Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.12.2007, Az.: 1 TABV 111/07
Regelung Nutzung Pausen- und Sozialraum
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 21.12.2007
- Aktenzeichen
- 1 TABV 111/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 57148
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2007:1221.1TABV111.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Wilhelmshaven - 07.08.2007 - AZ: 2 BV 7/07
Rechtsgrundlagen
- § 87 Abs. 1 Nr. 1
- Nr. 7
- Nr. 8 BetrVG
- § 98 ArbGG
- § 18 Arbeitsschutzgesetz
- §§ 5
- 6 ArbeitsstättenVO
Amtlicher Leitsatz
Eine Einigungsstelle ist zur Regelung des Verhaltens der Arbeitnehmer im Pausen- und Sozialraum des Betriebes nicht offensichtlich unzuständig.
Tenor:
Die Beschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) und die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 7. August 2007 - 2 BV 7/07 - werden zurückgewiesen. Ebenfalls zurückgewiesen wird der Hilfsantrag der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2), den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Bremen Herrn M.B. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle über die Regelung des Verhaltens der Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen im Bereich des Pausen-/Sozialraums in der Filiale W. der Beteiligten zu 2) zu bestellen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob für die Filiale W. der Arbeitgeberin eine Einigungsstelle einzurichten ist.
Der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) hat hierzu beantragt,
- 1.
den Direktor des Arbeitsgerichts Emden, Herrn T., zum Vorsitzenden der Einigungsstelle über Form, Ausgestaltung und Verwaltung des Sozialraums Küche sowie über das Verhalten der Arbeitnehmer, z.B. Rauchverhalten, in diesem Bereich und die Nutzung des Raumes insgesamt zu bestellen,
- 2.
die Anzahl der Beisitzer auf 3 festzusetzen.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Wilhelmshaven hat antragsgemäß den Direktor des Arbeitsgerichts Emden Herrn J. T. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle über die Regelung des Verhaltens der Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen im Bereich des Pausen-/Sozialraums in der Filiale W. der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) bestellt, die Zahl der Beisitzer auf je 2 pro Seite festgesetzt. Den weitergehenden Antrag hat es zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht gegeben sei, soweit der antragstellende Betriebsrat eine Regelung des Verhaltens der Arbeitnehmer bei Benutzung des Pausenraums verlange, da sich hierfür ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergebe. Dagegen sei die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig, soweit der Betriebsrat die Einrichtung der Einigungsstelle zur Regelung der Form, Ausgestaltung und Verwaltung einer Sozialeinrichtung i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG beantrage. Die Arbeitgeberin stelle allein einen Pausenraum zur Verfügung und habe diesen mit einer Küchengrundausstattung versehen. Damit sei aber für soziale Zwecke auf Dauer und mit eigener Organisation ein Teil sachlicher oder finanzieller Mittel vom restlichen Betriebsvermögen nicht abgegrenzt worden, was Voraussetzung für eine Sozialeinrichtung im Sinne des Gesetzes sei. Es fehle eben eine irgendwie geartete Organisation zum Betreiben einer sozialen Einrichtung. Für das Überlassen eines bestimmten Raumes für Pausenzwecke und für die Grundausstattung eines solchen Raumes bedürfe es keiner Organisation. Gegen die vorgeschlagene Person des Vorsitzenden seien keine Einwände erhoben worden und auch im Übrigen keine entgegenstehenden Gründe ersichtlich. Angesichts der relativ geringen Regelungsmaterie reiche es aus, wenn die Anzahl der Beisitzer auf jeder Seite mit zwei festgesetzt werde. Zu den Gründen im Einzelnen und dem Sachvortrag der Beteiligten erster Instanz wird auf Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 7. August 2007 Bezug genommen (Bl. 25 bis 29 d.A.).
Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 7. August 2007, der der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) ebenso wie dem Betriebsrat und Beteiligten zu 1) am 9. August 2007 zugestellt wurde, hat die Arbeitgeberin am 23. August 2007 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Mit seiner am 10. September 2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag hat der Betriebsrat Anschlussbeschwerde mit Begründung eingelegt.
Die Arbeitgeberin trägt vor, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates sich hier weder aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 noch aus Nr. 1 BetrVG ergebe, da hier zum einen keine Sozialeinrichtung vorliege und zum anderen eine Sicherung ungestörter Arbeitsabläufe oder dienstlicher Tätigkeiten nicht im Streit stehe. Das Arbeitsgericht habe über diesen als Einheit anzusehenden Antrag auch einheitlich entscheiden müssen. Der Antrag fuße auf ein Mitbestimmungsrecht zu § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Das zu regelnde Verhalten der Arbeitnehmer sei erst im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht erweiternd in den Antrag des Betriebsrats aufgenommen worden. Im Übrigen sei es - hinsichtlich des Verhaltens der Arbeitnehmer - vorher zu keinen Verhandlungen zwischen den Betriebspartnern gekommen. Eine Regelungsnotwendigkeit sei ferner nicht gegeben, da es bisher keine Beschwerden zur Nutzung des Pausen-/Sozialraums gegeben habe. Soweit noch über das Rauchen im Pausenraum zu sprechen sei, würde sich der Nichtraucherschutz über die im Januar 2008 anstehenden Umbaumaßnahmen gewährleisten lassen. Eine darüber hinausgehende Regelung, wozu die Küche noch benutzt werden dürfe, unterstünde nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Die Nutzung als Besprechungsraum in der Vergangenheit sei immer außerhalb der Pausenzeiten der Arbeitnehmer erfolgt. So habe auch der Betriebsrat - insoweit unstreitig - den Pausenraum für Betriebsversammlungen genutzt. Die sonstigen Anforderungen an den Pausenraum seien durch die Arbeitsstättenverordnung und die dazu ergangenen Richtlinien geregelt. Darüber hinaus bestehe kein Regelungsbedarf.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) stellt den Antrag,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 7. August 2007 abzuändern und den Antrag abzuweisen
und hilfsweise den Antrag,
den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Bremen, Herrn M. B., zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle über die Regelung des Verhaltens der Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen im Bereich des Pausen-/Sozialraums in der Filiale W. der Beteiligten zu 2) zu bestellen.
Der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) stellt den Antrag,
die Beschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) zurückzuweisen
und erhebt darüber hinaus Anschlussbeschwerde mit dem Antrag,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven abzuändern
und
den Direktor des Arbeitsgerichts Emden, Herrn T., zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle über Form, Ausgestaltung und Verwaltung des Sozialraums Küche sowie über das Verhalten der Arbeitnehmer in der Küche und die Nutzung des Raums insgesamt zu bestellen.
Er trägt vor, dass sein Antrag primär zur Regelung des Nutzungsverhaltens im Sozialraum diene und es von daher dahinstehen könne, ob die Küche als Sozialeinrichtung i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG anzusehen sei. Der Antrag sei bereits in der Antragsschrift unter Hinweis auf seine Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gestellt worden. Es sei nicht notwendig, vor Einleitung des Bestellungsverfahrens nach § 98 ArbGG Verhandlungen über den Regelungsgegenstand zu führen. Im Übrigen weist der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) daraufhin, dass auch Erholungsräume Sozialeinrichtungen sein könnten.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) beantragt,
die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.
Was das Vorbringen der Beteiligten im zweiten Rechtszug im Einzelnen angeht, wird auf die gewechselten Schriftsätze vom 22. August, 10. September und 11. Oktober 2007 sowie auf das Vorbringen im Anhörungstermin vom 13. November 2007 (Bl. 91 bis 94 d.A.) verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin und die zulässige Anschlussbeschwerde des Betriebsrats dringen im Ergebnis nicht durch. Das Arbeitsgericht Wilhelmshaven hat zutreffend entschieden. Der von der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) in zweiter Instanz erstmals gestellte Hilfsantrag ist ebenfalls als unbegründet zurückzuweisen.
1.
Die vom Betriebsrat und Beteiligten zu 1) beantragte Einsetzung einer Einigungsstelle im Verfahren nach § 98 ArbGG hat nur dann zu unterbleiben, wenn diese im Blick auf die angestrebte Regelung offensichtlich unzuständig ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn bei fachkundiger Beurteilung sofort erkennbar ist, dass entweder ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt oder dem antragstellenden Betriebsrat die Trägerschaft für das beanspruchte Beteiligungsrecht fehlt.
a)
Es ist durchaus möglich, dass der Antrag des Betriebsrats einerseits offensichtlich nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG besteht, andererseits aber aus einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG begründet ist. Eine Verklammerung beider Begründungsstränge zu einem einheitlich zu bescheidenden Antrag des Betriebsrats, der eine Aufteilung - sowie sie das Arbeitsgericht Wilhelmshaven vorgenommen hat - nicht erlaubt, ist deshalb abzulehnen. Soweit ein rechtlicher Begründungsstrang nicht trägt, verengt sich unter Umständen der von der Einigungsstelle zu verhandelnde Regelungsgegenstand. Das ist vorliegend der Fall. Hierzu weist der Betriebsrat auch zutreffend daraufhin, dass er seinen Antrag bereits in der Antragsschrift vom 20. Juli 2007 unter anderem auf sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gestützt hat. Selbst wenn die Verhandlungen in erster Linie um die "Form, Ausgestaltung und Verwaltung des Sozialraums Küche sowie um das dortige Verhalten der Arbeitnehmer" geführt wurden, so ist doch dem Betriebsrat vor Anrufung des Arbeitsgerichts keine erneute Verhandlungspflicht zu den Verhaltensregeln der Arbeitnehmer im Sozialraum aufzuerlegen. Wie bereits das erkennende Gericht mehrfach ausgeführt hat, dient das Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG dazu in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten die "stockende" vertrauensvolle Zusammenarbeit i.S.v. § 2 Abs. 1 BetrVG 2001 unter Zuhilfenahme eines unparteiischen Einigungsstellenvorsitzenden schnell wieder in Gang zu bringen. Insoweit überlagert § 98 ArbGG den Verhandlungsanspruch aus § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG 2001. Das gerichtliche Bestellungsverfahren ist deshalb darauf angelegt, bei Konflikten die Errichtung einer Einigungsstelle zu beschleunigen und jede weitere Verzögerung von Verhandlungen zu vermeiden. Deshalb entscheiden die Beteiligten in eigener Verantwortung darüber, ob die Aufnahme oder die Fortsetzung von Verhandlungen sinnvoll ist, oder ob sofort das Gericht nach § 98 ArbGG angerufen werden soll (vgl. zuletzt LAG Niedersachsen vom 25. Oktober 2005 - 1 TaBV 48/05 = LAGE § 98 ArbGG 1979 Nr. 45). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Regelungsgegenstand für beide Betriebspartner klar ist. Das ist hier gegeben, da die Nutzung des Pausen- und Sozialraums den Mittelpunkt des Streits bildet.
b)
Es kann dahinstehen, ob - wie das Arbeitsgericht mit guten Argumenten angenommen hat - Pausen- und Sozialräume im Regelfall nicht als Sozialeinrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG anzusehen sind. Jedenfalls unterliegen diese Räumlichkeiten nach § 18 Arbeitsschutzgesetz i.V.m. §§ 5, 6 Arbeitsstättenverordnung gesetzlichen Regeln, die ihrerseits Regelungsspielräume lassen und durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ausgefüllt werden können (vgl. dazu GK-BetrVG Wiese, 8. Aufl. § 87 Rn. 616; Fitting, BetrVG 23. Aufl. § 87 Rn. 306 f.). Wenn es um eine gesetzliche Pflichterfüllung der Arbeitgeberin geht, Pausen- und Sozialräume zu schaffen, können diese Räumlichkeiten nicht zugleich Sozialeinrichtungen sein, auf deren Schaffung kein Rechtsanspruch besteht. Ferner fehlt es bereits an einer sachlichen, finanziellen und organisatorischen Verselbstständigung, die eine Sozialeinrichtung ausmacht. Dies ist offensichtlich und musste deshalb zur Eingrenzung des Regelungsgegenstandes der Einigungsstelle führen.
c)
Wenn die Frage, wie das Rauchverbot im Pausenraum umzusetzen ist, den Beteiligungsrechten des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterfällt, kann die Pausengestaltung und die Zurverfügungstellung dieser Räumlichkeiten außerhalb der Pausennutzung nicht ohne Weiteres den zwingenden Beteiligungsrechten des Betriebsrats unterworfen werden. Was die Arbeitspausen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeht, beschränkt sich sein Beteiligungsrecht auf die Zeitkomponente nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Die Nutzung der Pausen- und Sozialräume zu anderen Zwecken, steht der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) als Eigentümerin bzw. Besitzerin der Räumlichkeiten frei. Insoweit ist es offensichtlich nicht Gegenstand der Beteiligungsrechte des Betriebsrats, ob außerhalb der Pausen- und Ruhezeiten der Raum zu anderen Zwecken durch die Arbeitgeberin genutzt werden kann. Hier ist eine Nutzungsabsprache zwischen den Beteiligten gleichwohl sinnvoll. Insoweit sind die Beteiligten zu ermuntern, die in zweiter Instanz gescheiterten Einigungsversuche auf der Grundlage des gerichtlichen Beschlusses vom 13. November 2007 fortzusetzen.
Aus den genannten Gründen waren deshalb Beschwerde und Anschlussbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
2.
Der Hilfsantrag der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2), anstelle des erstinstanzlich eingesetzten Vorsitzenden, den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Bremen Herrn M. B. zum Einigungsstellenvorsitzenden zu bestimmen, unterliegt ebenfalls der Abweisung. Ernstzunehmende Einwände gegen die Eignung des gerichtlich eingesetzten Vorsitzenden bringt die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) nicht vor. Es wird allein auf die besonderen Kenntnisse in der Einzelhandelslandschaft abgestellt, über die der ersatzweise benannte Vorsitzende verfügen soll. Damit wird aber weder die Eignung noch die Unparteilichkeit des vom Arbeitsgericht eingesetzten Vorsitzenden in Zweifel gezogen (vgl. LAG Nürnberg 2. Juli 2004 - 7 TaBV 19/04 = LAGE Art. 101 GG Nr. 2; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 98 Rn. 25 ff.; ErfK/Eisemann 8. Aufl. § 98 Rn. 5).
3.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei (§ 2 Abs. 2 GKG).
Gegen diese Entscheidung findet keine Rechtsmittel statt (§ 98 Abs. 2 S. 4 ArbGG).