Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.03.2007, Az.: 7 Sa 105/06 E

Höhergruppierung einer Gleichstellungsbeauftragten aufgrund fiktiver Nachzeichnung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
22.03.2007
Aktenzeichen
7 Sa 105/06 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 70552
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2007:0322.7SA105.06E.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Verden - 21.12.2005 - AZ: 1 Ca 1395/04 E

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Arbeitgeber ist nach § 18 Abs. 5 BGleiG verpflichtet, einer freigestellten Gleichstellungsbeauftragten eine berufliche Entwicklung angedeihen zu lassen, wie sie ohne die Übernahme des Amtes eingetreten wäre.

  2. 2.

    Eine Benachteiligung wegen ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte bzw. ihrer Freistellung liegt vor, wenn die Klägerin unter sämtlichen Bewerbern auf diesen Dienstposten als Ausschreibungssiegerin hervorgegangen wäre, das heißt, wenn sie unter Berücksichtigung der Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG als die Bestqualifizierte hervorgegangen wäre oder dies nur deswegen nicht der Fall ist, weil ihr die maßgeblichen fachlichen oder beruflichen Qualifikationen gerade wegen ihrer Tätigkeit als freigestellte Gleichstellungsbeauftragte fehlen. Anderenfalls würde sie entgegen § 18 Abs. 5 BGleiG wegen ihrer Tätigkeit in ihrer beruflichen Entwicklung begünstigt werden.

  3. 3.

    Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 3 BGleiG (nicht paritätische Besetzung der Auswahlkommission) ist nicht adäquat kausal für die Nichtbeförderung der Klägerin. Da eine Frau ausgewählt wurde, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin auf ihrem Geschlecht beruht.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Verden vom 21.12.2005, 1 Ca 1395/04 E, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin, die sich als von der Arbeit freigestellte Gleichstellungsbeauftragte 4-mal vergeblich auf einen höher bewerteten Arbeitsplatz beworben hat.

2

Die am 00.00.1955 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 15.11.1989 als Verwaltungsangestellte bei der Standortverwaltung S. der Beklagten beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 01.12.1992 (Bl. 93 d.A.) bezieht sie eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VII BAT. Zum 01.12.2000 wurde ihr die Tätigkeit einer Bürokraft mit der Wahrnehmung von Haushalts-, Kassen- und Rechnungsangelegenheiten übertragen mit dem Hinweis, dass sie in die Fallgruppe 1 b der Vergütungsgruppe VII BAT umgruppiert werde (Bl. 6 - 12 d.A.).

3

Am 14.06.2001 wurde die Klägerin erstmals zur Frauenbeauftragten nach dem Frauenförderungsgesetz bestellt. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz/BGleiG) am 05.12.2001 ist sie Gleichstellungsbeauftragte und seit dem 01.03.2002 von der Arbeit freigestellt.

4

In der Zeit vom 24.06.2003 bis 28.11.2003 nahm sie an einem Lehrgang für die verwaltungseigene Angestelltenprüfung I teil und bestand die abschließende Prüfung mit der Abschlussnote "gut" (2) (Bl. 14 d.A.).

5

Die Klägerin bewarb sich vergeblich auf folgende nach der Vergütungsgruppe VI b BAT bewertete Arbeitsplätze:

6

1. Stellenausschreibung vom 28.11.2002

7

Die Beklagte schrieb am 28.11.2002 den Dienstposten eines Bürosachbearbeiters/einer Bürosachbearbeiterin mit der Vergütungsgruppe VI b BAT aus (Bl. 28 d.A.). Die Klägerin bewarb sich auf diese Stelle mit Schreiben vom 05.12.2002 (Bl. 29 d.A.). Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 23.12.2002 (Bl. 31 d.A.) mit, sie habe die Stellenausschreibung aufheben müssen, da der Dienstposten zur Unterbringung von Überhangpersonal benötigt werde.

8

Neben der Klägerin hatten sich 3 weitere Personen auf diesen Dienstposten beworben. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 08.01.2003 (Bl. 56 d.A.) mit, dass eine Nachzeichnung ergeben habe, dass die Klägerin bei einer Reihung der Bewerber an 4. Stelle gelegen habe.

9

2. Stellenausschreibung vom 14.01.2003

10

Am 14.01.2003 wurde bei dem Kreiswehrersatzamt A-Stadt der nach der Vergütungsgruppe VI b BAT bewertete Dienstposten eines Bearbeiters/einer Bearbeiterin im Bereich Wehrersatz im Auskunfts- und Beratungszentrum ausgeschrieben (Bl. 24, 25 d.A.). Die Klägerin bewarb sich am 16.01.2003 (Bl. 26 d.A.) als "fiktive Bewerbung im Rahmen der Nachzeichnung" auf diesen Posten.

11

Mit Schreiben vom 07.05.2003 (Bl. 27 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe bei der Besetzung des in Rede stehenden Dienstpostens nicht berücksichtigt werden können, ausgewählt worden sei die Angestellte L. W.. Die Angestellte W. war als Verwaltungsfachangestellte bei der Standortverwaltung R. beschäftigt und in die Vergütungsgruppe VI b BAT eingruppiert. Ihr Dienstposten fiel zum 01.07.2003 weg.

12

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 16.05.2003 (Bl. 232 d.A.) "Einspruch" gegen die Entscheidung der Bundeswehr ein. Sie bemängelte, dass die Angestellte W. ihre Befähigung für den im Streit stehenden Dienstposten im Rahmen einer Erprobungsbeschäftigung unter Beweis gestellt habe, ihr jedoch eine solche Möglichkeit nicht eingeräumt worden sei.

13

3. Stellenausschreibung vom 25.02.2004

14

Mit Schreiben vom 25.02.2004 (Bl. 16 d.A.) wurde der Dienstposten eines Bürosachbearbeiters/einer Bürosachbearbeiterin im Beförderungsdienst beim Kreiswehrersatzamt O. - Standortteam S. - mit der Vergütungsgruppe VI b BAT ausgeschrieben. Hierauf bewarb sich die Klägerin "fiktiv" mit Schreiben vom 01.03.2004 (Bl. 17 d.A.).

15

Mit Schreiben vom 14.05.2004 (Bl. 18 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, für den Dienstposten sei die Angestellte W. B. ausgewählt worden. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2004 (Bl. 19, 20 d.A.). Es erfolgte dann eine Überprüfung der Auswahlentscheidung durch eine mit Vertretern der Beschäftigungsdienststelle und den Mitbestimmungsgremien besetzte Kommission, die mit 5 Männern und 2 Frauen besetzt war.

16

Für diesen Dienstposten lagen insgesamt 11 Bewerbungen vor, von denen 7 zu einem Vorstellungsgespräch geladen wurden, darunter auch die Klägerin. Die Beklagte fertigte unter dem 08.07.2004 ein Protokoll über das Auswahlverfahren, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 70 - 72 d.A.). Sie kam dabei zu folgender abschließenden Bewertung:

17

"Aufgrund der in der Einzelbewertung aufgeführten sonstigen, für den ausgeschriebenen Dienstposten entscheidungsrelevanten Qualifikationen und des im Vorstellungsgespräch vermittelten Persönlichkeitsbildes hebt sich Frau B. gegenüber den anderen Bewerberinnen und Bewerbern hervor und wurde daher als die geeigneteste Bewerberin ausgewählt.

18

Frau A. wurde aufgrund ihrer mit "Gut" bestandenen Angestelltenprüfung I und aufgrund des im Vorstellungsgespräch vermittelten positiven Gesamteindruckes auf Platz 2 der Reihung gesetzt."

19

4. Stellenausschreibung vom 26.05.2004

20

Die Beklagte schrieb am 26.05.2004 (Bl. 22 d.A.) den Dienstposten Bearbeiter/ Bearbeiterin Betreuungsgruppe Einplanung/Einberufung im Wehrersatzteam bei dem Kreiswehrersatzamt A-Stadt aus. Die Klägerin bewarb sich um diesen nach der Vergütungsgruppe VI b BAT bewerteten Arbeitsplatz mit Schreiben vom 03.06.2004 (Bl. 23 d.A.).

21

Für diesen Dienstposten gab es 15 Bewerber, die Auswahl fiel auf den Angestellten Z.. Die Beklagte fertigte über die Auswahl einen Vermerk vom 10.08.2004, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 76 d.A.). Die Entscheidung wurde der Klägerin mit Schreiben vom 23.09.2004 (Bl. 75 d.A.) mitgeteilt.

22

Seit dem 01.10.2005 findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der TVöD Anwendung. Die Klägerin macht deshalb mit ihrer Eingruppierungsfeststellungsklage die Vergütungsdifferenz zwischen den Vergütungsgruppen VII und VI b BAT für die Zeit vom 01.09.2004 bis 30.09.2005 geltend.

23

Das Arbeitsgericht hat durch ein der Klägerin am 02.01.2006 zugestelltes Urteil vom 21.12.2005, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 157 - 176 d.A.), die Klage abgewiesen.

24

Hiergegen richtet sich die am 24.01.2006 eingelegte und am 28.02.2006 begründete Berufung der Klägerin.

25

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe bei den Stellenausschreibungen als jeweils Beste berücksichtigt werden müssen. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung übersehen, dass es sich bei dem Nachzeichnungsgebot des § 18 Abs. 5 BGleiG um ein so genanntes positives Gleichstellungsgebot handele. Aus dem Gebot der fiktiven Nachzeichnung folge, dass Lücken an Erfahrungen, Fachkenntnissen und Fähigkeiten nicht als existent zu behandeln und nicht erworbene Qualifikationen als erworben zu unterstellen seien.

26

Die 1. Stellenausschreibung vom 28.11.2002 hätte nicht zur Unterbringung von Überhangpersonal aufgehoben werden dürfen. Sei eine Ausschreibung einmal erfolgt, müsse auch nach dem Leistungsprinzip ausgewählt werden. Somit liege ein Verfahrensfehler der Standortverwaltung S. vor, die Nichtberücksichtigung der Klägerin sei rechtswidrig.

27

Bei der 2. Stellenausschreibung vom 14.01.2003 sei zu beanstanden, dass die Angestellte W. zu einer Erprobungsbeschäftigung in das Kreiswehrersatzamt gebeten worden sei. Hierin liege eine Benachteiligung der Klägerin. Da sich die Klägerin nur im Rahmen der fiktiven Nachzeichnung auf den Dienstposten beworben habe, wäre eine tatsächliche Besetzung des Dienstpostens durch die Angestellte W. und zugleich eine Nachzeichnung der Klägerin möglich gewesen.

28

Hinsichtlich der 3. Stellenausschreibung vom 25.02.2004 liege eine eklatante Verfahrensverletzung beim Auswahlverfahren sowie eine Benachteiligung der Klägerin allein wegen ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte vor. Die Angestellte B. sei zunächst auf den in Streit stehenden Dienstposten versetzt worden. Erst aufgrund eines Protests der zuständigen Mitbestimmungsgremien sei die Versetzung aufgehoben worden. Frau B. sei bereits 4 Wochen auf dem Dienstposten tätig gewesen, als die Auswahlkommission zusammengetreten sei. Hieraus folge, dass die Dienststelle eine faire und offene, die Chancengleichheit wahrende Auswahl gar nicht gewollt habe. Dies führe zu einer Umkehr der Beweislast.

29

Ein erheblicher Verfahrensfehler bei dem Auswahlverfahren läge schon darin, dass die Auswahlkommission entgegen in § 7 Abs. 3 BGleiG nicht paritätisch besetzt gewesen sei. Zudem seien der Klägerin und der ausgewählten Angestellten B. während des Auswahlgesprächs nicht die gleichen Fragen gestellt worden. Darüber hinaus habe die Standortverwaltung S. der Angestellten B. dringend geraten, eine Schwerbehinderung zu beantragen, da sie damit bei gleicher Eignung und Befähigung den Vorzug erhalten würde. Für die Klägerin habe ein falscher Personalspiegel vorgelegen.

30

Soweit man davon ausgehe, dass zwingend und als die einzig richtige Entscheidung bei der Auswahl des besten Bewerbers die Klägerin hätte ausgewählt werden müssen, sei die Auswahlentscheidung zu Gunsten der Angestellten B. tatsächlich nicht anzugreifen. Es liege jedoch auch hier bei Zugrundelegung der Qualifikationen und Berücksichtigung des fiktiven beruflichen Werdegangs der Klägerin ein Verfahrensfehler vor. Die von der Klägerin als Gleichstellungsbeauftragte erworbenen Kenntnisse seien bei der Auswahl des zu besetzenden Dienstpostens nicht berücksichtigt worden. Der Dienstherr sei verpflichtet, der Gleichstellungsbeauftragten eine berufliche Entwicklung angedeihen zu lassen, wie sie ohne die Übernahme des Amtes eingetreten wäre.

31

Im Vorfeld der 4. Stellenausschreibung vom 26.05.2004 sei die Klägerin von dem Leiter des Kreiswehrersatzamtes gefragt worden, ob sie nicht den Dienstposten besetzen wolle. Später habe er dann jedoch erklärt, dass er sie schon deshalb nicht auf Platz 1 habe setzen können, weil man denken könnte, er hätte Angst vor der Gleichstellungsbeauftragten.

32

Die langjährige Verwendung bei dem Kreiswehrersatzamt sei nicht das geforderte Qualifikationsmerkmal in der Ausschreibung gewesen.

33

Auswahlgespräche müssten mit den gleichen Themen in vergleichbarer Dauer mit allen Bewerbern geführt werden. Diese Anforderung der Chancengleichheit sei ganz offensichtlich auch bei dieser Stellenausschreibung nicht beachtet worden.

34

Ein grober Ermessensfehler liege in der Behauptung des Leiters des Kreiswehrersatzamts A-Stadt, nur der Bewerber Z. habe den notwendigen "Biss", bis zur letzten Minute vor dem jeweiligen Einberufungstermin die hundertprozentige Bedarfsdeckung zu erreichen und sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen. Die Klägerin habe aufgrund ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte insoweit gar nicht unter Beweis stellen können, dass sie ebenfalls dem notwendigen "Biss" habe.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Klägerin im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.02.2002 und 11.10.2006.

36

Die Klägerin beantragt,

37

das Urteil des Arbeitsgerichts Verden vom 21.12.2005 abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie seit dem 01.09.2004 bis 30.09.2005 nach der Vergütungsgruppe VI b BAT zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttodifferenzbeträge zwischen den Vergütungsgruppen VII und VI b BAT beginnend mit dem Monat September 2004 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt, hilfsweise seit dem 28.09.2004, mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

38

Die Beklagte beantragt,

39

die Berufung zurückzuweisen.

40

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 10.05.2006 und 06.09.2006.

Entscheidungsgründe

41

Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.

42

Sie ist jedoch nicht begründet.

43

Das Arbeitsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin ein Vergütungsanspruch nach der Vergütungsgruppe VI b BAT während des im Streit stehenden Zeitraums nicht zusteht. Die Berufungskammer macht sich die zutreffenden Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils zu Eigen und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.

44

Die Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren geben Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

45

Nach § 18 Abs. 5 BGleiG darf die Gleichstellungsbeauftragte wegen ihrer Tätigkeit in ihrer beruflichen Entwicklung nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Die fiktive Nachzeichnungen ihres beruflichen Werdegangs ist im Hinblick auf die Einbeziehung in Personalauswahlentscheidungen zu gewährleisten. Die Durchführungsbestimmungen zu § 18 Abs. 5 BGleiG sehen vor, dass die fachlichen Kenntnisse, die die Gleichstellungsbeauftragte bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben erworben hat, entsprechend zu würdigen sind.

46

Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass es sich bei dieser gesetzlichen Bestimmung um ein positives Gleichstellungsgebot handelt. Der Arbeitgeber ist hiernach verpflichtet, der Gleichstellungsbeauftragten eine berufliche Entwicklung angedeihen zu lassen, wie sie ohne die Übernahme des Amtes eingetreten wäre. Die Gleichstellungsbeauftragte hat hierauf einen unmittelbar im Bundesgleichstellungsgesetz begründeten eigenen Anspruch.

47

Wird der Anspruch auf eine höhere Vergütung darauf gestützt, dass die Gleichstellungsbeauftragte ohne ihre Freistellung eine Tätigkeit ausüben würde, welche die Merkmale der angestrebten Vergütungsgruppe erfüllt, so ist der berufliche Werdegang der Gleichstellungsbeauftragten fiktiv nachzuzeichnen. Hierzu gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten. Zum einen kann sich ein Anspruch der freigestellten Gleichstellungsbeauftragten auf Höhergruppierung daraus ergeben, dass der öffentliche Arbeitgeber Angestellte mit bestimmten Laufbahnvoraussetzungen nach feststehenden Maßstäben und/oder Zeitabläufen auf freiwerdende oder neu geschaffene Stellen einer höheren Vergütungsgruppe befördert. Zum anderen besteht ein Höhergruppierungsanspruch, wenn eine konkrete Bewerbung auf eine bestimmte Stelle gerade wegen der Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte erfolglos geblieben ist oder wenn eine Bewerbung von vornherein gerade wegen der Freistellung unterblieben ist, aber erfolgreich gewesen wäre oder nach Art. 33 Abs. 2 GG erfolgreich hätte sein müssen (vgl. hierzu v. Roetteken, § 18 BGleiG Randziffer 68; BAG vom 27.06.2001, 7 AZR 496/99, AP Nr. 23 zu § 46 BPersVG).

48

Vorliegend kann unter keinem der genannten Gesichtspunkte ein Anspruch der Klägerin auf eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VI b BAT festgestellt werden.

49

Auf eine fiktive Nachzeichnung im Sinne einer betriebsüblichen beruflichen Entwicklung nicht freigestellter Kollegen/Kolleginnen beruft sich die Klägerin nicht. Sie legt weder dar, dass bei der Beklagten eine bestimmte Höhergruppierungspraxis besteht, von der sie ausgeschlossen wurde, noch dass der überwiegende Teil der mit ihr vergleichbaren Arbeitnehmer während ihrer Freistellung aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten im Gegensatz zu ihr tatsächlich beruflich aufgestiegen ist.

50

Die Klägerin stützt ihr Höhergruppierungsbegehren vielmehr darauf, dass sie bei vier Bewerbungen erfolglos geblieben ist. Zu Recht ist jedoch das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass dies weder darauf zurückzuführen ist, dass die Klägerin Gleichstellungsbeauftragte ist, noch darauf, dass sie aufgrund ihrer Freistellung Defizite hinsichtlich ihrer fachlichen und beruflichen Qualifikation hatte. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte entgegen den Durchführungsbestimmungen zu § 18 Abs. 5 BGleiG die fachlichen Kenntnisse, die die Klägerin bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Gleichstellungsbeauftragte erworben hat, nicht entsprechend gewürdigt hat. Im Einzelnen gilt folgendes:

51

1. Stellenausschreibung vom 28.11.2002

52

Die Klägerin bemängelt unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.11.2004, dass diese Stellenausschreibung zur Unterbringung von Überhangpersonal aufgehoben worden ist.

53

Die Berufungskammer konnte dahinstehen lassen, ob die Beklagte grundsätzlich berechtigt war, die einmal erfolgte Stellenausschreibung wieder rückgängig zu machen und den freien Dienstposten anderweitig zu besetzen. Denn die Beklagte hat nachträglich eine fiktive Bewertung der insgesamt vier Bewerber auf diesen freien Dienstposten durchgeführt und ist im Rahmen der Nachzeichnung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin lediglich an die 4. Stelle zu setzen war. Auch bei einer tatsächlichen weiteren Durchführung des Stellenausschreibungsverfahrens wäre die Bewerbung der Klägerin deshalb nicht erfolgreich gewesen. Die Aufhebung der Stellenausschreibung war somit nicht kausal dafür, dass der ausgeschriebene Dienstposten der Klägerin nicht übertragen worden ist.

54

Dass das von der Beklagten durchgeführte fiktive Auswahlverfahren fehlerhaft war, wird von der Klägerin nicht behauptet.

55

2. Stellenausschreibung vom 14.01.2003

56

Die Besetzung des Dienstpostens eines Bürosachbearbeiters im Auskunfts- und Beratungszentrums bei dem Kreiswehrersatzamt A-Stadt durch die Angestellte L. W. ist nicht zu beanstanden.

57

Bewirbt sich ein Arbeitnehmer um eine Beförderungsstelle im öffentlichen Dienst oder wird er in ein Stellenbesetzungsverfahren einbezogen, hat der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. Er muss Beförderungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber vornehmen. Hierbei hat der Arbeitgeber einen Beurteilungsspielraum. Bestehen zwischen mehreren Bewerbern keine Qualifikationsunterschiede, verbleibt dem öffentlichen Arbeitgeber ein Auswahlermessen. Die gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung des öffentlichen Arbeitgebers ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eingeschränkt, weil sie eine Bewertung der Persönlichkeit des Bewerbers verlangt, die auf einer Vielzahl von Elementen und deren Gewichtung beruht und auch von dem persönlichen Eindruck abhängt. Daher ist die Befähigungsbeurteilung des öffentlichen Arbeitgebers von den Gerichten nur daraufhin zu kontrollieren, ob bei der Entscheidung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, allgemeine Beurteilungsmaßstäbe beachtet und ein fehlerfreies Verfahren eingehalten worden ist (BAG vom 27.06.2001, 7 AZR 496/99, a.a.O.).

58

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze konnte ein fehlerhaftes Verfahren nicht festgestellt werden. Soweit die Klägerin rügt, dass die Angestellte W. zur Erprobung im Kreiswehrersatzamt beschäftigt worden ist, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Erprobung ausschlaggebende Bedeutung für die Auswahl dieser Angestellten hatte. Vielmehr hat die Beklagten dargelegt, dass die Beschäftigung zur Überprüfung der Geeignetheit einer Unterbringungsmöglichkeit nach § 3 TVUmBw erfolgte, und dass die ausgebildete Verwaltungsfachangestellte W., die bereits in der Vergütungsgruppe VI b BAT eingruppiert war, für den im Streit stehenden Dienstposten besser qualifiziert war.

59

3. Stellenausschreibung vom 25.02.2004

60

Die Beklagte hat hier zunächst zu Unrecht die Angestellte B. auf den Dienstposten als Bürosachbearbeiter im Berufsförderungsdienst ohne Beteiligung des Personalrats versetzt. Dieser Verfahrensfehler war allerdings nicht ursächlich dafür, dass die Bewerbung der Klägerin erfolglos war. Denn die Beklagte hat nach Aufhebung der Versetzung ein ordnungsgemäßes Auswahlverfahren durchgeführt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Angestellte B. die am besten geeignete Bewerberin ist.

61

Die Beklagte hat durch Vorlage des Protokolls vom 08.07.2004 die wesentlichen Kriterien für die getroffene Auswahl dargelegt. Danach gab es hinsichtlich der erwünschten Qualifikationserfordernisse keine Unterschiede zwischen den verbliebenen Bewerberinnen und Bewerbern. Die Auswahl wurde deshalb auf der Grundlage des im Vorstellungsgespräch gewonnenen Persönlichkeitsbildes und der sonstigen entscheidungsrelevanten Qualifikationsmerkmale getroffen (Ziffer 4 des Protokolls vom 08.07.2004). Dabei fiel die Auswahl auf die Bewerberin W. B., während die Klägerin aufgrund ihrer mit "Gut" bestandenen Angestelltenprüfung I und aufgrund des im Vorstellungsgespräch vermittelten positiven Gesamteindruckes auf Platz 2 gesetzt worden ist.

62

Die Beklagte hat vorliegend somit das ihr zustehende Auswahlermessen zu Gunsten der Angestellten B. ausgeübt. Es wurden alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, die allgemeinen Beurteilungsmaßstäbe beachtet und ein fehlerfreies Verfahren eingehalten.

63

Die von der Klägerin hiergegen vorgebrachten Einwendungen sind nicht erheblich.

64

Diese gilt zunächst für den Umstand, dass die Auswahlkommission entgegen § 7 Abs. 3 BGleiG nicht paritätisch besetzt war, sondern mit fünf Männern und nur zwei Frauen. Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass dieser Verstoß adäquat kausal zur Nichtbeförderung der Klägerin geführt hat (vgl. hierzu BVerwG vom 25.06.1997, 2 B 130/96). Da mit der Angestellten W. B. ebenfalls eine Frau ausgewählt wurde, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin auf ihrem Geschlecht beruht.

65

Dass der ausgewählten Angestellten B. während des Auswahlgesprächs nicht die gleichen Fragen gestellt worden sind wie der Klägerin, hat diese lediglich pauschal behauptet. Die erkennende Kammer konnte diesem Gesichtspunkt nicht weiter nachgehen, weil die Klägerin keine konkreten Tatsachen dafür benannt hat, dass diese Vermutung zutreffend sein könnte. Dies gilt auch, wenn die Beklagte, wie die Klägerin meint, die Beweislast für die Richtigkeit des Auswahlverfahrens trägt. Denn die Beklagte kann nur dann konkret auf den Vortrag der Klägerin eingehen und diesen ggf. widerlegen, wenn sie genau weiß, was die Klägerin beanstandet.

66

Eine Schwerbehinderung der Angestellten B. wurde ausweislich des Protokolls vom 08.07.2004 (Ziffer 6 vorletzter Absatz) nicht zu der Entscheidungsfindung herangezogen. Die Behauptung der Klägerin, die Standortverwaltung S. habe der Angestellten B. dringend geraten, eine Schwerbehinderung zu beantragen, ist deshalb unerheblich.

67

Für das Gericht ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb eventuelle Fehler hinsichtlich der Personaldaten der Klägerin ursächlich für die gefundene Entscheidung gewesen sein sollen.

68

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die von ihr als Gleichstellungsbeauftragte erworbenen Kenntnisse bei der Auswahl des zu besetzenden Dienstpostens nicht berücksichtigt worden sind. Die Berufungskammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Kenntnisse dazu führen, dass die Klägerin als die Beste hätte ausgewählt werden müssen.

69

Genauso wenig kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin gerade wegen ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte bzw. ihrer Freistellung bei der Besetzung des im Streit stehenden Dienstpostens benachteiligt worden ist. Dies wäre nur der Fall, wenn sie unter sämtlichen Bewerbern auf diesen Dienstposten als Ausschreibungssiegerin hervorgegangen wäre, das heißt, wenn sie unter Berücksichtigung der Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG als die Bestqualifizierte hervorgegangen wäre oder dies nur deswegen nicht der Fall ist, weil ihr die maßgeblichen fachlichen oder beruflichen Qualifikationen gerade wegen ihrer Tätigkeit als freigestellte Gleichstellungsbeauftragte fehlen würden (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz vom 02.02.2006, 11 Sa 430/05). Denn anderenfalls würde die Klägerin entgegen § 18 Abs. 5 BGleiG wegen ihrer Tätigkeit in ihrer beruflichen Entwicklung begünstigt werden. Die Klägerin führt jedoch selbst aus, dass die Auswahlentscheidung zu Gunsten der Angestellten B. nicht anzugreifen ist, soweit man davon ausgeht, dass zwingend und als die einzig richtige Entscheidung bei der Auswahl des besten Bewerbers sie selbst hätte ausgewählt werden müssen.

70

4. Stellenausschreibung vom 26.05.2004

71

Das Berufungsgericht teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die getroffene Auswahl auch bei dieser Stellenbewerbung nicht zu beanstanden ist. Das Arbeitsgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, dass zwar eine langjährige Verwendung bei dem Kreiswehrersatzamt kein gefordertes Qualifikationsmerkmal in der Ausschreibung war, dass es aber ohne weiteres nachvollziehbar ist, wenn die Beklagte einen Angestellten, der bereits seit rund 25 Jahren in verschiedenen Verwendungen im Wehrersatzwesen tätig war, bei im Übrigen vergleichbaren Qualifikationen auswählt. Eine Benachteiligung der Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte kann somit nicht festgestellt werden.

72

Auch die Äußerung des Leiters des Kreiswehrersatzamts A-Stadt, nur der Bewerber Z. habe den notwendigen Biss, bis zur letzten Minute vor dem jeweiligen Einberufungstermin die hundertprozentige Bedarfsdeckung zu erreichen und sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen, lässt keine Rückschlüsse auf sachfremde Erwägungen der Beklagten bei der Auswahlentscheidung zu. Dieser Äußerung liegt im Rahmen des dem Arbeitgeber zustehenden Auswahlermessens.

73

Die Berufung der Klägerin war mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

74

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen dieses Urteil ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben.

75

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.