Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.07.2014, Az.: 1 ME 84/14

Bauherr; Beseitigungsanordnung; Beseitigungsverfügung; Besitzer; Duldungsanordnung; Duldungsverfügung; Eigentümer; Rechtsnachfolge; Rechtsnachfolger; Überleitungsanordnung; Überleitungsverfügung; Verantwortlichkeit; Vollstreckung; Vollstreckungshindernis; Zwangsmittel

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.07.2014
Aktenzeichen
1 ME 84/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42520
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.04.2014 - AZ: 4 B 1017/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Besteht eine Beseitigungsverfügung und geht das Eigentum an dem Baugrundstück anschließend auf einen Dritten über, ist gemäß § 89 Abs. 2 Satz 3 NBauO 2003 (§ 79 Abs. 1 Satz 5 NBauO 2012) jedenfalls dann neben dem neuen Eigentumer auch der bisherige Eigentümer weiterhin zur Befolgung der Verfügung verpflichtet und darf die Verfügung ihm gegenüber vollstreckt werden, wenn die baurechtliche Verantwortlichkeit des bisherigen Eigentümers als Bauherr und/oder Besitzer fortbesteht.

2. Vor der Anwendung von Zwangsmitteln gegen den bisherigen Eigentümer bedarf es keiner Überleitungs- oder Duldungsverfügung gegenüber dem neuen Eigentümer, weil die Beseitigungsverfügung unmittelbar kraft Gesetzes auch gegen den neuen Eigentümer wirkt und ihn zur Duldung von Beseitigungsmaßnahmen verpflichtet. Erst die Anwendung von Zwangsmitteln gegen den neuen Eigentümer macht eine Überleitungsverfügung erforderlich (im Anschluss an Senat, Beschl. v. 6.5.2011 - 1 ME 14/11 -, juris Rn. 10 = NJW 2011, 2228 = BRS 78 Nr. 202).

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 4. Kammer (Einzelrichter) - vom 22. April 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes, mit dem die Antragsgegnerin die bestandskräftig angeordnete Beseitigung verschiedener baulicher Anlagen im Außenbereich vollstreckt.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Flurstücks C., Flur 42, Gemarkung D., im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Das am westlichen Rand des Ortsteils E. im Außenbereich gelegene Flurstück ist mit einem Gartenhaus mit Solaranlage bebaut. Ferner steht dort ein Stahlblechcontainer mit aufgesetztem Windrad. In den Boden eingelassen ist ein Domschacht mit Entwässerungsleitungen. Mit bauaufsichtlicher Verfügung vom 22. Juni 2011 ordnete die Antragsgegnerin unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,- die Beseitigung der vorgenannten baulichen Anlagen an; die Verfügung ist seit Dezember 2013 bestandskräftig (Senat, Beschl. v. 10.12.2013 - 1 LA 71/13 -; Vorinstanz VG Oldenburg, Urt. v. 5.3.2013 - 4 A 3754/12 -). Der Antragsteller kam der Verfügung bislang nicht nach.

Mit Verfügung vom 5. Februar 2014 setzte die Antragstellerin daraufhin ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- EUR fest und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 2.000,- EUR an. Dagegen wandte sich der Antragsteller mit Widerspruch und Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz; auf diesen Antrag hin ordnete das Verwaltungsgericht Oldenburg mit Beschluss vom 22. April 2014 die aufschiebende Wirkung nur in Bezug auf die Zwangsgeldandrohung an. In Bezug auf die Zwangsgeldfestsetzung lehnte es den Antrag ab. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

II.

Die angesichts der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung ungeachtet der erst nach Ablauf der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgelegten Beschwerdebegründung zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigten keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Der Übergang des Eigentums an dem streitgegenständlichen Flurstück auf Frau F. B. am 1. April 2014 lässt die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung unberührt. Weder hat die Grundverfügung in Gestalt der Beseitigungsverfügung dem Antragsteller gegenüber ihre Wirksamkeit verloren, noch besteht aufgrund der Eigentumsübertragung ein Vollstreckungshindernis in Form eines entgegenstehenden Rechts eines Dritten.

Die Übertragung des Eigentums an Frau F. B. lässt die Wirksamkeit der Beseitigungsverfügung vom 22. Juni 2011 dem Antragsteller gegenüber unberührt. Insbesondere hat sich die Beseitigungsverfügung nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i. V. mit § 43 Abs. 2 VwVfG auf andere Weise erledigt. Erledigung tritt insofern insbesondere ein, wenn das Regelungssubjekt - beispielsweise durch den Tod des Betroffenen - oder das Regelungsobjekt entfallen ist (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 43 Rn. 210, 212). Beides ist nicht der Fall. Sowohl der Antragsteller als Adressat der Beseitigungsverfügung als auch das Grundstück mit den zu beseitigenden baulichen Anlagen sind weiterhin vorhanden.

Auch ein Wegfall der baurechtlichen Verantwortlichkeit des Antragstellers führt nicht zur Erledigung der bauaufsichtlichen Verfügung ihm gegenüber. Der Eigentumsübergang hat zwar zur Folge, dass die baurechtliche Verantwortlichkeit des Antragstellers als Eigentümer gemäß § 61 Satz 1 NBauO 2003 (§ 56 Satz 1 NBauO 2012) endet und die Beseitigungsanordnung zugleich gemäß § 89 Abs. 2 Satz 3 NBauO 2003 (§ 79 Abs. 1 Satz 5 NBauO 2012) gegenüber der neuen Eigentümerin als Rechtsnachfolgerin des Antragstellers Geltung beansprucht. Der Antragsteller ist gleichwohl weiterhin verpflichtet, der Beseitigungsanordnung nachzukommen.

Dabei kann offen bleiben, ob dies schon daraus folgt, dass § 89 Abs. 2 Satz 3 NBauO 2003 (§ 79 Abs. 1 Satz 5 NBauO 2012) die Geltung einer bauaufsichtlichen Verfügung im Fall der Rechtsnachfolge ausdrücklich „auch“ gegenüber dem Rechtsnachfolger anordnet. Dies impliziert, dass die Verfügung zugleich gegenüber dem bisherigen Adressaten - soweit dieser anders als etwa im Todes- und Erbfall als Rechtssubjekt noch vorhanden ist - fort gilt, mithin der Rechtsnachfolger als weiterer Verpflichteter neben den bisherigen Verpflichteten tritt und der Behörde ein Wahlrecht zukommt, wen sie nunmehr in Anspruch nehmen möchte (vgl. aber zur Notwendigkeit einer Überleitungsverfügung vor der Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber dem Rechtsnachfolger Senat, Beschl. v. 6.5.2011 - 1 ME 14/11 -, juris Rn. 10 = NJW 2011, 2228 = BRS 78 Nr. 202; dazu auch Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Aufl. 2013, § 79 Rn. 97). Im vorliegenden Fall ist der Antragsteller indes schon deshalb weiterhin zur Befolgung der Beseitigungsanordnung verpflichtet, weil er weiterhin baurechtlich Verantwortlicher ist. Als Nießbraucher ist er Besitzer des Grundstücks (§§ 1030, 1036 Abs. 1 BGB) und gemäß § 61 Satz 3 NBauO 2003 (§ 56 Satz 3 NBauO 2012) verantwortlich. Hinzu tritt eine Verantwortlichkeit als Bauherr gemäß § 57 Abs. 1 NBauO 2003 (§ 52 Abs. 1 NBauO 2012); diese endet weder mit der Baufertigstellung noch mit der Übertragung des Eigentums (vgl. Senat, Beschl. v. 11.8.1993 - 1 L 5267/97 -, juris = BRS 55 Nr. 212; OVG NRW, Urt. v. 10.12.1996 - 10 A 4248/92 -, juris Rn. 22 f. = NVwZ-RR 1998, 159 = BRS 58 Nr. 216).

Beansprucht die bestandskräftige Verfügung vom 22. Juni 2011 dem Antragsteller gegenüber mithin weiterhin Geltung, kann die Antragsgegnerin die Verfügung ihm gegenüber vollstrecken. Entgegenstehende Rechte Dritter - hier in Form des Eigentums von Frau F. B. - bestehen nicht. Denn wie bereits ausgeführt, wirkt die Beseitigungsverfügung gemäß § 89 Abs. 2 Satz 3 NBauO 2003 (§ 79 Abs. 1 Satz 5 NBauO 2012) mit dem Eigentumsübergang auch gegenüber der neuen Eigentümerin. Diese Geltung tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein und verpflichtet Frau B. in gleicher Weise wie den Antragsteller zur Beseitigung der baulichen Anlagen. Besteht aber eine wirksame Beseitigungsverpflichtung, ist Frau B. zugleich gehindert, den Antragsteller an der Beseitigung zu hindern. Sie muss es - dies ist als „minus“ in der Beseitigungsverpflichtung enthalten - dulden, dass der Antragsteller der Verfügung vom 22. Juni 2011 nachkommt, ohne dass es des Erlasses einer Überleitungs- bzw. Duldungsverfügung bedarf. Nur die Anwendung von Zwangsmitteln unmittelbar gegenüber Frau B. wäre vom vorherigen Erlass einer Überleitungsverfügung abhängig (vgl. Senat, Beschl. v. 6.5.2011, a. a O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).