Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.05.2006, Az.: 13 Sa 1309/05
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 09.05.2006
- Aktenzeichen
- 13 Sa 1309/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 40426
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2006:0509.13SA1309.05.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BAG - 10.01.2007 - AZ: 5 AZR 664/06
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2006 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Ilgenfritz-Donne,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Schäfftlein
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 25.04.2005, 2 Ca 117/05, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.459,10 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit Klage vom 12.01.2005 begehrt der Kläger vom Beklagten, den er als vollmachtlosen Vertreter in Anspruch nimmt, Arbeitsentgelt und tarifliche Auslösung für die Zeit vom 09.07. bis 15.08.2003. Die Ansprüche sind der Höhe nach unstreitig.
Der Kläger arbeitete vom 09.07. bis 15.08.2003 als Maurer auf einer Baustelle in W., das Bauvorhaben umfasste 17 Einfamilienhäuser. Grundlage der Beschäftigung war ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 08.07.2003 (Bl. 6 und 7 d. A.), den der Beklagte "für und im Namen von Baugeschäft S." unterzeichnete. Der Arbeitsvertrag ist vom Beklagten gefertigt worden und als Formulararbeitsvertrag für die Einstellung auch von weiteren Arbeitnehmern für die fragliche Baustelle verwendet worden.
Der Kläger erhielt für Juli und August 2003 Lohnabrechnungen (Bl. 9, 10 d. A.), die der Beklagte auf seinem PC erstellt hatte und die als Arbeitgeber das Baugeschäft S., E., auswiesen. Mit Ausnahme eines Abschlages von 200,- € erhielt der Kläger keine Zahlungen.
Der Kläger erhob beim Arbeitsgericht Elmshorn, 3 Ca 1903 e/03, Klage gegen Herrn S. mit Zahlungsanträgen, wie sie hier streitgegenständlich sind. Nach stattgebendem Urteil des Arbeitsgerichts vom 27.11.2003 wies das LAG Schleswig-Holstein, 5 Sa 82/04, mit Urteil vom 15.06.2004 die Klage ab. Dieses Urteil des LAG ist dem Kläger am 15.07.2004 zugestellt worden, es ist rechtskräftig geworden. Der Kläger hatte im Verfahren gegen Herrn S. dem Beklagten nicht den Streit verkündet. Das LAG Schleswig-Holstein hat zur Begründung seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass eine Bevollmächtigung des Beklagten durch Herrn S. nicht dargelegt sei.
Herr S. war im Sommer 2003 Inhaber eines angemeldeten Betriebes für Garten- und Landschaftsbau. Am 05.07.2003 trafen der Beklagte, der Maurermeister L. und Herr S. auf dessen privater Baustelle in E. zusammen. Inhalt des Gesprächs war das Bauvorhaben in W..
Der Kläger hat vorgetragen, Herr S. habe in diesem Gespräch am 05.07.2003 keine Vollmacht zur Einstellung der Arbeitnehmer erteilt, der Beklagte habe als vollmachtloser Vertreter gehandelt.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.935,97 EUR brutto sowie 723,13 EUR netto abzüglich eines bereits gezahlten Abschlages in Höhe von 200,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 16.08.2003 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, er habe Kontakt gehabt mit Herrn A., Inhaber mehrerer Baufirmen, der ihn wegen Arbeitskräften für ein Bauvorhaben in W. angesprochen habe. Es sei zu einer Verabredung mit dem Auftraggeber des Bauvorhabens, Herrn B., in B. gekommen. In diesem Zusammenhang habe ihn der Maurermeister L. angesprochen und ihm erklärt, man könne die Sache nicht über A. laufen lassen, dieser habe keine geeignete Baufirma mehr. Herr L. habe dann auf seinen Freund, Herrn S. verwiesen, der als Firmeninhaber zur Verfügung stehe. Sodann habe man sich am 05.07.2003 bei Herrn S. getroffen und die baulichen Einzelheiten besprochen. Herr S. habe erklärt, er stehe mit seiner Firma zur Verfügung. Man habe sich darauf geeinigt, dass der Beklagte für die Arbeitnehmer zuständig sein solle, der Maurermeister L. für die bautechnische Seite und dass alles über den Namen des Herrn S. laufen solle. Herr S. habe dann noch seine steuerliche Betriebs-nummer zur Verfügung gestellt. Daraufhin habe er, der Beklagte den Kläger und weitere fünf Arbeitnehmer eingestellt. Die Arbeiten seien sodann nicht in der Weise voran-gegangen wie vom Maurermeister L. vorher berechnet. Es habe sich nach einiger Zeit herausgestellt, dass Herr S. keinen Gewinn machen würde. Deshalb habe die Angelegen-heit die Beteiligten L. und S. gereut, weswegen sie mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben wollten.
Das Arbeitsgericht hat mit geringfügiger Abweichung im Zinsanspruch nach Klageantrag erkannt. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung wiederholt der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen und meint, ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Kläger habe nicht bestanden. Die Begründung eines Arbeitsvertrages habe der Kläger beweisen müssen, dieser Beweis könne ihm nicht gelingen. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 25. April 2005, Aktenzeichen - 2 Ca 117/05 -, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung das erstinstanzliche Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Berufung ist nicht begründet. Der Beklagte haftet für die geltend gemachten Ansprüche, die der Höhe nach nicht bestritten sind, als vollmachtloser Vertreter, § 179 BGB. Die Ansprüche des Klägers sind nicht nach § 15 BRTV-Bau verfallen, die Ausschlussfrist findet auf die Haftung aus § 179 BGB keine Anwendung.
1. Haftung als vollmachtloser Vertreter.
Nach § 179 BGB ist derjenige, der als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, zur Erfüllung verpflichtet, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist. Der Beklagte hat als Vertreter gehandelt, er muss deshalb darlegen und nachweisen, dass er von Herrn S. zur Einstellung des Klägers bevollmächtigt war. Aus dem Vortrag des Beklagten zum Gespräch vom 05.07.2003 ergibt sich keine Vollmachterteilung.
Die Darstellung des Beklagten zum Gesprächsinhalt beschränkt sich auf eine knappe, zusammenfassende Darstellung. Danach hat Herr S. erklärt, mit seiner Firma zur Verfügung zu stehen. Daraus ergibt sich allenfalls, dass Herr S. interessiert war und bereit war, unter seiner Firma das Bauvorhaben durchzuführen. Außer dieser grundsätzlichen Bereitschaft ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass es bereits am 05.07.2003 zu einer abschließenden und endgültigen Vereinbarung zwischen den Beteiligten gekommen ist.
Weiter trägt der Beklagte vor, man sei sich einig dahingehend gewesen, dass er für die Arbeitnehmer zuständig sein solle, der Maurermeister L. für die bautechnische Seite und dass alles über den Namen des Herrn S. laufen solle. Was z. B. Zuständigkeit für Arbeitnehmer bedeutet, erschließt sich nicht. Sollte der Beklagte nur Arbeitnehmer anwerben oder sollte er insgesamt während der Bauabwicklung für das Personal zuständig sein? In welcher Funktion sollten der Beklagte und der Maurermeister L. tätig werden, als Angestellte des Herrn S. oder als Gesellschafter einer zu bildenden BGB-Gesellschaft?
Bei der Bewertung ist auch zu berücksichtigen, dass Herr S. in dem fraglichen Gespräch erstmals über das Bauvorhaben informiert wurde. Ein Werkvertrag bzw. ein Subunternehmervertrag war noch nicht geschlossen, es stand auch nicht fest, dass Herr S. für sein Unternehmen den Auftrag erhalten würde. Das Projekt in W. umfasste 17 Einfamilienhäuser. Für ein Bauvorhaben dieses Umfangs ist es nicht nachvollziehbar, dass sich ein Unternehmer in einem ersten Gespräch, noch dazu am Samstag auf einer privaten Baustelle, zu einer spontanen Auftragsannahme entscheidet und sofort Vollmacht erteilt zur Einstellung von Arbeitnehmern. Was der Beklagte schildert, ist eine erste Kontakt-aufnahme mit vorbereitender Besprechung eines Projekts, an dem offenbar alle Beteiligten interessiert waren. Es ist dann aber nicht erkennbar, dass im Rahmen dieser Besprechung bereits Vollmacht zur Einstellung von Mitarbeitern erteilt wurde. Der Vortrag des Beklagten musste deshalb als unsubstanziiert bewertet werden. Hierauf ist vom Landesarbeitsgericht bereits mit Ladungsbeschluss vom 14.02.2006 hingewiesen worden.
2. Ausschlussfrist.
Nach § 15 des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) verfallen Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Anschluss greift eine zweimonatige Ausschlussfrist für die gerichtliche Geltendmachung. Diese Ausschlussfrist für die schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Beklagten wäre hier nicht eingehalten. Die Ausschlussfrist begann spätestens mit Verkündung des klageabweisenden Urteils des LAG Schleswig-Holstein vom 15.06.2004. Zu diesem Zeitpunkt war für den Kläger eindeutig erkennbar, dass ein Arbeitsverhältnis mit Herrn S. nicht bestanden hat und nur eine Haftung des Beklagten als vollmachtloser Vertreter in Betracht kam. Mit Klage vom 12.01.2005 wäre damit die Ausschlussfrist nicht gewahrt.
Tarifliche Ausschlussfristen finden aber bei einer Haftung aus § 179 BGB keine Anwendung. Nach der weiten Fassung des § 15 BRTV-Bau erfasst die Ausschlussfrist Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen. § 179 BGB begründet keinen Arbeitsvertrag zwischen dem vollmachtlosen Vertreter und dem Arbeitnehmer. Vielmehr handelt es sich um eine gesetzliche Haftung. Der vollmachtlose Vertreter hat dafür einzustehen, dass mangels Vollmacht ein Vertrag nicht zustande gekommen ist und vertragliche Ansprüche nicht bestehen. Der vollmachtlose Vertreter wird nicht Arbeitgeber (BAG vom 07.03.2003, 5 AZB 2/03, AP Nr. 6 zu § 3 ArbGG 1979; BGH vom 08.02.1979, VII ZR 141/78, NJW 1979, 1161).
Allerdings stehen nach herrschender Meinung dem vollmachtlosen Vertreter die Gegenrechte zu, die bei Wirksamkeit des Vertrages dem Vertretenen zugestanden hätten. Dies gilt insbesondere für die Verjährungsfristen, die bei Wirksamkeit des Vertrages gegolten hätten (BGH, VII ZR 141/78 aaO; BGH vom 19.11.2003, XII ZR 68/00, NJW 2004, 774). Diese Rechtsprechung ist auf tarifliche Ausschlussfristen nicht anzuwenden. Verjährungsfristen und tarifliche Ausschlussfristen können nicht gleichgesetzt werden. Verjährungsrechtliche Vorschriften sind deshalb auf Ausschlussfristen nicht ohne weiteres übertragbar (BAG vom 11.07.1990, 5 AZR 609/89, AP Nr. 141 zu § 4 TVG Ausschlussfristen; BAG vom 16.01.2003, 2 AZR 735/00, AP Nr. 38 zu § 322 ZPO).
Auf die Haftung aus § 179 BGB sind tarifliche Ausschlussfristen nach ihrem Sinn und Zweck nicht anzuwenden. Das Arbeitsverhältnis ist als Dauerschuldverhältnis ausgestaltet mit einer Vielzahl von gegenseitigen Rechten und Pflichten. Die regelmäßig kurze Ausschlussfrist dient der Rechtsklarheit, der Vertragspartner soll kurzfristig Kenntnis darüber haben, welche Ansprüche für die Vergangenheit noch geltend gemacht werden. Die gesetzliche Garantiehaftung des § 179 BGB ist dagegen begrenzt auf Erfüllungs- bzw. Schadensersatzansprüche, es liegt kein fortdauerndes Arbeitsverhältnis vor. Ein Bedürfnis nach Rechtsklarheit besteht nicht, der vollmachtlose Vertreter ist ausreichend geschützt durch die gesetzliche Verjährung.
Die Ausschlussfristen erfassen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bzw. solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen. Bei der Haftung aus § 179 BGB besteht kein Arbeitsverhältnis, der beabsichtigte Arbeitsvertrag ist gerade nicht wirksam zustande gekommen. Damit greift die Ausschlussfrist dem Wortlaut nach nicht. Schließlich sollen die kurzen Ausschlussfristen jede Vertragspartei zwingen, ihre Ansprüche zu prüfen und geltend zu machen. Eine solche Obliegenheit ist gerechtfertigt, weil z. B. ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber kennt und Ansprüche prüfen und einfach geltend machen kann. Bei Vertragsschluss durch einen vollmachtlosen Vertreter und Streit über die Vollmacht-erteilung erkennt der Arbeitnehmer den Anspruchsgegner nicht ohne weiteres. Er muss ihn erst suchen. Durch Vertragsschluss mit dem vollmachtlosen Vertreter entsteht eine Rechtsunsicherheit, die zu Lasten des Verursachers gehen muss. Ausschlussfristen, die der Rechtsklarheit dienen sollen, können dann nicht angewandt werden. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche unterliegen damit nicht der Ausschlussfrist des § 15 BRTV-Bau.
Weil tarifliche Ausschlussfristen auf die Haftung des § 179 BGB nicht anzuwenden sind und die Klage insgesamt begründet ist, kann offen bleiben, ob der Kläger auch Anspruch auf Mindestlohn nach der "3. Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe" vom 21.08.2002 i. V. m. dem Mindestlohn-TV vom 04.07.2002 hat. Für diesen Anspruch würde die Ausschlussfrist 6 Monate betragen (§ 2 Abs. 6 Mindestlohn-TV).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Wertfestsetzung erfolgt gem. § 63 Abs. 2 GKG.
Die Revision ist zugelassen wegen grundsätzlicher Bedeutung, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.