Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.07.2014, Az.: 8 ME 72/14

Ausweisung eines wegen vorsätzlicher Straftaten verurteilten Ausländers

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.07.2014
Aktenzeichen
8 ME 72/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 21344
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0714.8ME72.14.0A

Fundstellen

  • AUAS 2014, 182-186
  • InfAuslR 2014, 335-340

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Da die Ausweisung eine schwerwiegende und mit schwer zu behebenden Folgen für den Ausländer verbundene Maßnahme darstellt, deren Gewicht durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung noch erheblich verschärft wird, setzt das Interesse an der sofortigen Vollziehung zudem die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu treffende Feststellung voraus, dass der Sofortvollzug schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren erforderlich ist. Bei der im Übrigen vorzunehmenden Folgenabwägung sind gegenüberzustellen die konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter bei einem Aufschub des Vollzugs, wenn sich die Ausweisungsverfügung nachträglich als rechtmäßig erweist, den konkreten Folgen des Sofortvollzugs für den Ausländer, wenn sich die Ausweisungsverfügung nachträglich als rechtswidrig erweisen sollte.

  2. 2.

    Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 GG gebieten es regelmäßig nicht, dem Wunsch eines Ausländers nach familiärem Zusammenleben im Bundesgebiet zu entsprechen, wenn ein solches Zusammenleben auch im Heimatland des Ausländers oder eines Familienangehörigen zumutbar möglich ist. Die Zumutbarkeit hängt maßgeblich von dem aufenthaltsrechtlichen Status des Ausländers oder Familienangehörigen im Bundesgebiet ab.

  3. 3.

    Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsrechtsregelung 2009 ist es nach Auffassung des Senats grundsätzlich zuzumuten, das Bundesgebiet zu verlassen, um mit anderen Familienmitgliedern im gemeinsamen Heimatland eine gewünschte familiäre Lebensgemeinschaft zu führen.

  4. 4.

    Kinder teilen aufenthaltsrechtlich grundsätzlich das Schicksal ihrer Eltern (sog. familienbezogene Gesamtbetrachtung). In aller Regel erscheint es selbst einem in Deutschland geborenen ausländischen Kind zumutbar, auch nach mehrjährigem Aufenthalt das Land zusammen mit seinen Eltern beziehungsweise einem Elternteil wieder zu verlassen und sich in dem Land seiner Staatsangehörigkeit zu integrieren.

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 11. Kammer - vom 20. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Verfahrens wegen Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist unbegründet, da der Beschwerde des Antragstellers aus den nachfolgend angeführten Gründen die hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO fehlt.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen eine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die für sofort vollziehbar erklärte Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 16. Mai 2013 wiederherzustellen, nicht.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen. Ist, wie hier, das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Ausweisung in einer den Formerfordernissen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gerade noch genügenden Weise damit begründet worden, dass eine erneute Straffälligkeit des Antragstellers und damit verbundene Gefahren für die Allgemeinheit verhindert werden sollen, so setzt die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das vorrangig öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus (vgl. Senatsbeschl. v. 16.3.2004 - 8 ME 164/03 -, NJW 2004, 1750 m.w.N.).

Dem öffentlichen Vollzugsinteresse kann dabei überhaupt nur dann Vorrang eingeräumt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt voraussichtlich auch im Hauptsacheverfahren Bestand haben, mithin sich als rechtmäßig erweisen wird. Da die Ausweisung eine schwerwiegende und mit schwer zu behebenden Folgen für den Ausländer verbundene Maßnahme darstellt, deren Gewicht durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung noch erheblich verschärft wird, setzt das Interesse an der sofortigen Vollziehung zudem die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu treffende Feststellung voraus, dass der Sofortvollzug schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren erforderlich ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2005 - 2 BvR 485/05 -, NVwZ 2005, 1053, 1054 f.; Beschl. v. 21.3.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220, 228; Bayerischer VGH, Beschl. v. 19.2.2009 - 19 CS 08.1175 -, juris Rn. 49 jeweils m.w.N.). Bei der im Übrigen vorzunehmenden Folgenabwägung sind gegenüberzustellen die konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter bei einem Aufschub des Vollzugs, wenn sich die Ausweisungsverfügung nachträglich als rechtmäßig erweist, den konkreten Folgen des Sofortvollzugs für den Ausländer, wenn sich die Ausweisungsverfügung nachträglich als rechtswidrig erweisen sollte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.10.2006 - 1 BvR 2403/06 -, juris Rn. 17 f.).

Nach diesen Maßstäben fällt die Abwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Die Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 16. Mai 2013 ist voraussichtlich rechtmäßig (1.), die Anordnung des Sofortvollzugs ist schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren erforderlich (2.) und die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter überwiegen die den Antragsteller treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung (3.).

1.

Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung einer Ausweisungsverfügung ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgebend (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.2007 - BVerwG 1 C 45.06 -, BVerwGE 130, 20, 22). Dieser ursprünglich für die Überprüfung von Ausweisungen von Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen entwickelte Grundsatz (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.8.2004 - BVerwG 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297, 308 f.;Urt. v. 3.8.2004 - BVerwG 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315, 321) gilt nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) auch für alle Drittstaatsangehörigen, weil bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ihrer Ausweisung und der Gegenwärtigkeit der von ihnen ausgehenden Gefahr auf eine möglichst aktuelle Tatsachengrundlage abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.2007, a.a.O., S. 23 f.).

Im danach maßgeblichen (Jetzt-)Zeitpunkt erweist sich die angefochtene Verfügung der Antragsgegnerin vom 16. Mai 2013 voraussichtlich als rechtmäßig.

Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Ausweisungsverfügung ist § 53 Nr. 1 AufenthG. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer unter anderem dann ausgewiesen, wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Diese Voraussetzungen liegen in der Person des Antragstellers unter Berücksichtigung des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts C. vom 11. April 2012 - 11 Ks 210 Js 18101/11 (6/11) -, durch das er wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden ist, vor.

Besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG genießt der Antragsteller nach den mit der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht.

Die Ausweisung des Antragstellers erweist sich auch unter Berücksichtigung der sich aus verfassungs- und völkervertraglichen Bestimmungen ergebenden Schutzwirkungen nicht als unverhältnismäßig (vgl. zur dogmatischen Begründung und Erforderlichkeit einer solchen Verhältnismäßigkeitsprüfung bei einer einfachgesetzlich zwingenden Ausweisung: BVerwG, Beschl. v. 11.7.2003 - BVerwG 1 B 252.02 -, Buchholz 140 Art. 8 EMRK Nr. 14; Beschl. v. 10.12.1993 - BVerwG 1 B 160.93 -, juris Rn. 3; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 3.7.2012 - 11 LA 150/12 -, juris Rn. 5 f.; Beschl. v. 7.1.2011 - 11 LA 503/10 -, juris Rn. 3; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 20.10.2011 - 11 S 1929/11 -, juris Rn. 25 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 26.5.2009 - 18 E 1230/08 -, juris Rn. 11.).

Die Antragsgegnerin hat die familiären Bindungen des Antragstellers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung gebracht (vgl. zu den sich aus Art. 6 GG als wertentscheidender Grundsatznorm ergebenden Schutzwirkungen und -pflichten im Rahmen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen: BVerfG, Beschl. v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris Rn. 12 m.w.N.).

Der Senat geht dabei davon aus, dass zwischen dem Antragsteller und seinen beiden Kindern, der am D. 2009 geborenen E. B. und dem am F. 2011 geborenen G. B., sowie der Kindesmutter, Frau H. I., tatsächlich eine nach Art. 6 GG schutzwürdige familiäre Lebensgemeinschaft besteht (vgl. zu den Anforderungen: BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. -, BVerfGE 76, 1, 42). Alle diese Personen haben vor der Haftverbüßung des Antragstellers in einem gemeinsamen Haushalt gelebt, diesen während der Haft regelmäßig besucht und leben auch heute wieder zusammen in einer gemeinsamen Wohnung.

Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG gebieten es aber regelmäßig nicht, dem Wunsch eines Ausländers nach familiärem Zusammenleben im Bundesgebiet zu entsprechen, wenn ein solches Zusammenleben auch im Heimatland des Ausländers oder eines Familienangehörigen zumutbar möglich ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987, a.a.O., S. 43 f. und 57; Senatsbeschl. v. 1.12.2010 - 8 ME 292/10 -, juris Rn. 14; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.4.2007 - 11 S 1035/06 -, juris Rn. 53 jeweils m.w.N.). So verhält es sich hier. Den Kindern des Antragstellers und der Kindesmutter ist es möglich und auch zuzumuten, den Antragsteller nach Serbien und gegebenenfalls auch in den Kosovo zu begleiten und dort eine gewünschte familiäre Lebensgemeinschaft zu führen. Sie werden mithin durch die Ausweisung und die daran anknüpfende Ausreisepflicht des Antragstellers nicht gezwungen, die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zu unterbrechen oder ganz aufzugeben.

Den Familienangehörigen des Antragstellers ist es möglich, mit diesem eine familiäre Lebensgemeinschaft in Serbien zu führen. Der Antragsteller ist nach seinem eigenen Vorbringen (auch) serbischer Staatsangehöriger. Er verfügt über einen vom Generalkonsulat der Republik Serbien ausgestellten gültigen Reisepass (vgl. Blatt 79 der Beiakte A). Auch alle Familienangehörigen verfügen über gültige serbische Reisepässe (vgl. Beiakte C (für Frau H. I.); Beiakte D (für E. B.) und Beiakte E (für G. B.)). Darüber hinaus spricht Einiges dafür, dass der Antragsteller und Frau H. I., die beide im Kosovo geboren sind, und daran anknüpfend die gemeinsamen Kinder auch die kosovarische Staatsangehörigkeit besitzen (vgl. zu den Voraussetzungen für den Erwerb der kosovarischen Staatsangehörigkeit nach Maßgabe des Gesetzes Nr. 03/L-034 über die Staatsangehörigkeit von Kosovo: Senatsbeschl. v. 11.4.2012 - 8 ME 224/11 -, juris Rn. 6) und es ihnen daher möglich ist, auch im Kosovo eine gemeinsame familiäre Lebensgemeinschaft zu führen.

Den Familienangehörigen des Antragstellers ist es auch zuzumuten, das Bundesgebiet zu verlassen und mit ihm eine familiäre Lebensgemeinschaft in einem anderen Land zu führen. Die Zumutbarkeit hängt maßgeblich von dem aufenthaltsrechtlichen Status des Ausländers oder Familienangehörigen im Bundesgebiet ab (vgl. bspw. BVerwG, Urt. v. 30.4.2009 - BVerwG 1 C 3.08 -, juris Rn. 18 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 4.2.2008 - 11 B 4.07 -, juris Rn. 37 (Zumutbarkeit bejaht bei Innehaben einer Niederlassungserlaubnis); Senatsbeschl. v. 2.2.2011 - 8 ME 305/10 -, juris Rn. 10 (Zumutbarkeit verneint bei Innehaben einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen eines sich aus dem Schutz des Privatlebens nach Art. 8 EMRK ergebenden Ausreisehindernisses)).

Frau H. I. ist erstmals am 17. November 2009 eine bis zum 31. Dezember 2009 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt worden. Aufgrund mangelnder selbstständiger Lebensunterhaltssicherung ist diese Aufenthaltserlaubnis in der Folge nach § 23 Abs. 1 AufenthG zunächst durch den Landkreis Coesfeld (vgl. Innenministerium von Nordrhein-Westfalen, Anordnungen nach § 23 Abs. 1 AufenthG v. 17.12.2009 und v. 21.12.2009 - 15-39.08.01-3 -, im Folgenden: Bleiberechtsregelung 2009 NRW) und später durch die zuständige gewordene Antragsgegnerin (vgl. Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integration, Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen im Anschluss an die gesetzliche Altfallregelung nach § 104a, Anordnung nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (Bleiberechtsregelung 2009), Erlass v. 11.12.2009 - 42.12.-12230/1-8 (§ 23), und Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsreglung 2009 (nach § 23 Abs. 1 i.V.m. § 104a Aufenthaltsgesetz erteilte Aufenthaltserlaubnisse), Erlass v. 19.12.2011
- 42.12-12230.1-8 (§ 23)) zuletzt bis zum 15. April 2014 verlängert worden. Derzeit ist sie im Besitz einer bis zum 4. September 2014 gültigen Fiktionsbescheinigung.

Die aufenthaltsrechtliche Situation von Frau H. I. ist folglich dadurch gekennzeichnet, dass sie die gesetzlichen Voraussetzungen des § 104a Abs. 5 und 6 AufenthG für eine Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis auf Probe über den 31. Dezember 2009 hinaus nicht erfüllte, also nicht zur eigenständigen Lebensunterhaltssicherung in der Lage gewesen ist, ihr aufgrund der bisherigen bloßen Integrationsbereitschaft und -bemühungen durch die Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis aber eine weitere Chance zur Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse eröffnet werden sollte (vgl. insb. Nr. 1.2.3.2 Bleiberechtsregelung 2009 NRW und die Vorbemerkung im Begleiterlass zur Bleiberechtsregelung 2009). Dem Inhaber einer solchen Aufenthaltserlaubnis ist es nach Auffassung des Senats grundsätzlich zuzumuten, das Bundesgebiet zu verlassen, um mit anderen Familienmitgliedern im gemeinsamen Heimatland eine gewünschte familiäre Lebensgemeinschaft zu führen (vgl. Senatsbeschl. v. 22.9.2011 - 8 ME 135/11 -). Denn anders als in dem vom Senat mit Beschluss vom 2. Februar 2011 - 8 ME 305/10 - entschiedenen Fall, in dem das Familienmitglied eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 8 EMRK (Schutz des Privatlebens) wegen einer faktischen Verwurzelung im Bundesgebiet innehatte, ist der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsrechtsregelung 2009 gerade noch nicht derart in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert, dass eine faktische Verwurzelung gegeben ist und ihm das Verlassen des Bundesgebietes grundsätzlich nicht mehr zuzumuten ist, um in einem anderen Staat ein Privatleben zu führen. Dass für Frau H. I. hier ausnahmsweise etwas anderes gilt, hat der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen weder aufgezeigt, noch ist dies für den Senat sonst, insbesondere anhand der beigezogenen Ausländerakte der Frau H. I., ersichtlich.

Die Kinder des Antragstellers verfügten bisher lediglich über von den Eltern abgeleitete Aufenthaltsrechte. Derzeit sind sie im Besitz einer bis zum 26. August 2014 gültigen Fiktionsbescheinigung. Sie teilen auch zukünftig aufenthaltsrechtlich grundsätzlich das Schicksal ihrer Eltern (sog. familienbezogene Gesamtbetrachtung, vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union, BT-Drs. 16/5065, S. 202: "Grundsatz, dass das minderjährige Kind das aufenthaltsrechtliche Schicksal der Eltern teilt"; BVerwG, Urt. v. 26.10.2010 - BVerwG 1 C 18.09 -, juris Rn. 15; Senatsbeschl. v. 9.11.2010 - 8 PA 265/10 -, juris Rn. 6; v. 12.7.2010 - 8 LA 154/10 -, juris Rn. 16; v. 18.5.2010 - 8 PA 86/10 -, juris Rn. 10; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 29.1.2009 - 11 LB 136/07 -, juris Rn. 75 m.w.N.). In aller Regel erscheint es selbst einem in Deutschland geborenen ausländischen Kind zumutbar, auch nach mehrjährigem Aufenthalt das Land zusammen mit seinen Eltern beziehungsweise einem Elternteil wieder zu verlassen und sich in dem Land seiner Staatsangehörigkeit zu integrieren. Anlass, von diesem Grundsatz hier abzuweichen, besteht schon angesichts des sehr jungen Lebensalters der Kinder nicht.

Auch unter Berücksichtigung der sich aus Art. 8 EMRK ergebenden Schutzwirkungen erweist sich die Ausweisung des Antragstellers nicht als unverhältnismäßig.

Dies gilt zunächst im Hinblick auf den Schutz der Familie nach Art. 8 Abs. 1 EMRK. Dieser kann dort, wo sein Anwendungsbereich sich mit dem des Art. 6 Abs. 1 GG deckt, keine weitergehenden als die durch Art. 6 Abs. 1 GG vermittelten Schutzwirkungen entfalten. Das ist unter anderem für das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern der Fall; diese Beziehungen werden vom Schutzbereich beider Vorschriften umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.1997 - BVerwG 1 C 20.97 -, NVwZ 1998, 748, 750).

Im Hinblick auf den darüber hinausgehenden Schutz des Privatlebens kommt einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung eine Eingriffsqualität in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 EMRK nur dann zu, wenn der Ausländer ein Privatleben, das durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiert ist, faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat als Vertragsstaat der EMRK führen kann (vgl. Senatsbeschl. v. 27.1.2010 - 8 ME 2/10 -, juris Rn. 11; Meyer-Ladewig, EMRK, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 25a m.w.N.). Schutzwürdig können aber nur solche Bindungen sein, die während Zeiten einer den Aufenthalt des Ausländers im Aufenthaltsstaat gestattenden behördlichen Entscheidung entstanden sind, die zugleich ein berechtigtes Vertrauen des Ausländers in den Fortbestand seines Aufenthalts begründet hat (vgl. EGMR 4. Sektion, Urt. v. 8.4.2008 - 21878/06 -, zitiert nach Human Rights Documentation - HUDOC - (Nnyanzi ./. Vereinigtes Königreich); EGMR 3. Sektion, Urt. v. 11.4.2006 - 61292/00 -, zitiert nach HUDOC (Useinov ./. Niederlande); EGMR 3. Sektion, Urt. v. 7.10.2004 - 33743/03 -, NVwZ 2005, 1043, 1045 (Dragan u.a. ./. Deutschland); EGMR 1. Sektion, Urt. v. 5.9.2000 - 44328/98 -, zitiert nach HUDOC (Solomon ./. Niederlande); BVerwG, Urt. v. 30.4.2009, a.a.O.; Senatsbeschl. v. 29.3.2011 - 8 LB 121/08 -, juris Rn. 52 f. mit eingehender Begründung und weiteren Nachweisen; Fritzsch, Die Grenzen des völkerrechtlichen Schutzes sozialer Bindungen von Ausländern nach Art. 8 EMRK, in: ZAR 2010, 14, 20 f.). Erst wenn die so begründete und deshalb berechtigte Erwartung in einen fortbestehenden rechtmäßigen Aufenthalt durch eine weitere staatliche Entscheidung enttäuscht wird, kann eine Verletzung von Art. 8 EMRK vorliegen. Ein Ausländer, der, ohne den geltenden Gesetzen zu entsprechen, die Behörden des Aufnahmestaats mit seiner Anwesenheit in diesem Staat konfrontiert, kann aber im Allgemeinen nicht erwarten, dass ihm konventionsrechtlich ein Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht erwächst (vgl. EGMR 2. Sektion, Urt. v. 31.1.2006 - 50435/99 -, EuGRZ 2006, 562, 564 (da Silva und Hoogkamer ./. Niederlande).

Hiernach erweisen sich die von dem Antragsteller behaupteten tatsächlichen Bindungen an das Bundesgebiet von vorneherein als nicht schutzwürdig.

Der Antragsteller reiste 1999 in das Bundesgebiet ein. Seit dem erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens wurde sein Aufenthalt im Bundesgebiet nur geduldet. Erstmals am 4. April 2011 erhielt er eine bis zum 31. Dezember 2011 gültige Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zum Zusammenleben mit seinen Kindern und der Kindesmutter im Bundesgebiet. Diese Aufenthaltserlaubnis wurde nicht verlängert. Seit dem 1. Januar 2012 ist der Antragsteller (wieder) ausreisepflichtig. Sein mittlerweile fast fünfzehn Jahre währender Aufenthalt im Bundesgebiet war mithin nur für weniger als neun Monate rechtmäßig. Während eines solch kurzen Zeitraums entstandene tatsächliche Bindungen an das Bundesgebiet vermitteln den Schutz des Privatlebens nach Art. 8 EMRK nicht, zumal der Antragsteller nahezu die Hälfte dieses Zeitraums in Untersuchungshaft verbracht hat.

Aufgrund der danach fehlenden schutzwürdigen tatsächlichen Bindungen an das Bundesgebiet kommt einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung eine Eingriffsqualität in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht zu. Im Übrigen wäre ein mit der Ausweisung verbundener Eingriff in das nach Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Privatleben auch nach den Vorgaben des Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Die Ausweisung erfolgt auf gesetzlicher Grundlage, verfolgt ein legitimes Ziel, die Verhinderung weiterer Straftaten des Antragstellers im Bundesgebiet, und ist auch unter Berücksichtigung der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Kriterien (vgl. EGMR, Urt. v. 16.4.2013 - 12202/09 -, InfAuslR 2014, 179, 180 (Udeh ./. Schweiz); Urt. v. 28.6.2007 - 31753/02 -, Rn. 54 f. (Kaya ./. Deutschland); Urt. v. 18.10.2006 - 46410/99 -, InfAuslR 2005, 450 f. (Üner ./. Niederlande); Urt. v. 2.8.2001 - 54273/00 -, Rn. 48 (Boultif ./. Schweiz)) verhältnismäßig.

Nach Art. 8 EMRK schutzwürdige Bindungen des Antragstellers an das Bundesgebiet bestehen nur in geringem Umfang.

Der Antragsteller lebt zwar seit seinem elften Lebensjahr hier. Sein Aufenthalt war aber, wie dargestellt, nur während eines sehr geringen Zeitraums rechtmäßig. Der Antragsteller spricht die deutsche Sprache. Er hat auch der gesetzlichen Schulpflicht folgend die Hauptschule und später die Sonderschule besucht. Er hat aber weder einen Schulabschluss erlangt noch eine Berufsausbildung absolviert. Ihm ist zwar zugute zu halten, dass er sich gleichwohl um Arbeit bemüht und seit 2010, unterbrochen durch die Haftverbüßung, in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis steht. Das hieraus erzielte Erwerbseinkommen reicht zur Sicherung des Lebensunterhalts des Antragstellers und seiner Familienangehörigen aber bei Weitem nicht aus, ohne dass Anhaltspunkte für eine zukünftige nachhaltige Besserung bestehen. Ob den Antragsteller insoweit ein Verschulden trifft und er deshalb eine unzureichende Integration - aus welchen Gründen auch immer - zu vertreten hat, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ohne Belang (vgl. Senatsbeschl. v. 6.2.2013 - 8 LA 237/12 -, n.v.; v. 9.11.2012 - 8 ME 194/12 -, n.v., m.w.N.; vgl. auch Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 31.10.2012 - 11 ME 275/12 -, juris Rn. 8; v. 24.3.2009 -10 LA 377/08 -, juris Rn. 19).

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller eine (Wieder-)Eingewöhnung in die Verhältnisse in Serbien oder in Kosovo unmöglich oder unzumutbar ist (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Aspekts: EGMR, Urt. v. 5.7.2005, a.a.O. (Üner ./. Niederlande)). Der Antragsteller verfügt, ausgehend von seinem Lebensalter bei Einreise in das Bundesgebiet, über hinreichende Sprachkenntnisse. Er ist voll erwerbsfähig und keiner politischen Verfolgung ausgesetzt. Hinsichtlich weiterer Bindungen an Serbien oder an Kosovo geht der Senat - ungeachtet etwaiger, noch im Hauptsacheverfahren zu gewinnender Erkenntnisse (vgl. zu den insoweit bestehenden Aufklärungspflichten: BVerfG, Beschl. v. 21.2.2011 - 2 BvR 1392/10 -, NVwZ-RR 2011, 420, 422) - vom Vorbringen des Antragstellers aus, dass solche nicht vorhanden sind. Hieraus folgt aber allenfalls, dass die Eingewöhnung in die dortigen Lebensverhältnisse für den Antragsteller voraussichtlich schwierig sein wird, nicht aber, dass diese unmöglich oder unzumutbar ist.

Das danach nur gering zu gewichtende private Interesse des Antragstellers an der Fortdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet wird aufgewogen durch das öffentliche Interesse an seiner Fernhaltung vom Bundesgebiet (vgl. die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung wegen Gewaltdelikten aufgrund der individuellen Umstände bejahend EGMR, Urt. v. 18.10.2006, a.a.O. (Üner ./. Niederlande)).

Der Antragsteller ist - abgesehen von zwei mehr als fünf Jahre zurückliegenden strafrechtlichen Verurteilungen als Jugendlicher wegen Diebstahls zur Erbringung von Arbeitsleistungen (vgl. Amtsgericht J., Urt. v. 6.2.2006 - 6b Ds 132 Js 25539/05 (243/05) - (Blatt 179 f. der Beiakte A)) und wegen Betruges zu einer richterlichen Weisung (vgl. Amtsgericht J., Urt. v. 24.1.2007 - 6b Ds 132 Js 23340/06 (283/06) - (Blatt 181 der Beiakte A)) - zwar nur in einem Fall strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die begangene Straftat wiegt indes schwer.

Durch Urteil des Landgerichts C. vom 11. April 2012 - 11 Ks 210 Js 18101/11 (6/11) - (Blatt 1 f. der Beiakte B) ist der Antragsteller wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Nach den Feststellungen des Strafgerichts schlug der Antragsteller nach einer verbalen Auseinandersetzung in den Toilettenräumen einer Bar dem Geschädigten zunächst mit der Hand ins Gesicht. Der Geschädigte schlug darauf dem Antragsteller mit der Faust ins Gesicht, so dass dieser sein Gleichgewicht verlor, gegen den Waschbeckenspiegel prallte und sich die Hand verletzte. Nachdem Dritte die Kontrahenten getrennt und der Geschädigte das Restaurant verlassen hatte, folgte ihm der Antragsteller unter Überwindung des Widerstandes Dritter. Etwa fünfzig Meter entfernt von der Bar schlug der Antragsteller zunächst der Begleiterin des Geschädigten ein Trinkglas auf den Kopf, so dass diese eine Gehirnerschütterung erlitt und das Glas zerbrach. Mit dem zerbrochenen Glas, welches noch aus einem dicken Glasboden und einer scharfen, zeigerfingerlangen, nach oben ragenden Spitze bestand, stach der Antragsteller mehrmals, mindestens jedoch dreimal in den Hals- und Gesichtsbereich des Geschädigten. Er fügte diesem so im Bereich des linken Ohres Schnittverletzungen zu, wobei die Gefahr der Zerstörung beziehungsweise Verletzung des Gesichtsnervs bestanden hat. Weiter fügte er dem Geschädigten eine etwa zehn Zentimeter lange, quer über die Halsmittellinie verlaufende Schnittverletzung zu. Dabei wurden unter anderem die Luftröhre bis auf die Hinterwand, die Zungenbeinmuskulatur und die äußere Drosselvene durchtrennt. Die lebenswichtige Halsschlagader wurde nur um etwa zwei Zentimeter verfehlt. Die starke Durchtrennung und die damit einhergehende Blutung in den Rachenraum in die Luftröhre hätten bei unterlassener Behandlung innerhalb kurzer Zeit zum Tod des Geschädigten geführt. Nach den Feststellungen des Strafgerichts handelte der Antragsteller hinsichtlich des möglichen Todeseintritts vorsätzlich.

Die in dieser Tat zum Ausdruck kommende Gefährlichkeit des Antragstellers stellt sich für den Senat entgegen dem Beschwerdevorbringen und der Einschätzung der Justizvollzugsanstalt Vechta vom 5. November 2013 nicht als ein derart "einmaliger massiver emotional-impulsiver Ausbruch unter Alkoholeinfluss" dar, dass er das Vorliegen eines Ausweisungsanlasses in Frage stellen könnte.

Zutreffend ist zwar, dass der Antragsteller bei der Tatbegehung alkoholisiert gewesen ist. Er zeigte nach den Feststellungen des Strafgerichts aber keine motorischen oder gedanklichen Ausfallerscheinungen. Auch seine Steuerungsfähigkeit war zum Tatzeitpunkt nicht aufgehoben. Das Strafgericht vermochte auch eine affektive Komponente nicht festzustellen. Es handelte sich bei der Tat gerade nicht um eine unmittelbare, spontane Reaktion, sondern einen mehraktigen Handlungsverlauf mit mehreren Zäsuren. Die Verletzungen wurden nicht durch einen einzigen Angriff beziehungsweise einen einheitlichen Geschehensakt hervorgerufen, sondern mindestens durch drei voneinander abgrenzbare Handlungen. Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass es sich um eine für den Antragsteller einmalige Konfliktsituation gehandelt hat, die sich nicht wiederholen kann. Der Antragsteller ist lediglich in eine vielleicht nicht alltägliche, jedenfalls aber nicht völlig unübliche, zunächst nur verbale Auseinandersetzung mit einem anderen, ebenfalls alkoholisierten Besucher einer Bar geraten. Schon diese Auseinandersetzung, die sich ohne Weiteres wiederholen kann, war Anlass für die äußerst gefährlichen und lebensbedrohlichen Verletzungshandlungen des Antragstellers.

Auch das Verhalten des Antragstellers nach der Tat vermag dessen in der Tatbegehung zum Ausdruck gekommene Gefährlichkeit und das daran anknüpfende Vorliegen des Ausweisungsanlasses nicht in Frage zu stellen.

Unmittelbar nach der Tat hat der Antragsteller dem am Boden liegenden, schwer blutenden Geschädigten weder selbst geholfen noch Hilfe herbeigerufen. Er hat vielmehr noch gegen den Kopf des Geschädigten getreten und dann den Tatort mit völliger Gleichgültigkeit, ohne Überraschung oder Bestürzung über das Geschehene und begleitet von hochkriminellen Äußerungen ("Besser seine Mutter weint, als meine") verlassen.

In den nachfolgenden strafrechtlichen Ermittlungen versuchte der Antragsteller zunächst, sich als Opfer darzustellen. Vor der strafgerichtlichen Hauptverhandlung hat er sich zwar bei dem Geschädigten und dessen Begleiterin entschuldigt, diese um Verzeihung gebeten, mit ihnen Vergleichsvereinbarungen zum Ausgleich immaterieller Ersatzansprüche geschlossen und an diese insgesamt 16.100 EUR gezahlt. Im strafgerichtlichen Verfahren hat er an der Tataufklärung aber nur wenig mitgewirkt, sondern weitgehend Erinnerungslücken geltend gemacht.

Im Strafvollzug hat sich der Antragsteller nach den vorliegenden Vollzugsplänen vom 15. Mai 2013 (Blatt 45 f. der Beiakte B) und vom 7. November 2013 (Blatt 44 f. der Gerichtsakte) sowie dem Bericht der Justizvollzugsanstalt Vechta vom 5. November 2013 (Blatt 60 f. der Beiakte B) beanstandungsfrei geführt und seine Arbeitspflicht erfüllt. Er hat an einem Konfliktlösetraining und einer psychologischen Einzelbehandlungsmaßnahme teilgenommen. Die Eignung zum offenen Vollzug wurde ihm gleichwohl noch im Vollzugsplan vom 7. November 2013 abgesprochen, weil nicht nur zu befürchten gewesen ist, dass er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entzieht, sondern auch, dass er die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten missbrauchen wird.

Ausweislich des vom Landgericht K. - Strafvollstreckungskammer - zur Vorbereitung der Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung eingeholten Prognosegutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie L. vom 6. Januar 2014 (Blatt 78 f. der Beiakte B, dort offensichtlich fehlerhaft datiert auf den 6. Januar 2013) liegt das Risiko der erneuten Begehung von Gewaltdelikten und auch anderen Straftaten zwar "eher im unteren Drittel", insoweit besteht es aber auch. Als prognostisch ungünstig bezeichnete der Gutachter zudem die mangelnde therapeutische Aufarbeitung der begangenen Straftat. Der Antragsteller zeige sehr deutlich Verdrängungsmechanismen. Es sei ungeklärt, warum es bei dem Antragsteller zu dem massiven Aggressionsdurchbruch gekommen ist. Die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit des Antragstellers sei durch die vollstreckte Haft, nicht aber durch eine Aufarbeitung der Straftat minimiert worden. Die hierauf gestützte Entscheidung des Landgerichts K. - Strafvollstreckungskammer - vom 20. Januar 2014 (- 15 StVK 1621/13 -, Blatt 92 f. der Beiakte B), die Vollstreckung des Restes der gegen den Antragsteller verhängten Freiheitsstrafe nach der Verbüßung von zwei Dritteln gemäß § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen, bindet die Antragsgegnerin und die Verwaltungsgerichte im aufenthaltsrechtlichen Verfahren bei der Beurteilung des Vorliegens eines Ausweisungsanlasses nicht. Sie ist bei der Entscheidung über die Ausweisung zwar zu berücksichtigen; eine Vermutung für das Fehlen einer Rückfallgefahr im Sinne einer Beweiserleichterung begründet sie indes nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.8.2010 - 2 BvR 130/10 -, juris Rn. 36; BVerwG, Urt. v. 2.9.2009 - BVerwG 1 C 2.09 -, juris Rn. 18; Urt. v. 16.11.2000 - BVerwG 9 C 6.00 -, juris Rn. 17).

Auch hier kann aus der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung und dem zugrunde liegenden Verhalten nicht auf den Entfall des Ausweisungsanlasses geschlossen werden. Die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung berücksichtigt zwar auch die gutachterliche Prognose zur Gefährlichkeit des Antragstellers. Maßgeblich stellt sie aber auf Resozialisierungsaspekte ab, wie die Aufnahme in die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft und die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme. Zudem geht es bei der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung um die Frage, ob die vorzeitige Entlassung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, während die aufenthaltsrechtliche Beurteilung eine längerfristige Gefahrenprognose erfordert.

2.

Die Anordnung des Sofortvollzugs ist auch schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren erforderlich.

Diese Erforderlichkeit ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn, wie hier, die Ausweisung zutreffend von schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung getragen wird (vgl. Senatsbeschl. v. 14.6.2011 - 8 ME 325/10 -, juris Rn. 43 (die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 16.11.2011 - 2 BvR 1533/11 - nicht zur Entscheidung angenommen.); VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.6.1998 - 11 S 682/98 -, juris Rn. 4 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 24.2.1998 - 18 B 1466/96 -, juris Rn. 30 f.; GK-AufenthG, Stand: Juni 2009, vor §§ 53 ff. Rn. 1558.1 und 6 m.w.N.).

Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalls ergeben sich hier weder aus dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers, noch sind sie für den Senat sonst ersichtlich. Die Gefährlichkeit des Antragstellers, wie sie in der von ihm verübten Tat zum Ausdruck gekommen ist, und der hieran anknüpfende schwer wiegende Ausweisungsanlass werden, wie dargestellt, durch die Umstände der Tatbegehung, das Verhalten des Antragstellers nach der Tat und seine Entwicklung im Strafvollzug nicht in Frage gestellt.

3.

Schließlich überwiegen die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter die den Antragsteller treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung.

Der Senat verkennt nicht, dass die sofortige Vollziehung der Ausweisung und die damit verbundene Aufenthaltsbeendigung eine schwer wiegende Maßnahme darstellen kann, die tief in das Schicksal des Antragstellers und auch seiner Familie eingreift. Er wird gezwungen, das Bundesgebiet zu verlassen, hier bestehende Bindungen zu unterbrechen und sein Leben im Heimatland neu zu organisieren. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ausweisung hier nicht ein bestehendes Aufenthaltsrecht zum Erlöschen bringt. Der Antragsteller verfügte im Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung über kein Aufenthaltsrecht. Er erfüllt ersichtlich auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht und ist unabhängig von (der sofortigen Vollziehung) der Ausweisung ausreisepflichtig. Zudem wäre dem Antragsteller eine soziale Wiedereingliederung im Bundesgebiet für den Fall eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren durchaus möglich und auch zuzumuten. Die Wirkungen des Sofortvollzugs sind im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren für den Antragsteller mithin reparabel.

Dies gilt für die von einem Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet gefährdeten Rechtsgüter nicht. Realisiert sich die beschriebene Gefahr, dass der Antragsteller im Bundesgebiet erneut Straftaten begeht, die die körperliche Unversehrtheit Dritter in ganz erheblicher Weise beeinträchtigen, sind die eingetretenen Schädigungen regelmäßig nicht wieder gutzumachen. Angesichts der Wichtigkeit dieser Schutzgüter und der Irreparabilität ihrer Schädigung überwiegen diese im vorliegenden Einzelfall die den Antragsteller treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens ergibt sich aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nrn. 8.2 und 1.5 Satz 1 Halbsatz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).