Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.05.2007, Az.: 12 Sa 1452/06

betriebliche Übung; Jahressonderzuwendung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
07.05.2007
Aktenzeichen
12 Sa 1452/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71777
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG - 12.07.2006 - AZ: 2 Ca 646/05

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Neben einem tariflichen Anspruch entsteht kein weiterer - auf betriebliche Übung gegründete - vertraglicher Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzuwendung, auch wenn der Arbeitgeber langjährig die tarifliche Sonderzuwendung ausgekehrt hat.

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 12.07.2006 - 2 Ca 646/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Zahlung einer Sonderzahlung für das Jahr 2005.

Der Kläger ist seit 1988 für die Beklagte tätig. Der Kläger erhielt seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses eine Sonderzahlung in Höhe von 75 % des durchschnittlichen Stundenlohnes. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet Anwendung ein Haustarifvertrag, der in § 13 die Zahlung einer Sonderzahlung in Höhe von 75 % der monatlichen Vergütung vorsieht.

Die Beklagte vereinbarte mit der Gewerkschaft NGG am 18.04.2005 einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung. Dort heißt es in § 1:

„ Zur Sicherung der Arbeitsplätze bei der Firma C. GmbH & Co. KG in C-Stadt kann zwischen Betriebsrat und der Geschäftsführung vereinbart werden, die tarifliche Jahressonderzuwendung für das Jahr 2005 auszusetzen.

Geschäftsführung und Betriebsrat müssen in diesem Fall übereinstimmend beabsichtigen, mit der Anwendung dieser Regelung gemeinsam einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sowie der Ertragskraft des Betriebes zu leisten.“

Nach § 2 dieses Tarifvertrages ist Voraussetzung für seine Anwendung, dass das betriebswirtschaftliche Ergebnis der Firma P. für das Jahr 2005 in der Prognose negativ ausfallen wird. Diese Prognose soll im Juli 2005 erstellt werden.

Die Beklagte hat mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat am 26. Mai 2005 eine Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung geschlossen. Dort heißt es in Ziffer 3.1:

„Die Jahressonderzuwendung für das Jahr 2005 wird unter der Bedingung ausgesetzt, dass das betriebswirtschaftliche Ergebnis der Firma P. im Juli 2005 eine negative Prognose für das Jahr 2005 ergibt …“

Zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung der Beklagten kam es am 11. August 2005 zu einem Gespräch über die Zahlung der Jahressonderzuwendung. Mit Information vom 6. September 2005 informierte die Beklagte die Mitarbeiter darüber, dass auf Grund der negativen Prognose für das Jahr 2005 die Zahlung des Weihnachtsgeldes für 2005 entfällt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auf Grund der langjährigen Zahlung sei eine entsprechende betriebliche Übung entstanden, die nicht durch den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung bzw. die Betriebsvereinbarung hätte beseitigt werden können. Auch seien die Regelungen im Hinblick auf die negative Prognose zu unbestimmt gehalten, als dass darauf eine Streichung hätte gestützt werden können.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger € 1.352,09 brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf Grund der bereits im Juli aufgelaufenen Verluste von € 750.000,00 und der zu diesem Zeitpunkt bestehenden negativen Prognose für das Gesamtergebnis 2005 hätten die Voraussetzungen für die Aussetzung des Anspruches auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2005 vorgelegen.

Das Arbeitsgericht hat u. a. Beweis darüber erhoben, ob das Betriebsergebnis im Juni 2005 bereits bei minus 747.000,00 € und im Dezember 05 bei minus 1,205 Mio € gelegen habe, durch Vernehmung des Zeugen P. Diesbezüglich wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom Arbeitsgericht vom 12.07.2006 (Bl. 54 - 58 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, es gebe weder eine tarifliche noch eine im Wege betrieblicher Übung entstandene vertragliche Anspruchsgrundlage für die Zahlung des Weihnachtsgeldes für 2005. Auf der Grundlage der Beweisaufnahme sei bewiesen, dass im Juli 2005 für das Jahr 2005 eine negative Prognose im Bezug auf die Geschäftsentwicklung der Beklagten vorgelegen habe, so dass ein Anspruch auf das Weihnachtsgeld nicht bestehe. Auf die weitere Begründung des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das am 08.08.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 07.09.2006 Berufung eingelegt und am 06.10.2006 begründet.

Er wiederholt und vertieft den erstinstanzlichen Vortrag und vertritt weiter die Auffassung, dass auf Grund der jährlichen Zahlung auch eine betriebliche Übung begründet worden sei. Die Streichung des Weihnachtsgeldes stelle für den Kläger zudem eine unzumutbare Härte dar, da die Mitteilung über die Nichtzahlung erst kurz vor Auszahlung des Weihnachtsgeldes erfolgt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 12.07.2006 - 2 Ca 646/05 - abzuändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 03.11.2006, auf den Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

Die frist- und formgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt der geltend gemachte Anspruch zu.

1. Ein tariflicher Anspruch aus § 13 des auf den Betrieb der Beklagten anzuwendenden Haustarifvertrages besteht nicht. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung vom 18.04.2005 vereinbart, das für das Jahr 2005 und das Jahr 2006 nach Maßgabe einer noch abzuschließenden Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung die Zahlung der tariflichen Jahressonderzuwendung ausgesetzt werden kann.

a) Die Betriebsparteien haben mit der Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung vom 26. Mai 2005 von dieser Befugnis Gebrauch gemacht und eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, wonach die Jahressonderzuwendung für das Jahr 2005 unter der Bedingung ausgesetzt wird, dass das betriebswirtschaftliche Ergebnis der Beklagten im Juli 2005 eine negative Prognose für das Jahr 2005 ergibt. Diese Betriebsvereinbarung ist rechtswirksam. Sie verstößt nicht gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, weil die Sperrwirkung durch den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung beseitigt worden ist, in dem die Tarifvertragsparteien die Betriebsparteien ausdrücklich ermächtigt haben, für das Jahr 2005 und 2006 in Bezug auf die Jahressonderzuwendung den Anspruch unter bestimmten Bedingungen auszusetzen.

b) Die von den Betriebsparteien in Ziffer 3.1 der Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung vereinbarte Bedingung, unter der die Jahressonderzuwendung für das Jahr 2005 ausgesetzt werden soll, ist eingetreten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Arbeitsgericht am 12. Juli 2006 gibt es keinen Zweifel daran, dass die Beklagte das erste Halbjahr 2005 mit einem Verlust von 747.000,00 € abgeschlossen hatte und für das gesamte Jahr 2005 ein Negativergebnis von 1,2 Mio € zu prognostizieren war. Dies korrespondiert mit der vorläufigen Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 31.12.2005 (Bl. 52 d. A.), wonach als Jahresergebnis ein Verlust von 1,221,690,80 € im Jahr 2005 eingetreten ist.

Die Bedingung ist damit eingetreten, so dass ein tariflicher Anspruch auf die Jahressonderzuwendung für das Jahr 2005 nicht besteht.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch aus betrieblicher Übung auf Zahlung der tariflichen Sonderzuwendung/Weihnachtsgeld für das Jahr 2005.

a) Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus dem Verhalten des Arbeitgebers wird konkludent auf eine Willenserklärung geschlossen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr schon dann ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung auf Grund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss deshalb danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (ständige Rechtsprechung des BAG zuletzt Urteil vom 28.06.2006 - 10 AZR 385/05 - ).

b) Danach besteht kein vertraglicher auf der Grundlage einer betrieblichen Übung entstandener Anspruch des Klägers auf Zahlung der Sonderzuwendung. Der Kläger konnte die jährliche Zahlung des Weihnachtsgeldes nicht so verstehen, als dass die Beklagte sich auf Dauer vertraglich ihm gegenüber verpflichten wollte, eine Sonderzuwendung bzw. ein Weihnachtsgeld jährlich zu zahlen. Auf das Arbeitsverhältnis findet nämlich der Haustarifvertrag Anwendung, der einen Anspruch auf eine Sonderzuwendung/Weihnachtsgeld in exakt der Höhe vorsieht, wie sie die Beklagte ihn jahrelang an den Kläger ausgekehrt hat. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, dass die Beklagte sich neben ihrer tarifvertraglichen Verpflichtung auch noch vertraglich ihm gegenüber binden wollte. Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt. Weder hat die Beklagte über den tarifvertraglich geschuldeten Betrag hinaus Leistungen erbracht noch liegen sonstige Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte sich unabhängig vom Tarifvertrag gegenüber dem Kläger verpflichten wollte. Die Beklagte hat das gezahlt, wozu sie verpflichtet war. Eine betriebliche Übung konnte so nicht entstehen.

3. Auch die weiteren Berufungsangriffe der Klägers führen zu keinem Anspruch. Es ist ohne Bedeutung, dass die Information der Mitarbeiter über die Nichtzahlung der Sonderzuwendung/Weihnachtsgeld 2005 erst im Herbst 2005 erfolgte. Selbst eine unterbliebene Information könnte nicht anspruchsbegründend wirken. Maßgeblich ist, ob ein tarifvertraglicher oder vertraglicher Anspruch besteht. Dies ist nach vorstehenden Erwägungen nicht der Fall, so dass die Berufung des Klägers zurückzuweisen war.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

III.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.