Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.10.2006, Az.: 16 Sa 286/06

Anforderungen an die Annahme eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses; Voraussetzungen für eine wirksame Befristung eines Arbeitsverhältnisses; Möglichkeit der nachträglichen Befristung eines Arbeitsvertrages; Rechtliche Einordnung der Aufnahme einer mündlich vereinbarten Befristung in den schriftlichen Arbeitsvertrag nach Aufnahme der Arbeit durch den Arbeitnehmer

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
06.10.2006
Aktenzeichen
16 Sa 286/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 27342
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2006:1006.16SA286.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Lingen - 08.12.2005 - AZ: 1 Ca 407/05

Amtlicher Leitsatz

Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht noch nicht, wenn der Arbeitnehmer zwar seinen Dienst angetreten hat, er aber vor Unterzeichnung des befristeten Arbeitsvertrages noch keine Arbeitleistung erbracht hat und noch keine vertretungsberechtigte Person erkennbar rechtsverbindliche Absprachen mit dem Arbeitnehmer getroffen hat.

In dem Rechtsstreit
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Kupetz,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Ehms
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 08.12.2005, Az. 1 Ca 407/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt mit der Klage die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis durch eine vereinbarte Befristung zum 31.08.05 nicht beendet worden ist.

2

Der 1967 geborene Kläger war bei dem beklagten Land in der Justizvollzugsanstalt L. als Kraftfahrer in der Zeit vom 01.01.2003 bis 31.08.2005 beschäftigt. Grundlage der arbeitsvertraglichen Beziehungen war der Arbeitsvertrag vom 02.01.03. Hierin war u.a. vereinbart, dass der Kläger als vollbeschäftigter Arbeiter auf bestimmte Zeit zum 31.08.2005 für die Dauer der vollen Erwerbsunfähigkeit des Kraftfahrers H. eingestellt wird. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf diesen (Bl. 4/5 d.A.) Bezug genommen.

3

Die Einstellung erfolgte nach einem Vorstellungsgespräch vom 09.12.2002, in dem der Kläger u.a. darauf hingewiesen wurde, dass es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis ab dem 01.01.2005 für die Dauer der vollen Erwerbsunfähigkeit des Kraftfahrers, Herrn H., handelte. Entsprechend war die Stelle auch ausgeschrieben.

4

Der Kläger erhielt sodann am 11.12.2002 die telefonische Mitteilung von dem Geschäftsleiter der Justizvollzugsanstalt, dass er den Zuschlag für die Stelle bekommen habe.

5

Die Justizvollzugsanstalt L. richtete unter dem Datum des 20.12.2002 ein für den Kläger das folgende Schreiben:

Einstellung als Kraftfahrer;

Sehr geehrter Herr S.,

ich beabsichtige, Sie mit Wirkung vom 1. Januar 2003 unter Eingruppierung in die Lohngruppe 5 Manteltarifvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Bundes und der Länder (MTArb) einzustellen.

Ich möchte Sie deshalb bitten, sich am Donnerstag, dem 2. Januar 2003 um 08.00 Uhr zum Dienstantritt in L., K.str. 5, L. zu melden.

Bei Ihrem Dienstantritt wird, wie vorbesprochen, ein befristeter Arbeitsvertrag zunächst für die Dauer der vollen Erwerbsunfähigkeit eines Kraftfahrers bis zum 31.08.2005 abgeschlossen werden.

Für die Einstellung benötige ich noch folgende Unterlagen:

- Lohnsteuerkarte

- Führungszeugnis (Antrag ist bei der Meldebehörde zu stellen)

- Sozialversicherungsausweis

- 3 Lichtbilder

Mit freundlichen Grüßen

Der Leiter der JVA L.

6

Tatsächlich trat der Kläger am 02.01.2003 um 08.00 Uhr seinen Dienst bei der Justizvollzugsanstalt L. an. Es erfolgte jedoch nicht sofort der Abschluss eines Arbeitsvertrages. Der Kläger wurde vielmehr zunächst für bestimmte Tätigkeiten, die er künftig zu verrichten hatte, eingewiesen. Der Kläger unterzeichnete den Arbeitsvertrag sodann zu einem späteren Zeitpunkt, ebenso wie weiteren Erklärungen (Bl. 18 bis 29 d.A.).

7

Am 18.11.2004 erfuhr die JVA L. von Herrn H., dass dieser bereits seit dem 01.09.2003 eine Daueraltersrente für Schwerbehinderte bezog.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die vereinbarte Befristung unwirksam sei. Eine Vereinbarung über die Beschäftigung ab dem 01.01.2003 sei einerseits bereits im Vorstellungsgespräch getroffen, andererseits spätestens aber mit der Zusage vom 11.12.2002. Nach der Erörterung im Bewerbungsgespräch über den Befristungsgrund sei am 02.01.2003 lediglich dasjenige schriftlich festgehalten worden, was zuvor bereits mündlich vereinbart worden sei. Die Tatsache, dass der Kläger bereits für den 01.01.2003 Lohn erhalten habe, zeige, dass zwischen den Parteien bereits eine Einigung über den Arbeitsvertrag erzielt worden sei.

9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass sich der befristete Arbeitsvertrag bereits in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt habe. Der Anstaltsleiter der JVA L. habe ihm nämlich am 02.01.2003 mitgeteilt, dass aus dem befristeten Arbeitsvertrag automatisch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis werde, wenn der Fahrer, den er zu vertreten habe, seine Tätigkeit nicht wieder aufnehmen würde. Dieser Sachverhalt sei tatsächlich eingetreten.

10

Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien

    aufgrund der Befristung zum 31.08.2005 nicht beendet worden ist,

  2. 2.

    hilfsweise festzustellen, dass seit dem 18.11.2004 zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

11

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Es hat die Auffassung vertreten, dass weder im Einstellungsgespräch noch im Telefongespräch vom 11.12.2002 ein rechtsverbindlicher Arbeitsvertrag zwischen den Parteien geschlossen worden sei. Der Geschäftsleiter sei zum Abschluss von Arbeitsverträgen nicht befugt. Vielmehr sei der Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages für den 02.01.2003 vereinbart worden, so dass dieser erst nach erfolgter Bekundung als geschlossen gelten könne. Eine rechtsverbindliche Zusage habe der Kläger nicht erhalten.

13

Durch Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 08.12.2005 wurde die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt und der Streitwert auf 6.811,80 EUR festgesetzt.

14

Wegen des Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses (Bl. 62 bis 67 d.A.) Bezug genommen.

15

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 01.02.06 zugestellt. Hiergegen legte dieser am 21.02.06 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungs-begründungsfrist bis 02.05.06 am 25.04.06.

16

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, es seien zeitlich zuerst mündliche Vereinbarungen über die Befristung des Arbeitsverhältnisses getroffen worden. Dieses sei einmal geschehen durch das Schreiben der JVA L. vom 20.12.2002, das als Angebot zum Abschluss des Vertrages zu werten sei, das der Kläger dann bei Dienstantritt am 02.01.02 angenommen habe.

17

Eine Vereinbarung sei zum anderen auch dadurch zustande gekommen, dass der Kläger bereits am 02.01.03 Arbeitsleistungen erbracht habe und der Arbeitsvertrag erst sechs Stunden später unterschrieben worden sei.

18

Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 25.04.2006 (Bl. 84 bis 86 d.A.) Bezug genommen.

19

Der Kläger beantragt sinngemäß

das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 08.12.2005 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der Befristung zum 31.08.2005 nicht beendet worden ist.

20

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

21

Es verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 03.07.2006. Hierauf wird verwiesen (Bl. 100 bis 102 d.A.).

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

23

Das Arbeitsverhältnis ist durch die vereinbarte Befristung gemäß Arbeitsvertrag vom 02.01.2003 zum 31.08.2005 beendet worden.

24

Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass ein Sachgrund für die Befristung gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG vorgelegen hat. Auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils kann insoweit in vollem Umfange verwiesen werden. Dieses hat der Kläger mit der Berufung auch nicht angegriffen.

25

Die Befristung ist auch wirksam gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG am 02.01.2003 schriftlich abgeschlossen worden.

26

Voraussetzung für die Wirksamkeit der Befristung ist insoweit, dass in dem unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrag eine eigenständige Befristung vereinbart und nicht lediglich eine zuvor mündlich getroffene Befristungsvereinbarung schriftlich niedergelegt wird. Zwar kann ein befristeter Arbeitsvertrag nachträglich befristet werden, was auch für einen mangels Schriftform unwirksam befristeten Arbeitsvertrag, der ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zur Folge hat, gilt. Voraussetzung ist stets, dass die Parteien übereinstimmende auf diese Rechtsfolge gerichtete Willenserklärungen abgeben. Daran fehlt es, wenn die Parteien lediglich eine mündlich vereinbarte Befristung zu einem späteren Zeitpunkt nach Aufnahme der Arbeit durch den Arbeitnehmer in einem schriftlichen Arbeitsvertrag niederlegen. Damit treffen sie nämlich in der Regel keine neue Befristungsvereinbarung, sondern halten nur schriftlich fest, was sie zuvor mündlich vereinbart haben (so BAG, Urteil vom 01.12.2004, Az. 7 AZR 198/04 in BB 2005, 1116 [BAG 01.12.2004 - 7 AZR 198/04] bis 1119; BAG vom 16.03.2005, Az. 7 AZR 289/04 in BB 2005, 1856 [BAG 16.03.2005 - 7 AZR 289/04] bis 1860).

27

Vorliegend haben die Parteien die Befristung verbindlich erst am 02.01.2003 durch Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrages vereinbart. Eine vorherige mündliche Vereinbarung der Parteien über die Befristung des Arbeitsverhältnisses liegt nicht vor.

28

Diese kann jedenfalls nicht gesehen werden in dem durchgeführten Einstellungsgespräch, da dort verbindliche Erklärungen nicht abgegeben werden, eben so wenig wie in dem Telefonat vom 11.12.2007 des Klägers mit dem Geschäftsleiter, der zum Abschluss von Arbeitsverträgen keine verbindlichen Erklärungen abgeben kann.

29

Eine verbindliche Vereinbarung ist auch nicht getroffen worden durch ein Angebotsschreiben der JVA L. vom 20.12.2002, das der Kläger nur noch anzunehmen brauchte und tatsächlich bei Dienstantritt angenommen hat.

30

Das Schreiben vom 20.12.2002 stellt nämlich kein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages, sondern beinhaltet nach dem Wortlaut dieses Schreibens nur die Ankündigung, einen Arbeitsvertrag künftig schließen zu wollen, also nur die Ankündigung zu einem Vertragsangebot. Dies ergibt sich daraus, dass nur die Absicht erklärt wird, den Kläger als Kraftfahrer einzustellen sowie aus der Mitteilung, dass bei Dienstantritt ein befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen werde, also erst dann entsprechende verbindliche Erklärungen abgegeben werden sollen. Dieses Schreiben ist auch aus dem Empfängerhorizont des Klägers so zu werten, dass nur die Absicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages erklärt wird, da sich dieses auch daraus ergibt, dass für die Einstellung noch Unterlagen benötigt werden wie z.B. die Vorlage eines Führungszeugnisses, das erkennbar für die Tätigkeit in der JVA L. benötigt wird. Hieraus wird insbesondere ersichtlich, dass die JVA L. erst in das Führungszeugnis Einsicht nehmen wollte, bevor eine verbindliche Erklärung bezüglich eines Vertragsabschlusses abgegeben wird. Damit konnte der Dienstantritt selber keine Annahme eines bereits vorliegenden Angebotes des beklagten Landes darstellen.

31

Auch die Tatsache, dass der Kläger seinen Dienst am 02.01.2003 angetreten hat und der Arbeitsvertrag erst zu einem späteren Zeitpunkt geschlossen wurde, führt nicht dazu, von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auszugehen. Auch nach dem Vortrag des Klägers 2. Instanz kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bereits eine konkrete Arbeitsleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht hat. Der Kläger trägt insoweit vor, dass er auf Fahrzeugen der Beklagten eingewiesen worden und bereits eine Fahrt zur Außenstelle nach G. absolviert habe. Dass der Kläger insoweit bereits selbständig tätig geworden ist im Rahmen einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung, kann insoweit letztlich nicht angenommen werden, da es insoweit nur um Einweisungen des Klägers gegangen ist.

32

Selbst wenn dieses angenommen werden könnte, so ist nicht ersichtlich, dass insoweit eine Person, die zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigt gewesen wäre, mit dem Kläger eine mündliche Vereinbarung über die Befristung bereits getroffen hat. Vom Kläger selbst nicht behauptet und auch aus den Umständen nicht erkennbar, hat den Kläger eine zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigte Person eingewiesen oder diesem Anweisungen gegeben, im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses tätig zu werden. Vielmehr sind verbindliche Vereinbarungen zu diesem Zeitpunkt nicht getroffen worden.

33

Der Kläger wusste auch aufgrund des Schreibens vom 20.12.2002, dass mit ihm ein Arbeitsvertrag abgeschlossen werde, was nur bedeuten kann, dass der Kläger mit einer insoweit vertretungsberechtigten Person eine Vereinbarung darüber trifft, dass der Vertrag geschlossen wird. Dieses ist aber tatsächlich erst geschehen, als der Kläger mit dem Anstaltsleiter der JVA L. gesprochen hat und dabei den befristeten Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Erst für diesen Zeitpunkt ist der Kläger mit einer insoweit zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigten Person zusammengetroffen und erst zu diesem Zeitpunkt konnten deshalb verbindliche Vereinbarungen getroffen werden. Dann aber ist die Unterschrift unter den Vertrag nicht nur eine Niederlegung von vorher getroffenen Vereinbarungen über die Befristung eines Arbeitsverhältnisses, vielmehr ist die Unterschrift unter den Arbeitsvertrag die eigentliche Vereinbarung über die Befristung.

34

Da die Befristungsvereinbarung als solche wirksam geworden ist, da ein sachlicher Grund vorliegt und auch die Schriftform gewahrt ist, ist eine verbindliche und rechtswirksame Vereinbarung über die Befristung des Arbeitsverhältnisses zustande gekommen.

35

Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

37

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

38

Gegen diese Entscheidung ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach Maßgabe des § 72 a ArbGG wird hingewiesen.