Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.05.2007, Az.: 12 Sa 1732/06

Diskriminierung; Elternzeit; Sozialplan; Stichtag; Werksschließung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
21.05.2007
Aktenzeichen
12 Sa 1732/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71779
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG - 15.09.2006 - AZ: 3 Ca 166/06

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Stichtagsregelung in einem Sozialplan für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit ist nicht zu beanstanden, wenn sie in einem zeitlichen Zusammenhang mit der betriebsändernden Maßnahme steht (hier: Werksschließung). Wird das Arbeitsverhältnis auf Grund fehlender behördlicher Zustimmung erst später aufgelöst (hier: Kündigung in Elternzeit) führt dies nicht zu einem höheren Sozialplananspruch.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 15.09.2006 - 3 Ca 166/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aus einem Sozialplan.

Die am 09.07.1973 geborene, verheiratete Klägerin war vom 15.08.1996 bis zum 10.04.2006 als Angestellte für die Beklagte tätig gegen ein Bruttomonatseinkommen von zuletzt 2.253,00 €. Das Werk der Beklagten in B., in dem die Klägerin tätig war, ist zum 31.12.2003 geschlossen worden. Am 11.04.2003 wurde das erste Kind der Klägerin geboren. Sie nahm Elternzeit bis zum 10.04.2006. Das staatliche Gewerbeaufsichtsamt in H. hat der beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die Kündigung frühestens zum Ende der Elternzeit erfolgt (Bl. 9 d. A.). Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt gekündigt.

Die Beklagte hat mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat am 03.06.2003 wegen der Betriebsschließung einen Sozialplan vereinbart. Er sieht in § 3 die Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes vor. Für die Berechnung regelt § 3 Abs. 4 den Stichtag wie folgt:

„Stichtag für die Berechnung der Abfindung ist der 31.05.2003. Dies gilt insbesondere für die Betriebszugehörigkeit und Kinderanzahl sowie auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor diesem Zeitpunkt aufgrund einer Eigenkündigung beendet wird.“

Die Fälligkeit ist in § 3 Abs. 6 wie folgt geregelt:

„Der Anspruch auf Abfindung entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses…

Die Beklagte hat die Berechnung der Abfindung der Klägerin nach Maßgabe der Betriebszugehörigkeit am 31.05.2003 und auf der Basis eines Bruttomonatsentgelts von 2.414,00 € (bei voller tariflicher Wochenarbeitszeit) vorgenommen und einen Abfindungsanspruch von 7.242,00 € errechnet. Darüber hinaus sie der Klägerin aus einem in § 5 des Sozialplans geregelten Härtefonds weitere 1.000,00 € gezahlt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stünden weitere 3.800,46 € nebst Zinsen aus dem Sozialplan zu. Die auf den 31.05.2003 abstellende Stichtagsregelung sei unwirksam, weil sie die Elternzeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 08.04.2006 nicht berücksichtige. Darin liege eine rechtswidrige Benachteiligung der Klägerin.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.800,46 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.09.2006 abgewiesen, auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen das am 05.10.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.11.2006 Berufung eingelegt und diese am 05.12.2006 begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts vom 15.09.2006 - 3 Ca 166/06 - abzuändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 05.12.2006 und die Berufungserwiderung vom 22.12.2006.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und deshalb zulässige Berufung ist unbegründet. Die Ansprüche der Klägerin nach § 3 des Sozialplans vom 03.06.2003 hat die Beklagte erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Weitergehende Ansprüche gegen die Beklagte bestehen nicht.

1. Die Klägerin hat keinen weitergehenden Abfindungsanspruch nach § 3 Abs. 2, Abs. 3 des Sozialplans. § 3 Abs. 4 des Sozialplanes ist rechtswirksam. Soweit die Klägerin in der Nichtberücksichtigung der Zeiten ihrer Elternzeit vom 01.06.2003 bis zum 10.04.2006 einen Verstoß gegen § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG sieht, folgt die Kammer dem nicht.

a) Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat u. a. darüber zu wachen, dass alle im Betrieb beschäftigten Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben die Betriebsparteien bei der Aufstellung eines Sozialplans einen weiten Spielraum für die Bestimmung des angemessenen Ausgleichs für die mit einer Betriebsänderung verbundenen Nachteile. Sie können grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob, in welchem Umfang und in welcher Weise sie die wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder mildern wollen; sie müssen aber den Vorgaben des § 75 BetrVG Rechnung tragen und die Funktion eines Sozialplans beachten (BAG 12.11.2002 - 1 AZR 58/02 -).

Die Betriebsparteien können in Sozialplänen auch Stichtage als Ausdruck der gebotenen pauschalierten Betrachtung vereinbaren. Auch insoweit kommt ihnen bei der Bestimmung ein weiter Regelungsspielraum zu. Stichtage verursachen unvermeidbar gewisse Härten. Solche Härten müssen akzeptiert werden, wenn sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und demnach sachlich vertretbar ist (BAG, Urteil vom 14.12.1999 - 1 AZR 268/99 - ).

b) Der von den Betriebsparteien gewählte Stichtag des 31.05.2003 auch für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit ist nicht zu beanstanden. Die Wahl dieses Zeitpunkts orientiert sich an der zum 31.12.2003 vollzogenen Schließung des Werkes in B. und damit am gegebenen Sachverhalt. Der Sozialplan soll die wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen bzw. abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Schließung des Werkes und den Verlust ihrer Arbeitsplätze entstehen. Es ist sachgerecht, in Bezug auf die Berechnung insoweit auf die tatsächliche Schließung des Werkes und damit auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem sämtliche Arbeitsplätze wegfallen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt in der Bestimmung dieses Stichtags keine Benachteiligung ihrer Person, insbesondere nimmt der Sozialplan keine Zeiten der Elternzeit aus der Berechnung der Abfindung heraus. Der Sozialplan behandelt sämtliche Mitarbeiter gleich. Er stellt auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Stichtag ab, ohne zwischen Zeiten von Elternzeit, Mutterschutz oder anderen Zeiten ohne Beschäftigung und Beschäftigungszeiten zu differenzieren. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der von der Klägerin angezogenen Entscheidung des BAG vom 12.11.2002. Im dortigen Sozialplan sollten ausdrücklich Zeiten des Erziehungsurlaubes bei der Berechnung einer Abfindung außer Betracht bleiben.

Im Hinblick auf die wirksame Stichtagsregelung ist es unerheblich, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin entsprechend der Entscheidung des Gewerbeaufsichtsamtes erst durch Kündigung der Beklagten zum 10.04.2006 beendet werden konnte. Die Betriebsparteien haben nach sachgerechten Erwägungen einen Stichtag vereinbart. Dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin länger angedauert hat, führt nicht zu einer Unwirksamkeit der Stichtagsregelung und begründet keine zusätzlichen finanziellen Ansprüche der Klägerin.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.