Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.06.2007, Az.: 17 Sa 1831/06
Schleppnetzantrag
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 06.06.2007
- Aktenzeichen
- 17 Sa 1831/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71774
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG - 05.09.2006 - AZ: 7 Ca 585/05
Rechtsgrundlagen
- § 4 KSchG
- § 256 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Einzelfallentscheidung zur Zulässigkeit eines "Schleppnetzantrages".
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.09.2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um den Fortbetstand des Arbeitsverhältnisses.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.09.2006 Bezug genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die personenbedingten Kündigungen der Beklagten jeweils vom 12.11.2005, zugegangen am 12.11.2005 und 15.11.2005 beendet wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 05.09.2006 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 12.11.2005, zugegangen am 12.11.2005 und 15.11.2005, nicht beendet worden ist. Im Übrigen hat es den Antrag als unzulässig abgewiesen, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 4.083,00 € festgesetzt.
Wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht zu seinem Urteil haben gelangen lassen, wird auf die Entscheidungsgründe es angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 27.10.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem per Fax am 27.11.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem am 15.12.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Die Kammer nimmt auf den Inhalt des Berufungsbegründungsschriftsatzes der Klägerin vom 14.12.2006 sowie auf ihren weiteren Schriftsatz vom 24.01.2007 Bezug.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.09.2006 teilweise abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 19.01.2007 sowie seines weiteren Schriftsatzes vom 18.02.2007, auf die die Kammer Bezug nimmt.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden und somit insgesamt zulässig.
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Antrag, mit dem die Klägerin die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht als unzulässig zurückgewiesen. Auch nach dem zweitinstanzlichen Vorbringen der Klägerin sind die diesbezüglich gestellten Anträge unzulässig.
Nach der Rechtsprechung des BAG kann sich der Arbeitnehmer im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO auf die Unwirksamkeit weiterer Kündigungen berufen. Es kommt danach nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt er sie in den Prozess eingeführt hat. Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich eine selbstständige allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erhoben hat. Hierfür genügt es nicht, das neben dem Antrag nach § 4 KSchG begehrt wird, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festzustellen. Vielmehr muss die Auslegung des Antrags ergeben, dass es dem Arbeitnehmer gerade (auch) selbstständig auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ankommt, er also einen gegenüber der Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG erweiterten Streitgegenstand anhängig machen will. Daran fehlt es, wenn nur ein unselbstständiges Fortbestehensbegehren vorliegt, der Arbeitnehmer etwa nur floskelartig die Folgen einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage formuliert. Für die Auslegung, welche Art von Antrag vorliegt, ist die Antragsbegründung heranzuziehen. Befasst sich diese ausschließlich mit der Frage, ob eine vom Arbeitgeber ausgesprochene bestimmt bezeichnete Kündigung wirksam ist, liegt regelmäßig kein gegenüber der Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG erweiterter Streitgegenstand vor. Denn eine zulässige Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO verlangt die Darlegung eines Feststellungsinteresses (BAG vom 16.03.1994 – 8 AZR 97/93 – AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969 und BAG vom 27.01.1994 – 2 AZR 484/93 – AP Nr. 28 zu § 4 KSchG 1969 sowie BAG vom 13.03.1997 – 2 AZR 512/96 – AP Nr. 38 zu § 4 KSchG 1969 jeweils m.w.N.).
Der Klägerin, die erstinstanzlich keinerlei Ausführungen zur Frage des Fortbestands ihres Arbeitsverhältnisses gemacht hat, kann nicht unterstellt werden, sie habe eine unzulässige Feststellungsklage erheben wollen. Auch nachdem der Beklagte der Arbeitgeberin der Klägerin unter dem 29. und 30.03.2006 weitere Kündigungen ausgesprochen hatte, hat die Klägerin diese nicht etwa in den vorliegenden Prozess eingeführt. Sie hat vielmehr unter dem 04.05.2006 eine weitere Kündigungsschutzklage erhoben, die in derselben Kammer des Arbeitsgerichts Hannover zum Aktenzeichen 7 Ca 192/07 (7 Ca 229/06) anhängig war. Die Kammer hat die Akte dieses Verfahrens beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gemacht. Mit dieser Klage hat sich die Klägerin zunächst gegen die durch den Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 29.03.2006 gewehrt und mit Klagerweiterung vom 31.05.2006 die weitere Kündigung vom 30.03.2006 angegriffen. Selbst wenn die Kammer daher zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die floskelhafte Formulierung „sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht“ eine selbstständige allgemeine Feststellungsklage sein sollte, hat sie sich ausweislich des Verfahrens 7 Ca 192/07 (7 Ca 229/06) ersichtlich dafür entschieden, gegen die beiden Kündigungen vom 29. und 30.03.2006 mit einer neuen Klage nach § 4 KSchG vorzugehen. Grundsätzlich liegt es nämlich in der Dispositionsbefugnis des Arbeitnehmers, ob er gegen die Folgekündigung weiter mit einer bereits erhobenen allgemeinen Feststellungsklage oder mit einer neuen Klage nach § 4 KSchG vorgehen will. Sind aber noch Rechtstreite nach § 4 KSchG anhängig, die gerichtsbekannt sind, so ist die weitergehende allgemeine Feststellungsklage, wenn sie sich auf diese Kündigungen erstreckt, als unzulässig abzuweisen. Das Rechtschutzbedürfnis für eine allgemeine Feststellungsklage entfällt nämlich, wenn gegen die dann tatsächlich ausgesprochenen Kündigungen eine gesonderte Klage erhoben wird (BAG vom 16.08.1990 – 2 AZR 113/90 – AP Nr. 10 zu § 611 BGB Treuepflicht).
Auch zweitinstanzlich hat die Klägerin zur Begründung ihres Antrags, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortbestehe, lediglich die weiteren Kündigungen des Beklagten vom 29.03.2006 und 30.03.2006 angeführt, die sie allerdings bereits selbstständig mit dem Antrag nach § 4 KSchG in dem Verfahren 7 Ca 192/07 vor dem Arbeitsgericht Hannover angegriffen hatte. Da dieser Rechtsstreit zwischenzeitlich rechtskräftig entschieden ist, steht der Zulässigkeit des Antrags nicht nur das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit, sondern die Rechtskraft entgegen. Das Urteil in der Sache 7 Ca 229/06 vom 02.03.2007 wurde der Klägerin am 23.03.2007 zugestellt. Innerhalb der Berufungsfrist ist ein Berufungseingang beim Berufungsgericht nicht zu verzeichnen.
Weitere Beendigungstatbestände hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht eingeführt, so dass der gestellte Antrag auch zweitinstanzlich als unzulässig abzuweisen war.
III.
Als unterlegene Partei hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen diese Entscheidung ist daher ein Rechtsmittel nicht gegeben.