Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.05.2006, Az.: 8 Sa 40/06
Zahlung von Krankenbezügen (Krankengeldzahlung) bei Anwendung des Bundesangestelltentarifvertrags (BAT) ; Zulässigkeit einer Anrechnung von Ruheszeiten auf den Zahlungszeitraum bei Anwendung des BAT ; Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt; Notwendigkeit des Vorliegens einer erneuten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit; Darlegungslast und Beweislast für anspruchsbegründende Tatsachen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs; Entgeltfortzahlung für den Zeitraum nach Beendigung einer befristeten Rente ; Auslegung eines Tarifvertrages
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 08.05.2006
- Aktenzeichen
- 8 Sa 40/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 21445
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2006:0508.8SA40.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 14.12.2005 - AZ: 12 Ca 32/05 Ö
Rechtsgrundlagen
- § 71 BAT
- § 59 Abs. 1 BAT
Amtlicher Leitsatz
Ruhenszeiten werden nach dem Inhalt der tariflichen Regelung des § 71 BAT (Übergangsregelung für die Zahlung von Krankenbezügen) auf den Zahlungszeitraum angerechnet.
Im Rechtsstreit
hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2006
durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Stöcke-Muhlack,
den ehrenamtlichen Richter Oehlmann,
den ehrenamtlichen Richter Bönig
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1)
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover - 12 Ca 32/05 Ö - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- 2)
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Arbeitsentgelt und insbesondere um zur Aufrechnung gestellte Gegenansprüche aus § 71 BAT.
Die Beklagte ist seit dem 01.09.2001 bei der Stadtentwässerung angestellt. Sie ist Erbin nach dem am 2. Februar 2004 verstorbenen Herrn H.. Dieser war bei der Klägerin seit dem 01.10.1990 als Vollstreckungsbeamter im Außendienst beschäftigt; auf das Arbeitsverhältnis fanden die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages Anwendung. Der Erblasser erzielte einen Bruttolohn in Höhe von 2.330,10 EUR entsprechend 1.360,81 EUR netto. Arbeitsunfähig war er in der Zeit vom 31.10.2000 bis zum 31.10.2001 und ab dem 18.12.2001. In der Zeit zwischen dem 31.10.2001 und dem 18.12.2001 hat der Erblasser gearbeitet; er war auch arbeitsfähig. Vom 01.07.2001 bis zum 31.01.2003 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung auf Grund eines Rentenbescheides vom 03.12.2001. Sein Arbeitsverhältnis ruhte für die Zeit ab dem 01.01.2002 bis zum 31.01.2003 nach § 59 Abs. 1 BAT.
Im November 2002 beabsichtigte er eine Maßnahme zur beruflichen Wiedereingliederung in die Wege zu leiten. Dieses konnte seitens der Klägerin nicht gewährleistet werden. In der Zeit vom 01.02.2003 bis zum Ablauf des Monats August 2003 war der Kläger arbeitsunfähig. Entgeltfortzahlung leistete die Klägerin für die Zeit vom 01.02.2003 bis zum 15.03.2003. Weitere Zahlungen wegen Krankheit erfolgten nicht.
Obgleich der Erblasser jedenfalls ab dem 2. August 2003 keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt beziehungsweise Entgeltfortzahlung mehr besaß, überwies ihm die Klägerin mit der Vergütungsabrechnung für den Monat November 2003 einen Nettobetrag in Höhe von 4.082,43 EUR. Abzüglich des dem Erblasser zustehenden Weihnachtsgeldes ergibt sich hieraus ein Überzahlungsbetrag in Höhe von 3.721,65 EUR. Diesen Betrag forderte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2004 vom Erblasser vergeblich zurück.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Erblasser habe seit dem 15. März 2003 keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt mehr gehabt. Aufrechenbare Gegenforderungen der Beklagten seien daher nicht vorhanden. Diese schulde mithin die Rückzahlung des überzahlten Betrages unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Die Klägerin habe nicht in Kenntnis der Nichtschuld, sondern versehentlich geleistet. Entreicherung liege seitens der Beklagten beziehungsweise des Erblassers nicht vor.
Mit Schreiben vom 25.06.2003 hat die Beklagte die Zahlung von Entgeltfortzahlungsansprüchen ihres verstorbenen Ehemannes seit Mitte März 2003 gegenüber der Klägerin begehrt. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen (Bl. 52 d.A.).
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.721,65 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. Februar 2004 sowie Auslagen in Höhe von 2,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise
für den Fall der Stattgabe der Klage die Aufnahme eines Haftungsbeschränkungsvorbehalts nach § 780 ZPO in den Tenor des Urteils des Inhalts, dass der Beklagten die Beschränkung ihrer Haftung für Hauptanspruch, Nebenforderungen und Kosten auf den Nachlass des Erblasser, des am 2. Februar 2004 verstorbenen Herrn H., zuletzt wohnhaft, , vorgehalten wird.
Sie hat geltend gemacht, der Erblasser habe aus § 71 Abs. 2 BAT auf Grund seiner mehr als zehnjährigen Dienstzeit Anspruch auf Arbeitsentgeltfortzahlung bis zum Ende der 26. Woche seit dem Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit gehabt, also für die Zeit vom 1. Februar bis 1. August 2003. Im Termin zur Kammerverhandlung vom 6. Juli 2005 hat die Beklagte die Aufrechnung gegen die Klagforderung mit Entgeltansprüchen für die Zeit vom 16. März 2003 bis zum 31. Juli 2003 in Höhe von 6.123,64 EUR netto erklärt. Sie hat gemeint, jedenfalls hierdurch sei die Klagforderung erloschen. Eine Rückforderung sei aber ohnedies ausgeschlossen, weil die Klägerin in Kenntnis der Nichtschuld (§ 814 BGB) geleistet habe und im Übrigen Entreicherung eingetreten sei. Das Girokonto des Erblassers habe zum 31. Oktober 2003 einen Sollsaldo von 4.841,41 EUR aufgewiesen. Ferner seien monatliche Belastungen und Medikamente für den Erblasser bezahlt worden.
Durch Urteil vom 14.12.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Erblasser sei durch Zahlung in der von der Klägerin begehrten Höhe bereichert worden. Die Klägerin habe nicht in Kenntnis der Nichtschuld geleistet (§ 814 BGB). Eine versehentliche Leistung sei keine Leistung in Kenntnis der Nichtschuld. Dass der Leistende nicht nur die Umstände kannte, aus denen sich ergab, dass er nicht verpflichtet war,sondern auch wusste, dass er nach der Rechtslage nichts schulde, habe die Beklagte durch Tatsachen nicht belegt. Die von der Beklagten erhobenen Entreicherungseinreden griffen nicht durch, denn der Wegfall der Bereicherung liege nicht vor, wenn das Erlangte verwendet werde, um damit Schulden zu tilgen. Der von der Klägerin geltend gemachte Bereicherungsanspruch sei auch nicht durch die erklärte Aufrechnung mit Entgeltforderungen für die Zeit vom 16.03. bis zum 31.07.2003 untergegangen, weil die zur Aufrechnung gestellten Entgeltforderungen nicht innerhalb der Frist des § 70 BAT schriftlich geltend gemacht worden seien.
Gegen dieses ihr am 06.01.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.01.2006 Berufung eingelegt, die sie am 09.02.2006 begründet hat.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr ursprüngliches Ziel der Klagabweisung nach Maßgabe ihrer Berufungsschrift vom 17.01.2006 weiter. Das Gericht nimmt auf den Inhalt dieses Schriftsatzes Bezug (Bl. 116 bis 119 d.A.).
Insbesondere stützt sich die Beklagte zur Begründung auf die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche. Diese seien nicht verfallen, denn mit Schreiben vom 25.06.2003 habe sie sie gegenüber der Klägerin geltend gemacht.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 14.12.2005 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Hannover (12 Ca 32/05 Ö) die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 21.03.2006, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 146 bis 149 d.A.). Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und ist darüber hinaus der Auffassung, der Erblasser habe nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG Anspruch auf sechswöchige Entgeltfortzahlung gehabt, weil er ab dem 01.02.2003 wieder im aktiven Arbeitsverhältnis gestanden habe und durch Arbeitsunfähigkeit an seiner Arbeitsleistung verhindert gewesen sei. Einen Anspruch nach § 71 BAT habe er jedoch nicht, weil ein neuer Anspruch insoweit nicht entstanden sei.
Zu den weiteren Ausführungen der Parteien zur Sach- und Rechtslage wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung bleibt erfolglos.
I.
Sie ist zwar statthaft; auch ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Hauptforderung unter den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung gestellt.
1.
Der Anspruch auf Zahlung von 3.721,65 EUR folgt aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative BGB. Weder ist die Rückforderung gemäß § 814 BGB ausgeschlossen, weil die Klägerin in Kenntnis der Nichtschuld geleistet hätte noch greift die von der Beklagten erhobene Entreicherungseinrede durch. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts Bezug genommen werden (Bl. 86, 87 d.A.). Zu diesem Punkt greift die Berufung das Urteil auch nicht ernsthaft an.
2.
Der Bereicherungsanspruch ist nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit Entgeltforderungen ihres verstorbenen Ehemannes für die Zeit vom 16. März bis 31. Juli 2003 untergegangen.
a)
Zwar dürfte der Einwand der Beklagten zutreffen, der zur Aufrechung gestellte Gegenanspruch sei nicht gemäß § 70 BAT verfallen, weil er rechtzeitig mit Schreiben vom 25.06.2003 geltend gemacht worden ist. Dies gilt zumindest für den zurückliegenden Zeitraum vom 15.03. bis zum 30.06.2003.
b)
Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, denn ein Anspruch des Erblassers aus § 71 BAT ist nicht gegeben.
In § 71 BAT ist bestimmt:
§ 71 Übergangsregelung für die Zahlung von Krankenbezügen
Für die Angestellten, die am 30. Juni 1994 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Juli 1994 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, gilt anstelle des § 37 für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses folgendes:
(1)
Wird der Angestellte durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, erhält er Krankenbezüge nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5....
(2)
Krankenbezüge werden bis zur Dauer von sechs Wochen gezahlt. Unbeschadet des Satzes 1 werden sie nach einer Dienstzeit (§ 20) von mindestenszwei Jahren bis zum Ende der 9. Woche,
drei Jahren bis zum Ende der 12. Woche,
fünf Jahren bis zum Ende der 15. Woche,
acht Jahren bis zum Ende der 18. Woche,
zehn Jahren bis zum Ende der 26. Woche
seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit gezahlt.
...
(3)
Als Krankenbezüge wird die Urlaubsverhütung gezahlt, die dem Angestellten zustehen würde, wenn er Erholungsurlaub hätte....
(5)
Hat der Angestellte nicht mindestens vier Wochen wieder gearbeitet und wird er aufgrund derselben Ursache erneut arbeitsunfähig, werden Krankenbezüge insgesamt nur für die nach Absatz 2 maßgebende Zeit gezahlt.Hat der Angestellte in einem Fall des Absatzes 2 Unterabs. 2 die Arbeit vor Ablauf der Bezugsfrist von 26 Wochen wieder aufgenommen und wird er vor Ablauf von sechs Monaten aufgrund desselben Arbeitsunfalls oder derselben Berufskrankheit erneut arbeitsunfähig, wird der Ablauf der Bezugsfrist, wenn dies für den Angestellten günstiger ist, um die Zeit der Arbeitsfähigkeit hinausgeschoben.
Die Voraussetzungen der Zahlung von Krankenbezügen nach dieser Vorschrift für die Zeit ab Mitte März 2003 sind nicht erfüllt.
aa)
Nachdem der Erblasser seit dem 01.10.1990 bei der Klägerin gearbeitet hat, bestimmt sich für ihn die Zahlung von Krankenbezügen nach § 71 BAT i.V.m. dem EFZG und nicht nach der allgemeinen Bestimmung des § 37 BAT. Auf Grund seiner Dienstzeit von mehr als zehn Jahren kann er bei Arbeitsunfähigkeit nach § 71 Abs. 2 BAT für die Dauer von bis zu 26 Wochen die Zahlung von Krankenbezügen verlangen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Arbeitnehmer nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit erneut krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist (vgl. BAG vom 13.7.2005 - 5 AZR 389/04 - DB 2005, 2359 f. [BAG 13.07.2005 - 5 AZR 389/04]) und das Ende der 26. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit noch nicht erreicht ist.
bb)
Arbeitsunfähig war Herr H. in der Zeit vom 31.10.2000 bis zum 31.10.2001. Bis zum 17.12.2001 arbeitete er und war unstreitig arbeitsfähig. Ab dem 18.12.2001 war er dann ununterbrochen arbeitsunfähig, hatte also ab diesem Zeitraum einen Anspruch aus § 71 Abs. 2 BAT bis zum Ende der 26. Woche. Zahlung für diesen Zeitraum begehrt die Beklagte jedoch nicht. Insoweit ruhte das Arbeitsverhältnis nämlich nach § 59 Abs. 1 BAT auf Grund der dem Erblasser bewilligten befristeten Rente wegen Erwerbsminderung.
cc)
Entgeltfortzahlung begehrt die Beklagte erst für den Zeitraum nach Beendigung der befristeten Rente. Sie hat aber weder behauptet noch dargelegt, dass der Erblasser in dieser Zeit nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit erneut krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass der Erblasser während seiner Arbeitsunfähigkeit im Jahre 2003 oder/und wann davor mindestens vier Wochen arbeitete und in dieser Zeit auch tatsächlich arbeitsfähig war, denn er kann nur dann "erneut" arbeitsunfähig werden, wenn er zuvor tatsächlich arbeitsfähig war (vgl. BAG vom 13.07.2005 - 5 AZR 389/04 - a.a.O.).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs hat der Arbeitnehmer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BAG vom 13.07.2005 - 5 AZR 389/04 -, a.a.O.). Auf diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hatte das erkennende Gericht bereits mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung (Bl. 165,166 d. Akte) ausdrücklich hingewiesen.
dd)
Die Beklagte kann sich nicht auf die Arbeitsfähigkeit in der Zeit vom 01.11. bis zum 17.12.2001 berufen, denn Ruhenszeiten werden nach dem Inhalt der tarifvertraglichen Regelung auf den Zahlungszeitraum angerechnet.
Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm. Dabei folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Es sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt ( BAG 20. April 1994 - 10 AZR 276/93 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11; 4. Juni 2003 - 10 AZR 579/02 - BAGE 106, 225 [BAG 04.06.2003 - 10 AZR 579/02]; 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - BAGE 46, 308; 30.9.1999 - 6 AZR 130/98 - NZA 2000, 547-551).
Sowohl der Wortlaut der tarifvertraglichen Regelung als auch seine Tarifgeschichte und der Sinn und Zweck der Norm ergeben, dass die Dauer des Bezugs von Krankengeld nach § 71 BAT ab dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit berechnet werden soll. Abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 3 EFZG bestimmt § 71 BAT nämlich, dass Krankenbezüge "bis zum Ende der 26. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit gezahlt" werden. Ausdrücklich stellt die tarifvertragliche Regelung auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit ab und begrenzt die Zahlungsverpflichtung auf das Ende der 26. Woche ab diesem Zeitpunkt.
Der nahezu eindeutige Wortlaut der Tarifnorm wird durch die Tarifgeschichte belegt. Die Vorschrift des Absatzes 2 von § 71 BAT regelt die Dauer der Zahlung der Krankenbezüge. Das Tatbestandsmerkmal "bis zum Ende der 26. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit" trat im damaligen § 37 BAT mit Wirkung vom 01.01.1980 an die Stelle des bis zum 31.12.1979 geltenden Tatbestandsmerkmals "bis zum Ende der ... Woche der Arbeitsunfähigkeit". Diese Tarifvertragsänderung war eine Reaktion der Tarifvertragsparteien auf eine Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die dem ursprünglichen Willen der Tarifvertragsparteien nicht Rechnung trug. Nach der Auffassung insbesondere der öffentlichen Arbeitgeber war bereits das frühere Tatbestandsmerkmal "bis zum Ende der ... Woche der Arbeitsunfähigkeit" dahin auszulegen, dass auch Zeiten einer Unterbrechung der Zahlung von Krankenbezügen, zum Beispiel während eines Erholungsurlaubs nach dem früheren Unterabs. 3 von § 47 Abs. 6 BAT, der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG, eines Sonderurlaubs nach § 50 BAT, in die Fristen des Abs. 2 a.F. einzubeziehen waren. Demgegenüber hatte das BAG im Urteil vom 15.05.1975 - 5 AZR 293/74 - AP Nr. 4 zu § 37 BAT entschieden, dass in die Frist, für die nach Abs. 2 a.F. Krankenbezüge zu zahlen waren, Zeiten nicht eingerechnet werden durften, in denen das Arbeitsverhältnis wegen eines vereinbarten unbezahlten Urlaubs ruhte (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT § 71, Rn. 16 f.).
Aus diesem Verständnis der Tarifvorschrift ergibt sich, dass die Arbeitsfähigkeit im Jahre 2001 für den Anspruch auf Krankengeldzahlung ab Februar 2003 keine Auswirkungen entfalten kann. Voraussetzung für einen (neuen) Anspruch aus § 71 BAT wäre gewesen, dass der Erblasser Mitte/Ende 2002 nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit erneut arbeitsunfähig geworden wäre (vgl. BAG vom 13.07.2005 - 5 AZR 389/04 - a.a.O.). Das war nicht der Fall.
3.
Der Anspruch auf Erstattung der Mahnauslagen in Höhe von 2,00 EUR folgt aus § 280 i.V.m. § 286 BGB, der Zinsanspruch aus § 288 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 291 BGB.
4.
Gegen die im Übrigen auch zutreffende Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts über die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass des Erblasser haben sich die Parteien nicht gewandt.
III.
Als unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 ZPO).
IV.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung und Auslegung einer bundesweit geltenden Tarifnorm ist die Revision zugelassen worden.