Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.07.2014, Az.: 5 LB 68/13

Anrechnung einer frei gewordenen Ansparrücklage auf das Witwengeld im Rahmen einer Ruhensberechnung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.07.2014
Aktenzeichen
5 LB 68/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 21365
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0708.5LB68.13.0A

Redaktioneller Leitsatz

Die gewinnerhöhende Auflösung einer Ansparrücklage ist nicht in die Ruhensberechnung betreffend das Witwengeld eines Berufssoldaten einzubeziehen, wenn sie von der Witwe zu einem Zeitpunkt erwirtschaftet wurde, als ihr Ehemann noch aktiver Soldat war und nicht erst im Zeitpunkt als Witwe ihres vor Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand verstorbenen Ehemannes. Die Rücklagenbildung beruhte dann nicht ursächlich auf dem vorzeitigen Eintritt des Versorgungsfalls.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 1. Kammer, Einzelrichter - vom 4. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Anrechnung einer im Jahr 2006 frei gewordenen Ansparrücklage auf ihr Witwengeld im Rahmen einer Ruhensberechnung.

Die am 5. November 1957 geborene Klägerin ist Witwe des am 12. August 1955 geborenen und am 17. April 2005, also 49jährig, verstorbenen Berufssoldaten (Hauptmann) F. C.. Sie erhält seit dem 1. Mai 2005 Witwengeld. Daneben erzielt sie Einkommen aus einer Tätigkeit als Freie Handelsvertreterin. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 30. März 2006 unterzog die Wehrbereichsverwaltung West das Witwengeld daher ab 1. Mai 2005 der Ruhensregelung gemäß § 53 SVG und stellte es unter den Vorbehalt der endgültigen jährlichen Abrechnung.

Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2006 setzte die Wehrbereichsverwaltung West mit Bescheid vom 19. Februar 2008 das monatliche Witwengeld für 2006 endgültig, und zwar niedriger als ausgezahlt fest und hob den Vorbehalt für das Jahr 2006 auf. Bei der Berechnung des Witwengeldes für das Jahr 2006 ging die Wehrbereichsverwaltung West von den im Einkommensteuerbescheid für die Klägerin ausgewiesenen Einkünften aus Gewerbebetrieb von 35.903,-- EUR aus und legte sie der Ruhensberechnung nach § 53 SVG zugrunde. Sie ermittelte einen überzahlten Betrag in Höhe von 8.917,21 EUR.

Die Klägerin legte dagegen Widerspruch ein mit der Begründung, die Wehrbereichsverwaltung West habe zu Unrecht die kompletten Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Steuerbescheid berücksichtigt. Sie hätte nur den tatsächlich erzielten Gewinn in Höhe von 13.503,-- EUR zugrunde legen dürfen. Der steuerlich ebenfalls als Gewinn ausgewiesene weitere Betrag in Höhe von 22.400,-- EUR resultiere aus der Auflösung einer Ansparrücklage nebst Zinsen gemäß § 7g EStG. Dieser stelle kein Einkommen im Sinne des § 53 Abs. 5 SVG dar; der Betrag sei ihr tatsächlich nicht zugeflossen.

Die Wehrbereichsverwaltung West wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2008 zurück mit der Begründung, die aufgelöste Ansparrücklage sei - wie im Steuerbescheid ausgewiesen - auch im Rahmen des § 53 SVG als Gewinn zu behandeln und damit der Ruhensregelung zu unterwerfen. Die Klägerin habe dafür in dem davor liegenden Jahr Steuervorteile gehabt.

Am 30. April 2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen wiederholt und vertieft.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung West vom 19. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2008 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und zur Begründung ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid vertieft.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 4. Mai 2010 stattgegeben und den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung West vom 19. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2008 aufgehoben mit der Begründung, die Wehrbereichsverwaltung West habe die Auflösung der Ansparrücklage gemäß § 7 g EStG, die im Einkommensteuerbescheid der Klägerin für das Jahr 2006 zu einem Gewinn von 22.400,-- EUR geführt habe, zu Unrecht in die Ruhensberechnung nach § 53 SVG einbezogen. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Juli 2006 (- 15 B 05.3302 -, juris) gestützt, in dem das Vorliegen eines Erwerbseinkommens aus einer frei gewordenen Ansparrücklage verneint worden ist, weil es ursächlich nicht darauf zurückzuführen sei, dass die Dienstleistungspflicht jenes Klägers entfallen sei, und weil deshalb der die Ruhensregelung rechtfertigende Gedanke des Vorteilsausgleichs nicht zutreffe. Diese Ausführungen hat das Verwaltungsgericht auf den vorliegenden Fall übertragen und festgestellt, dass die Auflösung der im Jahre 2004 gebildeten Ansparrücklage für die Klägerin im Jahre 2006 auch dann zu dem im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Gewinn geführt hätte, wenn sie nicht als Freie Handelsvertreterin tätig gewesen wäre und kein Erwerbseinkommen erzielt hätte.

Der Senat hat die Berufung gegen dieses Urteil auf den Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 19. Februar 2013 (5 LA 216/12) zugelassen.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen vor, hier stehe die Anrechnung des Einkommens der Klägerin nicht den Strukturprinzipien des Versorgungsrechts entgegen. Im Versorgungsrecht sei das Zuflussprinzip maßgeblich. Für die Frage, wann welche Beträge zu berücksichtigen seien, sei der Zeitpunkt entscheidend, zu dem das entsprechende Einkommen dem Berechtigten zugeflossen sei. Im vorliegenden Fall habe der Klägerin die Ansparrücklage im Jahr 2004 noch nicht zugestanden, sondern sie sei erst im Jahr 2006 frei geworden und deshalb auch erst im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 berücksichtigt worden. Für die Richtigkeit dieser Betrachtungsweise spreche auch die vergleichbare Rechnungsweise im Rahmen des gesetzlichen Rentenrechts bei der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf die gesetzliche Witwenrente. Im Übrigen werde auf die überzeugenden Gründe des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom 20. April 2009 (- 1 A 2606/08 -, juris) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, die Auflösung einer Ansparrücklage sei kein tatsächliches Einkommen, sondern stelle lediglich einen legalen Steuerspartrick zur Förderung von Investitionen von Kleinunternehmen dar. Weder bei der Bildung noch bei der Auflösung der Ansparrücklagen komme es zu einem Liquiditätszu- oder -abfluss, so dass man hier nicht von Einkommen sprechen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung West vom 19. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2008 aufgehoben. Denn diese Bescheide sind rechtswidrig. Die Wehrbereichsverwaltung West hat die Auflösung der Ansparrücklage, die im Einkommensteuerbescheid der Klägerin für das Jahr 2006 zu einem Gewinn von 22.400,-- EUR geführt hat, zu Unrecht in die Ruhensberechnung betreffend das Witwengeld der Klägerin einbezogen.

Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SVG in der hier maßgeblichen Fassung vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3054) - SVG 2003 - erhält ein Versorgungsberechtigter, der Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen bezieht, daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze. Als Höchstgrenze gelten gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 1 SVG 2003 für Witwen die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, mindestens ein Betrag in Höhe des Eineinhalbfachen der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4, zuzüglich des jeweils zustehenden Unterschiedsbetrages nach § 47 Abs. 1 SVG 2003. Nach § 53 Abs. 5 SVG 2003 sind Erwerbseinkommen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einschließlich Abfindungen, aus selbständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb und aus Land- und Forstwirtschaft. Diese Aufzählung entspricht im Wesentlichen § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 EStG in der hier maßgeblichen Fassung vom 21. September 2002 (BGBl. I 2002, S. 4210), geändert durch Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2645) - EStG a. F. -.

1.

Steuerrechtlich ist der Gewinn aus der Auflösung der Ansparrücklage der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahr 2006 anzusehen. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 EStG a. F. unterliegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG a. F. sind Einkünfte bei Gewerbebetrieb der Gewinn (§§ 4 bis 7k EStG a. F.). Nach § 7g Abs. 3 EStG a. F. können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder für die Herstellung eines Wirtschaftsguts im Sinne des § 7g Abs. 1 EStG a. F. eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Wird die Investition durchgeführt, so muss die Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG a. F. in Höhe von 40 vom Hundert der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnerhöhend aufgelöst werden. Wenn die Rücklage am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist - wie im vorliegenden Fall der Klägerin -, ist sie nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a. F. zu diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen. Die Wirkung der Rücklagenbildung hat demnach zur Folge, dass sie im Jahr der Bildung zu einem buchmäßigen Aufwand führt, unabhängig davon, ob dabei ein Verlust entsteht oder ein bestehender Verlust sich erhöht (§ 7g Abs. 3 Satz 4 EStGa. F.). Durch die Bildung einer Rücklage erhält der Steuerpflichtige einen Steuervorteil unter der Bedingung, dass er spätestens zwei Jahre nach der (eigenkapitalschonenden) Rücklagenbildung investiert. Die Nichtbesteuerung der erzielten Gewinne in Höhe der Ansparrücklage führt somit - entgegen der Auffassung der Klägerin - dazu, dass beim Steuerpflichtigen im Jahr der Bildung der Ansparrücklage eine erhöhte Liquidität vorliegt, mit diesem Betrag soll und kann der Steuerpflichtige investieren (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 21.6.2001 - B 4 AS 21/10 R -, juris Rnrn. 21 ff.). Wie sich aus dem Verweis in § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG a. F. auf §§ 4 bis 7k EStG a. F. ergibt, ist das bei der Auflösung einer Ansparrücklage freigesetzte Einkommen steuerrechtlich als Gewinn der Einkünfte bei Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit anzusehen.

Diesen steuerrechtlichen Vorschriften entsprechend ist die im Jahr 2004 gebildete und im Jahr 2006 aufgelöste Ansparrücklage der Klägerin im Einkommensteuerbescheid 2006 als Gewinn berücksichtigt und zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gezählt worden.

2.

Hinsichtlich des Begriffs des Erwerbseinkommens im Versorgungsrecht sind die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 sowie §§ 13 bis 19a EStG) maßgebend, sofern nicht Strukturprinzipien des Versorgungsrechts entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 28.6.2012 - BVerwG 2 C 58.11 -, juris Rn. 11 m. w. N. zu § 53 Abs. 7 BeamtVG).

Hiervon ausgehend sind die Beträge aus einer frei gewordenen Ansparrücklage im Sinne des § 7g EStG a. F. grundsätzlich auch versorgungsrechtlich als Erwerbseinkommen im Sinne des § 53 Abs. 1 und 5 SVG 2003, § 53 Abs. 1 und 7 BeamtVG zu behandeln und in dem Jahr ihrer Auflösung zu berücksichtigen.

Denn dies entspricht dem im Versorgungsrecht geltenden Grundsatz des Zuflussprinzips. Hiernach ist für die Frage, welche Beträge wann als Erwerbseinkommen berücksichtigt werden können, grundsätzlich der Zeitpunkt entscheidend, zu dem dem Berechtigten das entsprechende Einkommen zugeflossen ist (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 20.4.2009, a.a.O., Rn. 5). Der Wortlaut des § 53 Abs. 1 SVG 2003 stellt eine inhaltliche und zeitliche Verknüpfung her zwischen dem Beziehen von Erwerbs- oder Ersatzeinkommen und dem dadurch bewirkten Ruhen von Versorgungsbezügen. Wenn der Versorgungsberechtigte solches Einkommen bezieht, erhält er weniger Versorgungsbezüge. Gehalt wird in der Regel monatlich bezogen. Ein monatliches Gehalt führt in dem Monat, in dem es gezahlt wird, zur Verringerung der Auszahlung - also dem Ruhen - von Versorgungsbezügen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 31.5.2012 - BVerwG 2 C 18.10 -, juris Rn. 21).

Nach den obigen Ausführungen ist im vorliegenden Fall der Rücklagenbetrag mit der Auflösung im Jahr 2006 wieder für die Klägerin verfügbar geworden und ihr zugeflossen. Die frei gewordene Ansparrücklage ist deshalb auch versorgungsrechtlich im Jahr ihrer Auflösung als Erwerbseinkommen zu berücksichtigen.

Eine versorgungsrechtliche Berücksichtigung im Jahr der Auflösung der Ansparrücklage ist im Übrigen auch aus Praktikabilitätsgründen gerechtfertigt. Denn anderenfalls müsste die Versorgungsbehörde entgegen den im Einkommensteuerbescheid im Jahr der Bildung der Ansparrücklage als Verlust angesetzten Beträgen diese als Gewinn berücksichtigen und umgekehrt die im Einkommensteuerbescheid als Gewinne ausgewiesenen Beträge im Falle getätigter Investitionen während der nächsten zwei Jahre und im Falle der Auflösung der Abschreibung nach zwei Jahren als Verluste zugrunde legen. Die Versorgungsbehörde müsste hierfür zudem jedes Jahr zunächst ermitteln, ob überhaupt eine Ansparrücklage gebildet oder aufgelöst wurde und ob Investitionen hieraus getätigt worden sind, weil dies aus den Einkommensteuerbescheiden offenbar nicht ohne weiteres erkennbar ist. Jedenfalls sind in dem hier maßgeblichen Einkommensteuerbescheid 2006 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nur als Gesamtbetrag aufgeführt, ohne dass dieser im Einzelnen aufgeschlüsselt wird. Dass sich unter dem angegebenen Betrag von 35.903,-- EUR auch steuerlich berücksichtigte Gewinne aus einer frei gewordenen Ansparrücklage der Klägerin befinden, wird aus dem Einkommensteuerbescheid selbst nicht erkennbar, sondern ist der Wehrbereichsverwaltung West erst durch eine Mitteilung der Steuerberaterin der Klägerin nach Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19. Februar 2008 bekannt geworden.

3.

Eine Anrechnung der Beträge aus der aufgelösten Ansparrücklage scheidet im vorliegenden Fall gleichwohl aus. Denn für die aus der frei gewordenen Ansparrücklage für das Jahr 2006 ermittelten Einkünfte der Klägerin greift der die Ruhensregelung des § 53 SVG 2003 rechtfertigende Gedanke des Vorteilsausgleichs nicht (so auch in einem vergleichbaren Fall Bay. VGH, Urteil vom 31.7.2006, a.a.O., Rn. 16).

Die Ruhensregelungen des § 53 BeamtVG und des § 53 SVG 2003 sind gesetzliche Konkretisierungen des Vorteilsausgleichs. Danach ist der Gesetzgeber berechtigt, die Anrechnung desjenigen Einkommens auf die grundsätzlich ohne Rücksicht auf das Vermögen und sonstiges Einkommen des Beamten oder Soldaten zu zahlenden Versorgungsbezüge anzuordnen, das ein Ruhestandsbeamter oder -soldat nur deshalb durch den Einsatz seiner Arbeitskraft erzielen kann, weil seine Dienstleistungspflicht vorzeitig weggefallen ist (BVerwG, Urteil vom 28.6.2012, a. a. O., Rn. 21; Urteil vom 31.5.2012, a.a.O., Rn. 23 zu § 53 SVG). Der Vorteilsausgleich zielt auf die Abschöpfung von Vorteilen, die frühzeitig pensionierte Beamte oder Soldaten gegenüber denjenigen Beamten oder Soldaten haben, die bis zur allgemeinen Altersgrenze ihren Dienst leisten. Er ist mit dem Alimentationsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar, weil dem Dienstherrn die Arbeitskraft des weiterhin alimentierten Beamten oder Soldaten vorzeitig nicht mehr zur Verfügung steht und die vorzeitige Pensionierung nicht zum Ziel hat, dem Beamten oder Soldaten eine andere Erwerbstätigkeit zu eröffnen (BVerwG, Urteil vom 31.5.2012, a. a. O., Rn. 23). Der Vorteilsausgleich findet seine Rechtfertigung darin, dass das Gleichgewicht zwischen Alimentationspflicht des Dienstherrn und Dienstleistungspflicht des Beamten oder Soldaten bei einem Eintritt in den Ruhestand vor Erreichen der allgemeinen gesetzlichen Altersgrenze gestört ist. Beide Pflichten stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang. Der Dienstherr schuldet die Alimentation als Gegenleistung dafür, dass sich ihm der Beamte oder Soldat mit seiner ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt und die übertragenen Aufgaben nach besten Kräften erfüllt. Der vorzeitige Eintritt eines Beamten oder Soldaten in den Ruhestand verschiebt dieses Pflichtengefüge zu Lasten des Dienstherrn, weil diesem die Arbeitskraft des Beamten oder Soldaten zu früh verloren geht und er über einen längeren Zeitraum hinweg Versorgungsleistungen erbringen muss. In diesem Fall steht den Versorgungsbezügen keine zeitlich angemessene Dienstzeit gegenüber, so dass der Beamte oder Soldat die Altersversorgung noch nicht vollständig erdient hat. Denn die Dienstbezüge sind im Hinblick auf die künftigen Versorgungsansprüche niedriger festgesetzt. Der Dienstherr behält einen fiktiven Anteil ein, um die spätere Versorgung zu finanzieren (BVerwG, Urteil vom 28.6.2012, a. a. O., Rn. 22 m. w. N.).

Dieselben Grundsätze gelten für die Hinterbliebenenversorgung - also hier das Witwengeld -, wenn der Beamte oder Soldat vor dem Erreichen der Altersgrenze verstorben ist (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 20.4.2009, a.a.O., Rn. 4). Denn für die Versorgungsbezüge der Waisen und Witwen sind seit jeher dieselben Gesichtspunkte bestimmend, die für die Versorgung des Beamten oder Soldaten selbst gelten (so schon BVerfG, Entscheidung vom 11.4.1967 - 1 BvL 3/62 -, juris m. w. N.). Es ist kein Grund dafür ersichtlich, den Hinterbliebenen in seinem Versorgungsanspruch besser zu stellen als der Beamte oder Soldat stünde, wenn er nicht verstorben, sondern wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.2.2004 - BVerwG 2 C 20.03 -, juris Rnrn. 15 ff.; bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 11.12.2007 - 2 BvR 797/04 - juris).

Der Gesetzeszweck des Vorteilsausgleichs gebietet es im vorliegenden Einzelfall indes nicht, die steuerlich im Jahr 2006 gewinnerhöhend erfasste Ansparrücklage auch versorgungsrechtlich zu berücksichtigen. Denn die Klägerin hat den entsprechenden Gewinn in Höhe der Ansparrücklage tatsächlich bereits 2004 im Jahr der Bildung der Ansparrücklage durch Einsatz ihrer Arbeitskraft erarbeitet. Sie hat die Ansparrücklage demnach zu einem Zeitpunkt erwirtschaftet, als ihr Ehemann noch aktiver Soldat war, und nicht erst im Jahr 2006 als Witwe ihres vor Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand verstorbenen Ehemannes. Die Rücklagenbildung beruhte mithin nicht ursächlich auf dem vorzeitigen Eintritt des Versorgungsfalls. Deshalb war hier im Zeitpunkt der Erwirtschaftung der Ansparrücklage das Gleichgewicht zwischen der Alimentationspflicht des Dienstherrn und des Einsatzes der Arbeitskraft der Klägerin beim Eintritt des Todes ihres Ehemannes vor Erreichen der allgemeinen gesetzlichen Altersgrenze nicht gestört. Die Auflösung der im Jahre 2004 gebildeten Ansparrücklage für die Klägerin im Jahre 2006 hätte auch dann zu dem im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Gewinn geführt, wenn sie nach dem Tode ihres Ehemannes - also nach dem Eintritt des Versorgungsfalls - nicht mehr als Freie Handelsvertreterin tätig gewesen wäre und kein Erwerbseinkommen erzielt hätte. Eines Vorteilsausgleichs bedarf es hier deshalb nicht.

4.

Dieser Einschätzung steht nicht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Mai 2012 (a. a. O.) entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht ist in diesem Urteil allerdings von dem Zuflussprinzip abgewichen. Es hat entschieden, dass eine Einmalzahlung (Kapitalabfindung), die anstelle monatlicher Gehaltszahlungen mehrere Jahre nach Beginn der Erwerbstätigkeit ausbezahlt wird, für die Anrechnung nach § 53 Abs. 1 SVG (s. a. § 53 Abs. 1 BeamtVG) anteilig auf den Zeitraum bis zur Auszahlung umzulegen ist, weil der Gesetzeszweck des Vorteilsausgleichs nicht erreicht würde, wenn verdeckte Gehaltszahlungen nicht auf den Zeitraum umgelegt würden, den sie erfassen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.5.2012, a. a. O., Leitsatz und Rn. 24). Versorgungsempfänger könnten sonst - so das Bundesverwaltungsgericht weiter - durch die Vereinbarung von Einmalzahlungen anstelle monatlicher Gehaltszahlungen die Anrechnung verringern oder ganz vermeiden. Es hat deshalb verdeckte Gehaltszahlungen als schon vor ihrem tatsächlichen Zufluss bezogene Einkünfte auf die Jahre angerechnet, in denen jener Kläger die tatsächlichen Arbeitsleistungen erbracht hatte (a. a. O., Rn. 24).

Dieser Fall ist aber zum einen nicht mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar, weil es hier nicht um individuell verhandelte Gehaltsauszahlungen geht, sondern es sich bei der Ansparrücklage um ein steuerrechtlich vorgesehenes Modell handelt, für das die Berücksichtigung als Gewinn und Verlust gesetzlich in § 7g EStG a. F. geregelt war. Die Gefahr eines Anreizes zur Gesetzesumgehung durch entsprechende Vertragsgestaltung wie in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall besteht hier deshalb nicht.

Zum anderen hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 31. Mai 2012 (a. a. O., Rn. 24) maßgeblich darauf abgestellt, dass eine Anrechnung nach § 53 SVG den Gesetzeszweck des Vorteilsausgleichs erreichen muss. Dies ist hier aber - wie ausgeführt - gerade nicht der Fall.

5.

Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, für die Richtigkeit ihrer Betrachtungsweise spreche die vergleichbare Rechnungsweise im Rahmen des gesetzlichen Rentenrechts bei der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf die gesetzliche Witwenrente.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in seinem Urteil vom 30. Mai 2007 (- L 2 KN 12/07 -, juris) entschieden, dass in den Jahren, in denen die Ansparrücklage gebildet wird, im Rahmen von § 97 SGB VI nur das durch die Ansparrücklage geminderte Einkommen zu berücksichtigen ist, entsprechend aber im Jahr der Auflösung einer solchen Ansparabschreibung das dadurch erhöhte Einkommen maßgebend ist (a. a. O., 2. Leitsatz und Rn. 24). Diese Entscheidung befasst sich überwiegend mit der Frage, in welchen Jahren die Anrechnung der Ansparrücklage auf eine Witwenrente gemäß § 97 SGB VI zu erfolgen hat.

Dass eine Ansparrücklage auch versorgungsrechtlich zu berücksichtigen ist, steht jedoch außer Frage. Zudem ist es nach den obigen Ausführungen auch grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass eine Ansparrücklage im Jahr ihrer Auflösung versorgungsrechtlich berücksichtigt wird. In dem vorliegenden Einzelfall kommt aber - wie dargetan - versorgungsrechtlich der die Ruhensregelung des § 53 SVG 2003 rechtfertigende Gesetzeszweck des Vorteilsausgleichs nicht zum Tragen.

Sozialrechtliche Anrechnungsvorschriften verfolgen diesen Gesetzeszweck des Vorteilsausgleichs nicht. Hintergrund der sozialrechtlichen Vorschriften ist vielmehr, dass - wenn der Hinterbliebene aus Verwertung und Einsatz seiner Arbeitskraft ein den (Anrechnungs-)Freibetrag übersteigendes Einkommen bezieht - der am bisherigen Lebensstandard ausgerichtete Bedarf an wirtschaftlicher Sicherung gerade durch eine Hinterbliebenenrente sinkt oder fällt (vgl. BSG, Urteil vom 27.1.1999 - B 4 RA 17/98 R -, juris, Rn. 27). Die hier auf dem besonderen Beamten- und Soldatenverhältnis beruhenden Rechtsgrundsätze sind deshalb nicht mit denen im Sozialrecht geltenden vergleichbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 BeamtStG, § 127 Nr. 1 BRRG liegen nicht vor. Die Revision ist nicht wegen eines Abweichens von der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 20.4.2009, a. a. O.) zuzulassen. Denn der Senat ist wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, dass eine zurückgeführte Ansparabschreibung grundsätzlich im Jahr ihrer Auflösung als Erwerbseinkommen aus selbständiger Tätigkeit oder Gewerbebetrieb in die Ruhensberechnung der Versorgungsbezüge einzubeziehen ist. Dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof über eine mit dem vorliegenden Einzelfall vergleichbare Konstellation entschieden hätte, in der der Einsatz der Arbeitskraft zu einem Zeitpunkt erfolgte, als der Versorgungsfall noch nicht eingetreten war und deshalb der Gesetzeszweck des Vorteilsausgleichs nicht greift, ist nicht erkennbar.