Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.01.2007, Az.: 5 Sa 1022/06
2-monatige Ausschlussfrist; Tarifvertrag
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 22.01.2007
- Aktenzeichen
- 5 Sa 1022/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71776
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG - 22.05.2006 - AZ: 1 Ca 513/05
Rechtsgrundlagen
- § 310 Abs 4 S 1 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine tarifliche Ausschlussfrist unterliegt keiner Vertragskontrolle nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB, wenn der Tarifvertrag durch Arbeitsvertrag insgesamt in Bezug genommen ist.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts D-Stadt vom 22.05.06 - 1 Ca 513/06 -wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger ein Weihnachtsgeld für das Jahr 2004 zusteht.
Der am 00.00.1957 geborene Kläger war seit dem 1. Oktober 1980 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 5. Februar 1981 bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Der Arbeitsvertrag, auf dessen gesamten Inhalt Bezug genommen wird, enthält unter § 1 folgenden Passus:
„Auf das Dienstverhältnis ist der Manteltarifvertrag für kaufmännische Angestellte des Betonsteingewerbes in der jeweils gültigen Fassung anzuwenden.“
Das Arbeitsverhältnis endete zum 30. November 2005.
Durch Anlage zum Arbeitsvertrag vom 28. Februar 1981 wurde dem Kläger unter Ziffer 5 ein „Weihnachtsgeld gemäß Tarif (K3) 4. Jahr“ zugesagt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.840,00 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29. September 2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
und sich unter anderem auf die tarifliche Ausschlussfrist nach § 11 des Manteltarifvertrages berufen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 22. Mai 2006 im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Selbst wenn ein Anspruch des Klägers zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Novemberentgelts 2004 bestanden habe, sei dieser gemäß § 11 des MTV für die Angestellten in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Norddeutschland vom 14. September 1993 verfallen. Denn danach habe der Kläger seinen Anspruch innerhalb von 2 Monaten nach Fälligkeit gegenüber dem Beklagten schriftlich erheben müssen. Die Geltendmachung mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 22. September 2005 liege weit außerhalb der 2-Monats-Frist.
Das Urteil ist dem Kläger am 31. Mai 2006 zugestellt worden. Die Berufung des Klägers ging am 26. Juni 2006 ein und ist innerhalb der bis zum 31. August 2006 verlängerten Frist am 30. August 2006 begründet worden. Der Kläger hat insbesondere den Standpunkt reingenommen, die Parteien hätten ein einzelvertragliches Weihnachtsgeld vereinbart, auf das die tarifliche Ausschlussregelung keine Anwendung fände. Im Arbeitsvertrag hätten die Parteien sich lediglich auf spezielle Ausschlussfristen für vertragliche Ansprüche verständigt, die allerdings nur Provisionsansprüche erfassten. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung vom 30. August 2006 ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil erster Instanz aufzuheben und die Beklagte entsprechend dem Antrag aus erster Instanz zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 19. September 2006, auf den Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Die frist- und formgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage aus zutreffenden Erwägungen, auf die das Berufungsgericht Bezug nimmt und sich diese zu Eigen macht (§ 69 Abs. 2 ArbGG) zurückgewiesen. Das Berufungsgericht beschränkt sich deshalb ergänzend auf folgende Begründung:
Nach § 11 des einzelvertraglich in Bezug genommenen Rahmentarifvertrages verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
Diese tarifvertragliche Vorschrift erfasst ihrem eindeutigen Wortlaut nach sämtliche Ansprüche und nicht nur solche, die im Tarifvertrag selbst geregelt sind. Lediglich für Provisionsansprüche haben sich die Parteien des Arbeitsvertrages auf eine 6-monatige Ausschlussfrist verständigt. Während formularmäßig vereinbarte arbeitsvertragliche Ausschlussfrist einer Inhaltskontrolle unterliegen (BAG 25. Mai 2005 AP BGB § 310 Nr. 1), können tarifvertragliche Ausschlussfristen auch durch vertragliche Bezugnahme Gegenstand des Vertrages werden. Die Rechtsprechung lehnte eine Inhaltskontrolle tarifvertragliche Bestimmungen seit jeher ab, weil aus der Parität der Tarifvertragsparteien eine weitgehende Richtigkeitsgewähr folgt (BAG 30. September 1971 AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 36). Nunmehr stellt § 310 Abs. 4 S. 1 BGB im Einklang mit dieser Rechtsprechung klar, dass Tarifverträge - und somit auch die in ihnen enthaltenen Ausschlussfristen - keiner Inhaltskontrolle unterliegen. Eine Inhaltskontrolle findet nicht statt, wenn ein Einzelvertrag einen Tarifvertrag insgesamt einbezieht (vgl. ErfK/Preis § 194 bis 218 BGB Rn. 47).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist das Arbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf die Jahressondervergütung für das Jahr 2004, die im November des Jahres fällig geworden ist, im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Geltendmachung am 22. September 2005 bereits verfallen war.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Es besteht kein Grund zur Zulassung der Revision.