Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.03.1995, Az.: 16 Sa 1499/94 E

Höhergruppierung nach dem Bundesangestelltentarifvertrag ; Eingruppierung einer Erzieherin; Schwerpunkt einer Tätigkeit im Öffentlichen Dienst; Aufgabe eines Erziehers

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
17.03.1995
Aktenzeichen
16 Sa 1499/94 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 10880
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1995:0317.16SA1499.94E.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 20.04.1994 - AZ: 2 Ca 920/93 E
nachfolgend
BAG - 26.03.1997 - AZ: 4 AZR 489/95

Fundstelle

  • ZTR 1995, 410 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Feststellung

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Bei der Eingruppierung eines Angestellten im Öffentlichen Dienst kommt es nicht darauf an, wie dieser Arbeitnehmer hinsichtlich der Vergütungsgruppe gemäß dem Arbeitsvertrag eingereiht worden ist, sonder es kommt vielmehr darauf an, welche Tätigkeiten dem Arbeitnehmer tatsächlich zugewiesen worden sind. Die Vereinbarung einer unrichtigen Eingruppierung oder die falsche Bezeichnung einer Tätigkeit stellt nicht die übertragene Tätigkeit dar, vielmehr kommt es darauf an, welche Arbeit ihm faktisch aufgegeben worden ist.

  2. 2.

    Die Aufgabe eines Erziehers liegt insbesondere darin, Kinder und Jugendliche zu Selbsterfahrung und Selbstvertrauen, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung zu führen, zu gemeinschaftlichem und sozialverantwortlichem Verhalten anzuhalten, ihre Entscheidungsfreudigkeit, Lernbereitschaft und ihr kritisches Urteilsvermögen zu stärken und sie zu geistiger Beweglichkeit und zu schöpferichem Tun anzuregen.

  3. 3.

    Übt ein Arbeitnehmer in einer Kindertageseinrichtung des Öffentlichen Dienstes sowohl pflegerische als auch pädagogische Tätigkeiten aus, so ist für die Eingruppierung in eine Vergütungsgruppe auf den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen.

In dem Rechtsstreit
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 1995
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes und
die ehrenamtlichen Richter Tönjes und Schotte
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 20. April 1994, Az.: 2 Ca 920/93 E. teilweise abgeändert unter Zurückweisung der Berufung im übrigen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 01. Januar 1991 eine Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT, seit dem 01. Mai 1994 nach Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 7 BAT zu zahlen und den Nettodifferenzbetrag zwischen beantragter und erhaltener Vergütung bezüglich der Vergütungsgruppe VI b BAT seit dem 06. Januar 1994, bezüglich der Vergütungsgruppe V c BAT seit dem 28. Oktober 1994 zu verzinsen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt mit der Klage die Höhergruppierung nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) in Vergütungsgruppe VI b BAT seit dem 01.01.1991 sowie nach Vergütungsgruppe V c BAT seit dem 01.01.1994.

2

Die am 26.04.1944 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.01.1974 als Angestellte beschäftigt. Grundlage der arbeitsvertraglichen Beziehung war zunächst der Arbeitsvertrag vom 28.01.1974, wonach die Klägerin als Angestellte ab 01.01.1974 nach Vergütungsgruppe VIII BAT eingestellt wurde. Die Parteien haben ausdrücklich vereinbart, daß der BAT Anwendung findet. Mit Wirkung zum 01.01.1989 haben die Parteien die wöchentliche Arbeitszeit von bisher 21 Stunden auf 23 Stunden pro Woche erhöht. Die Klägerin war ab 01.01.1974 zunächst als Zweitkraft nachmittags in der städtischen Kindertagesstätte im Ortsteil ... sowie ab 01.11.1992 in der Einrichtung ... beschäftigt. Vor ihrer Umsetzung ist die Klägerin seit dem 01.12.1991 vertretungsweise in der Kindertagesstätte ... zum Einsatz gekommen.

3

Aufgrund des Tarifvertrages vom 24.04.1991 zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT ist die Klägerin seit dem 01.01.1991 im Wege des Bewährungsaufstieges in Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 2 BAT von der Beklagten eingruppiert.

4

Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrages der Klägerin sowie des Nachtrages wird auf diesen (Bl. 5 bis 7 d.A.) verwiesen.

5

Mit Schreiben vom 14.11.1991 beantragte die Klägerin, in Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 5 BAT eingruppiert zu werden. Mit Schreiben vom 26.06.1991 hatte die Beklagte die Aussetzung der Ausschlußfrist gemäß § 70 BAT erklärt.

6

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 30.04.1993 den Anspruch der Klägerin ab und hob gleichzeitig die Aussetzung der Ausschlußfrist auf.

7

Erstmalig mit Schriftsatz vom 21.10.1994, der beim Landesarbeitsgericht am 26.10.1994 einging und der Beklagten am 28.10.1994 zugestellt wurde, machte die Klägerin im Wege der Klagerhöhung Vergütung nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 BAT geltend.

8

Unter dem Datum des 09.02.1994 erließ die Beklagte eine Dienstanweisung für Kindertagesstätten der Stadt ... die zum 01.03.1994 in Kraft trat. Bezüglich der Zweitkräfte in den Gruppen ist im § 5 folgendes geregelt:

Zweitkräfte in den Gruppen

(1)
Mitwirkung bei der Programmplanung und -gestaltung für die Gruppe

(2)
Durchführung der Gruppenarbeit nach Maßgabe der Gruppenleitung

(3)
Mitwirkung bei der Durchführung von Gruppenfahrten sowie anderen besonderen Veranstaltungen

(4)
Mitwirkung bei der Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit

(5)
Teilnahme an den Dienstbesprechungen

(6)
Mitwirkung bei der Durchführung der Elternarbeit einschl. deren Vor- und Nachbereitung

(7)
Aufräumarbeiten und Materialpflege

(8)
Persönliche fachliche Fortbildung

9

Wegen des Inhalts der Dienstanweisung im übrigen wird auf diese (Bl. 19 bis 29 d.A.) verwiesen.

10

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei als Erzieherin zu vergüten, da sie entsprechende Tätigkeiten verrichte und darüber hinaus entsprechende Fähigkeiten und Erfahrungen habe.

11

Die Klägerin habe häufig Kindergruppen über einen längeren Zeitraum allein zu betreuen gehabt. Bei Urlaub und Krankheit übernehme sie die Gruppenleiteraufgaben. Die Klägerin sei zu Beginn ihrer Tätigkeit in der Kindertagesstätte ... als einzige Kraft in der Gruppe tätig geworden.

12

Die Arbeit in der Gruppe erfolge im Team. So erfolge auch durch die Klägerin eine selbständige und eigenverantwortliche Planung und Vorbereitung der Arbeit. Sie habe ihre pädagogischen Fähigkeiten zum Einsatz zu bringen.

13

Im Früh- und Spätdienst sei sie allein für die Gruppe verantwortlich. In der Kindertagesstätte in ... sei sie in der Vormittagsgruppe tätig gewesen und habe dort Früh- und Spätdienst im Wechsel verrichtet. In der Kindertagesstätte ... sei sie in der Nachmittagsgruppe tätig und habe dort Spätdienste zu verrichten.

14

Die Klägerin verrichte die gleichen Arbeiten wie die Erzieherinnen in der Gruppe mit Ausnahme der Gruppenleitung. Sie verrichte nicht nur irgendwelche Hilfsdienste, sondern sei in vollem Umfange als Erzieherin eingesetzt. Bei der Direktbetreuung der Kinder müsse die Klägerin spontan eingreifen, wenn Konflikte untereinander entstünden, sie müsse das Sozialverhalten einüben und insbesondere, wenn die Muttersprache der Kinder nicht Deutsch sei, diese in die Aktivitäten der Gruppe einbeziehen. Sie befinde sich quasi mit der Gruppenleiterin in ständigem Austausch, inwieweit bestimmte Schwächen einzelner Kinder gefördert bzw. abgestellt werden könnten wie z.B. Sprachkonzentrationswahrnehmung sowie Störungen der Grob- und Feinmotorik.

15

Die Klägerin habe auch in großem Umfange Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt. Im Zeitraum Januar bis April 1973 habe sich die Klägerin im Bereich der Sozialpädagogik weitergebildet, von Mai bis Juli 1973 habe sie eine Veranstaltung mit dem Thema "Frühkindliche Erziehung" besucht. Von Oktober 1975 bis Mai 1976 habe sie an der Veranstaltung teilgenommen, die die Möglichkeiten von Problemlösungen in der Erziehung durch Techniken der Gesprächsführung zum Inhalt gehabt habe. Darüber hinaus habe sie Weiterbildungsmöglichkeiten genutzt und Kurse besucht mit den Themen "Praxis psychomotorischer Förderung im Kindergarten" und "Konzepte einer alltagsorientierten psychomotorischen Förderung im Erziehungsfeld des Kindergartens". Sie habe darüber hinaus an weiteren Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen, so an einem Erste-Hilfe-Kurs, an einer Maßnahme "Erziehungsziele und deren Auswirkungen auf die Kindergartenarbeit", der Maßnahme "Praxis psychomotorischer Förderung", der Maßnahme "Konzepte einer alltagsorientierten psychomotorischen Förderung im Erziehungsfeld", der Maßnahme "Ein Anfang mit Musik" mit einem Anschlußseminar der Maßnahme "10 Jahre Erzieherin und was nun?" sowie der Maßnahme "Sexueller Kindesmißbrauch".

16

Die Klägerin sei nicht angewiesen, nur den versorgenden Teil der Betreuungstätigkeiten wahrzunehmen, so daß sie aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und Erfahrungen als Erzieherin beschäftigt werde.

17

Die Klägerin hat beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, daß die Klägerin seit dem 01.05.1991 eingruppiert ist in Vergütungsgruppe VI b BAT.

  2. 2.

    die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT seit dem 01.05.1991 zu zahlen.

18

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

19

Sie hat vorgetragen, der Klägerin seien keine Tätigkeiten übertragen worden, die denen einer Erzieherin entsprächen. Die Leitung der Gruppe erfolge durch die Erzieherin, die Unterstützung der Gruppenleiterin erfolge durch eine Kinderpflegerin oder anderweitige Kraft. Die Gruppenleitung mache den pädagogischen Teil der Betreuungsarbeit wie die Planung und Ausführung vom Inhalt des Gruppenalltages, der Elterngespräche sowie der Vorbereitung von besonderen Veranstaltungen. Die Zweitkraft mache den versorgenden Anteil und sei tätig bei der Unterstützung der Essenseinnahme und der Begleitung bei Toilettengängen. Auch erfolge eine Unterstützung der Erzieherinnen.

20

Der Klägerin sei als Daueraufgabe für eine längere Zeit keine Gruppenleitungsaufgaben übertragen worden. Auch gebe es bei der Klägerin keinen Früh- und Spätdienst. Zumindest sei sie insoweit nicht allein verantwortlich.

21

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß die Fortbildungen der Klägerin keine besondere Bedeutung für die Fachkenntnisse der Klägerin gehabt hätten.

22

Die Aufgabenverteilung sei in der Dienstanweisung festgelegt. Diese Aufgabenverteilung werde seit jeher aufgrund mündlicher Anordnung praktiziert.

23

Durch Urteil des Arbeitsgerichtes Hannover vom 20.04.1994 wurde die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt und der Streitwert auf 10.178,28 DM festgesetzt.

24

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, daß die Klage nicht begründet sei, weil der Klägerin nicht auf Dauer Tätigkeiten übertragen worden seien, die denen einer Erzieherin entsprächen.

25

Die Parteien hätten im Arbeitsvertrag keine konkrete Tätigkeit vereinbart. Der Klägerin sei gemäß Arbeitsvertrag vielmehr eine Tätigkeit nach Vergütungsgruppe VIII BAT zugewiesen worden. Auf Zuweisung höherwertiger Tätigkeit habe sie vertraglich keinen Anspruch und habe höherwertige Tätigkeiten dauerhaft nicht ausüben müssen.

26

Vorliegend habe die Beklagte der Klägerin höherwertige Tätigkeiten auch später nicht übertragen. Aus der Arbeit im Team folge nicht, daß der Klägerin im Tarifsinne entsprechende Tätigkeiten einer Erzieherin mit staatlicher Anerkennung übertragen worden seien. Soweit die ausgeübte Gruppenarbeit in der Praxis sich so ausgestalten sollte, daß jegliche anfallende Arbeit in gleicher Verantwortung mit der Gruppenleiterin ausgeübt werde, könne dieses die für die tarifliche Eingruppierung erforderliche Übertragung durch den Arbeitgeber nicht ersetzen.

27

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 26.07.1994 zugestellt. Hiergegen legte diese am 26.08.1994 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 26.10.1994 am 26.10.1994.

28

Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin vor, daß die Klägerin seit dem 01.01.1974 tatsächlich als Erzieherin tätig geworden sei und hier eine Tätigkeit als Zweitkraft in der Gruppe und damit Erziehertätigkeiten übertragen worden seien. Eine Unterscheidung in der Gruppe zwischen den beiden Kräften sei aufgrund der Teamarbeit nicht möglich. Beide Mitarbeiterinnen verrichteten die gleiche erzieherische Arbeit.

29

Die Klägerin habe auch gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen, da sie bereits seit 20 Jahren diese Tätigkeit ausübe und darüber hinaus Fortbildungsmaßnahmen besucht habe.

30

Nicht für die Eingruppierung sei entscheidend die Unterscheidung zwischen Zweitkraft und Gruppenleitung, da die Tarifvertragsparteien dieses nicht zur Grundlage der Eingruppierung gemacht hätten.

31

Da die Klägerin bereits seit 01.01.1991 nach Vergütungsgruppe VI b BAT einzugruppieren gewesen sei, sei sie im Wege des Bewährungsaufstieges seit dem 01.01.1994 nach Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 7 BAT einzugruppieren.

32

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 01.01.1991 eine Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT zu zahlen und den Nettodifferenzbetrag zwischen beantragter und erhaltender Vergütung ab jeweiliger Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen,

  2. 2.

    nach Maßgabe des Antrages zu 1. nach dem 01.01.1994 Vergütung nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 BAT zu zahlen.

33

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

34

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 24.11.1994 (Bl. 76-82 d.A.). Hierauf wird verwiesen.

35

Die Beklagte verweist darauf, daß die Klägerin als Kindergartenhelferin eingestellt worden sei und ihr eine Tätigkeit als Zweitkraft in der Gruppe zugewiesen sei. Dieses entspreche dem Berufsbild der Kinderpflegerin. Der Klägerin seien jedenfalls keine Tätigkeiten als Erzieherin übertragen worden. Sie mache vielmehr die unterstützende Betreuungsarbeit.

36

Die Beklagte verweist darauf, daß die Höhergruppierung nach Vergütungsgruppe Vc BAT nicht rechtzeitig geltend gemacht sei und Ansprüche allenfalls ab dem 01.05.1994 verlangt werden könnten. Die Beklagte verweist ferner darauf, daß der beantragte Zinsanspruch nicht begründet sei, da Zinsen erst ab Rechtshängigkeit verlangt werden könnten.

Entscheidungsgründe

37

Die Berufung der Klägerin ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Beschwerdegegenstand in dieser vermögensrichtlichen Streitigkeit übersteigt 800,00 DM. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO).

38

Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Der Klägerin steht Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT seit dem 01.01.1991 sowie Vergütung nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 BAT seit dem 01.05.1994 zu.

39

Der BAT findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

40

Gemäß § 22 BAT richtet sich die Eingruppierung der Angestellten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung. Die Angestellte erhält demzufolge Vergütung nach der Vergütungsgruppe in die sie eingruppiert ist. Sie ist in die Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte, von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Diese entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen.

41

Nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 der Anlage 1 a Teil II Buchstabe G zum BAT sind eingruppiert Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, nach dreijähriger Bewährung in Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 5 BAT. In Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 5 BAT wiederum sind eingruppiert Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

42

Die Klägerin ist nicht Erzieherin mit staatlicher Anerkennung, da sie eine entsprechende Prüfung nicht gemacht hat. Sie hat vielmehr eine Ausbildung als Kaufmannsgehilfin. Sie ist jedoch als sonstige Angestellte anzusehen, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und Erfahrungen Erzieherinnentätigkeiten ausübt.

43

Die Aufgabe einer Erzieherin liegt insbesondere darin, Kinder und Jugendliche zu Selbsterfahrung und Selbstvertrauen, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung zu führen, zu gemeinschaftlichem und sozialverantwortlichem Verhalten anzuhalten, ihre Entscheidungsfreudigkeit, Lernbereitschaft und ihr kritisches Urteilsvermögen zu stärken und sie zu geistiger Beweglichkeit und zu schöpferichem Tun anzuregen (so Blätter für Berufskunde Bd. 2 IV A 20 "Erzieher/Erzieherinnen", 4. Aufl. 1983, wie auch Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vom 15.02.1984, Az.: 4 AZR 497/81 in AP Nr. 84 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

44

Die Klägerin ist als eine solche Erzieherin tätig geworden, da sie auch in diesem erzieherisch pädagogischen Bereich gearbeitet hat. Ihr sind Tätigkeiten übertragen, die die pädagogische Gruppenarbeit sowie den Kontakt mit Eltern betreffen. Ferner sind ihr mitverantwortlich Tätigkeiten in der Gruppenarbeit übertragen worden, die den erzieherischen Bereich betreffen.

45

Gemäß dem Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst in der Fassung vom 24.04.1991 für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände werden im Bereich der Kindertagesstätten entweder Tätigkeiten von Kinderpflegerinnen ausgeübt oder Tätigkeiten von Erzieherinnen. Aus dem Gesamtzusammenhang dieser Tarifnorm ist erkennbar, daß abschließend eine Regelung erfolgen sollte für den Sozial- und Erziehungsdienst, wozu auch die Kindertagesstätten gehören. Wenn demzufolge dort nur Tätigkeiten aufgeführt werden, die Kinderpflegerinnen- oder Erzieherinnentätigkeiten betreffen (andere Berufsgruppen dieser Tarifnorm kommen für diesen Bereich nicht in Betracht), so ist ersichtlich, daß die Tätigkeit in der Gruppe entweder als Kinderpflegerinnentätigkeit oder als Erzieherinnentätigkeit zu betrachten ist.

46

Vom Beginn ihrer Tätigkeit an, sind der Klägerin Tätigkeiten einer Zweitkraft in der Gruppe übertragen worden. Dieses ergibt sich aus dem ausdrücklichen Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren, wie aber auch aus der Dienstanweisung vom 01.03.1994, wonach in den einzelnen Gruppen entweder gemäß § 4 Gruppenkräfte beschäftigt werden oder gemäß § 5 Zweitkräfte.

47

Da die Beklagte auch vorträgt, daß die Dienstanweisung mit der entsprechenden Aufgabenverteilung seit jeher aufgrund mündlicher Anordnung praktiziert wird, ist von der Tätigkeit der Klägerin als Zweitkraft in der Gruppe gemäß § 5 der Dienstvereinbarung auszugehen.

48

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes kommt es deshalb nicht darauf an, wie die Klägerin hinsichtlich der Vergütungsgruppe gemäß dem Arbeitsvertrag eingereiht worden ist, vielmehr kommt es darauf an, welche Tätigkeiten der Klägerin tatsächlich zugewiesen worden sind. Die Vereinbarung einer unrichtigen Eingruppierung oder die falsche Bezeichnung einer Tätigkeit stellt nicht die übertragene Tätigkeit dar, vielmehr kommt es darauf an, welche Arbeit der Klägerin tatsächlich zugewiesen worden ist. Dieses ist die Tätigkeit als Zweitkraft in der Gruppe, so daß insoweit festzustellen ist, ob die Zweitkrafttätigkeit in der Gruppe eine pädagogisch-erzieherische Tätigkeit und damit eine Erzieherinnentätigkeit darstellt, oder ob überwiegend eine pädagogisch-pflegerische Tätigkeit geleistet wird, die sich als Kinderpflegerinnentätigkeit darstellen kann.

49

Die Tatsache allein, daß die Klägerin im Zweitkraftbereich arbeitet, spielt für die Eingruppierung keine Rolle. Auch die Tätigkeit einer Zweitkraft in einer Kindertagesstätte kann eine Erzieherinnentätigkeit sein. Der Tarifvertrag unterscheidet ausdrücklich nicht zwischen der Erst- und Zweitkraft in einer Kindertagesstätte, sondern differenziert lediglich nach einer Leitungstätigkeit der Kindertagesstätte insgesamt und den übrigen Erzieherinnen, seien es Gruppenleitungskräfte oder sonstige Erzieherinnen.

50

Aus dem Tarifvertrag läßt sich deshalb für die Tätigkeit im Zweitkraftbereich nichts weiter herleiten, zumal die Aufgaben einer Erzieherin auch ausdrücklich geleistet werden können durch die Mitarbeit in einer Gruppe (so Blätter für Berufskunde, a.a.O., 1.1 c, Seite 7).

51

Die Tätigkeit der Klägerin stellt sich als einheitlicher Arbeitsvorgang dar, nämlich als der einer erzieherisch-pädagogischen Arbeit in der Gruppe. Die Tätigkeit kann nicht in unterschiedliche Arbeitsvorgänge aufgespalten werden. Der einheitliche Arbeitsvorgang der Zweitkraft in der Gruppe liegt in der Mitarbeit im Rahmen der Betreuung der Gruppe. Das Schwergewicht der Tätigkeit liegt in der Aufsicht über die Gruppe, dem Spielen mit den Kindern, der Hilfestellung bei den Kindern übertragenen Aufgeben, der Beobachtung der Kinder, der Kontrolle des Gruppenprozesses und des Entwicklungsstandes der Kinder, insgesamt in der Verwirklichung des Konzeptes der Kindertagesstätte. Zu diesen Tätigkeiten gehört untrennbar verbunden die Vor- und Nachbereitung der Tätigkeit, die Teilnahme an Dienstbesprechungen, um Inhalte der Arbeit durchzusprechen sowie in der Vorbereitung und Durchführung von besonderen Veranstaltungen innerhalb oder außerhalb der Kindertagesstätte. Diese Programmplanung und Gestaltung ist untrennbar verbunden mit der tatsächlichen Durchführung der anschließenden Tätigkeit. Die Nachbereitung der Arbeit ist bereits wieder untrennbar verbunden mit der Vorbereitung für die künftige Tätigkeit. Nebentätigkeiten wie Aufräumen oder Materialpflege stellen sich als Anhängsel der eigentlichen betreuerischen Tätigkeit in der Gruppe dar.

52

Die oben genannten Tätigkeiten machen nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien den wesentlichen Inhalt der Tätigkeit der Klägerin aus. Hier ist die Funktion der Tätigkeit als Zweitkraft übertragen. Diese Funktionsübertragung kann nicht in einzelne Punkte aufgespalten werden.

53

Diese Tätigkeit der Klägerin stellt sich aber als erzieherisch-pädagogische Arbeit dar, im Gegensatz zur pädagogisch-pflegerischen Tätigkeit. In Kindertagesstätten, in denen Kinder ohne besondere Auffälligkeiten vorhanden sind (im Gegensatz zu Kindertagesstätten für z.B. behinderte Kinder), ist die Tätigkeit ganz überwiegend geprägt von der pädagogischen Arbeit mit den Kindern. Zwar fallen auch in einer solchen Kindertagesstätte im einzelnen pflegerische Tätigkeiten an. Jedoch gehen diese pflegerischen Tätigkeiten mit erzieherischen Tätigkeiten fließend ineinander über. Pflegerische Arbeiten, wie Hilfe beim Zähneputzen oder beim Gang zur Toilette, sind gleichzeitig erzieherisch-pädagogische Aufgaben, weil hierbei die künftige Selbständigkeit der Kinder gefördert werden soll. Pädagogische Aufgaben, wie z.B. Aufräumarbeiten oder selbständiges Essen, stellen sich gleichzeitig als pflegerische Arbeiten dar. Die der Klägerin übertragene Tätigkeit der Durchführung der Gruppenarbeit und die Mitwirkung bei der Programmplanung- und Gestaltung für die Gruppe wie auch die Mitwirkung bei der Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit, die Mitwirkung bei der Durchführung von Gruppenfahrten sowie anderen besonderen Veranstaltungen sowie schließlich die Mitwirkung bei der Durchführung von Elternarbeit einschließlich deren Vor- und Nachbereitung stellt sich aber als eine Tätigkeit im erzieherisch-pädagogischen Bereich dar. Gerade der wesentliche Teil der Tätigkeit der Klägerin, nämlich die Durchführung der Gruppenarbeit und die Vor- und Nachbereitung hierzu ist eine Tätigkeit, die Kinder dahin führen soll, Selbsterfahrung und Selbstvertrauen, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung zu erreichen und ein gemeinschaftliches und sozialverantwortliches Verhalten der Kinder zu erreichen, entsprechend den oben aufgeführten Aufgaben einer Erzieherin.

54

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Klägerin nur mitwirkt oder nach Maßgabe der Gruppenleitung tätig wird. Ihr sind gerade nicht die Tätigkeiten der Gruppenleitung übertragen worden, gleichwohl führt sie die Gruppenarbeit entsprechend einer Leitung durch. Wie auch die Gruppenleitung selbst insgesamt an die Leitung der Kindertagesstätte gebunden ist, so ist die Zweitkraft in der Gruppe an die Vorgaben der Gruppenleitung gebunden. Dieses bedeutet jedoch nicht, daß die Klägerin jeweils Einzelanweisungen im pädagogischen Bereich erhält und sich nur mit einzelnen Kindern oder kleinen Gruppen von Kindern entsprechend dieser Einzelanweisung beschäftigt, vielmehr führt sie gemeinsam mit der Gruppenleitung die gesamte Gruppenarbeit durch und bestimmt bei der Planung und Gestaltung des Programmes sowie bei besonderen Veranstaltungen mit. Dabei ist sie insbesondere auch in die Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit eingebunden, wie sich im einzelnen aus der Dienstanweisung der Beklagten ergibt. Diese Tätigkeit kann nicht mehr als Kinderpflegerinnentätigkeit bezeichnet werden. Entsprechend den Blättern für Berufskunde für die Kinderpflegerin (Bd. 2 VI A 12, 6. Aufl. 1988) arbeitet die Kinderpflegerin im pädagogisch-pflegerischen Bereich. Der pflegerische Bereich steht bei der Kinderpflegerin im Vordergrund, wobei unter den heutigen pädagogischen Ansprüchen eine pflegerische Tätigkeit nicht mehr erfolgen kann ohne eine gleichzeitige pädagogische Betreuung der zu pflegenden Person oder Personengruppe. Das Berufsbild der Kinderpflegerin ist deshalb ausgeweitet von der rein pflegerischen Tätigkeit auch hin zu pädagogischen Tätigkeiten die damit im Zusammenhang stehen. Im Gegensatz zur Erzieherin liegt jedoch nicht der Schwerpunkt der Tätigkeit im erzieherisch-pädagogischen Bereich, sondern im pflegerischen Bereich mit zusätzlichen pädagogischen Aufgaben.

55

Das Arbeitsfeld einer Kinderpflegerin ist zwar auch das in Einrichtungen, in denen es die Aufgaben von Erziehern ist, die Erziehung und Bildung des Kindes zu fördern. Die Kinderpflegerin soll in diesem Bereich jedoch nur fachlich geschulte Mitarbeiterin sein und betreut und beschäftigt dabei kleine Gruppen oder einzelne Kinder und unterstützt Erzieher dadurch, daß sie auch pädagogische und pflegerische Aufgaben übernimmt.

56

Der Kinderpflegerin wird demzufolge nicht eine gesamte Gruppe unterstellt, sondern es handelt sich um kleine Gruppen oder einzelne Kinder, bei denen die Kinderpflegerin unterstützend tätig werden soll. Dabei soll sie sowohl pädagogische wie auch insbesondere pflegerische Aufgaben übernehmen, wie es ihrem Berufsbild entspricht.

57

Es ist aber nicht ersichtlich, daß die pflegerischen Aufgaben und damit zusammenhängend dann auch pädagogische Aufgaben bei der Gruppenarbeit der Zweitkraft anfallen. Wie bereits ausgeführt, fallen auch vereinzelt reine pflegerische Tätigkeiten an. Diese sind aber in bezug auf die Gesamttätigkeit der Zweitkraft in der Gruppe zeitlich so geringfügig und prägen das Bild der Zweitkraft nicht so stark, daß von einer pflegerischen Tätigkeit ausgegangen werden kann.

58

Dieses mag in Kinderkrippen oder Kindertagesstätten, in denen besondere pflegerische Tätigkeiten anfallen, anders sein. Eltern, die ihr Kind in eine Kindertagesstätte für drei- bis sechsjährige geben, ohne daß diese Kindertagesstätte eine besondere Bestimmung hat, wissen aber, daß die Zweitkraft in der Gruppe die Kinder gleichermaßen empfängt wie die Gruppenleiterin, selbständig Angebote macht, Elterngespräche führt, vorbereitend in der Programmplanung tätig wird und dieses letztlich auch nur tun kann, weil sie die Kinder kennt, beobachtet und fachlich einschätzt und damit pädagogische Tätigkeiten ausübt. Dieses Berufsbild entspricht auch dem Gesetz über Kindertagesstätten für Kinder in Niedersachsen vom 16.12.1992. In § 4 Abs. 3 dieses Gesetzes ist ausdrücklich geregelt, daß in jeder Gruppe eine zweite geeignete Fach- oder Betreuungskraft regelmäßig tätig sein muß, die in der Regel Erzieherin/Erzieher mit staatlicher Anerkennung sein soll, auch Kinderpflegerin oder Kinderpfleger, Sozialassistentin oder Sozialassistent sein kann. Mit dieser Regelung des Gesetzes gibt der Gesetzgeber zu erkennen, daß die Regel ist, daß nur ausgebildete Erzieherinnen oder Erzieher tätig werden, weil das Berufsbild der Zweitkraft in der Kindertagesstätte beinhaltet, daß dort erzieherische Tätigkeiten, d.h. pädagogische Tätigkeiten verrichtet werden.

59

Wenn deshalb die Beklagte in der am 01.03.1994 in kraft gesetzten Dienstanweisung davon ausgeht, daß Zweitkräfte regelmäßig Kinderpflegerinnenarbeit verrichten, so steht diese Regelung nicht mit den Vorgaben des Kindertagesstättengesetzes im Einklang. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, daß sich eine öffentlicher Arbeitgeber gesetzeskonform verhalten will und deshalb in Wirklichkeit Zuweisungen einer Erzieherinnentätigkeit machen wollte.

60

Tatsächlich entspricht § 5 der Dienstanweisung letztlich auch, wie oben ausgeführt, der Tätigkeit einer Erzieherin, da nicht erkennbar ist, daß pflegerische Tätigkeiten der Zweitkraft prägend zugewiesen werden.

61

Die Unterscheidung in erzieherisch-pädagogische Tätigkeiten und pflegerische Tätigkeiten hat das BAG bereits in der Entscheidung vom 15.02.1984 (AP Nr. 84 zu § 22, 23 BAT 1975) aufgestellt, wobei die pflegerischen Tätigkeiten ausdrücklich als solche wie Waschen und Wickeln eines Kindes bezeichnet werden. Demgegenüber wird die Erziehungstätigkeit vom Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 18.05.1993 (AP 74 zu § 22, 23 BAT 1975) ausdrücklich als eine solche zur Förderung von Kindern und Jugendlichen in ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung in altersgemäßer Form bezeichnet. Gerade dieses tut die Klägerin im Zweitkraftbereich in der Gruppe der Kindertagesstätte der Beklagten.

62

Die Klägerin besitzt auch gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen wie die einer Erzieherin.

63

Aufgrund der langjährigen Tätigkeit der Klägerin in einer Kindertagesstätte ist von entsprechenden Erfahrungen auszugehen.

64

Unter Erfahrungen sind dabei die durch die praktische Ausübung der Tätigkeit im Laufe der Zeit gewonnenen Fertigkeiten zu verstehen, die durch die Ausübung des Berufes erworben werden.

65

Bei der Klägerin sind jedoch auch gleichwertige Fähigkeiten vorhanden. Hierunter sind Fertigkeiten zu verstehen, die im Regelfall durch eine entsprechende Ausbildung erworben werden und eine geistige Verarbeitung dessen Vermöglichen, was bei der Arbeit im erzieherisch-pädagogischen Bereich erforderlich ist. Zwar sind Fähigkeiten und Erfahrungen durchaus voneinander zu unterscheiden. Es gibt auch weder einen Rechtssatz noch einen allgemeinen Erfahrungssatz dergestalt, daß in dem Fall, in dem Erziehertätigkeiten ausgeübt werden, zugleich auch entsprechende Fähigkeiten und Erfahrungen wie der einer Erzieherin vorhanden sein müssen. Andererseits jedoch ist es rechtlich und tatsächlich möglich, aus der auszuübenden Tätigkeit einer Angestellten Rückschlüsse auf ihre Fähigkeiten und Erfahrungen zu ziehen (so Urteile des BAG in AP Nr. 12 und 37 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

66

Bei der Bewertung, ob von solchen Fähigkeiten ausgegangen werden kann, ist von dem beruflichen Werdegang der Mitarbeiterin auszugehen und dabei insbesondere ihre Vortätigkeit zu berücksichtigen. Aus dieser müssen grundsätzlich Art, Ausmaß, Tiefe und Grundlage der Fachkenntnisse erkennbar sein, die die Mitarbeiterin zwischenzeitlich erworben hat. Voraussetzung ist deshalb nach Auffassung der Kammer für die Feststellung derartiger Tätigkeiten eine einschlägige Vortätigkeit, wie auch ein Zeitraum der Tätigkeit der über die Zeit einer normalen Ausbildung einer Erzieherin hinausgehen muß. Dabei kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß die doppelte Zeit der Ausbildung (bei der Erzieherin insgesamt drei Jahre) grundsätzlich genügen muß, um entsprechende Fähigkeiten zu erwerben, sofern nur eine einschlägige Tätigkeit ausgeübt wird. Hierbei ist jedoch letztlich eine individuelle Betrachtung des einzelnen Falles erforderlich, so daß diese Zeit kürzer sein kann, (etwa bei Durchführung von Gruppenleiterinnenaufgaben, die nur übertragen werden, wenn fachgerechte Arbeit erfolgt), aber auch länger sein kann, etwa wenn Mängel bei der Arbeit auf getreten sind.

67

Die Tarifvertragsparteien haben an verschiedenen Stellen des BAT in den Fällen, in denen eine bestimmte Ausbildung gefordert wurde, dieses auch ausdrücklich geregelt. Wenn vorliegend deshalb von gleichwertigen Fähigkeiten ausgegangen werden kann, so sind die Tarifvertragsparteien deshalb ausdrücklich davon ausgegangen, daß die Fähigkeiten auch anderweitig durch nicht einschlägige Ausbildung erworben werden können. Die Tarifvertragsparteien haben die Begriffe "Fähigkeiten" und "Erfahrungen" nebeneinander benutzt. Es ist nicht davon auszugehen, daß sie mit diesen Begriffen das gleiche meinten und verschiedene Begriffe gleichwohl benutzten und nebeneinander stellen. Die Fähigkeiten müssen deshalb gesondert festgestellt werden, wenn hierbei aber eine besondere Ausbildung nicht gefordert wird, so können deshalb diese Fähigkeiten in beliebiger Weise festgestellt werden, z.B. auch, wie das Bundesarbeitsgericht zutreffend ausführt, durch Rückschlüsse bezüglich einer vorherigen Tätigkeit.

68

Grundsätzlich kann aber, wie bereits ausgeführt, davon ausgegangen werden, daß bei einschlägiger Tätigkeit nicht nur Erfahrungen in bezug auf die Tätigkeit erworben werden, sondern auch die Fähigkeiten selbst, die eine Erzieherin besitzen muß. Es entspricht einem allgemeinen Erfahrungssatz, daß Fähigkeiten auch anderweitig erworden werden können, als durch eine theoretische Ausbildung gemäß der Ausbildungsordnung für den entsprechenden Beruf. Fähigkeiten können sowohl durch Selbststudium wie auch durch Vermittlung der Fähigkeiten durch vorgesetzte Personen erfolgen, wie auch durch eine eigene geistige Tätigkeit in Aufbau auf den eigenen bereits vorhandenen Kenntnissen in Verbindung mit der konkret ausgeübten Tätigkeit.

69

Im vorliegenden Fall hat die Kammer davon auszugehen, daß auch gleichwertige Fähigkeiten vorliegen. Die Klägerin ist seit dem 01.01.1974 und damit zum 01.01.1991 seit 17 Jahren im Bereich der Erziehung tätig. Sie war teilweise, wie auch die Beklagte zugestanden hat, als einzige Kraft in der Gruppe tätig, wenn auch im Hintergrund entweder eine Springerin oder eine Leiterin zur Verfügung stand. Irgendwelche Hinweise darauf, daß die Klägerin ihre Tätigkeiten nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat oder Mängel bei der Arbeitsleistung vorhanden waren, sind nicht ersichtlich.

70

Da die Ausbildung einschließlich des Anerkennungsjahres einer Erzieherin drei Jahre beträgt, ist davon auszugehen, daß bereits zum 01.01.1991 entsprechende Fähigkeiten vorhanden waren aufgrund der langjährigen Tätigkeit im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Einsatz.

71

Darüber hinaus hat die Klägerin, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, sich laufend fortgebildet im einschlägigen Bereich einer Erzieherin. Diesen Fortbildungsmaßnahmen, die insgesamt einen nicht unerheblichen Zeitraum ausmachen, lassen ebenfalls den berechtigten Schluß darauf zu, daß die Klägerin trotz ihrer Ausbildung als Kaufmannsgehilfin einschlägige Kenntnisse erworben hat, die ebenfalls ein berechtigten Rückschluß darauf zulassen, daß für die Erzieherinnentätigkeit ausreichende Fähigkeiten vorhanden sind.

72

Damit steht zur Überzeugung der Kammer fest, daß der Klägerin seit dem 01.01.1991 Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT zusteht.

73

Da die Beklagte mit Schreiben vom 26.06.1991 erklärt hat, daß sie sich auf die Ausschlußfrist nicht berufen wolle, die Klägerin mit Schreiben vom 14.11.1991 ihren Anspruch gleichwohl geltend gemacht hat, ist auf die Ausschlußfrist des § 70 BAT nicht weiter einzugehen, da aufgrund der Erklärung der Beklagten eine Berufung auf die Ausschlußfrist gegen Treu und Glauben verstoßen würde.

74

Der Klägerin steht aber auch seit dem 01.05.1994 Vergütung nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 BAT zu.

75

Die Klägerin hat sich bereits zum 01.01.1994 während drei Jahren in der Vergütungsgruppe VI b BAT bewährt. Damit erfüllt sie die Vergütungsmerkmale der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 der Tätigkeitsmerkmale.

76

Da von dieser Eingruppierung in dieser Fallgruppe auch die Zahlung einer Zulage abhängig ist, gemäß der Protokollnotiz 2, hat die Klägerin auch ein Feststellungsinteresse daran, die Fallgruppe feststellen zu lassen.

77

Die Berufung war jedoch insoweit zurückzuweisen, als die Klägerin die Eingruppierung nach V c BAT bereits seit dem 01.01.1994 verlangt. Die Klägerin hat diesen Anspruch erstmalig mit ihrer Berufungsbegründung, die der Beklagten am 28.10.1994 zugestellt worden ist, geltend gemacht. Gemäß § 70 BAT muß ein Anspruch jedoch innerhalb von sechs Monaten seit Fälligkeit geltend gemacht werden. Die Klägerin kann deshalb allenfalls Vergütung nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 seit dem 01.05.1994 verlangen.

78

Soweit die Klägerin Ansprüche auf Verzinsung geltend macht, so waren diese zuzugestehen erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Klagebegehrens. Insoweit folgt die Kammer dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 07.10.1981 Az.: 4 AZR 225/79 in AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT 1975. Auf die Begründung hierzu wird verwiesen. Die Berufung war deshalb auch insoweit teilweise zurückzuweisen.

79

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

80

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.