifvertragsparteien nicht vorgesehen ist.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu verurteilen, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem Jahr 1993 noch 6 Frei schichten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Beklagte ist der Ansicht, die vereinbarte Zahl von Freischichten (15 bzw. ab 01.10.1991 18 Frei schichten) zeige exakt, daß die stufenweise Verkürzung der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit nachvollzogen werden soll. Die in Ziffer 15 b) Nr. 2 BMS genannte Zahl von 15 (18) Freischichten errechne sich dann, wenn ein Arbeitnehmer an allen Werktagen eines Kalenderjahres (mit Ausnahme der Feiertage und Urlaubstage) 8 Stunden (und damit 40 Stunden je Woche) tatsächlich gearbeitet habe (und damit mehr als die tarifliche Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden bzw. ab 01.10.1991 37 Stunden). Dies zeige, daß der Freischichtanspruch korrespondieren müsse mit der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung. Wäre die Auslegung des Tarifvertrages durch den Kläger zutreffend, so könne es sein, daß ein Arbeitnehmer, der für die ersten 8 Monate eines Kalenderjahres arbeitsunfähig erkrankt sei, bei Rückkehr an seinen Arbeitsplatz in den restlichen 4 Monaten des Kalenderjahres 18 Freischichten beanspruchen könne. Dies sei mit Ziffer 15 b) Nr. 2 Satz 2 BMS nicht vereinbar.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze vom 08.12.1994, 16.01.1995, 15.02.1995 und 11.04.1995 nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 518, 519 ZPO, 64, 66 ArbGG.
Die Berufung ist jedoch unbegründet, das Arbeitsgericht Lingen hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Im Anschluß an die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts gehen die Parteien dieses Rechtsstreits nunmehr übereinstimmend von der Geltung des Bundesmanteltarifvertrages für die Mitarbeiter und Angestellten in der Sägeindustrie und übrigen Holzbearbeitung (BMS vom 07. Februar 1990) aus.
Dem Kläger steht aus diesem Tarifvertrag kein Anspruch auf weitere 6 Freischichten für das Kalenderjahr 1993 zu.
Die allgemeinen Arbeitszeitbestimmungen der Ziffer 15 BMS gehen von der 37-Stunden-Woche für 1993 aus. Ziffer 15 b) Nr. 2 BMS gestattet die Beibehaltung der 40-Stunden-Woche unter Schaffung sogenannter Freischichten. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit festgelegt, daß diese Abweichung von der üblichen tariflichen Arbeitszeitregelung der Ziffer 15 a) durch Betriebsvereinbarungen zu erfolgen hat.
Eine derartige Betriebsvereinbarung existiert im Betrieb der Beklagten nicht. Soweit es die Ansprüche des Klägers betrifft, führt die mögliche Mißachtung von Mitbestimmungsrechten nicht zu Ansprüchen eines Arbeitnehmers, die dieser bisher nicht gehabt hat (vgl. BAG, Urteil vom 20.08.1991 - 1 AZR 326/90 in NZA 1992, 225).
Die ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts durch die Beklagte einseitig gesetzte und vom Kläger akzeptierte Regelung über die Beibehaltung der 40-Stunden-Woche und Gewährung von Freischichten muß den tariflichen Bestimmungen genügen.
Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, daß der BMS eine ausdrückliche Regelung der Freischichtenansprüche bei Krankheiten außerhalb des Lohnfortzahlungszeitraumes nicht vorsieht.
Der BMS, dort Ziffer 15, ist daher auszulegen. Die Auslegung tariflicher Bestimmungen hat nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung zunächst von dem Tarifwortlaut auszugehen. Dabei ist jedoch über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mit berücksichtigt werden muß, weil nur daraus - und nicht aus den einzelnen Tarifnormen - auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhanges der Sinn und Zweck der Tarif normen zutreffend ermittelt werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 23.09.1992 - 4 AZR 566/91 - unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).
Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht Lingen den Regelungsgehalt der tariflichen Bestimmungen der Ziffer 15 des BMS für die aufgeworfene Rechtsfrage zutreffend ermittelt. Das Landesarbeitsgericht macht sich die zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts in seinem Urteil vom 14.07.1994, dort Seiten 5 bis 7, zu eigen und sieht deshalb von einer umfassenden Darstellung dieser Entscheidungserwägungen ab, § 543 Abs. 1 ZPO.
Aufgrund des Berufungsvorbringens ist folgendes auszuführen:
Tarifliche Freischichtenregelung legt fest, daß der Arbeitnehmer für bereits geleistete Arbeit (40-Stunden-Woche) die Arbeitsvergütung wegen der Festschreibung des sogenannten verstetigten Entgelts (Protokollnotiz zu Ziffer 15 b) Nr. 3 c) zu einem späteren Zeitpunkt - dem Zeitpunkt der bezahlten Freischicht - erhält.
Der Kläger hat jedoch für die Zeit vom 08.02.1993 bis 08.08.1993 krankheitsbedingt keine Arbeitsleistung erbracht.
Wie das Arbeitsgericht unter zutreffender Auslegung der Protokollnotiz 3f zu Ziffer 15 b) BMS erkannt hat, soll der Arbeitnehmer grundsätzlich jedoch nur soviel Freischichtanspruch erwerben, wie seiner tatsächlichen Arbeitsleistung entspricht. Dies läßt sich aus der Ausgleichs- und Abwicklungsregelung der Nr. 3f der Protokollnotiz zu § 15 b) BMS entnehmen. Dabei ist im Schlußsatz der Protokollnotiz 3f ausdrücklich geregelt, daß lohnzahlungspflichtige Krankheitszeiten als geleistete Arbeit gelten. Die weiteren Ausfallzeiten wegen Krankheit gelten also nicht als Arbeitszeit.
Wird der Arbeitgeber verpflichtet, auch Freischichten für Zeiträume zu gewähren, in denen der Arbeitnehmer keine Lohnfortzahlung mehr erhält und die üblicherweise von den Arbeitnehmern zuvor erarbeitete Vergütung während der Freischicht auszuzahlen, so würde dies bedeuten, daß er für erkrankte Arbeitnehmer Lohnersatzleistungen über den gesetzlichen und tariflich vorgesehenen Zeitraum von 6 Wochen zu erbringen hätte. Die Ziffer 54 a) des BMS verweist ausdrücklich auf die gesetzlichen Bestimmungen des Lohnfortzahlungsgesetzes, also auf den 6-Wochen-Zeitraum des § 1 Lohnfortzahlungsgesetz, der im Jahr 1993 noch galt.
Eine Auslegung der Freischichtenregelung dahingehend, daß der Anspruch auf zu vergütende Freischichten auch für Zeiten besteht, für die der Arbeitgeber wegen des Ablaufs des 6-wöchigen Lohnfortzahlungszeitraums leistungsfrei ist, würde der Bestimmung der Ziffer 54 a) BMS, ebenso wie der Protokollnotiz 3f, letzter Satz zu Ziffer 15 b) BMS, widersprechen.
Die Auffassung des Klägers, die Freischichten seien unabhängig von der von einem Arbeitnehmer im Kalenderjahr erbrachten Arbeitsleistung zu erbringen, würde im Ergebnis dazu führen, daß die Freischichtenregelung zu einer reinen Erhöhung des Urlaubsanspruchs der Ziffern 85 ff. BMS über 30 Arbeitstage hinaus führen würde. Ein dahingehender Wille der Tarifvertragsparteien kann weder den Bestimmungen über Urlaub, noch den Bestimmungen über die Freischichtenregelung des BMS entnommen werden. So kann gemäß Ziffer 81 BMS der Urlaub unter den dort genannten betrieblichen oder persönlichen Voraussetzungen in den Zeitraum bis 31.03, des Folgejahres gelegt werden. Durch die tarifliche Regelung über 18 Freischichten in einem Kalenderjahr in Ziffer 15 b) Nr. 2 BMS und die Festlegung von maximal 6 Freischichten für einen Viermonatszeitraum wird deutlich, daß eine Übertragung von Freischichten von den Tarifvertragsparteien auf andere Zeiträume nicht gewollt ist. Die Freischichtenregelung ist daher mit dem Entstehen von Urlaubsansprüchen nicht vergleichbar.
Würde im übrigen ein Arbeitnehmer auch ungekürzte Freischichtansprüche für das gesamte Kalenderjahr haben, wenn er beispielsweise 11 Monate im Jahr krank ist und im 12. Monat seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt, so würde dies zu einer tarifwidrigen Freischichtenregelung führen, denn der Arbeitnehmer müßte sodann in dem verbleibenden Kalendermonat des Jahres 18 Freischichten nehmen, wodurch jedoch die Bestimmung der Ziffer 15 b) - nicht mehr als 6 Freischichten im Viermonatszeitraum - mißachtet würde (vgl. zu dieser Problematik auch Beschluß des BAG vom 18.10.1988 - 1 ABR 34/87 - in EzA Nr. 51 zu § 4 Metallindustrie).
Nach alledem erweist sich die arbeitsgerichtliche Entscheidung als zutreffend, so daß die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen war.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.