Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.05.2007, Az.: 16 Sa 1302/06
Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Senkung des Entgelts der Arbeitnehmer; Vorliegen eines betrieblichen Erfordernisses zum Ausspruch einer Änderungskündigung aufgrund eines Insolvenzplans; Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungsgefüge/Lohngefüge; Prüfung des Vorliegens einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 23.05.2007
- Aktenzeichen
- 16 Sa 1302/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 38292
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2007:0523.16SA1302.06.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 2 KSchG
- § 2 KSchG
Fundstellen
- AUR 2007, 403 (amtl. Leitsatz)
- AuR 2007, 403 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
Ein Sanierungsplan muss das Erfordernis der Senkung der Entgelte der Mitarbeiter konkret enthalten.
Es wiederspricht dem Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn nur eine Gruppe von Arbeitnehmern zu Maßnahmen der Senkung der Vergütung herangezogen wird. Allein die Tatsache, dass sich die Belegschaft in diesem Betriebsteil mehrheitlich mit den Maßnahmen einverstanden erklärt hat, rechtfertigt keine Änderungskündigung der in der Minderheit gebliebenen Arbeitnehmer.
In dem Rechtsstreit
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes und
die ehrenamtlichen Richtern Herrn Bertsche und Herrn Weisweber
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 23.05.2006, Az. 1 Ca 867/05, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung, mit der die Beklagte das Entgelt abzusenken beabsichtigte.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit 01.03.1992 zu einer Bruttovergütung von zuletzt 2055,38 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden beschäftigt.
Die Beschäftigung erfolgt im Lager E. der Beklagten, wo ca. 220 Mitarbeiter tätig waren. Die Beklagte betreibt ein Geschäft des Einzelhandels und gehört zu den größten Drogeriemarktketten in der Bundesrepublik Deutschland. Sie stellte am 30.05.05 beim Amtsgericht A-Stadt einen Insolvenzantrag. Zu diesem Zeitpunkt wurden bundesweit in 678 Filialen insgesamt 7.630 Mitarbeiter beschäftigt. Zentraler Geschäftssitz ist A-Stadt mit nunmehr noch ca. 200 Mitarbeitern.
Durch Beschluss vom 01.09.2005 wurde durch das Amtsgericht A-Stadt das Insolvenzverfahren zum 01.09.2005 eröffnet und die Eigenverwaltung gemäß den §§ 270 ff. Insolvenzordnung (InsO) unter Aufhebung der bis dahin angeordneten vorläufigen Verwaltung angeordnet.
Das Insolvenzverfahren wurde im Januar 2006 wieder aufgehoben. Bereits vor Stellung des Insolvenzantrages wurden seitens der Beklagten Sanierungs- und Restruktierungsmaßnahmen eingeleitet. So wurde das zweite Lager der Beklagten in N. zum 31.08.2005 geschlossen. Da das Lager E. als einziges Lager verblieb, wurden hier Mitarbeiter eingestellt und zudem Leiharbeitnehmer eingesetzt.
Das Ziel der Beklagten war es, das Unternehmen durch Vereinbarung eines Insolvenzplanes zu sanieren. Dieser wurde erstellt. Am 17.11.2005 wurde dieser in einer Versammlung abgestimmt und mit einer großen Mehrheit von über 99 % der Stimmen angenommen. Wegen des Inhalts des Insolvenzplanes wird auf diesen (Anlage zur Klageerwiderung) Bezug genommen.
Aus dem Insolvenzplan mit Datum vom 02.11.2005 ergeben sich die Sanierungsmaßnahmen, wie im Folgenden aufgeführt:
Schließung des Lagers N. und Konzentration der Logistik auf das Lager E.
Schließung von 80 unrentablen Filialen
Kündigung von 771 Arbeitsverhältnissen im Lager N., in den Filialen und in der Zentrale
Forderungsverzicht der Gläubiger auf 95 % ihrer Insolvenzforderungen
Verzicht der Lieferanten auf 20 % ihrer Eigentumsvorbehaltsrechte
Verzicht der Kreditinstitute (Goldman Sachs) auf Verwertung ihrer Sicherheiten
Sicherstellung der 5%igen Insolvenzquote auf die Insolvenzforderungen durch Goldman Sachs bis zu einem maximalen Zuzahlungsbetrag von 11.350.000,00 EUR
Finanzierung der abgeschlossenen Sozialpläne in Höhe von derzeit 2.785.000,00 EUR (maximal 3.150.000,00 EUR) aus den Erlösen der Verwertung der an Goldman Sachs sicherungsübereigneten Warenbestände
Sanierungsbeitrag der Belegschaft durch Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2005 und 2006
Reduzierung der Personalkosten im Bereich Logistik von derzeit 12,4 Mio. EUR im Jahr auf rund 9 Mio. EUR
Bereits imm Vorfeld wurde über die Schließung eines der beiden Lager, die als erforderlich angesehen wurde, diskutiert. Bei der Auswahl spielten hierbei auch Kostengesichtspunkte eine wesentliche Rolle.
Im Lager E. hat am 10.02.2005 eine Versammlung der Mitarbeiter stattgefunden. In dieser Versammlung wurden Maßnahmen zur Kostensenkung diskutiert, die sich in einer Erklärung vom 10.02.2005 wiederfinden, die von der Betriebsleitung, der Betriebsratsvorsitzenden sowie im Namen aller Führungskräfte unterschrieben wurde. Die Abstimmung unter den Mitarbeitern ergab, dass 80 % der Mitarbeiter/innen die Maßnahmen mittragen würden, 20 % sich enthalten. Die Maßnahmen stellten sich wie folgt dar:
Einführung einer 40h/Woche
Absenkung der Gehälter
- a)
um 280,-- EUR bei einem männlichen Mitarbeiter (auf Basis einer VAK/Lagergrundlohn zzgl. Erschwerniszulage bzw. bei MA/innen die Lagergrundlohn verdienen)
- b)
um 220,-- EUR bei allen übrigen Mitarbeiter/innen (weibl./männlich ohne Zulagen
Damit einhergehend die Einführung eines leistungsbezogenen Prämien-Lohnsystems, wobei jeder MA die Möglichkeit bekommt, maximal 75% seiner Gehaltskürzung wieder zu egalisieren. Die Details hierzu müssten im Speziellen noch vereinbart werden.
Potentielle Neueinstellungen würden nach dem Speditionstarif Niedersachsen eingruppiert.
Die Entscheidung, das Lager N. zu Gunsten des Lagers E. zu schließen, wurde in einer Gläubigerausschusssitzung am 21.06.2005 getroffen. Neben den Kostengründen wurden für die Schließung des Lagers N. folgende Argumente im Insolvenzplan genannt:
Der Schwerpunkt der Filialen der liegt in NRW und Niedersachsen um das Lager A-Stadt herum.
Das Lager N. müsste bei einer Schließung des Lagers A-Stadt ausgebaut werden, die erweiterte Kapazität stünde erst in sechs bis sieben Monaten zur Verfügung.
In A-Stadt stand sofort ein weiteres, am 22.06.2005 noch unbenutztes Lager zur Verfügung, um zusätzliche Ware aufzunehmen.
A-Stadt verfügt über mehrere anderdock-slots, die eine reibungslose An- und Auslieferung ermöglicht.
N. allein hätte für das erwartete Weihnachtsgeschäft mit doppelten Umsätzen erforderliche Kapazitäten nicht aufbauen können.
Die Immobilie N. ist moderner und wird als leichter veräußerbar eingeschätzt.
Da durch die Schließung des Lagers N. das Lager E. von der Schließung verschont blieb, sollte als Sanierungsbeitrag der Belegschaft E. im Gegenzug der angebotene Lohnverzicht umgesetzt werden. Vor der Umsetzung hat die Geschäftsführung der Beklagten Verhandlungen mit dem Betriebsrat der Beklagten aufgenommen, um ein Prämienlohnsystem für das Lager E. einzuführen. Mit dem Betriebsrat wurde unter dem Datum des 15.08.2005 eine Betriebsvereinbarung über ein Prämienlohnsystem für das Zentrallager A-Stadt abgeschlossen. Wegen des Inhalts wird auf die Anlage 6 der Klageerwiderung der Beklagten verwiesen. Hier war unter anderem vorgesehen, dass durch zusätzliche Arbeitsverdichtung Prämien erzielt werden konnten, um einen Ausgleich des Lohnverzichtes zu ermöglichen, dieser sogar 120 % betragen konnte. Weiter war in § 2 Ziffer 3 vereinbart, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die keine Entgeltreduzierung vereinbart haben, keine Prämie erhalten. In einer Übergangsphase bis 31.12.2005, die später verlängert wurde, sollte eine Mindestprämie von 40 % gezahlt werden.
Durch Betriebsvereinbarung vom 20.02.2007 wurde diese Betriebsvereinbarung per 31.01.2007 wieder aufgehoben und eine Regelungsabrede getroffen, dass ab 01.02.2007 ein 77 %iger Ausgleich gezahlt wird.
Tatsächlich wurden zu Beginn des Prämienlohnsystems im Oktober und November 2005 Prämien erzielt, die über die Mindestprämie von 40 % hinausgingen. Ab Dezember 2005 bis Februar 2006 wurde keinerlei Prämie mehr erarbeitet.
Von den 220 betroffenen Mitarbeitern des Lagers E. haben 58 Mitarbeiter den Lohnverzicht von 12,21 % nicht unterzeichnet. Zu den 58 Mitarbeitern, die den Lohnverzicht nicht unterzeichnet haben, gehört auch der Kläger. Die Beklagte hat daraufhin eine Änderungskündigung unter dem Datum des 28.11.2005 fristgerecht ausgesprochen, um den Lohnverzicht und die Teilnahme des Klägers am Prämienlohnsystem einseitig durchzusetzen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Klage.
Der Betriebsrat wurde zu der Änderungskündigung vom 28.11.2005 mit Schreiben vom 17.11.2005 angehört (Anlage 9 zur Klageerwiderung). Der Betriebsrat hat der ordentlichen Änderungskündigung nicht zugestimmt und dieses gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 23.11.2005 erklärt.
Im Insolvenzplan vom 02.11.2005 ist im Gliederungsteil V (bisherige Maßnahme im Insolvenzverfahren) geregelt, dass die Schließung des Lagers N. und die Verlagerung nach E. stattfinde, dass parallel mit dem überwiegenden Anteil der Mitarbeiter in E. ein Lohnverzicht von 12,2 % vereinbart worden ist, ein neues Prämienlohnsystem eingeführt wurde und darüber hinaus eine neue Führungsstruktur installiert wurde, dass die Schließung von 80 Filialen planmäßig verlaufe und dass als Beitrag der weiterbeschäftigten Mitarbeiter und der Einzelbetriebsräte Verhandlungen liefen über ein Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld mit Wirkung ab 01.09.2005. Bezüglich der Schließung des Lagers N. und der Verlagerung nach E. ist am Ende ausgeführt:
Insgesamt ist es geplant, die Personalkosten im Bereich Logistik von EUR 12,4 Mio. pro Jahr auf rd. EUR 9 Mio. zu reduzieren.
Unter Ziffer VI (Prämissen des Insolvenzplanes, sind die wirtschaftlichen Annahmen und zeitlichen Abfolgen, die noch erfolgen sollen, zusammengefasst worden. Diese sollen die Leitlinien des Verfahrens darstellen, wenn bei Nichteintritt oder Ausbleiben sich die Quoten verändern konnten. Insoweit wird auf Seite 27 des Insolvenzplanes verwiesen.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Änderungskündigung ungerechtfertigt sei, da keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vorlägen. Ein Recht zur Entgeltkürzung komme nur dann in Betracht, wenn ansonsten der Betrieb stillgelegt oder Teile der Belegschaft reduziert werden müssten oder der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers wegfallen würde. Es sei jedoch nicht erkennbar, dass durch die ausgesprochene Änderungskündigung im Zusammenhang mit den übrigen Änderungskündigungen ein konkreter Beitrag zur Sanierung des Unternehmens noch geleistet werden könne. Zudem sei das Prämiensystem, wie sich tatsächlich gezeigt habe, kein substantieller Ausgleich für die Verluste, die durch die Entgeltreduzierung entstehen würden. Dieses ergebe sich sowohl aus der Tatsache der Nachbesserung der Betriebsvereinbarung bezüglich der Grundprämie wie auch aus der Tatsache, dass diese zwischenzeitlich aufgehoben sei.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 28.11.2005 unwirksam sind.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Änderungskündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei. Zur Rettung des Unternehmens sei ein Insolvenzplan aufgestellt worden, der umfangreiche Sanierungsmaßnahmen vorsehe und von allen Beteiligten erhebliche Sanierungsbeiträge verlange. Der Insolvenzplan sehe vor, dass die Reduzierung der Personalkosten im Bereich Logistik von derzeit 12,4 Mio. EUR auf rd. 9 Mio. EUR pro Jahr erforderlich sei.
Da die Beklagte ein Sanierungsfall gewesen sei, wie der Insolvenzantrag und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zeige, sei der Betrieb nur zu sanieren gewesen, wenn sämtliche Vorgaben des Insolvenzplanes eingehalten würden. Dazu gehöre auch der Lohnverzicht in Höhe von 12,21 % der Mitarbeiter im Lager E., der zu einer Gesamteinsparung von ca. 710.000,00 EUR pro Jahr führen würde.
Da das Prämienlohnsystem einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Mitarbeiter darstelle, sei die erstrebte Änderung der Arbeitsbedingungen auch zumutbar.
Der Lohnverzicht sei auch verhältnismäßig. Der Lohnverzicht sei vom Betriebsrat sowie der überwiegenden Anzahl der Mitarbeiter im Lager E. angeboten worden, so dass es gerechtfertigt gewesen sei, dass die Beklagte das Angebot der Mitarbeiter angenommen habe.
Schließlich könne nicht allein darauf abgestellt werden, ob einzelne Sanierungsmaßnahmen ganz oder teilweise zur Umsetzung gelangten. Entscheidend sei, dass der Insolvenzplan aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen und Sanierungsschritten bestehe und deshalb in der Gesamtheit zur Umsetzung gelangen müsse, um eine Sanierung des Unternehmens vornehmen zu können.
Ergänzend wird auf die erstinstanzliche gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Durch Urteil des vom 23.05.2006 wurde festgestellt, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 28.11.2005 unwirksam sind. Der Beklagten wurden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und der Wert des Streitgegenstandes auf 4110,76 EUR festgesetzt. Wegen des Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses verwiesen. Das Urteil wurde der Beklagten am 18.07.2006 zugestellt. Hiergegen legte diese am 17.08.2006 Berufung ein und begründete diese mit einem am 28.08.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz.
Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, dass grundsätzlich darauf hinzuweisen sei, dass die Beklagte sanierungsbedürftig gewesen sei und deshalb der Insolvenzplan aufgestellt worden sei. Im Insolvenzplan sei die Reduzierung der Personalkosten im Bereich der Logistik im Lager E. von 12,4 Mio. EUR pro Jahr auf 9 Mio. EUR pro Jahr vorgesehen gewesen. Gegenstand der Personalkostenreduzierung sei der Lohnverzicht von 12,21 %, der zu einer jährlichen Kosteneinsparung von 710.000,00 EUR führe. Damit seien alle möglichen und zumutbaren Mittel der Personalkosteneinsparung im Lager E. ausgeschöpft, um den notwendigen Sanierungsbeitrag für die Gesamtsanierung des Unternehmens aus diesem Bereich zu erzielen.
Eine Alternative zu dem abgeschlossenen Insolvenzplan habe es nicht gegeben. Dieses wäre einer Zerschlagung des Unternehmens gleichgekommen. Dieses bedeute gleichzeitig, dass die Sanierungsmaßnahmen aus dem Insolvenzplan komplett hätten umgesetzt werden müssen, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Damit seien dringende betriebliche Erfordernisse für die Änderungskündigung gegeben, da nur die Umsetzung aller im Insolvenzplan geforderten Sanierungsmaßnahmen gewährleiste, dass die Sanierung aus der Insolvenz heraus erfolge und damit der Erhalt der Arbeitsplätze möglich sei.
Es liege auch kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor, der nur anzunehmen wäre, wenn die Beklagte den Arbeitnehmern des Lagers E. ohne sachlichen Grund eine Lohnsenkung zugemutet hätte, und zwar anders als allen anderen Arbeitnehmern des Unternehmens.
In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die Lohnsenkung auf eine Initiative des Betriebsrates und der Belegschaft zurückgehe, die vom 10.02.2005 datiere. Auf dieser Versammlung der Mitarbeiter hätten sich 80 % der Belegschaft dafür entschieden, der Geschäftsführung einen Lohnverzicht anzubieten. Gegenstimmen habe es auf dieser Versammlung nicht gegeben. Auch der Betriebsrat habe dieser Maßnahme zugestimmt. Die Erklärung des Betriebsrates und das zugrunde liegende Votum der Belegschaft des Lagers E. sei deshalb ausreichender sachlicher Grund, vom Gleichbehandlungsgrundsatz abzuweichen und die notwendige Kosteneinsparung allein durch eine Lohnabsenkung im Lager E. umzusetzen. Zu berücksichtigen sei dabei ebenfalls, dass auf der anderen Seite durch Betriebsvereinbarung vom 15.08.2005 ein Prämienlohnsystem eingeführt wurde, nach dem durch Mehrarbeit der Verlust wieder auszugleichen gewesen wäre. Aus diesem Grunde sei auch nicht davon auszugehen, dass das Prämienlohnsystem die Einsparungen reduziere und damit ein dringender betrieblicher Grund nicht mehr vorhanden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des vom 23.05.2006, Az. 1 Ca 857/05 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung. Hierauf wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Die ausgesprochene Änderungskündigung ist gemäß § 1 Abs. 2, § 2 KSchG unwirksam.
Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen der oben genannten Vorschrift ist zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. Besteht die vom Arbeitgeber angebotene Vertragsänderung allein in einer Absenkung der bisherigen Vergütung, so kann die Unrentabilität eines Betriebes einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen entgegenstehen und ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen darstellen, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebes oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung, die eine aus wirtschaftlichen Gründen sonst erforderlich werdende Beendigungskündigung vermeidet, ist danach grundsätzlich zulässig. Sie auch regelmäßig das einzige dem Arbeitgeber zur Verfügung stehende Mittel. Das bedeutet allerdings nicht, dass die dringenden betrieblichen Erfordernisse schon im Zeitpunkt der Kündigung einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb dergestalt entgegenstehen müssen, dass ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung der Ruin unmittelbar bevorsteht. Prüfungsmaßstab ist, ob die betrieblichen Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen entgegenstehen.
Da die betrieblichen Erfordernisse dringend sein müssen, ist bei der betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltsenkung zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nachhaltig in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift. Da einmal geschlossene Verträge grundsätzlich einzuhalten sind, kann grundsätzlich Geldmangel den Schuldner nicht entlasten. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge ist deshalb nur dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen. Regelmäßig setzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft. Vom Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang zu verlangen, dass er die Finanzlage des Betriebes, den Anteil der Personalkosten, die Auswirkung der erstrebten Kostensenkung für den Betrieb und die Arbeitnehmer darstellt und ferner darlegt, warum andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen.
Eine entsprechende Prognose hat der Arbeitgeber im Rahmen eines Änderungskündigungsschutzverfahrens auf Grundlage eines umfassenden Sanierungsplanes darzulegen, der unter anderem die Finanzlage des Betriebes, den Anteil der Personalkosten sowie die Auswirkungen der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und für die Arbeitnehmer verdeutlichen muss (so Urt. des BAG vom 12.01.2006, Az. 2 AZR 126/05 in NZA 2006, 587 [BAG 12.01.2006 - 2 AZR 126/05] bis 590 mit weiteren zahlreichen Nachweisen; vgl. Richter am BAG Änderungskündigung zwischen Bestandsschutz und Anpassungsdruck in BB 2007, 437 bis 447).
1.
Die Beklagte hat die dringenden betrieblichen Erfordernissse nicht ausreichend dargelegt. Abzustellen ist jeweils auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits eine Reihe von betrieblichen Maßnahmen durchgeführt, unter anderem hatte bereits die Entgeltreduzierung bei denjenigen Mitarbeitern stattgefunden, die sich hiermit einverstanden erklärt haben. Das Einsparpotential für die verbliebenen Mitarbeiter war deshalb erheblich geringer als die noch verbliebenen 720.000,00 EUR, wie von der Beklagten angegeben. Prüfungsmaßstab für die Berechtigung der Änderungskündigung ist deshalb der, ob ohne den Ausspruch der noch durchzuführenden Änderungskündigungen und des daraus sich ergebenden Sparpotentiales eine Stilllegung des Betriebes oder die Reduzierung der Belegschaft hätte verhindert werden können. Hiervon kann nach Lage der Dinge bei dem relativ geringfügigen Sparpotential durch die Änderungskündigungen nicht ausgegangen werden.
Zu Recht führt die Beklagte jedoch andererseits aus, dass der Insolvenzplan eine Reihe von Maßnahmen vorsieht, die sämtlichst durchzuführen sind, die Sanierung des Betriebes zu gewährleisten.
Alleine der Sanierungsplan könnte deshalb Rechtsgrund sein für die noch vorzunehmenden Personalmaßnahmen, sämtliche Einsparungen zu erzielen und dann die Gesamtsanierung des Unternehmens durchzuführen.
Der Sanierungsplan selber sieht aber die Vornahme der Änderungskündigungen nicht vor. Bei den bisherigen Maßnahmen im Insolvenzverfahren ist dargestellt, dass mit dem überwiegenden Anteil der Mitarbeiter bereits ein Lohnverzicht von 12,2 % vereinbart worden ist. Darüber hinaus hat es im Bereich Logistik die Schließung des Lagers N. gegeben einhergehend mit einer Reduzierung der Mitarbeiterzahl, da die zusätzlichen Mitarbeiter, die im Lager E. benötigt wurden, von der Anzahl her erheblich geringer sind als die Zahl der Mitarbeiter in N. Schließlich sollten Einsparmaßnahmen dadurch erfolgen, dass eine neue Führungsstruktur installiert wird. Wenn sodann durch den Insolvenzplan formuliert wird, dass es insgesamt geplant sei, die Personalkosten im Bereich Logistik um einen bestimmten Betrag zu reduzieren, so bezieht sich dieser Passus des Insolvenzplanes nicht, wie die Beklagte vorträgt, alleine auf die Reduzierung des Entgelts der Mitarbeiter, sondern auf eine Vielzahl von Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Schließung des Lagers N. und der Verlagerung nach E. stehen. Hieraus ergibt sich nicht, dass weitere Personalkostenreduzierungen als die bereits vorhandenen noch erforderlich gewesen sind. Konsequenterweise wird dann auch unter V. Ziffer 9 des Insolvenzplanes ausgeführt, welche Beiträge die weiterbeschäftigten Mitarbeiter und die Einzelbetriebsräte zu leisten haben, wobei es hierbei um das Weihnachts- und Urlaubsgeld geht. Von weiteren Personalmaßnahmen in Bezug auf die Änderungskündigungen zur Entgeltreduzierung ist hierbei keine Rede.
Ebenso wenig sind weder unter VI. bei den Prämissen des Insolvenzplanes noch bei weiteren Ziffern dargestellt, dass weitere Maßnahmen in Bezug auf Entgeltreduzierung von Mitarbeitern erfolgen sollen. Unter Ziffer VI. sind unter dem Buchstaben a) bis i) die Maßnahmen aufgeführt, die noch erfolgen sollten.
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Insolvenzplanes und dessen anschließenden Wirksamwerdens (02.11.2005 bzw. Mitte Dezember 2005) waren entsprechende Maßnahmen zur Entgeltreduzierung durch Änderungskündigungen deshalb nicht vorgesehen. Der Insolvenzplan behandelt auf der anderen Seite tatsächlich Entgeltreduzierung von Mitarbeitern, die bereits durchgeführt waren, so dass zu erwarten gewesen wäre, dass der Insolvenzplan derartige Maßnahmen, soweit erforderlich, noch aufgreift.
Aus dem Insolvenzplan selbst ergibt sich deshalb kein betriebliches Erfordernis zum Ausspruch der Änderungskündigung.
2.
Der Arbeitgeber muss im Rahmen einer Änderungskündigung auch nur solche Änderungen billigerweise hinnehmen, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Die Änderungen müssen dringend und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrages den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die Tatsache alleine, dass andere Arbeitnehmer ein geringeres Gehalt beziehen, rechtfertigt es allein noch nicht, anderen Arbeitnehmern durch Änderungskündigungen nunmehr auch die schlechteren Arbeitsbedingungen anzubieten, mit denen sich die übrigen Arbeitnehmer einverstanden erklärt haben. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann insoweit nicht zu Lasten von Arbeitnehmern angewandt werden, beinhaltet vielmehr eine Schutzvorschrift für den Arbeitnehmer, die nicht zu seinem Nachteil gereichen darf (vgl. BAG, Urt. vom 03.07.2003, Az. 2 AZR 617/02 in AP Nr. 73 zu § 2 KSchG 1969).
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung. Sachfremd ist die Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Gewährt der Arbeitgeber die Leistungen nach einem allgemeinen Prinzip, wie im vorliegenden Fall, so hat er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke für seine Zahlung festgelegt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen. Vorliegend hat die Beklagte in ihrem Vergütungssystem alleine den Mitarbeitern im Lager E. zugemutet, auf einen nicht unerheblichen Teil ihrer Vergütung zu verzichten. Bei einer Sanierung des Unternehmens und angesichts der Vielzahl von Arbeitnehmern, die die Beklagte beschäftigt, war zu erwarten, dass die Arbeitnehmer, soweit möglich, an einer Sanierung des Unternehmens insgesamt beteiligt werden. Die Beklagte hatte auch insoweit den Ansatz, dass ein Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld erfolgt, der alle Arbeitnehmer gleichermaßen getroffen hätte.
Die Beklagte hat aber allein die Mitarbeiter des Lagers E. dazu ausersehen, auf einen Teil des Gehaltes zu verzichten.
Die Tatsache, dass die dortigen Arbeitnehmer wie auch der Betriebsrat bzw. die Betriebsratsvorsitzende sowie Führungskräfte des Betriebes am 10.02.05 ein Angebot zur Gehaltsreduzierung gemacht haben, führt nicht dazu, dass ein sachlicher Grund für den Ausspruch von Änderungskündigungen anzunehmen ist. Unerheblich ist, wie bereits ausgeführt, dass ein Teil der Arbeitnehmer sich bereits freiwillig auf eine Gehaltsreduzierung eingelassen hat, da es alleine darauf ankommt, ob im Zeitpunkt des Ausspruchs der Änderungskündigung ein sachlicher Grund bestand, diese anders zu behandeln als die übrigen Mitarbeiter des Unternehmens.
Bei der Höhe der Vergütung für eine bestimmte Arbeitsleistung sind die Essentialien eines Arbeitsverhältnisses betroffen. Weder der Betriebsrat noch eine auch nur irgendwie zustande gekommene Betriebsversammlung oder eine Versammlung von Mitarbeitern kann in das Entgeltgefüge einseitig eingreifen, so dass es jedenfalls den eigenen Entscheidungen des Arbeitnehmers unterliegt, ob er sich auf eine Entgeltreduzierung einlassen will. Das Angebot vom 10.02.2005 konnte deshalb, wie der Beklagten auch bekannt sein musste, nicht als Angebot des einzelnen Arbeitnehmers verstanden werden, eine Entgeltreduzierung anzuerkennen, vielmehr war aufgrund der geschlossenen Verträge erkennbar, dass dieses nur einverständlich oder einseitig bei Änderungskündigung hätte erfolgen können. Wenn aber ein Angebot derjenigen Mitarbeiter, die den Änderungsvertrag nicht unterschrieben haben, nicht vorliegt, konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass letztlich ein sachlicher Grund vorlag, einseitig in das Gehaltsgefüge einzugreifen. Vielmehr können sich diese Arbeitnehmer darauf berufen, dass sie mit den übrigen Mitarbeitern des Unternehmens ungleich behandelt werden. Diese am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise musste dazu führen, dass die Beklagte entweder eine einverständliche Regelung herbeiführen musste, oder wenn dieses nicht möglich war, die Mitarbeiter des Unternehmens insoweit gleichmäßig zur Entgeltreduzierung heranziehen, wenn nur dadurch eine Sanierung des Unternehmens erfolgen konnte. Der Beklagten standen deshalb andere Maßnahmen zur Verfügung, die Personalkosten zu senken, die nicht als willkürlich, das heißt ohne sachlichen Grund empfunden werden mussten.
Nach alledem stellt sich die Berufung der Beklagten als nicht begründet dar.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen diese Entscheidung ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach Maßgabe des § 72 a ArbGG wird hingewiesen.