Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.09.2006, Az.: 10 Sa 346/06 B

Feststellung der zukünftigen Rentenzahlungsverpflichtung eines Arbeitgebers als zulässige Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses; Nachteile in der Altersversorgung als ein vom Arbeitnehmer zu tragendes und nicht auf den Arbeitgeber abwälzbares Risiko

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
15.09.2006
Aktenzeichen
10 Sa 346/06 B
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 33709
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2006:0915.10SA346.06B.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Lingen - 01.12.2005 - AZ: 1 Ca 341/05 B

Fundstellen

  • NZA-RR 2007, 94-95 (Volltext mit red. LS)
  • NZA-RR 2006, VI Heft 12 (amtl. Leitsatz)

In dem Rechtsstreit
...
hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2006
durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Spelge,
die ehrenamtliche Richterin Frau Klauenberg,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Busch
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 01.12.2005 - 1 Ca 341/05 B wird kostenpflichtig nach einem Wert von 12.600,00 EUR zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin bei Eintritt des Versorgungsfalls (Rentenfalles im Jahr 2009) die Differenz zwischen den tatsächlichen Altersbezügen und 75% des letzten Bruttomonatsentgelts auszugleichen.

2

Die am 00.00.1949 geborene Klägerin ist seit 1964 bei der Beklagten beschäftigt. Diese gewährte ihren Beschäftigten seit 1969 eine betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der Treuegeld-Ordnung vom 27.05.1969, auf die Bezug genommen wird (Bl. 6 bis 10 d.A.). Danach erhielten Arbeitnehmer bei Erreichen der Altersgrenze, die für Frauen bei 60 Jahren lag, ein Alterstreuegeld, das bei einer Betriebstreue von 25 oder mehr Jahren maximal 250,--DM monatlich betrug und in dem Maß dynamisiert wurde, wie die tarifliche Vergütung der Vergütungsgruppe V b BAT anstieg. Die Maximalhöhe des Treuegeldes betrug deshalb im Jahr 1980 571,10 DM monatlich (Bl. 43 d.A.).

3

Im Mai 1979 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern mit, dass die Treuegeld-Ordnung den neuesten Erfordernissen angepasst werden solle, weswegen ein versicherungsmathematisches Gutachten erstellt werde. Sie forderte deshalb die Aufrechnungskarten der Mitarbeiter an. Zum 01.10.1980 trat sie dem kommunalen Arbeitgeberverband Niedersachsen bei. Anschließend prüfte sie die dadurch eröffnete Möglichkeit eines Beitritts zu dem Versorgungssystem der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Mit Schreiben vom 12.11.1980, auf das Bezug genommen wird (Bl. 11 d.A.), teilte sie dies den Mitarbeitern mit. Die Mitgliedschaft bei der VBL gewähre "eine bessere Alters- und Hinterbliebenenversorgung als das GEWO-Treuegeld". Sie bot deshalb den Mitarbeitern eine Änderung des Arbeitsvertrages an, wonach der Treuegeldanspruch der Mitarbeiter nach Ablauf der fünfjährigen Wartezeit bei der VBL erlösche. Das Schreiben entstand vor dem Hintergrund einer Diskussion zwischen Belegschaft, Geschäftsführung und Aufsichtsrat der Beklagten, ob durch den Wechsel des Versorgungssystems eine Verbesserung oder Verschlechterung der Altersversorgung der Beschäftigten erfolge. Vor Annahme des Änderungsangebotes fand eine Betriebsversammlung statt. Ob und welche Äußerungen dabei vom damaligen Geschäftsführer der Beklagten K. über die Höhe der Gesamtversorgung der Beschäftigten gefallen sind, ist streitig. Im Anschluss an die Versammlung wurden die Beschäftigten einzeln in das Dienstzimmer des Geschäftsführers gerufen, der ihnen anhand einer Liste, die die Überschrift trägt "Auf wie viel% kommen die Mitarbeiter bei der VBL-Regelung?", ihren individuellen Höchstgesamtversorgungsgrad bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zur jeweiligen Altersgrenze mitteilte. Ausweislich dieser Liste, auf die Bezug genommen wird (Bl. 13 f. d.A.), betrug die Höchstgesamtversorgung der Klägerin bei Eintritt in den Ruhestand mit 60 Jahren 75%. Die Klägerin unterzeichnete danach - wie alle anderen Arbeitnehmer der Beklagten - das Änderungsangebot.

4

Die Arbeitnehmer der Beklagten B. und S. befinden sich zwischenzeitlich im Ruhestand. Sie erhalten in der Summe von gesetzlicher Altersrente und Zusatzrente der VBL eine Versorgung, die weniger als 75% ihres zuletzt bezogenen Bruttoentgelts beträgt. Die Beklagte gleicht diese Differenz nicht aus. Die Klagen auf Ausgleichung dieser Differenz sind vom Arbeitsgericht Lingen rechtskräftig abgewiesen worden (1 Ca 27/04 B und 1 Ca 28/04 B). Bei dem zwischenzeitlich ebenfalls in den Ruhestand getretenen Geschäftsführer K. und der Chefsekretärin M. gleicht die Beklagte die Differenz zwischen ihren Altersversorgungsbezügen und 75% des letzten Entgelts aus. Frau M. hat die erforderlichen Beschäftigungsjahre für eine 75-%ige Gesamtversorgung nicht erfüllt.

5

Die Klägerin begehrt mit ihrer im Juni 2005 erhobenen Klage die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, die Differenz zwischen den tatsächlichen Altersbezügen der Klägerin und 75% ihres letzten Bruttomonatsentgelts zu zahlen. Hinsichtlich des gegenwärtigen Standes ihrer Anwartschaft bei der VBL wird auf das Schreiben des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Niedersachsen vom 18.02.2005 (Bl. 36 bis 39 d.A.) verwiesen. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 01.12.2005, auf das hinsichtlich der Würdigung des erstinstanzlichen Streitstandes verwiesen wird (Bl. 47 bis 52 d.A.), die Klage abgewiesen. Gegen dieses ihr am 02.02.2006 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 01.03.2006 eingelegten und am Montag, den 03.04.2006 begründeten Berufung.

6

Die Klägerin meint, sie habe das erforderliche Interesse an der begehrten Feststellung. Es sei davon auszugehen, dass sie nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ab dem 01.01.2009 Rente beziehe und ihre Renteneinkünfte dann einen 75-%igen Gesamtversorgungsgrad unterschritten. Es sei ihr nicht zuzumuten, mit der Geltendmachung ihres Anspruches zu warten, bis sich der Rentennachteil realisiere.

7

Die Klägerin behauptet, seitens der Geschäftsführung der Beklagten sei den Mitarbeitern und damit auch der Klägerin die verbindliche Zusage erteilt worden, dass jeder Mitarbeiter einschließlich der VBL-Rente mindestens 75% des zuletzt erhaltenen Bruttoentgelts erhalte. Bei der Betriebsversammlung habe der Geschäftsführer K. erklärt, dass die bisherigen Rückstellungen der Beklagten eine 75-%ige Versorgung, bezogen auf den Bruttoverdienst im Zeitpunkt des Ausscheidens, gewährleisteten. Dies könne sich durch den Beitritt zur VBL nur verbessern. Das habe er durch Einholung von Rentengutachten und durch Gespräche mit Vertretern der VBL festgestellt. Er könne deshalb garantieren, dass jeder Mitarbeiter, der bis zum Erreichen der Altersrente 35 Dienstjahre bei der Beklage absolviert habe, eine 75-%ige Altersversorgung, bezogen auf das letzte Bruttoentgelt, erhalte. Die Klägerin behauptet weiter, ihr sei vor Unterzeichnung des Angebots vom 12.11.1980 vom Geschäftsführer K. versichert worden, eine Versorgung auf der Basis von 75% sei gesichert, wahrscheinlich werde sich diese Gesamtversorgung noch verbessern. Das Schreiben vom 12.11.1980 müsse im Zusammenhang mit den Aussagen des Geschäftsführers K. in der vorausgegangenen Betriebsversammlung gesehen werden. Das habe das Arbeitsgericht nicht beachtet. Aus Sicht der Klägerin könne die schriftliche Kernaussage und die verbindliche Zusage des Geschäftsführers, dass eine VBL-Rente mindestens 75% des zuletzt erhaltenen Bruttoentgelts abdecke, nur dahin verstanden werden, dass es keinem Zweifel unterliege, dass eine 75-%ige Versorgung gewährleistet sei. Die Geschäftsführung habe den Versorgungsgrad jedes Mitarbeiters festgestellt, um sodann zu der eindeutigen Aussage zu kommen, dass eine 75-%ige Versorgung bei Übertritt zur VBL gewährleistet sei. Die Beklagte habe bewusst die Formulierung "die Mitgliedschaft bei der VBL gewähre eine bessere Alters- und Hinterbliebenenversorgung als das GEWO-Treuegeld" gewählt, um deutlich zu machen, dass sie für die mindestens 75-%ige Versorgung einstehe. Wäre nur die Wiedergabe eines vorgenommenen Qualitätsvergleiches beabsichtigt gewesen, wie es das Arbeitsgericht angenommen habe, wäre dies - etwa durch das Wort "voraussichtlich" -deutlich gemacht worden.

8

Eine 75-%ige Gesamtversorgung sei das Leitbild der Beklagten gewesen. Für die Ansprüche aus der Treuegeld-Ordnung seien entsprechende Rückstellungen gebildet gewesen, aus denen nunmehr die Zahlungen an den ehemaligen Geschäftsführer Kxxx und Frau Mxxx erfolgten.

9

Durch das Schreiben vom 12.11.1980 sei bei allen Mitarbeitern ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Ohne die Erklärungen des Geschäftsführers K. hätten sie einem Übergang zur VBL nicht zugestimmt, jedenfalls aber nach Beginn der Rentendiskussion ergänzende Privatvorsorge getroffen. Die Beklagte habe auch dann, wenn eine Verpflichtungserklärung nicht vorliege, jedenfalls ihre Fürsorgepflicht dadurch verletzt, dass sie die Mitarbeiter nicht auf eine mögliche Schlechterstellung im Vergleich zur bisherigen Versorgungsregelung hingewiesen habe, weswegen sie der Klägerin zum Schadenersatz verpflichtet sei.

10

Die Klägerin beantragt,

das Urteil Arbeitsgerichts Lingen vom 01.12.2005 - 1 Ca 341/05 B - abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab Eintritt des Versorgungsfalls den Differenzbetrag zwischen 75% ihres zuletzt von der Beklagten bezogenen Bruttoentgelts und der Summe der von der Klägerin bezogenen Altersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund <früher: BfA> (Versicherungsnummer: xxx) und der von der Klägerin von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder VBL (Versichertennummer: xxx) bezogenen Betriebsrente zu zahlen.

11

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

12

Die Beklagte bestreitet die Garantie einer Altersversorgung in bestimmter Höhe und hält den Vortrag der Klägerin für unsubstantiiert. Das Schreiben vom 12.11.1980 enthalte nur eine Auskunft, aber keine Verpflichtungserklärung. Auch der Geschäftsführer K. habe keine Verpflichtungserklärungen abgegeben, sondern nur Berechnungsbeispiele dargelegt. Die von der Klägerin vorgelegte Zusammenstellung (Bl. 13 f. d.A.) stelle nur eine unverbindliche Berechnung dar. Im Jahr 1980 habe niemand vorhersehen können, wie sich die private Versorgungskasse der Beklagten oder die VBL-Rente entwickeln werde. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen sprächen dagegen, dass die Beklagte mit eigenem Vermögen habe einstehen wollen, wenn die Prognose der Versorgungshöhe sich nicht bestätige. Die Beklagte müsse nicht dafür einstehen, dass sich der Standard der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes seit 1980 verschlechtert habe.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, § 519, § 520 Abs. 3 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet.

14

I.

Die Klage ist in der im Termin vom 15.09.2006 gestellten Fassung zulässig. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch betrifft ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Ein betriebsrentenrechtliches Rechtsverhältnis wird nicht erst mit Eintritt des Versorgungsfalles, sondern bereits mit Entstehen einer Versorgungsanwartschaft begründet (BAG, 07.03.1995, 3 AZR 282/94, AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG - Gleichbehandlung <A III 1 d. Gr.>). Es besteht angesichts der zahlreichen Kürzungen im System der gesetzlichen Altersrente und der Umstellung des Zusatzversorgungssystems im öffentlichen Dienst auch kein Zweifel, dass die Versorgungsbezüge der Klägerin in ihrer Summe ebenso wie bei den bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern Bxxx und Sxxx 75% ihres letzten Bruttogehalts unterschreiten werden. Nachdem die Beklagte bestreitet, dass sie die Differenz zwischen den tatsächlichen Versorgungsbezügen der Klägerin und 75% ihres letzten Gehalts ausgleichen muss, ist die Rechtslage für die Klägerin unsicher geworden. Es besteht für sie ein Bedürfnis, die Rechtslage alsbald zu klären. Es ist für sie auch schon vor Eintritt des Versorgungsfalles wichtig zu wissen, welche Versorgungsansprüche ihr später zustehen werden, weil davon abhängt, inwieweit Versorgungslücken entstehen werden. Der Klägerin muss die Möglichkeit eröffnet werden, sich möglichst frühzeitig auf bestehende Versorgungslücken einzustellen (BAG, 13.05.1997, 3 AZR 66/96, AP Nr. 36 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung <B I 3 d. Gr.>; BAG, 27.02.1996, 3 AZR 886/94, AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung <A III 2 d. Gr.>).

15

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

16

1.

Die Klägerin hat eine vertragliche Zusage der Beklagten, ihr die Differenz zwischen ihren tatsächlichen Versorgungsbezügen, die sie vom gesetzlichen Rentenversicherungsträger und der VBL erhalten wird, und 75% ihres letzten Bruttogehalts auszugleichen, nicht schlüssig dargelegt. Ihren Beweisanträgen war daher nicht nachzugehen.

17

Die Klägerin behauptet, ihr sei die verbindliche Zusage erteilt worden, dass jeder Mitarbeiter einschließlich der VBL-Rente mindestens 75% des zuletzt erhaltenen Bruttoentgelts erhalte. Der Geschäftsführer habe ihr vor ihrer Unterschrift unter das Angebot vom 12.11.1980 versichert, eine Versorgung auf Basis von 75% sei gesichert. Diese Äußerungen dürfen jedoch nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen - worauf die Klägerin selbst hinweist - im Kontext der von der Beklagten beabsichtigten Umstellung ihres Versorgungssystems gesehen werden. Die Beklagte ließ ab Mai 1979 die bisherige Altersversorgung überprüfen und beschloss, nach Beitritt zum Kommunalen Arbeitgeberverband Niedersachsen die Versicherung ihrer Arbeitnehmer bei der VBL. Gleichzeitig bot sie ihren Beschäftigten die Ablösung der bisherigen Versorgung durch das Zusatzversorgungssystem des öffentlichen Dienstes an. In der der Unterzeichnung des Änderungsangebotes der Beklagten vorausgehenden Betriebsversammlung erklärte der Geschäftsführer nach dem Vortrag der Klägerin, er könne nach Einholung von Rechtsgutachten und Gesprächen mit Vertretern der VBL garantieren, dass jeder Mitarbeiter nach 35 Dienstjahren eine 75-%ige Versorgung -bezogen auf das letzte Bruttomonatsgehalt - erhalte. Dementsprechend enthält auch die der Klägerin vor Unterzeichnung des Änderungsangebotes vorgelegte Liste (Bl. 13 f. d.A.) die mögliche Höchstversorgung nach dem Zusatzversorgungssystem des öffentlichen Dienstes. Die Klägerin trägt ferner auf S. 2 der Berufungsbegründung (Bl. 89 d.A.) ausdrücklich vor, der Geschäftsführer habe verbindlich zugesagt, dass die VBL-Rente 75% des letzten Bruttoentgelts abdecke.

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Aus den Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten - selbst wenn sie so gefallen sein sollten, wie es die Klägerin behauptet - lässt sich deshalb nur der Rückschluss ziehen, dass nach Einholung der erforderlichen Auskünfte und unter Bezug darauf die Beklagte in allen Gesprächen und im Schreiben vom 12.11.1980 (Bl. 11 d.A.) den damals aktuellen Stand der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, der eben eine Gesamtversorgung von 75% des letzten Bruttoentgelts vorsah, wieder gab. Ihrem Schreiben vom 12.11.1980 lag damit auch für die Klägerin nach deren Empfängerhorizont erkennbar nur die subjektive, auf dem Stand November 1980 beruhende Einschätzung zugrunde, dass das Zusatzversorgungssystem des öffentlichen Dienstes die gleiche oder sogar eine bessere Versorgung als die bisher bei der Beklagten bestehende Treuegeld-Ordnung biete. Sämtliche mündliche und schriftliche Äußerungen der Beklagten bzw. ihrer Vertreter waren nur Wissens-, nicht aber Willenserklärungen. Eine die Beklagte verpflichtende Garantie einer Mindestversorgung von 75% des letzten Bruttomonatsgehalts, die bei Unterschreiten dieses Versorgungsgrades durch die Summe von gesetzlicher Altersrente und Zusatzrente der VBL von der Beklagten ausgeglichen werden sollte, folgt aus diesen Erklärungen deshalb nicht. Dass bei der Beklagten das Leitbild einer Versorgung von 75% der letzten Bruttobezüge bestanden hat, ändert daran nichts. Die Beklagte ging - wie ausgeführt - gerade davon aus, dass das neue Altersversorgungssystem diesem Leitbild ebenfalls genüge. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Eingriffe des Gesetzgebers in die Sozialversicherungssysteme und sich daraus für den Arbeitnehmer ergebende Nachteile in der Altersversorgung nach der Konzeption der Sozialversicherung grundsätzlich zu dem Risiko gehören, das der Arbeitnehmer zu tragen hat und das er nicht, auch nicht anteilig, auf den Arbeitgeber abwälzen kann, weil der Arbeitgeber keinen Einfluss auf diese gesetzlichen Bestimmungen hat (vgl. BAG, 14.03.2000, 9 AZR 212/99, DB 2000, S. 680, voller Wortlaut in juris <B II 3 b bb (1) d. Gr.>). Gleiches gilt für Änderungen des Zusatzversorgungssystems des öffentlichen Dienstes. Insbesondere war Ende 1980 weder vorherzusehen, dass die Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung auch für Frauen auf die Vollendung des 65. Lebensjahres angehoben und der vorzeitige Rentenbezug mit hohen Abschlägen verbunden sein würde (§ 237 a SGB VI), noch dass die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes nach der Entscheidung des BVerfG vom 22.03.2000 (1 BvR 1136/96, AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG) die gesamte Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes tiefgreifend umgestalten würden. Vor diesem Hintergrund wäre eine ausdrückliche, eindeutige Erklärung der Beklagten, dass sie jegliches Risiko einer Kürzung der gesetzlichen Altersrente und/oder der Zusatzversorgungsrente der VBL tragen und ausgleichen wolle, erforderlich gewesen, um einen Anspruch der Klägerin auf Ausgleich der renten- und zusatzversorgungsrechtlichen Nachteile zu begründen. Daran fehlt es jedoch auch nach dem Vortrag der Klägerin, worauf schon das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat.

19

2.

Die Änderungsvereinbarung vom 12.11.1980 ist auch nicht nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzupassen. Geschäftsgrundlage sind nur die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsabschluss jedoch zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut. Ändern sich diese Umstände nach Vertragsschluss schwerwiegend und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann die Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Risikoverteilung, das Festhalten am veränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (§ 313 BGB). Dies ist nur dann der Fall, wenn die Grenzen des vertraglich übernommenen Risikos überschritten sind und deshalb die benachteiligte Vertragspartei ihr Interesse an der getroffenen Vereinbarung nicht mehr auch nur annähernd gewahrt sehen kann. Auch tiefgreifende Störungen begründen daher keinen Anspruch auf Vertragsanpassung, wenn sich mit ihnen ein Risiko verwirklicht, das allein der benachteiligten Partei zuzuordnen ist. Das gilt auch dann, wenn die Störung auf einer Gesetzesänderung beruht. Wer die Folgen einer Änderung des Gesetzes zu tragen hat, bestimmt sich unter Berücksichtigung des Vertragsinhaltes nach dem mit dem Vertrag verfolgten Zweck und der gesetzlichen Risikoverteilung (vgl. BAG, DB 2000, S. 680 <B II 3 b a.A. d. Gr.>).

20

Die Parteien haben am 12.11.1980 die Versicherung der Klägerin bei der VBL vereinbart. Es handelte sich um eine dynamische Verweisung auf das Zusatzversorgungssystem des öffentlichen Dienstes. Damit sollte - nach Ablauf der Wartezeit - das jeweils gültige Versorgungsrecht der VBL gelten. Eine solche dynamische Verweisung enthält stets Risiken für beide Vertragsparteien. Die Zusatzversorgung konnte sich hier zum Nachteil der Beklagten (etwa durch Erhöhungen der zu entrichtenden Umlage), aber auch wie geschehen zum Nachteil der Klägerin auswirken. Änderungen des Rechts der gesetzlichen Altersversorgung fallen wie ausgeführt ohnehin in das ausschließliche Risiko des Arbeitnehmers. Die vertragliche Risikoverteilung umfasste damit auch die auf sozialpolitischen Erwägungen beruhenden Kürzungen der gesetzlichen Altersrente und der Zusatzversorgungsrente der VBL. Mit der Änderung der maßgebenden rentenrechtlicher Bestimmungen musste gerechnet werden, ohne dass die Beklagten darauf Einfluss nehmen konnte. Das Risiko der Verschlechterung der von beiden Parteien angenommenen Gesamtversorgung von 75% des letzten Bruttoentgelts fällt deshalb ausschließlich in die Risikosphäre der Klägerin und begründet keinen Anspruch auf eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (vgl. BAG, a.a.O. <B II 3 b bb (1) d. Gr.>; BAG, 16.08.1988, 3 AZR 61/87, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG - Beamtenversorgung <4 d. Gr.>).

21

3.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit dem Geschäftsführer Kxxx und der Mitarbeiterin Mxxx zu. Dies hat das Arbeitsgericht mit zutreffenden Erwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 69 Abs.2 ArbGG), begründet. Dagegen erhebt die Berufung keine Rüge.

22

4.

Der begehrte Anspruch steht der Klägerin schließlich auch nicht als Schadenersatz zu. Es fehlt bereits an jeglicher schuldhafter Verletzung von Vertrags- oder Fürsorgepflichten durch für die Beklagte handelnde Vertreter. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, worauf verwiesen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG), ohne dass die Berufung dagegen Angriffe führt. Im Gegenteil hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Termin vom 15.09.2006 ausdrücklich erklärt, der Vorwurf arglistigen Verhaltens werde gegen den Geschäftsführer der Beklagten nicht erhoben.

23

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

24

IV.

Der Wert war gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG auf den dreifachen Jahresbetrag der zu erwartenden Differenz zwischen den Gesamtaltersversorgungsbezügen der Klägerin und 75% ihres letzten Bruttoentgelts festzusetzen. Entsprechend der übereinstimmenden Erklärungen der Parteien im Termin war diese Differenz mit 350,-- EUR anzunehmen.

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Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), lagen nicht vor.

Spelge
Klauenberg
Busch