Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.01.2006, Az.: 16 TaBV 21/05
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 13.01.2006
- Aktenzeichen
- 16 TaBV 21/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 40425
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2006:0113.16TABV21.05.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BAG - 15.05.2007 - AZ: 1 ABR 32/06
Tenor:
Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 03.02.2005, AZ 1 BV 4/04, wird zurückgewiesen.
Die Anschlussbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit ohne Lohnausgleich für einen Teil der Mitarbeiter der Arbeitgeberin zulässig ist, sofern der Betriebsrat dieser Maßnahme nicht zugestimmt hat oder seine Zustimmung ersetzt worden ist.
Die Beteiligte zu 2) und Beschwerdegegnerin ist die der Unternehmensgruppe Gruppe Li. Dieser Betrieb wird von mehreren Unternehmen gemeinsam geführt, u.a. von der Bad und der Der Beteiligte zu 1) ist der in diesem Betrieb gebildete Betriebsrat. Sein Mandat erstreckt sich auf den Gesamtbetrieb dieser Gruppe, in dem ca. 600 Arbeitnehmer beschäftigt werden.
Der Betriebsrat besteht aus 11 Mitarbeitern.
Unter dem 07.09.1992 schlossen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit. Wegen des Inhalts dieser Betriebsvereinbarung wird auf diese (Bl. 126-130 d.A.) Bezug genommen.
Unter dem Datum des 22.09.1995 schlossen die Beteiligten eine Rahmenbetriebsvereinbarung über eine Flexibilisierung der Arbeitszeit. Wegen des Inhalts dieser Rahmenbetriebsvereinbarung nebst Anlagen wird auf diese (Bl. 35-47 d.A.) Bezug genommen.
In Ziffer 4 der Rahmenbetriebsvereinbarung wird auf Arbeitszeitmodelle einer Anlage 1 verwiesen. Diese Anlage 1 wurde jedoch vom Betriebsrat nicht unterzeichnet.
Mit Wirkung vom 01.01.2004 wurde zwischen der Arbeitgeberin sowie der Industriegewerkschaft Metall ein Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Firma als Haustarifvertrag abgeschlossen. In § 2 dieses Manteltarifvertrages ist die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit mit 35 Stunden festgelegt, jedoch die Möglichkeit der Verlängerung auf bis zu 40 Arbeitsstunden für einzelne Arbeitnehmer vereinbart unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer zustimmt und sich bei einer entsprechenden Vereinbarung die Bezahlung entsprechend der verlängerten Arbeitszeit erhöht. Wegen des Inhalts des Manteltarifvertrages im Einzelnen wird auf diesen (Bl. 7-34 d.A.) Bezug genommen.
Die Arbeitgeberin vereinbarte mit 71 Mitarbeitern, die sich aus der Anlage 1 zum Schriftsatz des Betriebsrates vom 16.12.2004/17.12.2004 ergeben, individuelle Vereinbarungen nach folgendem Muster (Bl. 119 d.A.):
"Adresse des Mitarbeiters
Änderung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
Sehr geehrte
wir freuen uns, dass Sie eigenverantwortlich Ihren Teil zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Gruppe beitragen.
Unter Bezugnahme auf das mit Ihnen geführte Gespräch fassen wir die mit Ihnen getroffenen Vereinbarungen wie folgt zusammen, wobei Sie uns zunächst auf freiwilliger Basis eröffnet haben, dass Sie kein Mitglied der IG-Metall sind.
Es besteht das Einvernehmen, dass bei Ihnen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ab dem 01. Oktober 2004 - 40 Stunden - beträgt.
Ihre regelmäßigen Bezüge verändern sich wegen der Arbeitszeiterhöhung nicht.
Im Übrigen bleiben die mit Ihnen getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und begleitenden Regelungen unberührt. Die tarifvertraglichen Regelungen innerhalb der Gruppe gelten ergänzend, soweit sie in den hier getroffenen Vereinbarungen nicht widersprechen.
Zum Zeichen Ihres Einverständnisses reichen Sie uns bitte das Doppel dieses Schreibens von Ihnen unterzeichnet z. Hd. der Personalleitung zurück.
Wir hoffen auf eine weitere angenehme und erfolgreiche Zusammenarbeit.
Mit freundlichen Grüßen
1. Unterschrift Arbeitgeber Unterschrift Mitarbeiter
2. Unterschrift Arbeitgeber"
Die Arbeitgeberin hat nach ihrem eigenen Vortrag diese Vereinbarung nur mit den Arbeitnehmern geschlossen, die nicht tarifgebunden sind, wobei diese Mitarbeiter zuvor nach der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft gefragt wurden.
Seit dem 01.11.2004 haben diese Mitarbeiter auch entsprechend der veränderten Arbeitszeitgearbeitet.
Zwischen der Arbeitgeberin sowie des Betriebsrates wurde eine Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung Erhöhung der Arbeitszeit mit Zustimmung der IG Metall geschlossen. Hiernach findet erneut eine einheitliche Arbeitszeit im Betrieb statt bei einer Erhöhung der Arbeitszeit auf bis zu 38 Stunden pro Woche. Wegen des Inhalts dieser Vereinbarung wird auf diese (Bl. 226-230 d.A.) verwiesen. Die individuellen Vereinbarungen mit den in der Anlage 1 genannten Arbeitnehmern wurden jedenfalls bis 31.07.2006 ruhend gestellt.
Bereits vor dem 01.11.2004 haben eine Mehrzahl von Arbeitnehmern im Betrieb eine Arbeitszeit von über 35 Stunden bis hin zu 40 Stunden geleistet, jedoch jeweils mit Lohnausgleich.
Die in der Anlage 1 aufgeführten Mitarbeiter haben sämtlichst nach dem Arbeitszeitmodell "Gleitzeit" gemäß der Anlage 1 zur Rahmenbetriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeitregelungen tatsächlich gearbeitet. Danach war eine Betriebsnutzungszeit von 06:30 Uhr bis 17:30 Uhr festgelegt mit zwei Kernzeiten sowie zwei 20-minütigen Pausen (Bl. 40 d.A.).
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin verletzte die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, wenn sie die Arbeitszeit für eine Mehrzahl von Arbeitnehmern einseitig verändere und einen Lohnausgleich hierfür nicht zahle.
Eine Verteilung der zusätzlich vereinbarten 5 Arbeitstunden auf die Woche sei ohne eine Änderung der täglichen Arbeitszeit nicht möglich. Die Vereinbarung über eine Betriebsöffnungszeit stelle keinen Ersatz für eine Vereinbarung von Regelungen nach § 87 Abs. 1 Ziffer 2 BetrVG dar. Bei einer erhöhten Arbeitszeit seien neue Grundlagen für die Festlegung der Arbeitszeit vorhanden, so dass die Rahmenbetriebsvereinbarung eine zusätzliche Vereinbarung nicht entbehrlich mache. Dem Arbeitszeitmodell sei nach der Rahmenbetriebsvereinbarung ein Zeitguthaben immanent, das sich stets dann aufbaue, wenn entsprechend dem vereinbarten Arbeitszeitmodell eine Zeit von über 35 Stunden hinaus gearbeitet werde. Dieses Zeitguthaben sei durch Freizeit abzubauen, so dass grundsätzlich die 35 Stunden-Woche erreicht werden solle.
Ändere demgemäß der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrates die Arbeitszeit, so werde auch das Arbeitszeitmodell verändert, so dass außerdem eine Verletzung der Rahmenbetriebsvereinbarung vorliege, was einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates auslöse.
Darüber hinaus habe der Betriebsrat einen Anspruch auf Aufhebung der getroffenen personellen Maßnahmen betreffend die Veränderung der Arbeitszeit gemäß §§ 99, 101 BetrVG. Die Veränderung der Arbeitszeit nach oben stelle wie bei einer Einstellung eine zusätzliche Eingliederung in den Betrieb dar, so dass Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechtes die erneute Beteiligung des Betriebsrates verlange, wenn sich die Umstände änderten. Dieses treffe vor allen Dingen dann zu, wenn die Verlängerung der Arbeitszeit einer Vielzahl von Mitarbeitern durchgeführt werde, weil gerade hierdurch Nachteile für die anderen im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer entstehen könnten, so dass ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Ziffer 3 BetrVG gegeben sei.
Schließlich hat der Betriebsrat die Auffassung vertreten, die Änderung der Arbeitszeiten nur für gewerkschaftlich nicht organisierte Mitarbeiter stelle einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Es handele sich bei den gewerkschaftlich und nicht gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern um vergleichbare Gruppen. Das Einverständnis des einzelnen Arbeitnehmers mit der Veränderung seiner Arbeitszeit sei unbeachtlich, da den Arbeitnehmern ein Sachgrund für die unterschiedlich Behandlung nicht bekannt gewesen sei bzw. nicht ausreichend gemacht worden sei.
Der Antragsteller hat beantragt,
1. Der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen,
eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf mehr als 35 Stunden ohne Lohnausgleich
mit Mitarbeitern der Beteiligten zu 2. und den Mitarbeitern aller weiteren zur Gruppe gehörenden Unternehmen zu vereinbaren,
gegenüber den Mitarbeitern der Beteiligten zu 2. und den Mitarbeitern aller weiteren zur Gruppe gehörenden Unternehmen anzuordnen
oder
die Entgegennahme einer Arbeitszeit von mehr als 35 Stunden von Mitarbeitern der Beteiligten zu 2. und den Mitarbeitern aller weiteren zur Gruppe gehörenden Unternehmen zu dulden,
sofern nicht die Zustimmung des Betriebsrates dazu erteilt worden ist oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist.
2. Der Beteiligten zu 2. aufzugeben, die aus der Anlage 1 ersichtlichen Mitarbeiter ab sofort wie bis zum 01.10.2004 nach einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden zu beschäftigen,
3. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus Nr. 1 und Nr. 2 der Beteiligten zu 2. bezogen auf jeden Tag der Zuwiderhandlung und jeden Arbeitnehmer ein in das Ermessen des Gerichtes zu stellendes Ordnungsgeld anzudrohen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, ein Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte bestehe nicht.
Auch die veränderte wöchentliche Arbeitszeit von mehr als 35 Stunden bis hin zu 40 Stunden ließe sich ohne weiteres in dem mit dem Betriebsrat vereinbarten Gleitzeitmodell abbilden, so dass eine Änderung nicht erforderlich sei. Die Gleitzeitregelung beinhalte gerade, dass jeder Mitarbeiter seine Arbeitszeit innerhalb der vorgegebenen Zeiten selbst bestimmen könne.
Ein Verstoß gegen die Rahmenbetriebsvereinbarung liege auch nicht vor, da gerade keine konkrete Wochenarbeitszeit geregelt sei. Im Übrigen sei die Anlage 1 zur Rahmenbetriebsvereinbarung vom Betriebsratsvorsitzenden nicht unterzeichnet, da insoweit keine Zustimmung vorgelegen habe.
Ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 BetrVG sei nicht gegeben, da eine wesentliche Änderung der Arbeitszeit für den einzelnen Mitarbeiter nicht stattgefunden habe. Im Übrigen seien die Anträge unzulässig, da gemäß der Rahmenbetriebsvereinbarung vorrangig der Schlichtungsausschuss und die Einigungsstelle anzurufen sei.
Durch Beschluss des Arbeitsgerichtes Lingen vom 03.02.2005 wurden die Anträge zurückgewiesen. Wegen des Inhalts des erstinstanzlichen Beschlusses wird auf diesen (Bl. 139-155 d.A.) verwiesen.
Dieser Beschluss wurde dem Betriebsrat am 09.02.2005 zugestellt. Hiergegen legte dieser am 09.03.2005 Beschwerde ein und begründete diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 18.04.2005 am 18.04.2005.
Zur Begründung der Beschwerde trägt der Betriebsrat vor, er sei nach wie vor der Auffassung, dass ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gegeben sei. Es handele sich zwangsläufig bei einer Erhöhung der Arbeitszeit um ein neues Arbeitszeitmodell. Der Betriebsrat habe ein Initiativrecht für den Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung bei Verlängerung der Arbeitszeit, da diese automatisch Neuregelungen verlange. Insbesondere müsse hierin geprüft werden, ob die Selbstbestimmung des Arbeitnehmers innerhalb der Gleitzeit noch adäquat sei. Hierüber habe der Betriebsrat zu beraten und zu beschließen. Ohne Zustimmung des Betriebsrates könne deshalb das neue Arbeitsmodell nicht in Gang gesetzt werden.
Die bisherige Gleitzeitregelung sei im Übrigen von verschiedenen Grundfaktoren abhängig gewesen, die durch die einseitige Verlängerung der Arbeitszeit geändert worden seien. Insgesamt sei die Frage zu stellen, ob die Gleitzeitregelung noch angemessen sei.
Darüber hinaus sei ein Mitbestimmungsrecht nach §§ 99, 101 BetrVG gegeben. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Veränderung der Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden erheblich sei, sei auch die Frage der Quantität von Bedeutung. Die Veränderung der Arbeitszeit einer Vielzahl von Arbeitnehmern bei einem einheitlichen Vorgehen des Arbeitgebers sei letztlich durch den Tatbestand des § 99 BetrVG erfasst, da dieser auch kollektiven Bezug habe und die Gefahr bestehe, dass Nachteile für Mitarbeiter bestünden, da die Gesamtheit der erhöhten Stundenzahlen vollständige Arbeitsplätze ausmachten, so dass entweder Neueinstellungen vermieden würden oder vorhandene Arbeitsplätze gefährdet seien.
Darüber hinaus sei auch ein Verstoß, gegen die Rahmenbetriebsvereinbarung gegeben, da die Zeitkontenregelung in der bisherigen Form so nicht mehr zum Tragen kommen könne.
Schließlich stelle die Maßnahme der Arbeitgeberin auch einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im Betrieb dar. Bisher seien alle Mitarbeiter bezüglich der Arbeitszeit gleich behandelt worden. Sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung der Gruppen, die unterschiedliche Arbeitszeiten arbeiteten, seien nicht vorhanden.
Der Betriebsrat beantragt,
- 1.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Lingen vom 03.02.2005 zum Aktenzeichen 1 BV 4/04, zugestellt am 09.02.2005, wird abgeändert.
- 2.
Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, es zu unterlassen,
eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf mehr als 35 Stunden ohne Lohnausgleich
mit Mitarbeitern der Beteiligten zu 2. und den Mitarbeitern aller weiteren zur Gruppe gehörenden Unternehmen zu vereinbaren,
gegenüber den Mitarbeitern der Beteiligten zu 2. und den Mitarbeitern aller weiteren zur Gruppe gehörenden Unternehmen anzuordnen
oder
die Entgegennahme einer Arbeitszeit von mehr als 35 Stunden von Mitarbeitern der Beteiligten zu 2. und den Mitarbeitern aller weiteren zur Erwin Müller Gruppe gehörenden Unternehmen zu dulden,
sofern nicht die Zustimmung des Betriebsrates dazu erteilt worden ist oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrates durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist.
- 3.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus Nr. 1 und Nr. 2 der Beteiligten zu 2. bezogen auf jeden Tag der Zuwiderhandlung und jeden Arbeitnehmer ein in das Ermessen des Gerichtes zu stellendes Ordnungsgeld anzudrohen.
- 4.
Die personellen Maßnahmen aufzuheben betreffend die in der Anlage 1 aufgeführten Mitarbeiter (Bl. 77-79 d.A.), die zu einer Ausweitung der Arbeitszeit auf über 35 Stunden geführt haben.
- 5.
Hilfsweise festzustellen, dass die Ausweitung der Arbeitszeit von nicht tarifgebundenen Mitarbeitern im Betrieb, die eine Arbeitszeit von mehr las 35 Stunden ohne Lohnausgleich beinhaltet, durch den Arbeitgeber unwirksam ist, soweit nicht der Betriebsrat dieser Maßnahme zugestimmt hat bzw. die Zustimmung anderweitig durch Einigungsstelle oder Arbeitsgericht ersetzt worden ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge des Betriebsrates zurückzuweisen.
Sie verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 23.05.2005 (Bl. 212-216 d.A.) sowie vom 31.05.2005 (Bl. 224-230 d.A.). Hierauf wird verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Betriebsrates ist nicht begründet.
1.
Die Kammer hat Bedenken, ob dem Betriebsrat im gegenwärtigen Verfahrensstand ein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung von Mitbestimmungsrechten zusteht. Zwar steht dem Betriebsrat grundsätzlich bei Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zu, ohne dass die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG gegeben sein müssen (vgl. hierzu Beschluss des BAG vom 03.05.1994, Aktenzeichen 1 ABR 24/93 in NZA 1995, 40-95, Beschluss des BAG vom 26.07.2005, Aktenzeichen 1 ABR 29704 in NZA 2005, 1372 [BAG 26.07.2005 - 1 ABR 29/04]-1374).
Die Bedenken ergeben sich insbesondere daraus, dass derzeit eine Vereinbarung über Beschäftigungssicherung existiert, die nach Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2006 derzeit in Kraft und nicht gekündigt ist.
Da ebenfalls nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten die individuellen Vereinbarungen über die Erhöhung der Arbeitszeit mit den betroffenen Arbeitnehmern ruhend gestellt sind, kann jedoch ein Anspruch bestehen auf Feststellung, dass diese Vereinbarungen gegen kollektive Rechte des Betriebsrates verstoßen, sofern ein Mitbestimmungsrecht verletzt ist. Insoweit ist von einem berechtigten Interesse des Betriebsrates auszugehen, dass eine entsprechende Feststellung getroffen wird vor dem Hintergrund, dass die derzeit laufende Vereinbarung, auch kurzfristig, gekündigt werden kann und damit die, getroffenen Individualvereinbarungen wieder aufleben.
2.
Auch wenn von einem Feststellungsinteresse insoweit auszugehen ist, so ist aber selbst dieser Antrag des Betriebsrates nicht begründet, da Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nicht verletzt sind, weder solche aus § 87 Abs. 1 BetrVG, noch solche aus § 99 BetrVG, noch ist ein Verstoß gegen geltende Betriebsvereinbarungen im Betrieb festzustellen.
a)
Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG besteht im vorliegenden Falle nicht. Weitergehende Rechte des Betriebsrates aus § 87 BetrVG sind nicht tangiert.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 bestimmt der Betriebsrat mit in Angelegenheiten des Beginns und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage.
Dieses Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat bereits ausgeübt. Es existiert eine Betriebsvereinbarung über die Gleitzeit im Betrieb. Gemäß § 2 beträgt der arbeitszeitliche Rahmen für die tägliche Rahmenarbeitszeit den Zeitraum vom 06:30 Uhr bis 17:30 Uhr täglich. Nach § 8 dieser Vereinbarung kann jeder Mitarbeiter Beginn und Ende seiner Arbeitszeit innerhalb der gültigen Rahmenzeit selbst bestimmen.
Damit hat der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht ausgeübt bezüglich der Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 2 und dieses i.V.m. der getroffenen Rahmenbetriebsvereinbarung.
Solange die Arbeitszeit eines Mitarbeiters, sei sie auch länger als 35 Stunden, in diese Arbeitszeitregelung zu integrieren ist, so ergibt sich kein Verstoß des Arbeitgebers, wenn er individuell längere Arbeitszeiten vereinbart.
Dieses ergibt sich einmal daraus, dass zwar grundsätzlich sich die Bedingungen für den Abschluss einer solchen Vereinbarung geändert haben, weil bezüglich des Beginns und Ende der Arbeitszeit sowie der Pausen eine andere Regelung möglich erscheint, wenn grundsätzlich von einer 40 Stunden-Woche auszugehen ist. Insoweit kann der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht ausüben, indem er die Betriebsvereinbarungen kündigt und eine neue Betriebsvereinbarung abschließt, ggfs. unter Beteiligung der Einigungsstelle, die die neuen Bedingungen im Betrieb aufgreift. Solange jedoch die Mitarbeiter bei veränderter Arbeitszeit im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen arbeiten können, ist der Betriebsrat nicht berechtigt, die individuellen Vereinbarungen zu verändern, vielmehr nur insoweit tätig zu werden, dass die veränderten Vereinbarungen neu in Bezug auf die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates verhandelt werden.
Zum anderen ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass im Betrieb bereits in der Vergangenheit eine Mehrzahl von Mitarbeitern über 35 Stunden, und zwar mit Lohnausgleich, gearbeitet haben. Da bei dem Mitbestimmungsrecht die Frage der Bezahlung vorrangig keine Rolle spielt, war es deshalb auch in der Vergangenheit möglich, die erhöhten Arbeitszeiten in die vereinbarte Regelung zu integrieren. Der Betriebsrat hat es insoweit offensichtlich nicht für erforderlich gehalten, die individuell vereinbarten erhöhten Arbeitszeiten, wie sie nach dem Tarifvertrag möglich waren, erneut zu verhandeln.
Soweit der Betriebsrat vorträgt, in der Buchhaltung würden Vorgaben bezüglich der Arbeitszeit gemacht und dort würde von Teilen der Arbeitnehmer die 40-Stunden-Woche verlangt, so ist darauf zu verweisen, dass in der Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeiten in § 2 vereinbart ist, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers durch diese Vereinbarung nicht berührt wird.
Soweit deshalb im Einzelfall bei Arbeitnehmern Vorgaben bezüglich der Arbeitszeit gemacht werden, so hält sich dieses auch im Rahmen dieser Betriebsvereinbarung, soweit diese nicht grundsätzlich hierbei außer Kraft gesetzt wird. Dies ist angesichts der Anzahl der betroffenen Mitarbeiter nicht der Fall.
b)
Aus den genannten Gründen ist auch ein Verstoß gegen die Rahmenbetriebsvereinbarung sowie die Gleitzeitbetriebsvereinbarung nicht gegeben.
c)
Dem Betriebsrat steht auch kein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zu. Er ist deshalb auch nicht gemäß § 101 BetrVG berechtigt, die Aufhebung der Maßnahmen zu verlangen oder feststellen zu lassen, dass ein entsprechender Verstoß gegeben ist.
Nach § 99 BetrVG hat der Arbeitgeber in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Einstellung zu informieren und die Zustimmung des Betriebsrates zu der geplanten Maßnahme einzuholen.
Durch die Erhöhung der Stundenzahl des einzelnen Arbeitnehmers liegt keine Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG vor.
In der Erhöhung des vertraglich vereinbarten Arbeitszeitvolumens kann eine Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gesehen werden, wenn sie nach Umfang und Zeitdauer als nicht unerheblich angesehen werden muss. Das ist zumindest dann der Fall, wenn der Arbeitgeber auf diese Weise einen Arbeitsplatz besetzen will, den er zuvor ausgeschrieben hat, und die Erhöhung für die Dauer von mehr als einem Monat vereinbart wird (so BAG, Beschluss vom 25.01.2005, Aktenzeichen 1 ABR 59/03 in NZA 2005, 945-949).
Das BAG hat ausgeführt, dass der Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechtes eine erneute Beteiligung des Betriebsrates dann verlangen, wenn sich die Umstände der Beschäftigung, ohne dass eine Versetzung vorliegt, aufgrund einer neuen Vereinbarung grundlegend ändern. Hierdurch können Zustimmungsgründe erwachsen, die bei der Ersteinstellung nicht voraussehbar waren und deshalb bei der ursprünglichen Zustimmungsentscheidung des Betriebsrates noch nicht berücksichtigt werden konnten.
Vorliegend hat die Arbeitgeberin bei einer Vielzahl von Mitarbeitern die Arbeitszeit um 5 Stunden verlängert und dabei das Arbeitszeitvolumen im Betrieb vergrößert.
Die Erhöhung der Arbeitszeit des einzelnen Mitarbeiters im Rahmen der personellen Einzelmaßnahme nach § 99 BetrVG um 5 Stunden kann von der Kammer als nicht erheblich angesehen werden. Dieses gilt bereits deshalb, weil auch der Tarifvertrag, der für den Betrieb gilt, vorsieht, dass eine Erhöhung der Arbeitszeit um 5 Stunden auf 40 Stunden bei entsprechendem Lohnausgleich und Zustimmung des Arbeitnehmers möglich ist und damit eine Wertung vorhanden ist, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet wird, ohne Neueinstellungen vorzunehmen Arbeitnehmer mit einer erhöhten Arbeitszeit zu beschäftigen. Die Erhöhung der Arbeitszeit stellt keinen Ersatz für eine Einstellung insoweit dar, sondern soll aus Kostengesichtspunkt oder Gründen des Ausnutzens von besonderen Kenntnissen bestimmter Mitarbeiter die Erhöhung der Arbeitszeit rechtfertigen.
Aber auch die Erhöhung des Arbeitszeitvolumens bei einer Vielzahl von Mitarbeitern führt im vorliegenden Fall nicht zu der Bewertung, dass Einstellungen im Sinne des § 99 BetrVG vorliegen.
Zwar entspricht das Äquivalent der Erhöhung des Arbeitszeitvolumens für über 70 Mitarbeiter dem Arbeitszeitvolumen für mehrere neu einzustellende Mitarbeiter, so dass theoretisch statt der Erhöhung der Arbeitszeiten Neueinstellungen hätten vorgenommen werden können. Diese Wertung entspricht aber nicht der des § 99 BetrVG, da stets hierfür Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber beabsichtigt, auch tatsächlich Einstellungen vorzunehmen und nur an Stelle der Einstellungen einzelne Mitarbeiter, die im Betrieb bereits tätig sind, durch wesentliche Erhöhung der Arbeitszeit auf diesen Positionen einsetzen will unter Verzicht auf die an sich geplante Einstellung. Es muss deshalb stets festgestellt werden, dass der Arbeitgeber tatsächlich beabsichtigte, Arbeitsplätze im Betrieb zu besetzen und nur deswegen hierauf verzichtet, weil Mitarbeiter aus dem Betrieb an Stelle des neu einzustellenden Mitarbeiters diese Tätigkeiten ausüben können. Solche Wertung ist immer dann gegeben, wenn der Arbeitgeber eine solche Stelle ausgeschrieben hat oder der Betriebsrat die Möglichkeit gehabt hätte, die Ausschreibung dieser Stelle zu verlangen.
Diese ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Es ist unter keinen Umständen ersichtlich, dass der Arbeitgeber beabsichtigte, im Betrieb Neueinstellungen vorzunehmen. Die Erhöhung der Arbeitszeit beruht vielmehr im wesentlichen auf der Erwägung, dass der Arbeitgeber die Notwendigkeit von Kostensenkungen gesehen hat, um den Betrieb wirtschaftlich führen zu können. Bestätigt wird dieses durch die derzeit geltende Betriebsvereinbarung über Beschäftigungssicherung im Betrieb.
Vereinbarungen über die Erhöhung der Arbeitszeiten einer Vielzahl von Mitarbeitern, wobei die Einzelerhöhung nicht als erheblich angesehen werden kann, führt deshalb dann nicht zu einem Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG, wenn sich nicht aus Tatsachen ergibt, dass der Arbeitgeber ansonsten Neueinstellungen vorgenommen hätte.
Die Vielzahl von personellen Einzelmaßnahmen machen deshalb den Einsatz dieser Mitarbeiter mit 40 Stunden nicht zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme nach § 99 BetrVG.
3.
Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen Rechte aus dem BetrVG ist auch nicht aufgrund der Vorschrift des § 75 BetrVG gegeben. Zwar liegt eine unterschiedliche Behandlung zwischen den Arbeitnehmern im Betrieb in Bezug auf die Arbeitszeit vor, was sich auch daraus herleitet, dass ein Teil der Arbeitnehmer tarifgebunden, der andere nicht tarifgebunden ist. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, begründet diese gesetzliche Bestimmung keine eigenen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates. Sofern der einzelne Arbeitnehmer Nachteile erleidet, ist er selbst zur Wahrnehmung seiner Rechte verpflichtet. Der Betriebsrat ist nicht der prozessuale Sachbearbeiter des ggfs. in einer Rechtsstellung verletzten Arbeitnehmers.
4.
Im Übrigen kann in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes Lingen (Ems) im Beschluss vom 03.02.2005 verwiesen werden.
Die Beschwerde des Betriebsrates ist deshalb zurückzuweisen, ebenso wie die Anträge des Betriebsrates in der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2006, die als Anschlussbeschwerde zu werten sind.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt gemäß §§ 92, 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.