Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.01.2007, Az.: 1 TaBV 106/06
Vorherige Anrufung der Bundesagentur für Arbeit als förmliche Voraussetzung für die Anrufung einer Einigungsstelle der Bundesagentur für Arbeit; Ziel des gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 98 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG); Zuständigkeit einer Einigungsstelle der Bundesagentur für Arbeit bei Anstrebung einer Betriebseinschränkung durch den Arbeitgeber; Anrufung der Bundesagentur für Arbeit für einen Vermittlungsversuch als Hindernis für die Fortsetzung des Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens nach § 98 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG); Vermittlungsersuchen an die Bundesagentur für Arbeit als Wahlmöglichkeit zum Einigungsstellenverfahren; Zulässigkeit der Durchführung eines zum Scheitern verurteilten Vermittlungsversuchs vor einer Fortführung des Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 30.01.2007
- Aktenzeichen
- 1 TaBV 106/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 37076
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2007:0130.1TABV106.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 18.10.2006 - AZ: 8 BV 21/06
Rechtsgrundlagen
- § 98 ArbGG
- § 148 ZPO
- § 149 ZPO
- § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG
- § 112 Abs. 2 BetrVG
- Art. 2 RL 98/59/EG
Amtlicher Leitsatz
- 1.)
Eine Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit kann nicht gegen den Willen eines der Betriebspartner stattfinden, wenn es um einen Interessenausgleichsversuch geht.
- 2.)
Eine Aussetzung des Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens bis zur Erledigung eines mit der beabsichtigten Betriebsänderung im Zusammenhang stehenden Strafverfahrens widerspricht regelmäßig dem Sinn und Zweck des Einigungsstellenverfahrens, die schnelle Wiederaufnahme der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebspartner zu gewährleisten.
In dem Beschlussverfahren
hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgericht Niedersachsen
aufgrund der Anhörung am 30. Januar 2007
durch
den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Prof. Dr. Lipke,
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Betriebsrats und Bet. zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 18. Okt. 2006 - 8 BV 21/06 - wird - einschließlich des hilfsweise gestellten Aussetzungsantrags - zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob zu dem Regelungsgegenstand " Abschluss eines Interessenausgleichs über die geplante Schließung von Lager und Haustischlerei" im Betrieb der Beteiligten zu 1) H1 eine Einigungsstelle einzurichten ist.
Die antragstellende Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) beschäftigt in ihrem in I. betriebenem Möbelhaus etwa 160 Arbeitnehmer. Antragsgegner und Beteiligter zu 2) ist der in diesem Betrieb gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin plant spätestens ab Mai 2007 sämtliche Lager- und Tischlereileistungen fremd zu vergeben. Davon sind insgesamt 15 Arbeitnehmer im Lager und 4 Arbeitnehmer in der Haustischlerei betroffen. Hierüber unterrichtete die Geschäftsleitung der persönlich haftenden Gesellschafterin der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 17. Juli 2006 den Betriebsrat und den Wirtschaftsausschuss. Am 27. Juli 2006 fand auf Grund weiterer vom Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss zur geplanten Betriebsänderung gestellter Fragen ein Gespräch zwischen der Geschäftsführung, dem Betriebsrat, dem Wirtschaftsausschuss und einem hinzugezogenen Gewerkschaftssekretär statt. Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 beantwortete die Geschäftsleitung der Beteiligten zu 1) weitere Fragen des Wirtschaftsauschusses. In einem am 30. August 2006 geführten Gespräch zwischen den Beteiligten, wurde ein Interessenausgleich zu der geplanten Betriebsänderung erörtert. Dazu legte der Betriebsrat und Beteiligte zu 2) einen Entwurf eines Interessenausgleichs vor, der zum Ziel hatte allen betroffenen Arbeitnehmern anderweitige Arbeitsplätze in dem Unternehmen anzubieten. Dies lehnte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1), Dr. S., ab, weil zum einen keine freien Arbeitsplätze vorhanden seien und zum anderen die betroffenen Arbeitnehmer für Arbeitsplätze in Verwaltung und Verkauf nicht qualifiziert seien. Der Betriebsrat und Beteiligte zu 2) wies es zurück, die beabsichtigten Kündigungen über Regelungen in einem Sozialplan abzufedern und bestand auf einer Fortführung der Arbeitsverhältnisse. Daraufhin teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit Schreiben vom 30. August 2006 mit, dass sie die Verhandlungen eines Interessenausgleichs für gescheitert ansehe und beabsichtige hierzu die Einigungsstelle anzurufen (Bl. 12 d. A.). Die widersprach der Betriebsrat und Beteiligte zu 2) mit Schreiben zum 5. September 2006 (Bl. 13 d. A.), in welchem er ausführte, dass er noch Informationsbedarf habe und den innerbetrieblichen Verhandlungsanspruch als noch nicht ausgeschöpft betrachte.
Unter dem 11. September 2006 erstattete die im Betrieb vertretene Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di gegenüber dem Geschäftsführer Dr. S. sowie dem Hausleiter Hauptmeier Strafanzeige wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit. Zum Inhalt der Strafanzeige wird auf Bl. 21 bis 37 d. A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 28. September 2006 (Bl. 38 d. A.) richtete der Betriebsrat an die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion N., ein Vermittlungsersuchen nach § 112 Abs. 2 BetrVG. Die Bundesagentur für Arbeit antwortete mit Schreiben vom 11. Oktober 2006 (Bl. 107 d. A.), dass sich der Geschäftsführer der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1) Dr. S. in einem Telefongespräch mit der Leiterin des Arbeitgeberservice B. dahingehend geäußert habe, dass ein Vermittlungsgespräch auf Grund der bisherigen Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat keinen Sinn mache und überdies ein Verfahren vor der Einigungsstelle in Vorbereitung sei. Ein Termin für einen Vermittlungsversuch seitens der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in H1 wurde bisher nicht vereinbart.
Mit Beschluss vom 18. Oktober 2006 hat das Arbeitsgericht dem Antrag der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1) entsprochen und zum Vorsitzenden der Einigungsstelle "Abschluss eines Interessenausgleichs über die geplante Schließung von Lager und Haustischlerei" den Richter am Arbeitsgericht Celle, P., bestellt sowie die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf zwei festgesetzt. Die vom Betriebsrat und Beteiligten zu 2) beantragte Verfahrensaussetzung bis zu einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Erhebung der Anklage oder die Einstellung des Verfahrens hat das Arbeitsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Aussetzung nach § 148 ZPO nicht in Betracht käme, da die Entscheidung im Einigungsstelleneinsetzungsverfahren nicht vom Ausgang des staatsanwaltschaftlichen Verfahrens gegen den Geschäftsführer und den Hausleiter abhängig sei. Außerdem sei das Verfahren nach § 98 ArbGG darauf angelegt, möglichst rasch eine formal funktionsfähige Einigungsstelle zur Verfügung zu stellen, was mit einer Verfahrensaussetzung nicht vereinbar sei. Die beantragte Einigungsstelle sei auch nicht offensichtlich unzuständig, da für einen Interessenausgleichsversuch § 112 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die Anrufung der Einigungsstelle durch die Arbeitgerberin oder dem Betriebsrat ausdrücklich ermögliche. Soweit der Regelungsgegenstand hinreichend bekannt sei, läge es des Weiteren in der Hand der Betriebspartner frei zu entscheiden, wann sie die Errichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig erachten dürfen. Ziel des gerichtlichen Bestellungsverfahrens sei es, die Errichtung einer Einigungsstelle zu beschleunigen und jede weitere Verzögerung bei den Verhandlungen zu vermeiden. Insoweit überlagere das Einigungsstelleneinsetzungsverfahren nach § 98 ArbGG den nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG bestehenden Verhandlungsanspruch der Betriebspartner. Die vorherige Anrufung der Bundesagentur für Arbeit zu einem Vermittlungsversuch sei insoweit keine förmliche Voraussetzung für die Anrufung der Einigungsstelle. Die frühere Anrufung der Einigungsstelle entfalte aber eine Sperrwirkung für das Vermittlungsverfahren, da das Gesetz das Vermittlungs- und das Einigungsstellenverfahren alternativ zur Verfügung stelle. Ein später an die Bundesagentur für Arbeit gerichtetes Vermittlungsersuchen des Betriebsrats führe demnach nicht dazu, das Einigungsstellenverfahren zu unterbrechen und zunächst ein Vermittlungsverfahren durchzuführen sei. Zu den Beschlussgründen im Einzelnen und dem Vorbringen der Beteiligten im ersten Rechtszug wird auf Bl. 54 bis 61 der Verfahrensakten Bezug genommen.
Gegen den ihm am 27. Oktober 2006 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts (Bl. 62 d. A.) hat der Betriebsrat und Beteiligte zu 2) am 8. November 2006 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet (Bl. 65 d. A.).
Der Betriebsrat beanstandet mit der Beschwerde, dass das Arbeitsgericht den Aussetzungsgrund des § 149 ZPO (Verdacht einer Straftat) nicht überprüft habe. Das Beschleunigungsgebot des § 98 ArbGG stehe einer Verfahrensaussetzung nicht entgegen, da dieser rechtliche Gesichtspunkt nicht unter den ansonsten anzuwendenden Maßstab der "offensichtlichen Unzuständigkeit" falle. Es gehe hier immerhin um die Absicht des Geschäftsleiters sowie des Hausleiters des Betriebs in H1 über die geplante Betriebsänderung Arbeitnehmer und Betriebsräte im Hinblick auf ihre Mitgliedschaft in der Gewerkschaft und im Betriebsrat abzustrafen. Gegen die Sperrwirkung des zuerst gestellten Antrags - hier Einrichtung der Einigungsstelle - spreche, dass die Konsultationsverpflichtung der Arbeitgeberin zu Artikel 2 aus der Richtlinie 98/59 zu beachten sei. Das Vermittlungsverfahren mit der Bundesagentur für Arbeit genieße deshalb Vorrang. Im Übrigen seien noch nicht sämtliche Fragen des Betriebsrats und Wirtschaftsausschusses von der Arbeitgeberin beantwortet worden. Der Betriebsrat und Beteiligte zu 2) beantragt,
unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den Antrag der Arbeitgeberin auf Einsetzung einer Einigungsstelle zurückzuweisen,
hilfsweise
das hier laufende Verfahren auszusetzen bis zu einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hannover über die Erhebung der Anklage bzw. einer Einstellung des Verfahrens über die seitens der Gewerkschaft ver.di gegen den Geschäftsführer der Beteiligten zu 1) Herrn Dr. S. sowie den Hausleiter Herrn H2 erstatteten Strafanzeige.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) beantragt,
die Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 2) zurückzuweisen, hilfsweise den Aussetzungsantrag des Betriebsrats zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin tritt den Beschlussgründen des Arbeitsgerichts bei. Sie erkennt eine Konsultationsverpflichtung nur im Zusammenhang mit den Kündigungen, nicht dagegen mit den nationalen betriebsverfassungsrechtlichen Obliegenheiten der Arbeitgeberin. Die Anrufung zu einem Vermittlungsversuchs seitens der Bundesagentur für Arbeit geschehe auf freiwilliger Grundlage und erzeuge keinerlei Sperrwirkung für die Einsetzung der angerufenen Einigungsstelle. Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens habe schließlich keinen Einfluss auf die Entscheidung des Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens, sodass eine Aussetzung nach § 149 ZPO nicht geboten sei.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im zweiten Rechtszug und die Anhörungsniederschrift vom 30. Januar 2007 verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 2) war zurückzuweisen, da das Arbeitsgericht die beantragte Einigungsstelle zum Interessenausgleichsversuch zu Recht eingesetzt hat. Eine Aussetzung des Verfahrens war nach §§ 148, 149 ZPO nicht geboten.
1.
Die Rechtsausführungen des Arbeitsgerichts zu II 2) a - d sind in jeder Hinsicht zutreffend und bedürfen insoweit nicht der Wiederholung. Das Beschwerdegericht macht sich die Gründe erster Instanz insoweit zueigen und stellt dies hiermit ausdrücklich fest. Danach ist im Hinblick auf § 112 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die angerufene Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig, da seitens der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1) eine Betriebseinschränkung im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG angestrebt wird. Da das gerichtliche Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG zum Ziel hat, die zwischen den Betriebspartnern stockenden Verhandlungen alsbald mit Hilfe eines externen Vorsitzenden wieder in Gang zu bringen, liegt es in ihrer Hand zu entscheiden, ob die Aufnahme oder Fortsetzung von internen Verhandlungen noch Sinn macht (vgl. LAG Niedersachsen, 25. Oktober 2005, 1 TaBV 48/05 = LAGE § 98 ArbGG Nr. 45; Düwell/Lipke - Koch, ArbGG 2. Auflage § 98 Rd.-Ziff. 12). Offene Fragen, die der Betriebsrat bzw. der Wirtschaftsausschuss im Vorfeld der Einigungsstelle noch nicht als beantwortet ansehen, können dann im Rahmen der Einigungsstelle mitgeklärt werden. (LAG Frankfurt, 12. November 1991 - 4 TaBV 148/91 = LAGE § 76 BetrVG 1972 Nr. 39).
2.
Dem Arbeitsgericht ist im Ergebnis ebenfalls zu folgen, wenn es die Anrufung der Bundesagentur für Arbeit für einen Vermittlungsversuch nicht als Hindernis für die Fortsetzung des Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens nach § 98 ArbGG erkannt hat.
a)
Richtig ist, dass die vorherige Anrufung der Bundesagentur für Arbeit keine förmliche Voraussetzung für die Anrufung der Einigungsstelle ist. Jedoch ist dem Arbeitsgericht in seiner Begründung nicht zu folgen, soweit es auf die frühere Anrufung der Einigungsstelle abstellt, die eine Sperrwirkung für den Vermittlungsversuch der Bundesagentur für Arbeit entfalten soll. Dem Gesetz lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass das Vermittlungsersuchen als Wahlmöglichkeit zum Einigungsstellenverfahren zu verstehen ist. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung in § 112 Abs. 2 BetrVG spricht einiges dafür, dass die Einigungsstelle erst angerufen werden soll, wenn kein Vermittlungsersuchen gestellt worden ist oder der Vermittlungsversuch ergebnislos geblieben ist. Dies ergibt sich jedenfalls aus der in Satz 2 des Absatzes 2 aufgezeigten zeitlichen Reihenfolge. Der Sachverstand der Bundesagentur für Arbeit kann indes nur einvernehmlich nachgesucht werden. Zeigt sich einer der Betriebspartner - hier die Arbeitgeberin - nicht bereit, den Vermittlungsversuch mitzutragen, so muss es möglich sein, sich unmittelbar um die Einrichtung einer Einigungsstelle zu bemühen. Ansonsten würde die autonome Beurteilung des jeweiligen Betriebspartners in Frage gestellt, ob ein Verhandeln untereinander ggf. unter Zuhilfenahme eines Vermittlungsversuchs der Arbeitsagentur Aussicht auf Erfolg verspricht oder nicht. Ein Einlassungszwang entsteht somit weder für die Arbeitgeberin noch dem Betriebsrat (streitig vgl. hierzu GK-BetrVG Fabricius/Oetker 7. Auflage §§ 112, 112a Rd.-Ziff. 211 f. mit weiteren Nachweisen).
Die Einschätzung des Geschäftsführers der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1), die in dem Anschreiben der Bundesagentur für Arbeit an den Betriebsrat und Beteiligten zu 2) vom 11. Oktober 2006 (Bl. 107 d. A.) dokumentiert ist, zeigt indes auf, dass die Arbeitgeberseite auf Grund der bisherigen Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat nur noch das Verfahren vor einer Einigungsstelle als sinnvoll erachtet. Unter diesen Voraussetzungen ist ein beiden Betriebsparteien aufgezwungenes Vorschalten eines zum Scheitern verurteilten Vermittlungsversuchs weder mit dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG noch mit dem Beschleunigungsgebot aus § 98 ArbGG zu vereinbaren. Kann eine Verpflichtung, sich auf einen Vermittlungsversuch der Bundesagentur für Arbeit einzulassen nicht begründet werden, steht es hier deshalb der Arbeitgeberseite frei darauf zu bestehen, dass in Gang gesetzte Einigungsstelleneinsetzungsverfahren fortzuführen, da damit zugleich feststeht, dass der Vermittlungsversuch ergebnislos geblieben ist (Richardi/Annuß BetrVG 10. Auflage § 112 Rd-Ziff. 220). Sollten sich die Verhältnisse im Laufe des Einigungsstellenverfahrens verändern, steht es in der Kompetenz der Einigungsstelle das Verfahren zu unterbrechen, um ein Vermittlungsverfahren unter Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit noch zu ermöglichen.
b)
Diese rechtliche Beurteilung wird auch nicht dadurch berührt, dass die Arbeitgeberin nach Artikel 2 der Richtlinie 98/59 EG vom 20. Juli 1998 verpflichtet ist vor Massenentlassungen die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren und zu einer Einigung zu gelangen. Diese Konsultationen sollen sich nach Artikel 2 Abs. 2 auch darauf erstrecken Möglichkeiten zu suchen, die eine "anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben". Der Hinweis der Beschwerde auf die Entscheidung des EuGH vom 27. Januar 2005 (C 188/03 = EzA § 17 KSchG Nr. 13 = NJW 2005, 1099) ist insoweit zutreffend, als es darum geht vor dem Ausspruch von Kündigungen alle Handlungsmöglichkeiten mit den Arbeitnehmervertretungen und den "Sachverständigen" auszuschöpfen. Dabei wird jedoch von der Beschwerde übersehen, dass im Rahmen des Interessenausgleichsversuchs noch keine abschließenden Entscheidungen zur Kündigung bzw. zur Entlassung der betroffenen 19 Arbeitnehmer zu fällen sind. Auch in diesem Zusammenhang bestimmt die Einigungsstelle in eigener Kompetenz darüber, ob sie im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens noch den Sachverstand der Bundesagentur für Arbeit bemühen will. Dies könnte ggf. dann erforderlich sein, wenn die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) beabsichtigen sollte, den Interessenausgleichsversuch mit Sozialplanverhandlungen und mit der Anhörung des Betriebsrats zu den beabsichtigten betriebsbedingten Kündigungen zu verbinden.
3.
a)
Der Ermessensentscheidung des Arbeitsgerichts, das Verfahren mangels festzustellender Vorgreiflichkeit des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft nicht nach § 148 ZPO auszusetzen, tritt das Beschwerdegericht bei.
b)
Das Gericht sieht sich - selbst bei unterstellter Einflussnahme des Ermittlungsergebnisses der Staatsanwaltschaft auf den Sachverhalt "Betriebsänderung" - nach Abwägung der Verzögerung des Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens gegen möglichen Erkenntnisgewinn aus dem Strafverfahren nicht verpflichtet, das hier betriebene Verfahren nach § 98 ArbGG gem. § 149 Abs. 1 ZPO bis zur Erledigung des Strafverfahrens auszusetzen. Der Hilfsantrag des Betriebsrats und Beteiligten zu 2) war deshalb zurückzuweisen.
Im Ansatz zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass die Offensichtlichkeitsprüfung nach § 98 ArbGG sich allein auf die Rechtsfrage der möglichen betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungs- und Beteilungsrechte des Betriebsrats beschränkt und nicht auch auf verfahrensrechtliche Vorfragen erstreckt (vgl. ErfK/Eisemann 7. Auflage § 98 ArbGG Rd.-Ziff. 4).
Der Verdacht einer strafbaren Handlung des Geschäftsführers der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1) sowie des Hausleiters der Beteiligten zu 1) nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG kann auf die Sachverhaltsfeststellungen zur beabsichtigten Betriebsänderung Einfluss haben. Sollte sich bestätigen, dass nicht wirtschaftliche Gründe für die Betriebsänderung maßgeblich sind, sondern es darum geht, unliebsame Mitarbeiter zu entfernen, die sich als Betriebsrats- oder Gewerkschaftsmitglieder exponiert haben, so lassen sich daraus Folgen für den Interessenausgleichsversuch, einem anschließenden Sozialplan und spätere Kündigungsschutzprozesse ableiten.
Es geht indessen gleichwohl nicht an, wegen dieser denkbaren Rechtsfolgen das Einigungsstelleneinsetzungsverfahren anzuhalten. Zum einen kann innerhalb des Einigungsstelleneinsetzungsverfahren das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen noch berücksichtigt werden, zum anderen ist nicht auszuschließen, dass sich die Betriebspartner aus betriebswirtschaftlichen und sozialen Erwägungen auf einen Interessenausgleich einigen können und zwar ungeachtet der strafrechtlichen Ermittlungen. Auch hier gilt, dass das Einigungsstelleneinsetzungsverfahren einer schnellen Wiederaufnahme der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebspartner dienen soll. Die gegenteilige Sicht könnte dazu führen, dass mit willkürlich gestellten Strafanzeigen wichtige Betriebsänderungsprozesse verzögert oder unmöglich gemacht werden. Das würde dem Sinn des Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens zuwiderlaufen. Aus diesen Gründen kann es nur in Ausnahmefällen im Bereich des § 98 ArbGG zu einer Verfahrensaussetzung nach §§ 148, 149 ZPO kommen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 29. Juli 1985 - 4 Ta 143/85 -; LAG Berlin, 24. April 2003 - 10 Ta 598/03, 10 Ta 818/03 = LAGE § 98 ArbGG Nr. 9, 40).
4.
Eine Kostenentscheidung ist nach § 2 Abs. 2 GKG 2004 nicht zu treffen, da das Beschlussverfahren gerichtskostenfrei ist.
Gegen diese Entscheidung ist nach § 98 Abs. 2 ArbGG ein Rechtsmittel nicht gegeben.