Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.10.1995, Az.: 5 Sa 883/95

Soziale Rechtfertigung einer Kündigung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
25.10.1995
Aktenzeichen
5 Sa 883/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 16150
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1995:1025.5SA883.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Osnabrück - 15.03.1995 - AZ: 2 Ca 659/94

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht ... sowie
der ehrenamtlichen Richter ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 1995
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 15.03.1995 - 2 Ca 659/94 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob das von der Klägerin mit der Gemeinschuldnerin am 1. Oktober 1971 begründete Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung des Beklagten vom 10. Oktober 1994 mit Ablauf des 30. Juni 1995 beendet worden ist. Die Gemeinschuldnerin unterhielt Filialbetriebe in zahlreichen Städten im nordwestdeutschen Raum, u. a. auch in ... Das Geschäftsgebäude stand im Eigentum der ... KG. deren Kommanditist innen mit denen der Gemeinschuldnerin identisch sind. Die Rechtsvorgängerin der Grundstückseigentümerin, die Grundstücksgesellschaft ... hatte das Gebäude an eine Vermietungsgesellschaft, die ... KG vermietet, die es ihrerseits an die Gemeinschuldnerin, zuvor schon an deren Rechtsvorgängerin, untervermietet hatte.

2

Am 10. Oktober 1994 eröffnete nach Durchführung eines vorläufigen Vergleichsverfahrens das Amtsgericht Münster das Anschlußkonkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin. Der als Konkursverwalter bestellte Beklagte kündigte daraufhin sofort, nämlich mit Schreiben vom 10. Oktober 1994, alle mit der Gemeinschuldnerin begründeten Arbeitsverhältnisse, insbesondere auch alle Arbeitsverhältnisse der in der Filiale in Beschäftigten. In den Kündigungsschreiben heißt es gleichlautend:

"Die bisherigen Bemühungen, eine Gesamtlösung zu finden, sind gescheitert. Gespräche über Einzel Verwertungen einiger Häuser stehen noch an. Eine generelle weiterführung der Verkaufstätigkeit kann von mir in meiner Eigenschaft als Konkursverwalter jedoch nicht erwartet werden."

3

Die Verkaufstätigkeit in der Filiale in ... endete mit einem Ende November 1994 durchgeführten Sonderverkauf von Kleidungsstücken. Die unverkauften Kleidungsstücke wurden an den Sitz der Gemeinschuldnerin nach ... gebracht. Das Geschäftsgebäude in ... wurde Ende November 1994 geschlossen und der Vermieterin, die das Untermietverhältnis fristlos gekündigt hatte, mit dem gesamten Inventar zurückgegeben.

4

Am 14. Dezember 1994 vermietete die Grundstückseigentümerin nach Aufhebung des mit der ... KG geschlossenen Mietvertrages das leere Gebäude ab 1. Januar 1995 an die ... KG, die darin nach einer Umbauphase am 1. September 1995 ein Bekleidungshaus eröffnet hat. Die Ladeneinrichtung war großenteils von der Werner und ... ... sicherungsübereignet. Das übrige Inventar gehörte verschiedenen Leasingfirmen. Am 19. und 20. Dezember 1994 veranstaltete die ... ... eine als Konkursverwertung von Ladeneinrichtung aus dem Konkurs der Firma ... bezeichnete Verkaufsaktion.

5

Die Klägerin ist der Auffassung, daß die ... den Betrieb der Gemeinschuldnerin durch Rechtsgeschäft übernommen habe, so daß ein Fall des § 613 a Abs. 1 BGB vorliege. Die von dem Beklagten ausgesprochene Kündigung sei gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Bereits im September 1994 habe die Grundstückseigentümerin unter Beteiligung des Beklagten mit der ... KG über eine Betriebsübernahme verhandelt, deren Zustandekommen bereits am 9. November 1994 festgestanden habe. Der Beklagte habe niemals ernsthaft in Erwägung gezogen, den Betrieb in ... stillzulegen.

6

Der Beklagte bestreitet, irgendwelche Verhandlungen mit der ... ... geführt zu haben. Für ihn habe bei Ausspruch der Kündigungen am 10. Oktober 1994 festgestanden, daß er den Betrieb in ... nicht werde fortführen können.

7

Zur Darstellung der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug sowie der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung, die dieses Vorbringen dort erfahren hat, wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 15. März 1995 (Bl. 28 bis 34 d. A.) Bezug genommen.

8

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 10. Oktober 1994 nicht zum 31. Mai 1995 ende, sondern bis zum 30. Juni 1995 fortbestehe. Im übrigen - die Klägerin hatte die Feststellung begehrt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 10. Oktober 1994 nicht beendet worden ist - hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat es der Klägerin 9/10, dem Beklagten 1/10 auferlegt und den Streitwert auf 18.000,00 DM festgesetzt.

9

Das Arbeitsgericht hat u. a. ausgeführt, der Beklagte führe den Betrieb nicht fort. Demgemäß lägen dringende betriebliche Erfordernisse vor, die die Kündigung rechtfertigten. Ein Geschäftsbetrieb finde derzeit im Haus ... nicht statt.

10

Die Kündigung sei auch nicht gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Das Haus ... sei geschlossen und komplett ausgeräumt worden. Damit sei der Betrieb stillgelegt worden. Wenn später nach der Betriebsstillegung in die alten Geschäftsräume ein neuer Mieter einziehe und in der gleichen Branche tätig werde, liege ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang nicht vor. Es könne dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang bereits Vorverhandlungen mit der ... geführt worden seien. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, sei ein Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB nicht anzunehmen.

11

Gegen dieses Urteil, das ihr am 3. April 1995 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit einem am 28. April 1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt, die sie mit einem am 29. Mai 1995, einem Montag, beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten begründet hat.

12

Die Klägerin rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, daß ein Betriebsübergang auf die ... KG erfolgt sei und daß der Betriebsübergang im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses bereits greifbare Formen angenommen gehabt habe. Bereits zum Zeitpunkt der Kündigung hätten zwischen der ... und der Grundstückseigentümerin sowie dem Beklagten Verhandlungen über eine Fortführung des Geschäfts durch die ... stattgefunden, die auch im unmittelbaren Anschluß an die Kündigung zu einem erfolgreichen Abschluß geführt hätten. Den entsprechenden Beweisantritt hätte, so meint die Klägerin, das Arbeitsgericht nicht unbeachtet lassen dürfen. Der Beklagte selbst habe in seiner Kündigungserklärung vom 10. Oktober 1994 ausgeführt, daß Gespräche für Einzel Verwertungen einiger Häuser noch anständen. Dieser Hinweis des Beklagten habe sich ganz eindeutig auch auf den Betrieb in ... bezogen, weil zum damaligen Zeitpunkt bereits die Verhandlungen mit der ... in eine entscheidende Phase getreten seien und kurz vor dem Abschluß gestanden hätten.

13

Zu keinem Zeitpunkt habe der Beklagte eine endgültige Betriebsstillegung beabsichtigt. Vielmehr habe im Zeitpunkt der Kündigung bereits festgestanden, daß die Filiale ... nicht auf Dauer, sondern nur vorübergehend habe geschlossen werden sollen. Allerdings seien Vorkehrungen getroffen worden, um nicht die Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1 BGB eintreten zu lassen. Die ... habe alle Inventarien, sogar die Decken und die Fußböden, entfernen lassen wollen, um nicht die Voraussetzungen des § 613 a BGB akzeptieren zu müssen. Nur drei Wochen nach Ausspruch der Kündigung im November 1994 habe die ... durch einen Architekten das Haus in Augenschein nehmen lassen, um eine bauliche Bestandsaufnahme durchzuführen. Auch daraus ergebe sich, daß zu keinem Zeitpunkt eine endgültige Stillegungsabsicht vorgelegen habe. Demgemäß werde das Geschäft in ... ab 1. September 1995 wieder eröffnet, was nach Presseberichten bereits am 17. Dezember 1994 festgestanden habe.

14

Die als wesentlich anzusehenden Umstände für den Übergang einer Einzelhandelsfiliale seien erfüllt. Die ... KG betreibe wie die Gemeinschuldnerin ihre Einzelhandelsfilialen als Modefachgeschäfte. Sie führe im wesentlichen das gleiche Warensortiment, das sie weitgehend von den gleichen Lieferanten beziehe. Sie nutze vor allem die an hervorragender Stelle in der Osnabrücker Innenstadt gelegenen Geschäftsräume, wobei auch der Käuferkreis identisch sei.

15

Zur Darstellung aller Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung der Klägerin vom 26. Mai 1995 (Bl. 43 f. d. A.), auf die Schriftsätze vom 16. August 1995 nebst Anlagen (Bl. 72 bis 76 d. A.) und 31. August 1995 (Bl. 83 f. d. A.) Bezug genommen.

16

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 15. März 1995 zu ändern und festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 10. Oktober 1994 nicht beendet worden ist.

17

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er verteidigt das angefochtene Urteil als der Rechtslage entsprechend. Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte sei zum Zeitpunkt der Kündigung unmittelbar an Gesprächen zwischen der Grundstückseigentümerin und der ... hinsichtlich einer Betriebsfortführung beteiligt gewesen, sei falsch. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs sei eine Betriebsstillegung unumgänglich gewesen. Der Beklagte habe die Kündigung ausschließlich und allein deswegen ausgesprochen, weil der Betrieb habe geschlossen werden müssen. Diese Absicht sei sodann entsprechend seiner Ankündigung realisiert worden. Er, der Beklagte, sei an keinerlei Verhandlungen, die von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung erwähnt worden seien, beteiligt gewesen, und zwar weder vor noch während, noch nach dem Ausspruch der Kündigung.

19

Es habe keine konkreten Verhandlungen "unter Beteiligung des Konkursverwalters" über eine Übernahme des Betriebs durch die ... gegeben. An allen Vorgängen, die von der Klägerin in diesem Zusammenhang beschrieben worden seien, sei der Beklagte in keiner weise beteiligt gewesen und wisse davon nichts. Er wisse auch nichts davon, daß die ... alle Inventarien sowie Decken und Fußböden aus dem ehemals von der Gemeinschuldnerin angemieteten Objekt habe entfernen lassen wollen. An derartigen Überlegungen oder Gesprächen, die zu irgendwelchen Zeitpunkten geführt worden seien könnten, sei der Beklagte in keiner Weise und zu keinem Zeitpunkt beteiligt gewesen.

20

Die Stillegung der Niederlassung ... habe zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 10. Oktober 1994 für ihn, den Beklagten, eine unumstößliche Notwendigkeit dargestellt, die entsprechend seinen exakten Planungen dann auch binnen der ihm vorgegebenen Räumungsfristen realisiert worden sei. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung habe es keine Interessenten mehr gegeben, an die der Beklagte eine Veräußerung des Betriebes hätte vornehmen können, und es habe auch keinerlei Absichten des Beklagten mehr gegeben, in dieser Richtung noch irgendwelche Verhandlungen zu führen oder auch nur noch Interessenten zu suchen. Für ihn habe unumstößlich die Betriebsstillegung festgestanden und sei eine unabdingbare Notwendigkeit gewesen, als er gegenüber allen Mitarbeitern der Niederlassung ... eine Kündigung der Arbeitsverhältnisse ausgesprochen habe.

21

Daß, was er auch zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt habe, inoffiziell bekannt gewesen sei, daß aller Voraussicht nach die ... zum 1. September 1995 in den ursprünglich an die Gemeinschuldnerin vermieteten Räumlichkeiten ein Bekleidungshaus habe eröffnen wollen und daß es in diesem Zusammenhang irgendwelche Vereinbarungen und Gespräche zwischen den Eigentümern/Vermietern und der ... KG gegeben haben müsse, möglicherweise auch Gespräche und Überlegungen in der Art, wie sie die Klägerin vortrage, sei zweifelsohne zutreffend. Er, der Beklagte, sei jedoch zu keinem Zeitpunkt und in keiner weise auch nur an einem einzigen der geführten Gespräche und an keinerlei Überlegungen oder Konzepten, wie sie die Klägerin vortrage, beteiligt gewesen.

22

Zur Darstellung aller Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung des Beklagten vom 19. Juni 1995 (Bl. 51 f. d. A.), auf die Schriftsätze vom 21. August 1995 (Bl. 77 f. d. A.), 6. September 1995 (Bl. 89 f. d. A.) und 12. Oktober 1995 (Bl. 100 f. d. A.) Bezug genommen.

23

Die Kammer hat entsprechend der vorbereitenden Verfügung des Vorsitzenden vom 4. September 1995 (Bl. 86 d. A.), auf deren Inhalt Bezug genommen wird, gemäß Beweisbeschluß vom 25. Oktober 1995 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen ... sowie des Zeugen ... Zur Darstellung des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25. Oktober 1995 (Bl. 104 f. d. A.) Bezug genommen.

Gründe

24

Die aufgrund der Höhe des Wertes des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.

25

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit der Parteien jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden.

26

Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, daß die Kündigung des zwischen der Gemeinschuldnerin und der Klägerin bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG ist. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin in dem Bekleidungshaus der Gemeinschuldnerin in ... entgegenstehen, bedingt; denn dieses Bekleidungshaus ist von dem Beklagten am 25. November 1994 geschlossen worden. Der Beklagte hat den Betrieb in ... stillgelegt. Im Zeitpunkt der Kündigung konnte der Beklagte den Betrieb nur noch für kurze Zeit weiterführen, weil die Vermieterin der Geschäftsräume, die ... KG das Mietverhältnis fristlos gekündigt hatte. Eine Möglichkeit für den Beklagten, den Betrieb an einen Interessenten zu veräußern, bestand nicht. Der Beklagte hatte keine Möglichkeit, über irgendwelche sächlichen Betriebsmittel zu verfügen. Abgesehen davon, daß er die Geschäftsräume nach der fristlosen Kündigung des Mietvertrages an die Vermieterin zurückzugeben hatte, gab es, abgesehen von Warenbeständen, keine Vermögensgegenstände, die im Eigentum der Gemeinschuldnerin gestanden hätten, über die der Beklagte also hätte verfügen können. Das Inventar des Geschäftshauses gehörte entweder der ... KG oder Leasingunternehmen, von denen die Einrichtungsgegenstände geleast waren. Unter diesen Umständen konnte der Beklagte seinen Willen, den Betrieb in ... stillzulegen, nur dadurch dokumentieren, daß er alle Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten Mitarbeiter kündigte.

27

Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe eine Betriebsstillegung zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, ist unbewiesen geblieben. Keiner der von der Kammer vernommenen Zeugen hat bestätigen können, daß der Beklagte, wie die Klägerin behauptet, an irgendwelchen Gesprächen mit der ... über eine Übernahme des Betriebes in ... beteiligt gewesen ist. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, daß der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung am 10. Oktober 1994 damit gerechnet haben könnte, das Geschäftshaus ... werde von der ... KG gemietet werden. Die Zeugin ... die bei dem Beklagten als zuständige Sachbearbeiterin tätig ist und gewesen ist, hat bekundet, weder vor noch nach Konkurseröffnung (10. Oktober 1994) hätten irgendwelche Gespräche mit der ... stattgefunden.

28

... sei ihr als Interessent überhaupt nicht bekannt gewesen. Sie sei auch nicht, soweit es das ... betreffe, über das Vorhandensein anderer Interessenten unterrichtet gewesen. Das Haus in ... sei ihr wegen der hohen Mietforderung und auch wegen der Größe als nicht übernahmefähig erschienen. Irgendwelche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin sind nicht ersichtlich.

29

Die Zeugin Rechtsanwältin ... hat bekundet, nach ihrem Kenntnisstand habe der Beklagte vor dem 10. Oktober 1994 mit der ... ... nicht verhandelt. Auch sie, die Zeugin, habe zu keiner Zeit im Auftrag des Beklagten mit der ... verhandelt. Vor Konkurseröffnung sei es bei Gesprächen, an denen auch der Beklagte beteiligt gewesen sei, um die Fortführung des Filialunternehmens der Gemeinschuldnerin in seiner Gesamtheit gegangen. Bei Konkurseröffnung sei klar gewesen, daß ein Übernehmer des Gesamtunternehmens nicht habe gefunden werden können. Danach habe es sich demnach nur noch um die Einzel Verwertung bestehender Betriebe oder Betriebsteile handeln können. Verhandlungen in bezug auf die Filiale ... habe sie, die Zeugin, die die ... ... KG sowie den Lieferantenpool vertreten habe, mit dem Beklagten nach dem 10. Oktober 1994 nicht mehr geführt; denn es sei niemand auf den Plan getreten, der ... habe übernehmen wollen. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, daß auch die Zeugin ... wahrheitsgemäß ausgesagt hat.

30

Schließlich hat auch der Zeuge ... der im Auftrag der Grundstückseigentümerin mit der ... KG verhandelt hat, glaubhaft bestätigt, daß er zu keinem Zeitpunkt weder mit der Gemeinschuldnerin noch dem Beklagten oder einem seiner Mitarbeiter irgendwelche Kontakte gehabt hat.

31

Es gibt unter diesen Umständen keinen Anlaß für die Annahme, der Beklagte habe im Hinblick auf eine mögliche Weiterführung des Betriebes in ... ... nicht die Absicht gehabt, den Betrieb endgültig stillzulegen. Die Kündigung ist jedenfalls nicht deswegen ausgesprochen worden, weil der Beklagte einen Betriebsübergang an die ... angestrebt hat.

32

Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Betriebsüberganges könnten jedoch vorliegen im Verhältnis zwischen der Gemeinschuldnerin und der ... KG. Der Beklagte hat der ... ... war ohne Ware, im übrigen aber mit sämtlichem Inventar zurückgegeben, nachdem die ... den Mietvertrag fristlos gekündigt hatte. Für den Beklagten war die Erfüllung der Rückgabeverpflichtung nach Kündigung des Mietvertrages zwangsläufig, für eine eigene Willensbildung des Beklagten in bezug auf das weitere Schicksal des Geschäftsgebäudes und damit des Betriebes war angesichts der bestehenden Eigentumsverhältnisse keinerlei Spielraum vorhanden. Die Rückgabe des intakten und funktionsfähigen Betriebes an die Vermieterin war für den Beklagten nach der Kündigung zwingend vorgegeben. Diesen Umstand konnte er bei seiner Willensbildung nicht einfach ignorieren. Es stellt sich deswegen die Frage, ob die Kündigung der Arbeitsverhältnisse (auch) wegen der Notwendigkeit der Rückgabe des eingerichteten Gebäudes an die Vermieterin erfolgt ist, ob die Rückgabe einen Betriebsübergang darstellt und ob deswegen die Voraussetzungen des § 613 a Abs. 4 BGB gegeben sind. Das hätte zur Folge, daß die von dem Beklagten ausgesprochenen Kündigungen unwirksam wären.

33

Nach Auffassung der Kammer liegen die Voraussetzungen des § 613 a Abs. 4 BGB nicht vor. Das folgt bereits daraus, daß der Beklagte nicht nur die Arbeitsverhältnisse der in ... beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern alle etwa zweitausend Arbeitsverhältnisse der Gemeinschuldnerin in allen Filialbetrieben gekündigt hat. Nicht die Notwendigkeit, nach Kündigung des Mietvertrages das Geschäftsgebäude an die Vermieterin zurückgeben zu müssen, sondern die Absicht, den Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin auf Dauer nicht fortzuführen, war Motiv für die Kündigung auch des Arbeitsverhältnisses der Klägerin.

34

Die Frage, ob die Kündigung in einem Fall wie dem vorliegenden wegen der zwangsläufig bevorstehenden Rückgabe eines intakten Betriebes an die Vermieterin gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam ist, hat grundsätzliche Bedeutung. Deswegen wird die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 16.200,00 DM.