Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.05.1995, Az.: 7 Sa 508/94

Auslegung der Leistungsbestimmung bei Bezeichnung einer bislang als "Urlaubsgeld" gewährten Zahlung als "Jahresprämie"; Anrechnung eines betrieblichen Urlaubsgeldanspruchs kraft betrieblicher Übung auf den tariflichen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
04.05.1995
Aktenzeichen
7 Sa 508/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 10865
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1995:0504.7SA508.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 22.02.1994 - AZ: 1 Ca 498/93

Fundstelle

  • NZA-RR 1996, 19-21 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

...

Prozessgegner

10.

11.

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur Auslegung der Leistungsbestimmung der Beklagten bei Bezeichnung einer bislang als "Urlaubsgeld" gewährten Zahlung als "Jahresprämie".

  2. 2.

    Keine Anrechnung eines betrieblichen Urlaubsgeldanspruchs kraft betrieblicher Übung auf den tariflichen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung

In dem Rechtsstreit
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 1995
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 22.02.1994, 1 Ca 498/93, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, auf die für das Jahr 1992 tarifvertraglich geschuldete Jahressonderzahlung eine im Juli 1992 unter der Bezeichnung "Jahresprämie" gewährte Leistung anzurechnen.

2

Die Klägerinnen sind seit mehreren Jahren bei der Beklagten, die einen Betrieb der Bekleidungsindustrie betreibt, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden Anwendung die tariflichen Bestimmungen für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie im Bundesgebiet, soweit diese für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Dies trifft zu für den Manteltarifvertrag vom 7. Juni 1991 sowie für den Tarifvertrag über Jahressonderzahlungen für die gewerblichen Arbeitnehmer, Angestellten und Auszubildenden der Bekleidungsindustrie vom 23. August 1990, nicht aber für den Urlaubstarifvertrag vom 7. Juni 1991, der ein tarifliches Urlaubsgeld in Höhe von 683,00 DM vorsieht.

3

Der Tarifvertrag über Jahressonderzahlungen vom 23. August 1990 sieht in § 2 für die Zeit ab 1991 eine Jahressonderzahlung in Höhe von 80 % eines Monats Verdienstes für die Arbeitnehmer vor, die am Auszahlungstag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis seit mindestens drei Monaten stehen. Dabei ist die Jahressonderzahlung nach dem durchschnittlichen Monatsverdienst in der Zeit vom 1. Oktober des Vorjahres bis zum 30. September des Kalenderjahres zu berechnen und im November auszuzahlen.

4

§ 3 Ziffer 1 des Tarifvertrages über Jahressonderzahlungen lautet wie folgt:

"Auf die Jahressonderzahlung können alle betrieblichen Leistungen wie Weihnachtsgratifikationen, Jahresabschluß Vergütungen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Tantiemen, 13. Monatsentgelte und dergleichen angerechnet werden."

5

Die Beklagte zahlte an ihre Arbeitnehmer seit zumindest 1985 jährlich ein betriebliches Urlaubsgeld.

6

Im Jahre 1991 verrechnete sie dann später das gewährte Urlaubsgeld mit der tariflichen Jahressonderzahlung. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 2. März 1993, 1 Ca 358/92, wurde dies für unzulässig erklärt und die Beklagte zur Zahlung der vollen tariflichen Jahressonderzahlung verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Beklagten wurde durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 21. April 1994, 7 Sa 692/93, zurückgewiesen. Die zugelassene Revision wurde nicht eingelegt.

7

Im Juli 1992 gewährte die Beklagte den Klägerinnen eine in den Lohnabrechnungen als "Jahresprämie" bezeichnete Leistung, deren Höhe dem bislang gezahlten Urlaubsgeld entsprach.

8

Die tarifliche Jahressonderzahlung für 1992 wurde einvernehmlich ratenweise gezahlt, wobei die letzte Rate im März 1993 zur Auszahlung kommen sollte. Die Beklagte sah dabei die im Juli 1992 erfolgte Zahlung als Teil der Jahressonderzahlung 1992 an und zahlte an die Klägerinnen jeweils nur den Differenzbetrag zu dem Anspruch auf Jahressonderzahlung aus. Die Klägerinnen machten daraufhin mit Schreiben vom 13. Mai 1993 die Zahlung der restlichen Jahressonderzahlung schriftlich geltend. Dies wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 7. Juni 1993 abgelehnt.

9

Das Arbeitsgericht hat durch ein den Parteien am 7. April 1994 zugestelltes Urteil vom 22. Februar 1994, auf dessen Inhalt zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird (Bl. 112-120 d. A.), die Beklagte nach Maßgabe des Tenors Blatt 114 d. A. verurteilt. Hiergegen richtet sich die am 23. März 1994 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 6. Mai 1994 am 6. Mai 1994 begründete Berufung der Beklagten. Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, im Juli 1992 kein Urlaubsgeld, sondern die erste Rate auf die Jahressonderzahlung geleistet zu haben. Die Klägerinnen hätten erstmals im Juni 1993 die erfolgten Zahlungen nicht mehr als Zahlungen auf die Jahresprämie 1992 anerkannt.

10

Die Beklagte behauptet, bei den Verhandlungen über Lohnerhöhungen für das Jahr 92/93, an der der Betriebsrat, ein Gewerkschaftsvertreter der Gewerkschaft Textil und Bekleidung, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten und der Geschäftsführer der Beklagten teilgenommen hätten, habe sie eindeutig erklärt, daß die Jahresprämien zukünftig in drei Raten gezahlt werden sollten, nämlich im Juli 1992, im Oktober 1992 und im März 1993 (Beweis: ...)

11

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 22.02.1994 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Oldenburg, 1 Ca 498/93, die Klagen abzuweisen.

12

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Sie sind der Auffassung, die Auslegung der Umstände ergebe, daß die Zahlung im Juli den Anspruch auf Urlaubsgeld habe erfüllen sollen, während die Bezeichnung als Jahresprämie falsch und damit unbeachtlich sei. Eine Mitteilung an sie, daß für das Jahr 1992 kein Anspruch auf Urlaubsgeld bestehe, sei nicht erfolgt.

Entscheidungsgründe

14

Die Berufung der Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 518, 519 ZPO, 64, 66 ArbGG.

15

Sie ist jedoch nicht begründet.

16

Den Klägerinnen steht für das Jahr 1992 noch ein restlicher Anspruch auf Jahressonderzahlung in Höhe des jeweils im Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils ausgewiesenen Betrages zu. Der Anspruch folgt dabei aus dem Tarifvertrag über Jahressonderzahlungen für die gewerblichen Arbeitnehmer, Angestellten und Auszubildenden der Bekleidungsindustrie vom 23. August 1990, der kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung (Bundesanzeiger Nr. 20/1991) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet.

17

Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, daß die Beklagte nicht berechtigt war, den im Juli 1992 an ihre Arbeitnehmer innen gezahlten Betrag auf die im Streit stehende Jahressonderzahlung anzurechnen. Denn zum einen ergibt eine Auslegung, daß mit der als "Jahresprämie" bezeichneten Zahlung tatsächlich ein Anspruch auf betriebliches Urlaubsgeld erfüllt wurde, zum anderen ergibt eine Auslegung des § 3 Ziffer 1 des im Streit stehenden Tarifvertrages über Jahressonderzahlungen, daß das Urlaubsgeld nicht als betriebliche Leistung im Sinne des Tarifvertrages angesehen werden kann.

18

Mit der Sonderzahlung im Juli 1992 hat die Beklagte den Anspruch der Klägerinnen auf Gewährung eines betrieblichen Urlaubsgeldanspruches erfüllt. Zu Recht weist die Beklagte zwar darauf hin, daß ihr bei einer Leistung gemäß § 366 Abs. 1 BGB das Bestimmungsrecht zusteht. Die Auslegung der auf die Leistungsbestimmung gerichteten Willenserklärung der Beklagten ergibt jedoch nicht, daß diese Zahlung die erste Rate der für 1992 geschuldeten tariflichen Jahressonderzahlung sein soll.

19

Die von der Beklagten in der Juli-Abrechnung verwandte Bezeichnung "Jahresprämie" ist nicht eindeutig. Allein dieser Bezeichnung kann nicht entnommen werden, was der Grund für die erfolgten Zahlungen war. Insbesondere sind die Zahlungen nicht als "erste Rate der Jahressonderzahlung" oder auch nur als "Jahressonderzahlung" bezeichnet worden. Der Tarifvertrag über Jahressonderzahlungen für die gewerblichen Arbeitnehmer, Angestellten und Auszubildenden der Bekleidungsindustrie vom 23. August 1990 differenziert jedoch ausdrücklich zwischen dem Anspruch auf die Jahressonderzahlung und sonstige betriebliche Leistungen wie "Jahresprämien", vgl. § 3, weshalb die Begriffe "Jahresprämie" und "Jahressonderzahlung" nicht gleichgesetzt werden können.

20

Die Auslegung einer Willenserklärung erfolgt nach den §§ 133, 157 BGB. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind dabei so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mußte. Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die für den Erklärungsempfänger erkennbar waren. Dieser muß unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat.

21

Für die Annahme, daß die erfolgten Zahlungen auf das betriebliche Urlaubsgeld erfolgen sollten, sprechen vorliegend folgende Umstände: Zunächst ist festzustellen, daß den Klägerinnen auch für das Jahr 1992 ein Anspruch auf ein betriebliches Urlaubsgeld aus betrieblicher Übung zusteht. Unstreitig hat nämlich die Beklagte in den Jahren seit zumindest 1985 ein betriebliches Urlaubsgeld in Höhe von 285,00 DM brutto für Vollbeschäftigte und in Höhe von 142,50 DM brutto für Halbtagsbeschäftigte gewährt. Die Zahlungen erfolgten dabei jährlich bis einschließlich 1991, ohne daß von der Beklagten irgendein Vorbehalt gemacht wurde. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG vom 06.09.1994, 9 AZR 672/92, Betriebsberater 1994, Seite 2493) ist hierdurch ein einzelvertraglicher Anspruch kraft betrieblicher Übung entstanden.

22

Die Zahlung im Juli 1992 erfolgte in der Höhe, in der den Klägerinnen auf der Grundlage der bisherigen betrieblichen Übung ein Anspruch auf betriebliches Urlaubsgeld zugestanden hat. Ferner erfolgte die Zahlung in dem Monat, in dem das betriebliche Urlaubsgeld in der Vergangenheit gezahlt worden ist.

23

Auch wenn den Klägerinnen bekannt war, daß die Beklagte für das Jahr 1991 im nachhinein eine Anrechnung des Urlaubsgeldes auf die tarifliche Jahressonderzahlung erreichen wollte, folgt aus den besonderen Umständen des Falles, nämlich der Bezeichnung der Zahlung nicht als Jahressonderzahlung und der Leistungsgewährung in gleicher Höhe und zu gleichem Zeitpunkt wie das betriebliche Urlaubsgeld, daß auch die im Juli 1992 erfolgte Zahlung auf den Anspruch aus betrieblicher Übung auf Urlaubsgeld erfolgt ist.

24

Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die in § 366 Abs. 2 BGB festgelegte gesetzliche Tilgungsreihenfolge, die auf dem vermuteten, vernünftigen Parteiwillen beruht. Danach ist nämlich davon auszugehen, daß zunächst die fällige Schuld getilgt werden sollte. Fällig war im Juli 1992 jedoch lediglich der Anspruch auf Gewährung eines betrieblichen Urlaubsgeldes, nicht jedoch der Anspruch auf tarifliche Jahressonderzahlung. Die Beklagte hätte deshalb zweifelsfrei erklären müssen, daß sie unter "Jahresprämie" eine erste Rate auf die tarifliche Jahressonderzahlung verstehen wollte.

25

Die Beklagte hat auch nicht hinreichend konkret dargelegt, daß sie den Klägerinnen Mitteilung von der von ihr gewollten Leistungsbestimmung gemacht hat. Dem Vortrag kann nicht entnommen werden, wann genau, in welchem Zusammenhang und auf welche Art. und Weise die Klägerinnen persönlich hiervon in Kenntnis gesetzt worden sein sollen.

26

Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Verhandlungen über Lohnerhöhungen für das Jahr 1992/93 berufen. Zum einen haben die Klägerinnen an diesen Verhandlungen nicht teilgenommen, so daß nicht ersichtlich ist, daß irgendwelche Erklärungen der Beklagten in diesen Verhandlungen den Klägerinnen zugegangen sein könnten.

27

Zum anderen fanden diese Verhandlungen im Herbst 1992 statt, so daß Erklärungen der Beklagten in diesem Zusammenhang keine Auswirkungen auf die bereits im Juli 1992 erfolgten Zahlungen haben konnten.

28

Handelt es sich aber bei der im Juli 1992 erfolgten Zahlung um die Zahlung eines betrieblichen Urlaubsgeldes, war die Beklagte gemäß § 3 des im Streit stehenden Tarifvertrages über Jahressonderzahlungen nicht berechtigt, eine Anrechnung der erfolgten Zahlung auf den Anspruch auf tarifliche Jahressonderzahlung vorzunehmen. Dies hat die erkennende Kammer bereits in ihrem Urteil vom 21. April 1994, 7 Sa 692/93, entschieden und wie folgt begründet:

29

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Es ist mithin zunächst auszugehen vom Tarifwortlaut, über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden kann (BAG vom 12.09.1984, 4 AZR 336/82, AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAG vom 02.10.1992, 4 AZR 88/92, AP Nr. 165 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und III 2 b, bb, aaa der Gründe).

30

Die im Streit stehende Tarifvorschrift ist von dem Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 3. März 1993 (10 AZR 42/92, EzA Nr. 101 zu § 611 BGB Gratifikation, Prämie) ausgelegt worden. Das Bundesarbeitsgericht hatte dabei zu entscheiden, ob eine einmal jährlich zu zahlende "Treueprämie", deren Höhe sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richtet, eine anrechenbare Leistung darstellt. Dies ist von dem Bundesarbeitsgericht bejaht worden mit der Begründung, die betriebliche Treueprämie sei wie die in § 3 Nr. 1 TV angeführten Leistungen eine einmalige, aber jährliche Zahlung. Das Bundesarbeitsgericht hat zudem darauf hingewiesen, daß der Tarifvertrag insbesondere durch das Merkaal "... und dergleichen" sehr weit gefaßt sei, so daß anzunehmen sei, daß die Tarifvertragsparteien auch Leistungen wie die betriebliche "Treueprämie" erfassen wollten.

31

In einem weiteren Urteil vom 10. Februar 1993 (10 AZR 207/91) hatte das Bundesarbeitsgericht über eine ähnliche Klausel im Tarifvertrag über Urlaubsgeld und Sonderzuwendung für die Arbeitnehmer im hessischen Einzelhandel zu entscheiden. Es hatte dabei für ein Jubiläumsgeld aus Anlaß der Vollendung der 10jährigen Betriebszugehörigkeit angenommen, daß eine Anrechnungsmöglichkeit nicht bestehe. Die ausdrücklich genannten Sonderleistungen würden sich alle auf den Bezugszeitraum des laufenden Kalenderjahres beziehen und seien daher von ihrem Zweck her vergleichbar mit der tariflichen Sonderzahlung, mit der ebenfalls die im Regelfall im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung honoriert werden solle. Hiervon unterscheidet sich ein betriebliches Treuegeld wegen 10jähriger Betriebszugehörigkeit grundlegend.

32

Vorliegend ist das zusätzlich von der Beklagten gewährte Urlaubsgeld nicht ohne weiteres mit den in § 3 Ziffer 1 des Tarifvertrages über Jahressonderzahlungen genannten betrieblichen Leistungen vergleichbar. Ausdrücklich aufgeführt sind Weihnachtsgratifikationen, Jahresabschlußvergütungen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Tantiemen und 13. Monatsentgelte. Es handelt sich dabei um Zahlungen, die wie die tarifliche Jahressonderzahlung eine Anerkennung und damit eine zusätzliche Vergütung für die im Bezugsjahr geleistete Arbeit sind bzw. die ein Entgelt für in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue und/oder Anreiz für künftige Betriebstreue sein sollen.

33

Ein Urlaubsgeld verfolgt demgegenüber regelmäßig einen anderen Zweck. Es wird zwar auch in der Regel jährlich gezahlt, sein Zweck liegt jedoch darin, daß Urlaubsentgelt zu erhöhen, um dem Arbeitnehmer eine bessere Ausgestaltung des Urlaubs zu ermöglichen.

34

Das Bundesarbeitsgericht hat im übrigen in seinem Urteil vom 12. Februar 1995 (5 AZR 117/74, AP Nr. 12 zu § 4 TVG) ebenfalls angenommen, eine Anrechnungsvorschrift erfasse nur solche betrieblichen Leistungen, die mit dem Zweck der tariflichen Leistung ganz oder wenigstens annähernd übereinstimmen. Es hat deshalb die Anrechnung eines betrieblichen Urlaubsgeldes auf ein tarifliches Urlaubsgeld für den Fall verneint, in dem die zusätzlichen betrieblichen Urlaubsgeldzahlungen von der Arbeitsfähigkeit und dem Verhalten des Arbeitnehmers abhängen.

35

Entscheidend für die hier gefundene Auslegung spricht der tarifliche Gesamtzusammenhang. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich nicht nur den Tarifvertrag über Jahressonderzahlungen abgeschlossen, sondern darüber hinaus einen, allerdings nicht allgemeinverbindlichen, Urlaubstarifvertrag. Der Tarifsystematik widerspricht es allerdings, in den Fällen, in denen tariflich sowohl ein Anspruch auf Jahressonderzahlung als auch auf Urlaubsgeld geregelt wird, nunmehr das eine auf das andere anzurechnen. Vielmehr stehen beide Leistungen unabhängig und selbständig nebeneinander.

36

Unschädlich ist, daß vorliegend das Urlaubsgeld nicht tariflich, sondern als betriebliche Leistung geschuldet wird. Dies ändert nichts daran, daß die Tarif Systematik gegen die Annahme spricht, daß ein Urlaubsgeld mit den übrigen in § 3 Ziffer 1 TV genannten Leistungen vergleichbar und damit anrechenbar ist.

37

Die Berufung der Beklagten war mithin mit der Kosten folge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

38

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 Arbeitsgerichtsgesetz.