Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.02.1995, Az.: 12 Sa 662/94

Formfehler in der Berufungsschrift; Eigenhändige Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
03.02.1995
Aktenzeichen
12 Sa 662/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 10864
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1995:0203.12SA662.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Wilhelmshaven - 02.03.1994 - AZ: 1 Ca 569/93

Prozessführer

der

Prozessgegner

...

Amtlicher Leitsatz

Keine wirksame Berufungseinlegung, wem die Berufungsschrift durch einen Rechtsanwalt mit dem Zusatz "i.A." unterzeichnet ist und der unterzeichnende Rechtsanwalt nicht zum Kreis der Prozeßbevollmächtigten der Berufungsklägerin zählt.

In dem Rechtsstreit
...
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 1995
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 2. März 1994 - 1 Ca 569/93 - wird bei einem Streitwert von 5.590,17 DM kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um von der Beklagten im Wege der Verrechnung mit Gegenforderungen wegen Rückzahlung von Ausbildungskosten einbehaltene Vergütungs- und Reisekostenansprüche des Klägers.

2

Das Arbeitsgericht hat durch das am 2. März 1994 verkündete, der Beklagten am 28. März 1994 zugestellte, hiermit in Bezug genommene Urteil (Bl. 73 bis 82 d.A.) die Beklagte verurteilt, an den Kläger 10.411,47 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. April 1993 zu zahlen. Die Eventualwiderklage hat es abgewiesen, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 11.462,97 DM festgesetzt. Hiergegen hat die Beklagte am 20. April 1994 mit Schriftsatz vom 18. April 1994 (Bl. 87 d.A.) Berufung einlegen lassen. Die Berufungsschrift ist nicht von dem im Briefkopf angegebenen Rechtsanwalt ... unterzeichnet worden, sondern von Rechtsanwalt ... mit dem vorangestellten Zusatz: "i.A.".

3

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Wilhelmshaven vom 02.03.1994 aufzuheben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, einen über 4.821,30 DM hinausgehenden Betrag an den Kläger zu zahlen.

4

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

5

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien vor dem Berufungsgericht gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

6

Die Berufung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil war zu verwerfen, weil sie unzulässig ist (§§ 519 b ZPO, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 130 ZPO).

7

Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung zulässig ist (§ 519 b Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das ist nicht der Fall, denn die am 20. April 1994 eingegangene Berufungsschrift wahrt zwar die Berufungsfrist, weist jedoch Formfehler auf, welche die Berufung unzulässig machen.

8

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren muß die Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz von einem nach § 11 Abs. 2 ArbGG postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten handschriftlich und eigenhändig unterzeichnet sein (vgl. etwa BAG, NJW 87, 3279). Durch die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten unter der Berufungsschrift soll klargestellt werden, daß der Unterzeichner in eigener Verantwortung Berufung einlegen will und einlegen kann. Die Sicherheit des Verkehrs im Verfahren erfordert, daß von vornherein möglichst jeder Zweifel darüber ausgeschlossen sein muß, ob eine für die Einleitung des Berufungsverfahrens wesentliche Prozeßhandlung - nämlich die Einreichung der Berufungsschrift - auch von der nach dem Gesetz allein hierzu fähigen und befugten Person vorgenommen worden ist. Zur Vertretung der Partei vor dem Landesarbeitsgericht ist jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt berechtigt. Zu diesem Kreis von Personen gehört der von der Beklagten zur Prozeßvertretung bevollmächtigte Rechtsanwalt .... Dieser hätte demnach die Berufungsschrift grundsätzlich eigenhändig unterschreiben müssen, woran es jedoch hier fehlt. Es unterliegt allerdings keinen Bedenken, wenn ein anderer zugelassener Rechtsanwalt in Vertretung z. B. auch in Untervollmacht des von der Partei bevollmächtigten Rechtsanwalts die Berufungsschrift dergestalt unterzeichnet, daß sie als Prozeßhandlung des Unterzeichneten erscheint (vgl. BAG, DB 67, 1904; NJW 87, 3279 [BAG 11.08.1987 - 7 AZB 17/87]; BGH, Versicherungsrecht 94, 368). Dieser Fall liegt aber hier nicht vor. Rechtsanwalt ... hat mit "i.A." unterschrieben. Mit einer Unterzeichnung nicht "i.V.", sondern "i.A." gibt indes der Unterzeichnende zu erkennen, daß er für den Inhalt der Rechtsmittelschrift eine Verantwortung nicht übernehmen will und nicht übernimmt. Er tritt mit einer solchen Unterzeichnung dem Gericht gegenüber nur als Erklärungsbote auf. Eine Auslegung unter Heranziehung von Umständen außerhalb der Urkunde kommt nicht in Betracht (vgl. BAG, DB 67, 1904; BGH, Versicherungsrecht 88, 497). Eine Heilung eines derartigen, die wirksame Einlegung des Rechtsmittels betreffenden Mangels ist nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr möglich (vgl. BGH a.a.O.). Der Ausnahmefall, daß die Unterzeichnung mit "i.A." durch einen zum Kreis der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zählenden Rechtsanwalt geleistet worden ist (vgl. BGH, Versicherungsrecht 94, 368), trifft auf Rechtsanwalt Vollstädt nicht zu.

9

Die Berufung ist nach alledem wegen Formmangels unzulässig und war mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.

Streitwertbeschluss:

Streitwert von 5.590,17 DM