Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.07.2014, Az.: 4 PA 181/14

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines einem Klageverfahren vorgeschalteten Prozesskostenhilfeverfahrens; Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
31.07.2014
Aktenzeichen
4 PA 181/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 23633
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0731.4PA181.14.0A

Fundstellen

  • NVwZ-RR 2015, 117
  • NordÖR 2014, 464

Amtlicher Leitsatz

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines einem Klageverfahren vorgeschalteten Prozesskostenhilfeverfahrens kommt in gerichtskostenfreien Verfahren ohne Anwaltszwang nicht in Betracht.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 7. Kammer - vom 10. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluss ist unbegründet. Denn das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass der beabsichtigten Klage mit dem Antrag, den Norddeutschen Rundfunk unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2014 zu verpflichten, ihn von der Rundfunkbeitragspflicht ab dem 1. Januar 2013 zu befreien, die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht fehlt.

Dabei kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die beabsichtigte Klage schon deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, weil die beantragte Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht bestandskräftig abgelehnt worden ist, was der Antragsteller mit der Begründung bestreitet, er habe am 12. Juli 2013 und damit vor dem Ablauf der Widerspruchsfrist gegen den Bescheid vom 11. Juni 2013 per Fax Widerspruch erhoben. Denn selbst wenn der Antragsteller gegen den Bescheid des Norddeutschen Rundfunks vom 11. Juni 2013 rechtzeitig Widerspruch erhoben haben sollte, käme die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht, weil die vom Antragsteller noch zu erhebende Klage nur dann zulässig wäre, wenn dem Antragsteller wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könnte, was hier indessen nicht der Fall ist.

Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines einem Klageverfahren vorgeschalteten Prozesskostenhilfeverfahrens in gemäß § 188 VwGO gerichtskostenfreien Verfahren ohne Anwaltszwang nach § 60 VwGO nicht in Betracht kommt, weil kein der Klageerhebung entgegenstehendes Hindernis im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO vorliegt (Senatsbeschl. v. 14.2.2013 - 4 PA 25/13 -; Senatsbeschl. v. 25.2.2008 - 4 PA 390/07 -, NordÖR 2008, 290). Soweit bei Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung in der Hauptsache aufgrund eines innerhalb der Klagefrist gestellten Prozesskostenhilfeantrags Prozesskostenhilfe bewilligt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist gewährt wird, beruht dies darauf, dass es der mittellosen Partei nicht zuzumuten ist, Klage zu erheben, wenn sie sich damit einem Kostenrisiko aussetzt, das sie nicht zu tragen vermag. Dies gilt aber nur für die Fälle, in denen bereits mit der Beschreitung des Rechtswegs ein Kostenrisiko entsteht, weil ein Verfahren nicht gerichtskostenfrei ist oder die Klage nur durch einen Rechtsanwalt wirksam eingelegt werden kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.4.2002 - 3 B 137.01 -, DVBl. 2002, 1050; Beschl. v. 17.2.1989 - 5 ER 612/89 -, NVwZ 1989, 665 f.; Hess. VGH, Beschl. v. 10.5.2005 - 10 TP 980/05 -). Bei gerichtskostenfreien Verfahren, für die kein Vertretungszwang besteht, ist ein derartiges Kostenrisiko jedoch nicht gegeben. Vielmehr kann in diesen Fällen die mittellose Partei zur Wahrung der Klagefrist ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts selbst gerichtskostenfrei Klage erheben, ohne befürchten zu müssen, im Falle des Unterliegens außer mit den eigenen Aufwendungen z. B. für Porti, von denen die mittellose Partei auch durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht befreit würde, mit weiteren Kosten belastet zu werden. Wird von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht, besteht kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO. Denn der Umstand allein, dass die mittellose Partei sich nicht schon bei Klageerhebung durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen kann, ist nicht geeignet, einen Wiedereinsetzungsgrund zu begründen. Zur Erhebung der Klage ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich, weil alles dafür Notwendige bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen - andere Klagen können ohne Einhaltung einer Klagefrist erhoben werden - der dem Verwaltungsakt beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung entnommen werden kann und Rechtsunkundige nach § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage erheben können. Ein mittelloser Rechtsuchender wird selbst dann nicht an einer Klageerhebung i. S. d. § 60 Abs. 1 VwGO gehindert, wenn eine anwaltliche Vertretung geboten erscheint, da er Rechtsberatung nach dem Beratungshilfegesetz in Anspruch nehmen kann. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Beratungshilfegesetz kann er sich direkt an einen Rechtsanwalt wenden und muss erst anschließend einen Antrag auf Beratungshilfe stellen. Falls in einem sich anschließenden Klageverfahren die Vertretung durch einen Rechtsanwalt geboten ist, kann auch nach Klageerhebung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt werden. Die Bescheidung dieses Antrags vor Klageerhebung ist in den von § 188 VwGO erfassten Verfahren zur Gewährung einer Gleichstellung von mittellosen und bemittelten Beteiligten bei der Rechtsverfolgung nicht erforderlich (ebenso Hess. VGH, Beschl. v. 10.5.2005 - 10 TP 980/05 -; 10. Senat des Nds. OVG, Beschl. v. 11.9.2000 - 10 O 2925/00 -; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 22.5.2001 - 7 S 646/01 -, NVwZ-RR 2001, 802 u. Urt. v. 20.1.1986 - 7 S 2303/85 -, NJW 1986, 2270; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 26.3.1999 - 12 E 12427/98 -; Bay. VGH Beschl. v. 11.7.2007 - 12 C 07.1209 -; Hamb. OVG, Beschl. v. 5.2.1998 - Bs IV 171/97-, NordÖR 1998, 199; siehe auch: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: September 2007, § 60 Rn. 17; Eyermann, VwGO, Kommentar, 12. Aufl., § 60 Rn. 5; Bader/Funke - Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, Kommentar, 3. Aufl., § 60 Rn. 23).

Ein solcher Fall liegt hier vor, weil ein auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gerichtetes Klageverfahren nach § 188 VwGO gerichtskostenfrei ist und für das erstinstanzliche Verfahren nach § 67 VwGO kein Anwaltszwang besteht. Dass in diesem Verfahren außergerichtliche Kosten anfallen, ist für die Frage, ob ein Wiedereinsetzungsgrund vorliegt, nicht relevant.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 188 VwGO und § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.