Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.04.2007, Az.: 9 Sa 921/06

Krankenbezüge; Rückzahlung; überzahlte Krankenbezüge

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
30.04.2007
Aktenzeichen
9 Sa 921/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71778
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG - 10.05.2006 - AZ: 6 Ca 547/05

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Arbeitgeber ist regelmäßig nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer über die aus § 71 Abs. 2 BAT folgende Rückzahlungsverpflichtung zu belehren.
2. Bei der Frage, ob eine Rückforderung überzahlter Krankenbezüge i.S.v. § 71 Abs. 2 BAT ermessenfehlerhaft ist, ist auf die wirtschaftliche Lage des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Rückforderung abzustellen und nicht auf den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum der Gewährung der Krankenbezüge.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10.05.2006 - 6 Ca 547/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung von Krankenbezügen.

Die am 0.0.1946 geborene Beklagte war bei dem klagenden Land als Lehrerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Beklagte ist allein erziehende Mutter zweier volljähriger Kinder, die Leistungen nach dem SGB II beziehen.

Ab dem 16.02.2004 war die Beklagte arbeitsunfähig erkrankt. In der Zeit vom 16.02. bis 15.08.2004 zahlte das klagende Land an die Beklagte Krankenbezüge.

Mit Schreiben vom 16.08.2004 teilte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) dem klagenden Land mit, dass der Beklagten mit Wirkung zum 01.03.2004 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gewährt worden sei. Mit Schreiben vom 01.09.2004 machte das klagende Land gegenüber der BfA unter Hinweis auf §§ 37 Abs. 7, 71 Abs. 2 BAT einen Erstattungsanspruch auf die Rentenleistungen für den Zeitraum 29.03.2004 bis 15.08.2004 geltend (Bl. 14 d. A.). Aufgrund dieser Geltendmachung überwies die BfA an das klagende Land einen Betrag in Höhe von 2.393,42 € (Bl. 16 d. A.).

Mit Schreiben vom 09.12.2004 forderte das klagende Land die Beklagte vergeblich zur Rückzahlung von überzahlten Krankenbezügen in Höhe von 4.163,81 € auf (Bl. 18 d. A.).

Das klagende Land machte gegen die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) als Träger der Zusatzversorgung ebenfalls einen Ersatzanspruch geltend. Hierauf zahlte die VBL im März 2005 einen Betrag in Höhe von 638,15 € an das klagende Land (Bl. 24 d. A.). Nach Eingang dieses Betrages teilte das klagende Land der Beklagten mit, dass sich der Rückforderungsanspruch auf 3.525,66 € reduziert habe, und sie vergeblich dazu auf, diesen zurückzuzahlen.

Mit Bescheid vom 21.11.2005 stellte das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie fest, dass die Beklagte ab dem 29.03.2005 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 schwerbehindert ist (Bl. 43 d. A.).

Das klagende Land hat die Ansicht vertreten, gemäß § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b BAT sei die Beklagte zur Rückzahlung des noch offenen Betrages in Höhe von 3.525,66 € verpflichtet. Durch die rückwirkende Rentengewährung ab 01.03.2005 sei die Zahlung von Krankenbezügen mit den Rentenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zusammengetroffen. Die Beklagte habe die Krankenbezüge nach Ablauf des 6-wöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums ab dem 29.03.2004 ohne Rechtsgrund erhalten. Gemäß § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b BAT stellten die überzahlten Krankenbezüge Vorschüsse auf die Rentenleistungen dar. Die Ansprüche der Beklagten auf die Rentenleistungen seien auf das klagende Land übergegangen. Die Zahlungen der BfA und der VBL hätten die Überzahlungen nicht in vollem Umfang getilgt. Die VBL habe telefonisch am 09.12.2004 mitgeteilt, dass der ihr gegenüber geltend gemachte Ersatzanspruch versehentlich nicht erfüllt worden sei. Der Nachzahlungsbetrag sei - mit Ausnahme der Zahlung im März 2005 in Höhe von 638,15 € - ungeschmälert an die Beklagte ausgezahlt worden. Die Beklagte sei verpflichtet, den verbleibenden Restbetrag in Höhe von 3.525,66 € an das klagende Land zu zahlen (wegen der Berechnung der Klagforderung wird auf Bl. 12, 15 d. A. Bezug genommen).

Es bestehe keine Veranlassung gemäß § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b Satz 4 BAT, von der Rückforderung der überzahlten Krankenbezüge abzusehen. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen sei die schlechte Haushaltslage des klagenden Landes berücksichtigt worden. Demgegenüber erhalte die Beklagte laut Rentenbescheid der BfA vom 20.08.2004 eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 1.041,15 €. Hinzu komme die Zusatzversorgung seitens der VBL. Im Hinblick darauf, dass die VBL die auf den Zeitraum des Bezuges der Krankenbezüge entfallenden Zusatzversorgungsbezüge nicht an das klagende Land, sondern teilweise an die Beklagte ausgekehrt habe, sei nicht von einer besonderen wirtschaftlichen Notlage der Beklagten auszugehen. Weil ihre Kinder Leistungen nach dem SGB II bezögen, sei die Beklagte auch nicht verpflichtet, diese zusätzlich zu unterstützen. Die Beklagte könne sich gegenüber dem Rückzahlungsanspruch auch nicht auf die Ausschlussfrist des § 70 BAT berufen, weil sie eine Kopie des Schreibens an die BfA vom 01.09.2005 erhalten habe mit dem Hinweis, dass überzahlte Krankenbezüge zurückzuzahlen seien.

Das klagende Land hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an das klagende Land 3.525,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der tarifliche Rückzahlungsanspruch gemäß § 71 BAT verstoße im Falle eines schwerbehinderten Menschen gegen § 123 SGB IX. Die Regelung über den Bezug von Krankenbezügen stelle eine Verdienstsicherung dar mit der Folge, dass eine Anrechnung der Krankenbezüge auf ihre Rentenzahlung nicht möglich sei. Im Übrigen sei das klagende Land auch verpflichtet, gemäß § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b Satz 4 BAT von einer Rückforderung abzusehen. Sie gehöre zu dem Kreis der schwerbehinderten Menschen, sei alleinstehend und verfüge über keine weiteren Einkünfte außer der Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Gründe für den Bezug dieser Rente seien im Dienstverhältnis selbst zu sehen. Sie leide unter Depressionen und einer psychischen Erkrankung, die durch die Situation am Arbeitsplatz hervorgerufen worden seien. Von ihrem geringen Einkommen müsse sie auch noch ihre beiden Kinder unterstützen. Eine Rückzahlung der überzahlten Krankenbezüge sei ihr auch nicht möglich, weil sie die Beträge für ihren laufenden Lebensunterhalt verbraucht habe.

Mit Urteil vom 10.05.2006 hat das Arbeitsgericht Oldenburg der Klage stattgegeben. Gemäß § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b BAT sei die Beklagte zur Rückzahlung der Krankenbezüge für den Zeitraum 29.03.2004 bis 15.08.2004 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 3.525,66 € verpflichtet. Gegen diesen Rückzahlungsanspruch könne die Beklagte nicht einwenden, sie habe die Krankenbezüge für ihren laufenden Lebensunterhalt verbraucht. Die Beklagte sei mit dem Einwand des Wegfalls der Bereicherung ausgeschlossen, weil das gesetzliche Bereicherungsrecht neben § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b BAT, der eine Vorschussfiktion normiere, keine Anwendung finde. Die Rückforderung verstoße auch nicht gegen § 123 SGB IX. Zwar schließe § 123 Abs. 1 SGB IX eine Anrechnung von Rentenbezügen auf das Arbeitsentgelt aus. Das Anrechnungsverbot gelte gemäß § 123 Abs. 2 SGB IX aber nicht für solche Zeiträume, in denen - wie vorliegend - die vertraglich geschuldete Beschäftigung nicht ausgeübt werde. Ferner sehe § 94 VI SGB VI eine Anrechnung von Arbeitsentgelt auf Rentenzahlungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor. Die Rückforderung der überzahlten Krankenbezüge sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Das klagende Land habe sich auf die angespannte niedersächsische Haushaltslage berufen. Demgegenüber habe die Beklagte nicht substantiiert eine wirtschaftliche Zwangslage vorgetragen, die es ihr unmöglich machen würde, den Überzahlungsbetrag ggf. in Raten zurückzuzahlen. Zutreffend habe das klagende Land darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der der Beklagten zustehenden Rente der BfA und der Zusatzversorgung durch die VBL eine wirtschaftliche Notlage nicht erkennbar sei.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10.05.2006 ist der Beklagten am 12.05. 2006 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 08.06.2006 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 02.08.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem ihr zuvor auf ihren Antrag vom 11.07.2006 durch Beschluss vom 12.07.2006 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.08.2006 verlängert worden war.

Die Beklagte macht geltend, der Rückzahlungsanspruch verstoße gegen Treu und Glauben. Das klagende Land habe Kenntnis von ihrem Antrag auf Erwerbsminderungsrente besessen. Diese Kenntnis hätte das klagende Land veranlassen müssen, die Beklagte über die sozialrechtlichen Auswirkungen und eventuell bestehende Rückzahlungsverpflichtungen aufzuklären. Dies sei nicht geschehen. Die tarifvertraglichen Regelungen des § 71 BAT seien derart unübersichtlich und den betroffenen Arbeitnehmern nicht geläufig und bekannt, dass hieraus eine gesteigerte Beratungs- und Aufklärungspflicht des klagenden Landes resultiere. Die Beklagte behauptet, wenn sie keine Krankenbezüge erhalten und lediglich von der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hätte leben müssen, hätte sie im Hinblick darauf, dass die Rente wegen teilweise Erwerbsminderung lediglich 520,57 € betragen habe, Leistungen nach dem SGB II beantragen können. Nur durch die Zahlung der Krankenbezüge sei ihr Existenzminimum abgesichert worden. Im Falle einer Rückzahlung der Krankenbezüge werde quasi nachträglich in die Sicherung ihres Existenzminimums eingegriffen. Sie habe keine Möglichkeit, nachträglich Leistungen nach dem SGB II für den vergangenen Zeitraum zu beantragen.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Oldenburg verstoße die Rückforderung der Krankenbezüge gegen § 123 SGB IX. Von dem Anrechnungsverbot des § 123 Abs. 1 SGB IX bestehe gemäß § 123 Abs. 2 SGB IX zwar eine Ausnahme, wenn die Beschäftigung tatsächlich nicht ausgeübt werde. Die Nichtausübung der Beschäftigung nach § 123 Abs. 2 SGB IX sei aber nur dann relevant, wenn die Vorschriften über die Zahlung der Rente oder einer vergleichbaren Leistung eine Anrechnung oder ein Ruhen vorsähen. Die Anrechnungsvorschrift müsse sich auf eine Rente oder vergleichbare Leistung beziehen. Krankengeldbezüge seien keine mit einer Rente vergleichbare Leistung im Sinne von § 123 Abs. 2 SGB IX. Die Rente werde nicht wegen der Leistung in dem Beschäftigungsverhältnis gezahlt, sondern wenn das tatsächliche Beschäftigungsverhältnis nicht mehr bestehe, sei es, weil der Versicherungsfall des Alters oder der Versicherungsfall der Invalidität eingetreten sei. Dem gegenüber würden Krankenbezüge nur mit Blick auf ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis oder in der Erwartung gezahlt, dass dieses Beschäftigungsverhältnis auch wieder aufgenommen werde. Das Arbeitsgericht Oldenburg habe bei seiner Beurteilung des Rückforderungsermessens nicht berücksichtigt, dass sie vorgetragen habe, dass sie von März 2004 bis August 2004 ausschließlich von den Krankenbezügen gelebt und keine weiteren Einkünfte erhalten habe. Im Übrigen habe sie entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts Oldenburg auch keine Zahlungen seitens der VBL für den streitgegenständlichen Zeitraum erhalten. Die Beklagte bestreitet die Höhe der geltend gemachten Überzahlung und behauptet, ein Schreiben des klagenden Landes nebst Anlage vom 01.09.2005 habe sie nicht erhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10.05.2006 - 6 Ca 547/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Das klagende Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das klagende Land verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen amtlichen Auskunft des Mitarbeiters Herrn A. der VBL zu der Frage, ob, wann und ggf. in welcher Höhe die VBL trotz Geltendmachung eines Ersatzanspruches durch das klagende Land die Nachzahlung der Rente wegen Erwerbsminderung für den Zeitraum 16.02. bis 15.08.2004 direkt an die Beklagte geleistet hat. Wegen des Inhaltes der amtlichen Auskunft wird auf Blatt 126 bis 127 d. A. Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO).

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht Oldenburg hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, an das klagende Land überzahlte Krankenbezüge für den Zeitraum vom 29.03. bis 15.08.2004 in Höhe von 3.525,66 € zurückzuzahlen.

1. Der Anspruch des klagenden Landes auf Rückzahlung der überzahlten Krankenbezüge ergibt sich aus der Übergangsvorschrift des § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b BAT, die durch den 69. Änderungstarifvertrag zum BAT vom 25.04.1994 mit Wirkung zum 01.04.1994 in den BAT eingefügt und durch den 71. Änderungstarifvertrag zum BAT vom 12.06.1995 mit Wirkung vom 01.09.1995 neu gefasst worden ist. Die Tarifnorm lautet:

„Krankenbezüge werden nicht gezahlt

a) …

b) über den Zeitpunkt hinaus, von dem an der Angestellte Bezüge aufgrund eigener Versicherung aus der gesetzlichen Rentenversicherung (einschließlich eines rentenersetzenden Übergangsgeldes im Sinne des § 116 Abs. 1 Satz 2 SGB VI), aus einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung oder aus einer sonstigen Versorgungseinrichtung erhält, zu der der Arbeitgeber oder ein anderer Arbeitgeber, der diesen Tarifvertrag, den BAT-O oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts angewendet hat, die Mittel ganz oder teilweise beigesteuert hat. Überzahlte Krankenbezüge und sonstige überzahlte Bezüge gelten als Vorschüsse auf die zustehenden Bezüge im Sinne des Satzes 1 dieses Unterabsatzes. Die Ansprüche des Angestellten gehen insoweit auf den Arbeitgeber über; § 53 SGB I bleibt unberührt. Der Arbeitgeber kann von der Rückforderung des Teils des überzahlten Betrages, der nicht durch die für den Zeitraum der Überzahlung zustehenden Bezüge im Sinne des Satzes 1 dieses Unterabsatzes ausgeglichen worden ist, absehen, es sei denn, der Angestellte hat dem Arbeitgeber die Zustellung des Rentenbescheides schuldhaft verspätet mitgeteilt.“

2. Die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 3 dieser Tarifnorm liegen im Streitfall vor.

a) Aufgrund der rückwirkenden Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 01.03.2004 stand der Beklagten für den Zeitraum nach Ablauf des gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruches von 6 Wochen am 28.03.2004 kein Anspruch auf Krankenbezüge mehr zu. Hinsichtlich der in dem Zeitraum 29.03. bis 15.08.2004 gezahlten Krankenbezüge ist die Beklagte überzahlt.

Gemäß § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b BAT gelten die zu Unrecht gezahlten Krankenbezüge als Vorschüsse auf die zustehenden Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Insoweit gehen die Ansprüche des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber über. Dadurch tragen die Tarifvertragsparteien dem Umstand Rechnung, dass der Rentenversicherungsträger oft zu einem viele Monate zurückliegenden Zeitpunkt den Eintritt der Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit anerkennt und von diesem Zeitpunkt an rückwirkend die Rente zahlt. Der arbeitsunfähige Angestellte soll in diesem Fall nicht neben dem Rentenanspruch auch Krankenbezüge behalten (BAG vom 29.06.2000 - 6 AZR 50/99 - AP BAT § 37 Nr. 11; BAG vom 30.09.1999 - 6 AZR 130/98 - AP BAT § 71 Nr. 1; BAG vom 25.02. 1993 - 6 AZR 634/91 - AP BAT § 37 Nr. 10).

Deshalb endet die Zahlung der Krankenbezüge an dem Tag, der im Bescheid des Rentenversicherungsträgers als der Tag bezeichnet ist, von dem an die Versicherungsleistung erstmals gewährt wird. Unbedeutend ist, wann der Rentenbescheid erstellt wurde, dem Empfänger zugegangen ist oder wann der Angestellte die erste Rentenzahlung erhalten hat. Dadurch, dass die Tarifvertragsparteien die über den Rentenbeginn hinaus gezahlten Krankenbezüge als Vorschüsse auf die Rente fingiert haben, haben sie geregelt, dass diese Krankenbezüge ihre Arbeitsentgelteigenschaft verlieren. Die Bezeichnung dieser Zahlungen in § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b BAT als Vorschüsse bewirkt, dass der Angestellte als Empfänger der Leistung zur Rückzahlung verpflichtet ist, wenn die tariflichen Voraussetzungen der Vorschussfiktion vorliegen (BAG vom 30.09.1999 - 6 AZR 130/98 - AP BAT § 71 Nr. 1; BAG vom 25.02.1993 - 6 AZR 334/91 - AP BAT § 37 Nr. 10).

b) Die Beklagte kann das klagende Land hinsichtlich der Klagforderung nicht mit der Begründung, der Rentenanspruch sei in Höhe der gesamten Klageforderung auf das klagende Land übergegangen, an den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung verweisen. Der tarifvertragliche Anspruchsübergang erfasst nur die für denselben Zeitraum fällig gewordenen Rentenansprüche. Die darüber hinausgehenden, von der Vorschussfiktion erfassten Beträge hat der Angestellte selbst zurückzuzahlen (BAG vom 30.09.1999 - 6 AZR 130/98 - AP BAT § 71 Nr. 1; BAG vom 25.03.1993 - 6 AZR 334/91 - AP BAT § 37 Nr. 10).

3. Die Beklagte kann gegenüber dem Rückzahlungsanspruch nicht einwenden, sie habe die überzahlten Krankenbezüge für ihren laufenden Lebensunterhalt verbraucht.

Da die Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten aus der tariflichen Vorschussregelung folgt und nicht auf den Bestimmungen der §§ 812 ff. BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung beruht, kann sich die Beklagte auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) nicht berufen. Das gesetzliche Bereicherungsrecht findet neben § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b BAT keine Anwendung (BAG vom 30.09.1999 - 6 AZR 130/98 - AP BAT § 71 Nr. 1; BAG vom 25.02.1993 - AP BAT § 37 Nr. 10; BAG vom 25.03.1976 - 3 AZR 331/75 - AP HGB § 65 Nr. 9; BAG vom 28.06.1965 - 3 AZR 86/65 - AP BGB § 614 Gehaltsvorschuss Nr. 3).

4. Der Anspruch des klagenden Landes auf Rückzahlung der Krankenbezüge ist nicht nach § 70 Abs. 1 BAT verfallen.

a) Gemäß § 70 BAT verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden.

b) Der Rückforderungsanspruch des klagenden Landes ist mit Zustellung des Rentenbescheides an die Beklagte entstanden und gleichzeitig fällig geworden. Mit Schreiben vom 16.08.2004 hat die BfA dem klagenden Land mitgeteilt, dass der Beklagten ab dem 01.03.2004 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gezahlt wird. Mit der Festlegung des Rentenbeginns stand fest, dass die Krankenbezüge ab dem 29.03.2004 nach der tariflichen Regelung in § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b BAT als Vorschuss auf die der Beklagten zustehenden Renten galten und daher zurückzuzahlen waren (vgl. BAG vom 29.06.2000 - 6 AZR 50/99 - AP BAT § 37 Nr. 11).

c) Das klagende Land hat den Rückforderungsanspruch innerhalb der Ausschlussfrist des § 70 BAT gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Dabei kann es offen bleiben, ob die Beklagte das Schreiben des klagenden Landes vom 01.09.2004 erhalten hat oder nicht.

Mit Schreiben vom 09.12.2004 und damit innerhalb der Frist des § 70 BAT hat das klagende Land von der Beklagten die Rückzahlung überzahlter Krankenvergütung in Höhe von 4.163,81 € verlangt (Bl. 18 d. A.). Dieses Schreiben stellt eine ausreichende Geltendmachung im Sinne von § 70 BAT dar. Das klagende Land hat der Beklagten mitgeteilt, aus welchem Sachverhalt sich der Rückzahlungsanspruch ableitet und die Höhe des Rückforderungsbetrages angegeben.

Der Umstand, dass sich der Rückforderungsanspruch durch die Zahlung der VBL um 638,15 € verringert hat, steht einer wirksamen Geltendmachung nicht entgegen. Geltendmachung im Sinne des § 70 BAT erfordert, dass dem Schuldner die Art des Anspruchs und die Tatbestände, für die der Anspruch erhoben werden soll, erkennbar sind. Dazu gehört, dass die Forderung mindestens annähernd der Höhe nach bezeichnet wird. Die genaue und abschließende Höhe der Forderung muss jedoch nicht angegeben werden. Ebensowenig muss der Gläubiger sie im Einzelnen wie in einer Klageschrift darlegen. Es genügt vielmehr, wenn er seine Forderung so deutlich bezeichnet, dass der Schuldner erkennen kann, aus welchem Sachverhalt und in welcher ungefähren Höhe er in Anspruch genommen werden soll. Eine genaue Bezifferung erübrigt sich, wenn der Schuldner jedenfalls über die ungefähre Höhe der gegen ihn erhobenen Forderung unterrichtet ist (BAG vom 29.06.2000 - 6 AZR 50/99 - AP BAT § 37 Nr. 11; BAG vom 05.03.1981 - 3 AZR 559/89 - AP BAT § 30 Nr. 9; BAG vom 20.02.1975 - 5 AZR 240/74 - AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 2).

5. Die Rückforderung der überzahlten Krankenbezüge verstößt entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht gegen § 123 SGB IX.

a) Gemäß § 123 Abs. 1 SGB IX werden bei der Bemessung des Arbeitsentgelts und der Dienstbezüge aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis Renten und vergleichbare Leistungen, die wegen der Behinderung bezogen werden, nicht berücksichtigt. Gemäß § 123 Abs. 2 SGB IX gilt das Anrechnungsverbot des Abs. 1 nicht für Zeiträume, in denen die Beschäftigung tatsächlich nicht ausgeübt und die Vorschrift über Zahlung der Rente oder der vergleichbaren Leistung eine Anrechnung oder ein Ruhen vorsehen, wenn Arbeitsentgelt oder Dienstbezüge gezahlt werden.

b) Vorliegend ist bereits der Geltungsbereich des § 123 SGB IX nicht einschlägig.

Diese Vorschrift erstreckt sich auf alle abhängig beschäftigten schwerbehinderten Menschen sowie diesen Gleichgestellte. Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass für die Anwendung des § 123 SGB IX das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Schwerbehinderteneigenschaft auch ohne deren Feststellung gemäß § 69 SGB IX ausreicht. Der Rückforderungsanspruch des klagenden Landes gegenüber der Beklagten entstand im August 2004. Laut Bescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie vom 21.11.2005 ist die Beklagte seit dem 29.03.2005 schwerbehindert. Es ist nicht erkennbar und vonseiten der Beklagten auch nicht dargelegt worden, dass bereits vor diesem Zeitpunkt bei ihr eine Schwerbehinderteneigenschaft vorgelegen hat bzw. dass sie einem Schwerbehinderten gleichgestellt war.

c) Im Übrigen liegen die auch Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 SGB IX vor.

Die Beklagte hat in dem Zeitraum vom 29.03. bis 15.08.2004 ihre Beschäftigung wegen der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich nicht ausgeübt. Für diesen Zeitraum hat die Beklagte eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhalten. Gemäß § 94 Abs. 1 SGB VI wird auf eine derartige Rente das für denselben Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt angerechnet, solange die Beschäftigung nicht ausgeübt wird.

6. Das klagende Land musste auch nicht gemäß § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b Satz 4 BAT von der Geltendmachung der Erstattungsansprüche gegen die Beklagte absehen.

a) Diese Tarifnorm stellt die Entscheidung über die Rückforderung in das freie Ermessen des Arbeitgebers. Die Entscheidung muss nicht gemäß § 315 Abs. 1 BGB billigem Ermessen entsprechen, sondern ist lediglich durch die Grenze der Willkür beschränkt. § 315 BGB gilt nur „im Zweifel“. Die Auslegung des BAT ergibt, dass dem Arbeitgeber eindeutig freies Ermessen eingeräumt ist. Dort, wo die Tarifvertragsparteien eine Entscheidung nach Billigkeitskriterien einführen wollten, wie z. B. in § 36 Abs. 6 Satz 1 BAT, welcher die Rückforderung sonstiger überzahlter Bezüge regelt, haben sie dies ausdrücklich bestimmt. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass in § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 b Satz 4 BAT eine Billigkeitsentscheidung nicht beabsichtigt ist (BAG vom 30.09.1999 - 6 AZR 130/98 - AP BAT § 71 Nr. 1).

b) Nach diesem Grundsatz ist die Entscheidung des klagenden Landes, im Hinblick auf die angespannte niedersächsische Haushaltslage von einer Rückforderung nicht abzusehen, nicht zu beanstanden. Demgegenüber hat die Beklagte auch in der Berufungsinstanz keine Tatsachen vorgetragen, aufgrund derer die Kammer davon ausgehen musste, dass sich die Entscheidung des klagenden Landes nicht mehr innerhalb des durch die Tarifnorm eingeräumten Ermessenspielraums bewegt. Die Beklagte macht geltend, die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung habe lediglich monatlich 520,75 € betragen. Nur durch die Zahlung der Krankenbezüge sei ihr Existenzminimum abgesichert worden. Die nachträgliche Rückzahlung von Krankengeld hätte im Ergebnis eine existenzgefährdende Auswirkung. Bei dieser Argumentation übersieht die Beklagte, dass es für die Frage, ob die Rückforderung wegen einer wirtschaftlichen Notlage des Arbeitnehmers ermessenswidrig ist, nicht auf den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum der Krankengeldgewährung, sondern auf den Zeitpunkt der Rückforderung ankommt. Es hätte deshalb der Beklagten oblegen, im Einzelnen unter Angabe konkreten Zahlenmaterials darzulegen, dass sie den Rückforderungsanspruch derzeit auch nicht ratenweise tilgen kann. Ein derartiger Sachvortrag der Beklagten fehlt. Insoweit ist es nicht ausreichend, lediglich pauschal zu behaupten, es liege eine wirtschaftlichen Notlage vor. Bereits erstinstanzlich hat das klagende Land vorgetragen, die Beklagte beziehe eine Rente in Höhe von 1.041,41 € zuzüglich der VBL-Zusatzversorgung. Hierzu hat die Beklagte auch in der Berufungsinstanz nicht substantiiert Stellung genommen und ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht offengelegt.

7. Die Rückforderung verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Das klagende Land traf keine Verpflichtung, die Beklagte über die aus § 71 BAT folgende Rückzahlungsverpflichtung zu belehren.

a) Eine allgemeine Belehrungspflicht des Arbeitgebers über tarifliche Regelungen besteht außer der in § 8 TVG ausdrücklich normierten Pflicht zur Auslage des Tarifvertrages nicht.

b) Eine Belehrungspflicht ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte die Tarifbestimmungen des § 71 BAT möglicherweise nicht hinsichtlich aller Konsequenzen überschaut hat.

aa) In § 71 BAT ist ausdrücklich bestimmt, dass überzahlte Krankenbezüge als Vorschüsse gelten. Vorschüsse sind zurückzuzahlen, wenn sich später herausstellt, dass auf die Leistung, für die sie gewährt wurden, kein Anspruch besteht. Es war deshalb auch für die Beklagte erkennbar, dass sie ggf. überzahlte Krankenbezüge würde zurückzahlen müssen. Das klagende Land war deshalb nicht verpflichtet, die Beklagte über die tariflichen Rechtsfolgen eines erfolgreichen Rentenantrages aufzuklären. Die Beklagte hat dadurch, dass die den Rentenantrag gestellt hat, selbst die durch den Rentenbezug aufschiebend bedingte Rückzahlungsverpflichtung ausgelöst (BAG vom 25.02.1993 - 6 AZR 334/91 - AP BAT § 37 Nr. 10). Grundsätzlich ist es Sache des Arbeitnehmers, sich selbst über die für ihn maßgebenden sozialrechtlichen Regelungen zu informieren und die ihm sachgerecht erscheinenden Anträge zu stellen.

bb) Selbst wenn - was das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 30.09.1999 (- 6 AZR 130/98 - AP BAT § 71 Nr. 1) offen gelassen hat - die Grundsätze der Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht des Arbeitgebers vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages entsprechend angewendet werden, lag kein Ausnahmefall vor, der das klagende Land vor Zahlungen der streitbefangenen Beträge zur Aufklärung der Beklagten verpflichtet hätte.

aaa) Den Arbeitgeber kann auch ohne besonderes Auskunftsverlangen des Arbeitnehmers vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages eine Hinweis- und Aufklärungspflicht aus Treu und Glauben treffen. Der jeder Partei zuzubilligende Eigennutz findet seine Grenze an dem schutzwürdigen Lebensbereich des Vertragspartners. Die vertraglichen Schutz- und Fürsorgepflichten des Arbeitgebers dürfen jedoch nicht überspannt werden. Jeder Vertragspartner hat grundsätzlich selbst für die Wahrnehmung seiner Interessen zu sorgen. In der Regel muss sich daher der Arbeitnehmer vor Abschluss des Aufhebungsvertrages selbst Klarheit über die rechtlichen Folgen seines Vertrages verschaffen. Hinweis- und Aufklärungspflichten treffen den Arbeitgeber nur bei besonderen Umständen des Einzelfalles als Folge einer umfassenden Interessenabwägung. Sie setzen voraus, dass der Arbeitgeber einen Vertrauenstatbestand oder durch sein früheres Verhalten eine Gefahrenquelle geschaffen hat (BAG vom 11.12.2001 - 3 AZR 339/00 - AP BetrAVG § 1 Nr. 2 Auskunft). Gesteigerte Hinweispflichten treffen den Arbeitgeber vor allem dann, wenn der Aufhebungsvertrag auf seine Initiative und in seinem Interesse zustande kommt, weil er dadurch den Eindruck beim Arbeitnehmer erweckt, er werde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklärung erheblichen und atypischen Risiken aussetzen (BAG vom 23.09.2003 - 3 AZR 658/02 - AP BetrAVG § 1 Auskunft Nr. 3).

bbb) An diesem Maßstab gemessen, traf das klagende Land auch dann keine Hinweispflicht, wenn ihm bekannt gewesen sein sollte, dass die Beklagte einen Rentenantrag gestellt hatte.

Die Beklagte hatte diesen Rentenantrag nicht auf Veranlassung des klagenden Landes, sondern im eigenen Interesse gestellt. Von einem verständigen Arbeitnehmer ist jedoch zu erwarten, dass er sich vor Stellung eines Rentenantrages über die sich daraus für ihn folgenden Konsequenzen informiert. Das klagende Land durfte bei Kenntnis von dem Rentenantrag davon ausgehen, dass die Beklagte sich über die Folgen informiert hatte. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass sie sich im Rahmen des Rentenantragsverfahrens an das klagende Land gewandt hat, um Aufklärung über wesentliche und für ihn nicht erkennbare Nachteile zu erhalten. Das klagende Land hat demnach weder einen Vertrauenstatbestand noch durch früheres Verhalten eine Gefahrenquelle geschaffen.

7. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts auch fest, dass die Höhe des Rückforderungsanspruches 3.525,66 € beträgt.

Bei der Feststellung der Höhe des Rückzahlungsanspruchs des klagenden Landes gegen die Beklagte war entgegen den Ausführungen im Urteil des Arbeitsgerichtes nicht davon auszugehen, dass der Erstattungsanspruch unstreitig 3.525,66 € beträgt (Bl. 61 R d. A.).

a) Soweit die Beklagte erstmals in ihrer Berufungsbegründung pauschal geltend macht, sie bestreite die Höhe der geltend gemachten Überzahlung, ist dieses Bestreiten nach Ansicht der Kammer unbeachtlich, soweit es sich um die Berechnung der Klagforderung handelt.

Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte vorprozessual das Schreiben des klagenden Landes vom 01.09.2005 nebst Anlage an die BfA in Durchschrift erhalten hat. Das klagende Land hat mit der Anspruchsbegründung vom 15.12. 2005 nochmals im Einzelnen dargelegt, wie sich die geltend gemachte Überzahlung zusammensetzt (Bl. 12 d. A.). Diesem Schriftsatz war das Schreiben des klagenden Landes an die BfA nebst Anlage beigefügt (Bl. 14,15 d. A.).

b) Beachtlich ist das Vorbringen der Beklagten in der Berufung, soweit geltend macht, bereits erstinstanzlich habe sie geltend gemacht, das klagende Land habe neben der Zahlung im März 2005 in 638,15 € weitere Erstattungen seitens der VBL erhalten und in diesem Zusammenhang rügt, das Arbeitsgericht habe dieses Vorbringen unbeachtet gelassen.

aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen. Konkrete Anhaltspunkte können sich aus gerichtsbekannten Tatsachen, aus dem Vortrag der Parteien oder aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben, aber auch aus Fehlern, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhaltes unterlaufen sind (BGH vom 08.06.2004 - VI ZR 230/03 - NJW 2004, 2828). Verfahrensfehler, die die Bindungswirkung der erstinstanzlichen Feststellung entfallen lassen, liegen deshalb vor, wenn das Erstgericht Tatsachenvortrag der Parteien übergangen oder von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwendet hat (BGH vom 19.04.2004 - V ZR 104/03 - NJW 2004, 2152 [BGH 19.03.2004 - V ZR 104/03]).

bb) Die Beklagte hatte bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 21.02.2006 (Bl. 41 d. A.) vorgetragen, dass sie die aufgrund der Bewilligung des Rentenversicherungsträgers aufgelaufenen Nachzahlungsbeträge nicht erhalten habe. Diese Beträge seien an das beklagte Land überwiesen worden. Das erstinstanzliche Gericht durfte deshalb nicht davon ausgehen, dass der Rückforderungsanspruch des beklagten Landes unstreitig 3.525,66 € betrage.

cc) Es bedurfte einer Tatsachenfeststellung durch die Kammer. Nach der Beweisaufnahme durch Einholung der schriftlichen amtlichen Auskunft des Mitarbeiters A. der VBL steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass entsprechend dem Vortrag des klagenden Landes lediglich ein Teilbetrag von 638,15 € im Rahmen des geltend gemachten Erstattungsanspruches an das klagende Land gezahlt worden ist. Der Mitarbeiter A. der VBL hat mitgeteilt, dass er übersehen habe, dass der Arbeitgeber einen Ersatzanspruch geltend gemacht und eine Nachzahlung an die Beklagte veranlasst habe. Es sei ein Ersatzanspruch in Höhe von 638,15 € berücksichtigt worden (Bl. 127 d. A.). Anlass, an der Richtigkeit der Auskunft zu zweifeln, hat die Kammer nicht. Sie deckt sich mit dem Vorbringen des klagenden Landes, die VBL habe telefonisch am 09.12.2004 mitgeteilt, dass der ihr gegenüber geltend gemachte Ersatzanspruch versehentlich nicht erfüllt worden sei.

8. Die zugesprochenen Zinsen beruhen auf §§ 288, 291 BGB, 696 Abs. 3 ZPO.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

III.

Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Gründe, gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.