Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.04.2006, Az.: 13 Sa 1795/05
Voraussetzungen für den Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung ; Anforderungen an das Vorliegen der erforderlichen Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Kündigung ; Voraussetzungen für einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung; Anforderungen an die Anwendbarkeit des Kirchengesetzes der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über Mitarbeitervertretungen (MVG.Kon); Voraussetzungen für die Zulassung einer Berufung; Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen im Berufungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 25.04.2006
- Aktenzeichen
- 13 Sa 1795/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 27007
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2006:0425.13SA1795.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hildesheim - 08.09.2005 - AZ: 3 Ca 417/04
Rechtsgrundlagen
- § 64 ArbGG
- § 66 ArbGG
- § 39 Abs. 1 MVG.Kon
- § 42 Nr. 2 MVG.Kon
- § 45 Abs. 3 MVG.Kon
- § 524 ZPO
Fundstelle
- ZMV 2007, 47-49
Amtlicher Leitsatz
Wird im Mitbestimmungsverfahren zur ordentlichen Kündigung die Frist zur Stellungnahme abgekürzt, ohne dass ein dringender Fall vorliegt, gibt die Mitarbeitervertretung keine Stellungnahme ab, gilt die Zustimmung zur Kündigung nicht als erteilt. Diese Rechtsfolge tritt auch ein, wenn die Mitarbeitervertretung die Abkürzung der Frist nicht gerügt hat.
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Bareither,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Meyners
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 8.09.2005, 3 Ca 417/04, werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits tragen die Klägerin zu 16 %, der Beklagte zu 84 %.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 16.896,00 EUR festgesetzt.
Für den Beklagten wird die Revision zugelassen.
Für die Klägerin wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung vom 17.08.2004 zum 31.12.2004. Außerdem macht sie Annahmeverzugsansprüche für die Monate Januar bis Juli 2005 geltend und beantragt vorläufige Weiterbeschäftigung. Die Parteien streiten unter anderem darüber, ob die erforderliche Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Kündigung vorliegt.
Nach Absolvierung eines Praktikums im Jahre 2001 war die Klägerin seit dem 01.01.2002 im Kirchenkreisamt des Beklagten beschäftigt mit Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT (Bewährungsaufstieg). Die 1959 geborene Klägerin ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Ab 01.01.2002 war sie als Sekretärin der Amtsleitung tätig (Zwischenzeugnis vom 01.08.2002, Bl. 222, 223 d.A.). Mit Schreiben vom 02.09.2002 (Bl. 210, 211 d. A.) wies der Beklagte ihr ab 01.10.2002 neue Aufgaben zu in den Bereichen Empfang/Telefonzentrale, Postversand und Postverteilung, Bürobedarf. Ergänzend hatte die Klägerin Sekretariatsaufgaben zu erledigen. Diesen Aufgabenbereich der Klägerin ordnete der Beklagte dem technischen Dienst zu, in dem außerdem der Mitarbeiter W. (langjährig beschäftigt und tariflich unkündbar) tätig war.
Im Kirchenkreisamt des Beklagten sind etwa 32 bis 35 Mitarbeiter beschäftigt, davon etwa 70 % in Teilzeit.
Der Kirchenkreisvorstand beschloss im Dezember 2003, den Stellenumfang im technischen Dienst von zwei Planstellen auf 0,5 Planstellen zu reduzieren. In der Folge wurde dem Mitarbeiter W. eine Änderungskündigung ausgesprochen, seine Kündigungsschutzklage war erfolgreich. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde mit Schreiben vom 30.03.2004 zum 30.06.2004 gekündigt. Während des Kündigungsschutzverfahrens nahm der Beklagte diese Kündigung zurück, weil er - in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft - die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes nicht eingeholt hatte. Zur Kündigung vom 30.03.2004 war die Mitarbeitervertretung mit Antragschreiben vom 27.02.2004 (Bl. 213 - 215 d. A.) beteiligt worden. Sie hat innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 39 Abs. 3 MVG.Kon keine Stellungnahme abgegeben.
Auf Antrag des Beklagten stimmte das Integrationsamt mit Bescheid vom 21.07.2004, dem Beklagten zugegangen am 22.07.2004, einer ordentlichen Kündigung zu. Auf den Inhalt des Bescheides, Bl. 28 ff d.A. wird Bezug genommen. Am 03.08.2004 beschloss der Verwaltungsausschuss die Kündigung der Klägerin. Am 06.08. beantragte der Beklagte die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur ordentlichen Kündigung zum 31.12.2004. Im Antrag (Bl. 37 d. A.) ist unter anderem ausgeführt:
Gemäß § 88 Abs. 3 SGB IX muss die Kündigung innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Integrationsamtes ausgesprochen werden.
Um die Kündigung noch rechtzeitig aussprechen zu können, bitten wir um Fristverkürzung auf fünf Tage gemäß § 39 Abs. 3 MVG. Bitte teilen Sie uns Ihre Entscheidung schriftlich mit.
Gemäß Protokollauszug (Bl. 237 d. A.) fasste die Mitarbeitervertretung am 10.08.2004 den Beschluss, "die Frist verstreichen zu lassen". Nach Darstellung des Beklagten hat die Mitarbeitervertretung den Dienstgeber nach Beschlussfassung vom 10.08.2004 entsprechend informiert, allerdings nicht schriftlich. Der Beklagte kündigte sodann das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17.08.2004 zum 31.12.2004.
Die Klägerin hat unter anderem vorgetragen, die Mitarbeitervertretung sei nicht ordnungsgemäß über die Kündigungsgründe unterrichtet und beteiligt worden. Insbesondere sei die Zwei-Wochen-Frist des § 39 Abs. 3 MVG nicht eingehalten. Betriebsbedingte Gründe für die Kündigung seien nicht gegeben. Die Notwendigkeit der Einsparmaßnahmen werde bestritten. Der Aufgabenbereich der Klägerin sei nicht weggefallen, so sei die Telefonzentrale weiterhin ständig besetzt. Die Klägerin habe anstelle der Mitarbeiterin W. weiterbeschäftigt werden können. Diese Mitarbeiterin sei nach Ablauf der Befristung zum 31.12.2004 unbefristet weiterbeschäftigt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
- 1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 17.08.2004 nicht aufgelöst worden ist;
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziff. 1 zu den im Arbeitsvertrag vom 03.10.2001 geregelten Bedingungen als Verwaltungsangestellte bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen;
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.983,-- EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01. Februar 2005 auf 1.569,-- EUR ,
auf 1.569,-- EUR seit dem 01.03.2005,
auf 1.569,-- EUR seit dem 01.04.2005,
auf 1.569,-- EUR seit dem 01.05.2005,
auf 1.569,-- EUR seit dem 01.06.2005,
auf 1.569,-- EUR seit dem 01.07.2005 und
auf 1.569,-- EUR seit dem 01.08.2005 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, durch Fremdvergabe von Teilaufgaben und Vereinfachung von Arbeiten sei der Stellenbedarf im technischen Bereich auf 0,5 Planstellen reduziert worden. Insoweit wird Bezug genommen auf die "Überlegungen zur Rationalisierung des technischen Dienstes im Kirchenkreisamt", Bl. 24 d. A. Der verbleibende Aufgabenbereich habe im Rahmen der sozialen Auswahl dem Mitarbeiter W. übertragen werden müssen. Die Mitarbeitervertretung sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Mitarbeiterin W. sei teilzeitbeschäftigt, das Arbeitsverhältnis sei befristet bis zum 31.12.2004.
Das Arbeitsgericht hat Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt, weil eine ordnungsgemäße Beteiligung der Mitarbeitervertretung nicht dargelegt worden sei. Es hat die Annahmeverzugsansprüche zugesprochen und wegen des Antrags auf vorläufige Weiterbeschäftigung die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung trägt der Beklagte vor, die Mitarbeitervertretung sei umfassend über die Umstrukturierung im technischen Bereich unterrichtet worden, und zwar beginnend im Oktober 2003. Sie sei zur Kündigung vom 30.03.2004 beteiligt worden. Ein weiteres Gespräch zwischen dem Dienststellenleiter und dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung sei am 01.06.2004 geführt worden. Auf Grund dieser umfangreichen Vorbefassung seien die Rechte der Mitarbeitervertretung durch die Fristverkürzung auf fünf Tage nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt worden. Die Abkürzung der Frist sei erforderlich gewesen, um die Monatsfrist für den Ausspruch der Kündigung gemäß § 88 Abs. 3 SGB IX einhalten zu können. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung und die Beklagtenschriftsätze vom 28.02. und 14.03.2006.
Der Beklagte beantragt:
- 1.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim (AZ 3 Ca 417/04) vom 08.09.2005 abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits der berufungsbeklagten Partei aufzuerlegen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 22.11.2005, 06.03.2006 und 21.03.2006 das erstinstanzliche Urteil.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Klägerin,
- 1.
das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim, AZ: 3 Ca 417/04, vom 08.09.2005, zugestellt am 19.10.2005, wird abgeändert,
- 2.
die Berufungsklägerin wird verurteilt, die Berufungsbeklagte für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziff. 1 zu den im Arbeitsvertrag vom 03.10.2001 geregelten Bedingungen als Verwaltungsangestellte bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Anschlussberufung der Klägerin ist gemäß § 524 ZPO zulässig. Berufung und Anschlussberufung sind unbegründet.
1. Berufung der Beklagten.
Die ordentliche Kündigung vom 17.08.2004 ist unwirksam, weil sie ohne Zustimmung der Mitarbeitervertretung ausgesprochen worden ist. Insbesondere gilt die Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht wegen Fristablauf als erteilt.
Anzuwenden ist das Kirchengesetz der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über Mitarbeitervertretungen (MVG.Kon). Nach § 42 Nr. 2 MVG.Kon besteht für die Mitarbeitervertretung ein Mitbestimmungsrecht bei ordentlichen Kündigungen nach Ablauf der Probezeit. Die Gründe für eine Zustimmungsverweigerung ergeben sich aus § 45 Abs. 3 MVG.Kon. § 39 Abs. 1 MVG.Kon bestimmt, dass eine Maßnahme, die der Mitbestimmung unterliegt, erst vollzogen werden darf, wenn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung vorliegt. Nach § 39 Abs. 3 MVG.Kon gilt die Zustimmung als erteilt, wenn die Mitarbeitervertretung sie nicht binnen zwei Wochen verweigert hat. Die Dienststellenleitung kann die Frist in dringenden Fällen bis auf fünf Tage abkürzen.
Aus § 39 Abs. 1 MVG.Kon folgt, dass eine ohne Zustimmung der Mitarbeitervertretung ausgesprochene Kündigung unwirksam ist (Fey/Rehren, MVG.Kon, Praxiskommentar, § 39, RdNr. 36). Die Mitarbeitervertretung hat hier vor Ausspruch der Kündigung weder die Zustimmung ausdrücklich erteilt noch diese schriftlich verweigert. Die Zustimmung gilt auch nicht gemäß § 39 Abs. 3 MVG.Kon als erteilt.
Die Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens erfolgte am 06.08.2004, die Frist von zwei Wochen lief am 20.08. ab. Eine wirksame Abkürzung der Frist auf fünf Tage ist nicht erfolgt.
Die Abkürzung der Frist von zwei Wochen auf bis zu fünf Tage steht nicht in der freien Entscheidung der Dienststellenleitung. Die Abkürzungsentscheidung ist gebunden an die Voraussetzung, dass ein dringender Fall vorliegt. Diese Abkürzungsvoraussetzung ist nach objektivem Maßstab zu beurteilen, wobei strenge Anforderungen zu stellen sind. Aus der Formulierung "bis auf fünf Tage" folgt im Übrigen, dass auch in dringenden Fällen nicht immer eine Abkürzung auf fünf Tage gerechtfertigt ist, sondern dass sich der Umfang der Abkürzung auf das notwendige Maß zu beschränken hat (BAG vom 23.09.1976, 2 AZR 346/75, AP Nr. 1 zur § 78 PersVG Niedersachsen; BVerwG, Beschluss vom 15.11.1995, 6 P 4. 94, Die Personalvertretung 1996, Seite 330; Fey/Rehren, a.a.O., § 39, Rdnr. 59).
Einziger Grund für die Abkürzung der Zwei-Wochen-Frist war hier wie auch von dem Beklagten angegeben der Zwang zur Einhaltung der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX. Weil die Zustimmung des Integrationsamtes am 22.07.2004 zugestellt worden ist, lief die Frist für die Erklärung der Kündigung unter Berücksichtigung von § 193 BGB am Montag, den 23.08.2004 ab. Das Mitbestimmungsverfahren wurde eingeleitet am 06.08., die Zwei-Wochen-Frist des § 39 Abs. MVG.Kon lief am Freitag, den 20.08. ab. Damit konnte eine fristgemäße Zustellung der Kündigung noch am Samstag, den 21.08. bzw. am Montag, den 23.08.2004 erfolgen.
Dass es zur Einhaltung der Frist des § 88 Abs. 3 SGB IX zweckmäßig war, die Zustellungsmöglichkeit nicht auf diese zwei Tage zu beschränken, sondern einen größeren Zeitkorridor zur Verfügung zu haben, rechtfertigt nicht die Annahme eines dringenden Falles. Der Beklagte hätte wesentlich eher das Mitbestimmungsverfahren einleiten können, und zwar unmittelbar nach Zustellung des Zustimmungsbescheides des Integrationsamtes. Spätestens nach Entscheidung des Verwaltungsausschusses am 03.08.2004 hätte am Folgetag des Mitbestimmungsverfahren eingeleitet werden können. Schließlich würde der Wunsch nach einem längeren Zeitkorridor für die Zustellung der Kündigung allenfalls eine Abkürzung der Frist um ein oder zwei Tage rechtfertigen, nicht aber wie geschehen eine Abkürzung auf fünf Tage.
Die Abkürzung auf fünf Tage ist nicht deshalb wirksam erfolgt, weil die Mitarbeitervertretung diese Verfahrensweise nicht gerügt hat. Nach dem Urteil des BAG vom 26.10.1995, 2 AZR 743/94 (AP Nr. 8 zu § 79 BPersVG) stellt die Einleitung des Beteiligungsverfahrens zur beabsichtigten Kündigung durch einen sonstigen Beauftragten, ohne dass ein Verhinderungsfall für den Dienststellenleiter vorliegt, einen Verfahrensmangel dar, der ohne Rüge durch den Personalrat im Verhältnis zum gekündigten Arbeitnehmer unbeachtlich ist. Auch das Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.11.1995 a.a.O., verlangt in einem Sonderfall eine Rüge des Personalrates. Angesprochen ist der Fall der Verkürzung der Stellungnahmefrist, in dem bei Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens die Tatbestandsvoraussetzungen eines dringenden Falles vorlagen, die Dringlichkeit durch verzögerte Sachbehandlung der Dienststelle aber eigenverschuldet war. Das LAG Köln (Urteil vom 2.02.2001; 11 Sa 1292/00, ZTR 2001, 375) vertritt die Auffassung, eine vorschriftswidrige Verkürzung der Stellungnahmefirst für die Mitarbeitervertretung stelle einen Verfahrensmangel bei der Einleitung des Beteiligungsverfahrens dar, der auch nicht durch eine abschließende Stellungnahme der Mitarbeitervertretung geheilt werden könne, es sei denn, die Zustimmung wird ausdrücklich erteilt.
Die Abkürzung der Frist des § 39 Abs. 3 MVG.Kon ist nicht dadurch wirksam geworden, weil die Mitarbeitervertretung die Abkürzung nicht gerügt hat. Bei der vom BAG entschiedenen Fallkonstellation, Einleitung des Beteiligungsverfahrens durch einen nicht zuständigen Vertreter, wird nur die Rechtsstellung der Personalvertretung betroffen. Die Personalvertretung hat einen Anspruch auf Beteiligung durch den Dienststellenleiter bzw. im Verhinderungsfall durch einen zuständigen Vertreter. Kündigungsschutzrechtliche Belange werden hier nicht tangiert. Das Bundesverwaltungsgericht behandelt eine Fallgestaltung, in der objektiv ein dringender Fall zur Fristverkürzung vorliegt, und verlangt in einem Ausnahmefall eine Rüge der Personalvertretung. Vorliegend konnte aber unter keinem Gesichtspunkt ein dringender Fall für die Fristabkürzung bejaht werden. Betroffen waren darüber hinaus nicht nur Rechte der Mitarbeitervertretung, vielmehr hat das Mitbestimmungsverfahren bei ordentlichen Kündigungen auch eine kündigungsschutzrechtliche Funktion. Mitarbeitervertretung/Personalvertretung sollen die Möglichkeit haben, auch zugunsten des Arbeitnehmers die Kündigungsgründe zu überprüfen, über Alternativen zur Kündigung nachzudenken und gegebenenfalls andere Beschäftigungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Wegen dieser kündigungsschutzrechtlichen Bedeutung des Mitbestimmungsverfahrens kann aus der Hinnahme der Fristverkürzung durch die Mitarbeitervertretung nicht die Wirksamkeit der Fristverkürzung folgen.
Ob der Mangel der unzulässigen Fristverkürzung durch eine abschließende Stellungnahme der Mitarbeitervertretung geheilt werden kann oder ob insoweit der gegenteiligen Auffassung des LAG Köln zu folgen ist, kann hier offen bleiben. Entscheidend ist, dass die Mitarbeitervertretung mit Beschluss vom 10.08.2004 keine abschließende Stellungnahme abgegeben hat. Dabei kann offen bleiben, ob die Darstellung des Beklagten, der Dienstgeber sei über die Beschlussfassung von der Mitarbeitervertretung informiert worden, ausreichend substanziiert ist oder ob nur eine informelle Information über einen internen Vorgang der Mitarbeitervertretung erfolgt ist. Der Beschluss der Mitarbeitervertretung vom 10.08.2004 beinhaltet keine abschließende Stellungnahme. Es ist gerade nicht beschlossen worden, dass keine Stellungnahme abgegeben werden soll. Beschlossen wurde lediglich, die Frist verstreichen zu lassen. Ein solcher Beschluss kann, jedenfalls soweit die Frist noch offen ist, jederzeit abgeändert werden. Es kann eine neue Stellungnahme herbeigeführt werden. Hinzu kommt hier, dass sich die Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung bezieht auf die sehr eng gesetzte abgekürzte Frist von fünf Tagen, die nach Einleitung am Freitag, den 06.08., bereits am 11.08.2004 auslief. Es ist damit nicht ausgeschlossen, dass bei Einräumung der korrekten Frist die Mitarbeitervertretung erneut recherchiert hätte und eine neue bzw. andere Stellungnahme abgegeben hätte.
Der Einwand des Beklagten, die Mitarbeitervertretung sei über Monate hinweg umfangreich informiert worden, deshalb sei die fünftägige Frist ausreichend gewesen, ist nicht erheblich. Zur neuen Kündigung musste nach Zustimmung des Integrationsamtes ein neues Mitbestimmungsverfahren eingeleitet werden, die gesetzlichen Vorgaben waren für dieses Verfahren einzuhalten.
Weil eine Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht erfolgt ist und auch nach § 39 Abs. 3 MVG.Kon nicht als erteilt gilt, ist die ausgesprochene Kündigung unwirksam.
Weil die Kündigung unwirksam ist, sind auch die vom Arbeitsgericht angesprochenen Annahmeverzugsansprüche begründet. Die Ansprüche sind der Höhe nach unstreitig.
2. Anschlussberufung der Klägerin.
Nach der Rechtsprechung des BAG (Beschluss des Großen Senats vom 27.02.1985, GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf vorläufige Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses, wenn im Kündigungsschutzprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergangen ist. Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung des BAG, die gegenteilige Auffassung des Arbeitsgerichts, das eine unzulässige Rechtsfortbildung angenommen hat, wird nicht geteilt.
Entsprechend dem Beschluss des Großen Senats des BAG besteht der vorläufige Weiterbeschäftigungsanspruch aber nur dann, wenn nicht überwiegende Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung führt nicht automatisch zur Begründetheit des Weiterbeschäftigungsanspruchs, vielmehr können aus besonderen Umständen, insbesondere aus den Kündigungsgründen entgegenstehende überwiegende Interessen des Arbeitgebers dem Weiterbeschäftigungsanspruch entgegenstehen.
Der Beklagte wendet gegenüber dem Anschlussberufungsantrag der Klägerin ein, aufgrund der durchgeführten Rationalisierungsmaßnahmen im technischen Bereich sei der Arbeitsplatz weggefallen, ein anderer Arbeitsplatz sei nicht vorhanden. Dieser Einwand ist berechtigt und begründet das überwiegende Interesse des Beklagten an der Nichtbeschäftigung.
Der Beklagte hat dargelegt, dass der Kirchenkreisvorstand im Dezember 2003 die Reduzierung des technischen Dienstes auf eine halbe Stelle beschlossen hat. Dargelegt ist damit ein betriebsbedingter Kündigungsgrund, nämlich eine nicht nachprüfbare Unternehmensentscheidung zur Reduzierung der Arbeitsplätze. Durch Kündigung der Klägerin und Änderungskündigung des Mitarbeiters W. (die letztlich gescheitert ist) ist diese Unternehmensentscheidung zum Wegfall der Arbeitsplätze umgesetzt worden. Dass die Klägerin sinnvoll in der jetzigen Arbeitsorganisation des Beklagten eingesetzt und beschäftigt werden kann, ist nicht ersichtlich. Hierbei war zu berücksichtigen, dass der Mitarbeiter W. nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess auf einem vollen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden muss. Eine Beschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen freien Arbeitsplatz ist auch von der Klägerin nicht schlüssig dargelegt worden. Schließlich sind im Kirchenkreisamt lediglich 32 bis 35 Mitarbeiter beschäftigt, davon 70 % in Teilzeit. Die Beschäftigungsmöglichkeiten sind begrenzt, zumal die Klägerin aufgrund ihrer Qualifikation nur auf einem Teil der Arbeitsplätze eingesetzt werden könnte.
Schließlich beruht die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vorliegend nicht auf der Verneinung eines Kündigungsgrundes gemäß § 1 Abs. 2 KSchG. Die Feststellung erfolgt wegen fehlender Zustimmung der Mitarbeitervertretung. Der behauptete betriebsbedingte Kündigungsgrund, Arbeitsplatzwegfall, ist bisher gerichtlich nicht abschließend überprüft.
In der Gesamtbewertung muss dann aber ausgehend von den Darlegungen der Beklagten von einer fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und damit von einem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung ausgegangen werden. Die Anschlussberufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
Soweit die Anschlussberufung zurückgewiesen worden ist, bestand keine Veranlassung zur Revisionszulassung. Die Klägerin wird verwiesen auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG.
Die Zulassung der Revision zugunsten des Beklagten beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Auf die folgende Rechtsmittelbelehrung wird hingewiesen.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 16.896,00 EUR festgesetzt.
Die Streitwertentscheidung erfolgt gemäß § 63 Abs. 2 GKG. Gemäß § 42 Abs. 4 GKG war der Kündigungsschutzantrag mit drei Monatsvergütungen zu bewerten, für den Beschäftigungsantrag war eine weitere Monatsvergütung hinzuzurechnen. Die Annahmeverzugsansprüche für die Monate Januar bis Juli 2005 konnten nur in Höhe von vier Monatsvergütungen á 1.569,-- EUR berücksichtig werden. Wegen der weiteren drei Monatsvergütungen besteht wirtschaftliche Identität mit dem Kündigungsschutzantrag, eine Erhöhung des Streitwertes ist insoweit nicht eingetreten.