Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.07.2006, Az.: 17 Sa 201/06
Abmahnung; Beleidigung; Kollege; Prognoseprinzip; verhaltensbedingte Kündigung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 10.07.2006
- Aktenzeichen
- 17 Sa 201/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53265
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG - 25.11.2005 - AZ: 7 Ca 208/05
Rechtsgrundlagen
- § 314 BGB
- § 1 KSchG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Auch bei einer groben Beleidigung eines Arbeitskollegen kann nach den Umständen des Einzelfalls eine vorherige Abmahnung erforderlich sein.
Einzelfallentscheidung: Unwirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen grober Beleidigung von Arbeitskollegen (hier: Werksschutzmitarbeiter).
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 25.11.2005 unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.04.2005 weder fristlos noch fristgemäß aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtsmäßigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Produktionshelfer weiterzubeschäftigen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten und die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Klägers.
Wegen des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtzug wird auf die sehr gründliche Wiedergabe im Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 25.11.2005 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 25.11.2005 hat das Arbeitsgericht nach Beweisaufnahme – wegen deren Ergebnis auf das Protokoll vom 25.11.2005 verwiesen wird - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.04.2005 fristlos nicht beendet ist, im Übrigen die Klage hinsichtlich der hilfsweise ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung sowie des Weiterbeschäftigungsantrags abgewiesen, der Beklagten die Kosten zu 1/3, dem Kläger zu 2/3 auferlegt und den Streitwert auf 8.250,00 € festgesetzt.
Wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht zu seinem Urteil haben gelangen lassen, sowie der vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommenen Beweiswürdigung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 13.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.02.2006 Berufung eingelegt, die er mit einem am 13.03.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Die Anschlussberufung der Beklagen ging am 17.05.2006 beim Landesarbeitsgericht ein, nachdem die Berufungserwiderungsfrist bis zum 22.05.2006 verlängert worden war.
Der Kläger rügt die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts als unzutreffend und ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es im Streitfall einer vorherigen Abmahnung bedurft hätte. Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 13.03.2006 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 25.11.2005 abzuändern und
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.04.2005 beendet wurde;
2. im Falle des Obsiegens hinsichtlich des Feststellungsantrags die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitvertraglichen Bedingungen als Produktionshelfer weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
im Wege der Anschlussberufung
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 25.11.2005, soweit der Klage stattgegeben, zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen
2. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend, was die Feststellung des Vorliegens eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung an sich angehe, wendet sich jedoch gegen die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung und meint, im Streitfall habe ein Pflichtenverstoß vorgelegen, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertige. Zumindest sei aber die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Insofern verteidigt sie das erstinstanzliche Urteil. Wegen ihres Vorbringens im Einzelnen wird auf die Berufungserwiderungs- und Anschlussberufungsschrift der Beklagten vom 15.05.2006 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung des Klägers sowie die Anschlussberufung der Beklagten sind statthaft. Sie sind auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 3, 524 Abs. 1 bis 3 ZPO).
II.
Die Berufung des Klägers ist begründet. Die Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 25.04.2005 weder außerordentlich noch ordentlich aufgelöst worden. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitvertraglichen Bedingungen als Produktionshelfer weiter zu beschäftigen. Das Urteil des Arbeitsgerichts war daher teilweise abzuändern.
1. Die Kündigung ist nach § 1 Abs. 1 KSchG bereits als ordentliche Kündigung unwirksam, weil die Beklagte ständig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt (§ 23 KSchG), der Kläger länger als 6 Monate bei der Beklagten beschäftigt ist und die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist.
1.1 Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht – schuldhaft - verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint. Dabei spielt vor allem die Qualität der Vertragsverletzung eine erhebliche Rolle. Als verletzte Vertragspflicht kommt im Arbeitsverhältnis wie in jedem Schuldverhältnis auch eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht in Betracht. Die Vertragspartner sind zur Rücksichtnahme und zum Schutz bzw. zur Förderung des Vertragszwecks verpflichtet (BAG vom 12.01.2006 – 2 AZR 21/05 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und seiner Vertreter oder Repräsentanten einerseits oder von Arbeitskollegen andererseits, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen und eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen gemäß § 1 Abs. 2 KSchG an sich sozial rechtfertigen (BAG ebd. m.w.N.). Beleidigungen und Beschimpfungen im betrieblichen Umgang können sich nach Lage des Einzelfalls als so schwerwiegend erweisen, dass sie eine ordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung und in krassen Fällen sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Bei der Entscheidung ist einerseits zu würdigen, ob und inwieweit der Arbeitnehmer zu der Äußerung provoziert worden ist. Andererseits ist der Grad der Ehrverletzung gegenüberzustellen. Entscheidend ist aber letztlich, ob bei einer Geamtbetrachtung eine Weiterbeschäftigung wegen der Äußerung des Arbeitnehmers unzumutbar erscheint (vgl. APS/Dörner, 2. Aufl., § 1 KSchG, Rn 294 ff. und ErFK/Ascheid, 6.Aufl., § 1 KSchG Rn 305, 350 jeweils m.w.N.).
1.2 Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das sog. Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch für die Zukunft noch belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach Androhung einer Kündigung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine arbeitsvertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Die Abmahnung ist insoweit notwendiger Bestandteil des Prognoseprinzips. Sie ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Nach § 1 Abs. 2 KSchG muss die Kündigung durch das Verhalten des Arbeitnehmers bedingt sein und eine Kündigung ist hiernach nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Nach dieser Norm ist bei einer Vertragspflichtverletzung eine Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig. Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen werden kann (BAG vom 12.01.2006 – 2 AZR 21/05 -).
2. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze durfte die Beklagte den Kläger vor Ausspruch der Kündigung eindringlich wegen der groben Beleidigungen der Werkschutzmitarbeiter abmahnen, nicht aber ohne entsprechende Androhung sofort kündigen.
2.1 Dabei folgt die Berufungskammer dem Arbeitsgericht darin, dass angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme von einer groben Beleidigung des Klägers am 11.04.2005 gegenüber dem Werkschutzmitarbeiter A. und möglicherweise auch dem Werkschutzmitarbeiter B. auszugehen ist. Ausweislich der Aussagen der Zeugen A. und B. hat der Kläger diesen mit den Worten „Polizistensau“, „Drecksau“, „Schwein“ und besonders gravierend „Nazischwein“ bezeichnet. Das Arbeitsgericht hat in nachvollziehbarer Weise die Zeugen A. und B. für glaubwürdig und ihre Aussagen für glaubhaft erklärt, dagegen die Aussagen der gegenbeweislich vernommenen Zeugen C. für unglaubwürdig bzw. unergiebig. Einer erneuten Vernehmung der Zeugen durch die Berufungskammer bedurfte es gemäß § 398 Abs. 1 ZPO nicht (BAG v. 9.10.2002 – 5 AZR 443/01 - NZA 2004, 257; BGH v. 19.6.2000 – II ZR 319/98 - NJW 2000, 3718), zumal sich ein anderes Ergebnis auch nicht ergibt, wenn die Kammer lediglich zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass der Kläger am 11.04.2005 die von der Beklagten vorgetragenen Beleidigungen getätigt hat. Die von den Zeugen bestätigten Äußerungen des Klägers erfüllen auch den Tatbestand einer groben Beleidigung. Hierbei kommt es nicht auf die strafrechtliche Wertung an, entscheidend ist, ob nach Form oder Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung des Betroffenen gegeben ist. Dabei ist insbesondere der Beschimpfung „Nazischwein“ besondere Bedeutung beizumessen. Hier wird dem Zeugen A. nämlich eine besonders verwerfliche Gesinnung unterstellt.
2.2 Die Beklagte hätte im vorliegenden Einzelfall den Kläger jedoch zunächst abmahnen müssen.
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger der möglichen konkreten Folgen seiner Äußerungen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses bewusst war. Die beleidigenden Äußerungen sind im Rahmen eines Streitgesprächs in offenbar unüberlegter Weise gefallen. Der Anlass für den Streit, nämlich die Beförderung eines Kollegen auf dem Gepäckträger eines Fahrrads war ein minderschwerer Verstoß, der gem. § 32 der Arbeitsordnung der Beklagten eine Belehrung, Verwarnung oder einen Verweis bzw. maximal eine Tagesgeldbuße nach sich gezogen hätte. Als dann der Zeuge B., der den ersten Vorfall beobachtet hatte, den Kläger und seinen Kollegen, die sich außer Sichtweite des Zeugen A. wieder zu zweit auf dem Fahrrad bewegten, erneut anhielt, eskalierte die Situation offensichtlich erst in dem Moment, als der Zeuge A., der sich gegenüber dem Kläger und seinem Kollegen zunächst großzügig gezeigt hatte, ebenfalls dazukam und beide Werkschutzleute nun den Kläger und seinen Kollegen aufschreiben wollten. Wie bereits das Arbeitsgericht geht die Kammer bei dem Vorfall davon aus, dass der Kläger in dieser Situation unter erheblichem Druck war, weil er die Pause nicht überziehen wollte, zweimal wegen des gleichen Fehlverhaltens erwischt worden war und – wenn nur irgendmöglich - verhindern wollte, dass dieser Vorfall weiter gemeldet würde, weshalb er alles daran setzte, Herrn A. einzuschüchtern, um eine Meldung zu verhindern. Dass der Kläger durch dieses ungewöhnlich problematische Verhalten eine Meldung geradezu provozierte – wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat – zeugt von einer völlig übersteigerten Reaktion und beträchtlichen situativen Selbstüberschätzung, was dem Kläger offensichtlich erst später deutlich geworden ist, als er dann nach Ausspruch der Kündigung versucht hat, sich insoweit gegenüber den Werkschutzleuten zu entschuldigen. Dabei mag auch das südländische Temperament des Klägers eine Rolle gespielt haben, denn wie der Zeuge A. glaubhaft bekundet hat, wurde er permanent beschimpft, so dass er sich die Beschimpfungen gar nicht alle merken konnte. Auch die Äußerung, ich mache Dich fertig, ich habe bessere Connection als Du“, die der Zeuge A. (nach seiner protokollierten Aussage) - anders als die Betitelung mit dem Ausdruck „Nazischwein“ - offensichtlich nicht als so schwerwiegend empfunden hat, kann vor dem Hintergrund der konkreten Situation eher als Kraftmeierei des von zwei Werksschutzleuten erwischten Klägers, denn als reale Bedrohung gewertet werden. Gerade die Unüberlegtheit und situationsbedingte Entgleisung des Klägers hätte die Beklagte veranlassen müssen, dem Kläger Grenzen aufzuzeigen und ihm zu verdeutlichen, dass er sich mit diesen Beleidigungen und Drohungen zu viel herausgenommen hat und derartige Beleidigungen von Aufsichtspersonen im Wiederholungsfall zum Anlass für eine Kündigung genommen werden würden.
Bei der Prognose, dass eine Abmahnung ein geeignetes und ausreichendes Mittel gewesen wäre, um den Kläger dauerhaft zu vertragsgerechtem Verhalten, also zur Zurückhaltung in seinen Äußerungen im Betrieb anzuhalten, ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Kläger, wenn auch erst nachdem ihm auf Grund der Kündigung die Problematik seines Verhaltens deutlich geworden war, gegenüber den Werkschutzleuten versucht hat, zu entschuldigen. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich insoweit nicht, dass der Kläger gegenüber anderen Mitarbeitern und Aufsichtspersonen der Beklagten während des Vertragsverhältnisses in vergleichbarer Weise ausfällig geworden wäre. Der von der Beklagten angeführte Vorfall vom 28.2.01 lag vor Begründung des Arbeitsverhältnisses und hat die Beklagte offenbar nicht davon abgehalten, den Kläger einzustellen. Auch unter Einbeziehung der Schwere der Vertragsverletzung im Streitfall ist eine negative Prognose daher nicht festzustellen. Es gibt keinen konkreten Anhaltspunkt anzunehmen, der Kläger lasse sich die Abmahnung nicht zur Warnung gereichen. Die Beklagte hätte den Kläger folglich wegen des Vorfalls am 11.02.2005 abmahnen müssen. Diese Abmahnungsgründe, die durch das vorliegende Urteil nicht ausgeschlossen sind (BAG vom 7.9.1988 – 5 AZR 625/87 – AP Nr.2 zu § 611 BGB Abmahnung) und im übrigen hinsichtlich der kündigungsrechtlichen Warnfunktion durch dieses Urteil bereits ersetzt sind (BAG vom 31.8.1989 – 2 AZR 13/89 – und BAG vom 21.5.1992 – 2 AZR 551/91 – AP Nrn. 23 und 28 zu § 1 KsSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung), wird sich der Kläger allerdings deutlich zur Warnung gereichen lassen und bei seinem zukünftigen Verhalten im betrieblichen Bereich (also gegenüber Aufsichtspersonen, Vorgesetzten und Kollegen) berücksichtigen müssen.
3. Ist der Beklagten danach die Fortsetzung des Arbeitsverhältnis auf Dauer zumutbar, ergibt sich daraus, dass erst Recht kein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB vorliegt und die in erster Linie ausgesprochene fristlose Kündigung deshalb ebenfalls unwirksam ist.
4. Auf den Antrag des Klägers war die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu verurteilen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG seit der Entscheidung des Großen Senats vom 27.02.1985 (AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) der sich die Kammer anschließt, kann der Arbeitnehmer verlangen, vorläufig weiterbeschäftigt zu werden, wenn er ein noch nicht rechtskräftiges positives Kündigungsschutzurteil erlangt hat und wenn die Interessen des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung die des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung übersteigen. Solche Gründe sind vorliegend von der Beklagten nicht dargetan, so dass die Beklagte antragsgemäß zur vorläufigen Weiterbeschäftigung zu verurteilen war.
III.
Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.