Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.07.2014, Az.: 13 LB 153/13

Aufenthaltserlaubnis bei unklarer Identität und schutzwürdiger Vater Kind Beziehung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.07.2014
Aktenzeichen
13 LB 153/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 21107
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0711.13LB153.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 07.12.2012 - AZ:

Fundstellen

  • AUAS 2014, 215
  • InfAuslR 2014, 332-335
  • ZAR 2014, 430

Amtlicher Leitsatz

Besteht aufgrund einer schutzwürdigen Vater Kind Beziehung ein Ausreisehindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, so können bei unklarer Identität und Staatsangehörigkeit des Vaters die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 4 AufenthG im Einzelfall der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehen. Dem gebotenen Schutz der Familie kann in diesem Fall bis zur Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzungen vorübergehend durch die Erteilung großzügig bemessener Duldungen hinreichend Rechnung getragen worden.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 4. Kammer (Einzelrichter) - vom 7. Dezember 2012 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist ungeklärter Identität und Staatsangehörigkeit und begehrt eine Aufenthaltserlaubnis sowie einen Reiseausweis für Ausländer.

Er reiste im August 1998 in das Bundesgebiet ein, wurde am 19. September 1998 in Dessau wegen Passlosigkeit aufgegriffen und äußerte unter den Personalien F. G., geboren H. 1966, ein Asylbegehren (BeiA. A, Bl. 89 ff.). Nachdem er zur Aufnahme eines Asylantrages nach Halberstadt entlassen wurde, wandte er sich stattdessen am 21. September 1998 nach Braunschweig und stellte unter den Personalien B. C., geboren am I. 1966 in J., einen Asylantrag, zu dessen Begründung er u.a. angab, er stamme aus Moldawien und sei 1994 mit einem Visum nach Dänemark gereist. Er habe sich dann in den Niederlanden und in Frankreich aufgehalten. Sein Reisepass, der im Februar 1991 ausgestellt worden sei, und sein Führerschein seien ihm im August 1998 gestohlen worden (BeiA. A, Bl. 8 ff.). Der Asylantrag wurde mit Bescheid vom 1. Oktober 1998 nach § 30 Abs. 1 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Fortan erhielt der Kläger Grenzübertrittsbescheinigungen und entzog sich Botschaftsvorführungen durch Untertauchen. Am 30. Juni 1999 wurde der Kläger im Zusammenhang mit einem räuberischen Diebstahl vorläufig festgenommen und gab gegenüber den Ermittlern erneut die Aliaspersonalien F. G. an (BeiA. A, Bl. 74). Er wurde daraufhin in Untersuchungs- und Abschiebehaft genommen.

Die damals zuständige Bezirksregierung Hannover bemühte sich, moldawische, russische oder weißrussische Passersatzpapiere für den Kläger zu beschaffen:

Die Botschaft der Republik Moldau stellte am 5. September 1999 ein Passersatzpapier (Travel Document) aus (BeiA. A, Bl. 126), nachdem der Kläger in einem Antragsformular erklärt hatte, moldawischer Staatsbürger zu sein (BeiA. A, Bl. 120). Da sich der Kläger im Geltungszeitraum in Untersuchungshaft befand, konnte er nicht abgeschoben werden. Nach Ablauf der Gültigkeit des Passersatzpapiers verweigerte die Botschaft am 15. März 2000 die Verlängerung, weil man sich "geirrt" habe, der Kläger sei Russe (BeiA. A, Bl. 140). Nachforschungen ergaben, dass der Kläger zuvor mit der moldawischen Botschaft telefoniert und behauptet hatte, er sei kein Moldawier (BeiA. A, Bl. 145).

Die Bezirksregierung Hannover bemühte sich daraufhin, ein russisches Passersatzpapier für den Kläger zu beschaffen. Der Kläger erklärte jedoch in dem von ihm am 14. März 2000 ausgefüllten Antragsformular (BeiA. A, Bl. 156), er habe nicht die russische Staatsbürgerschaft. Er habe in der sowjetischen Armee gedient. Er sei 1993 von Russland aus mit einem gefälschten Pass nach Holland gereist und wolle nach Russland zurückkehren.

Demgegenüber erklärte er bei seiner Befragung am 10. Mai 2000 im russischen Generalkonsulat, er wolle nicht nach Russland zurück. Er habe dort keinen festen Wohnsitz gehabt. Seine Angaben zum Militärdienst seien falsch gewesen. Nach Einschätzung des russischen Konsulatsmitarbeiters hatte der Kläger falsche Identitätsangaben gemacht (BeiA. A, Bl. 181). Die russischen Behörden lehnten die Ausstellung eines Passersatzpapiers am 26. April 2001, 13. September 2009 und am 27. Juli 2011 ab, weil der Kläger kein russischer Staatsbürger sei.

Im Rahmen seiner Anhörung vor dem AG Uelzen anlässlich der anstehenden Entscheidung über die Verlängerung der Abschiebehaft gab der Kläger am 3. April 2000 zu Protokoll (BeiA. A, Bl. 163), er habe nie behauptet, in Moldawien geboren zu sein oder die moldawische Staatsbürgerschaft zu besitzen. Den Aliasnamen G. habe er nie benutzt. Seinen russischen Pass habe er auf seiner Reise verloren. Bei einer weiteren Anhörung am 10. Juli 2010 erklärte der Kläger, er sei Waise und habe keinerlei Angehörige. Zuletzt habe er in der Stadt K., L. gewohnt. Zwar habe er Papiere besessen, diese seien jedoch allesamt gefälscht gewesen. Er besitze keinerlei Papiere, die seine Identität beweisen könnten (BeiA. A, Bl. 189).

Seit dem 14. September 2000 wird der Kläger geduldet (BeiA. A, Bl. 238).

Im Januar 2001 stellte die Botschaft der Republik Moldawien nach weiteren Bemühungen der Ausländerbehörde einen Passersatz für den Kläger aus (BeiA. A, Bl. 260 f.). Die Abschiebung innerhalb des Gültigkeitszeitraums scheiterte jedoch, da der Kläger unbekannten Aufenthalts war. Auf Veranlassung seines damaligen Prozessbevollmächtigten teilte die Botschaft der Republik Moldau am 14. Februar 2001 zudem mit, dass der Kläger weder als moldauischer Staatsbürger noch als Einwohner der Republik Moldau bekannt sei. Aus diesem Grund sei die Ausstellung eines Heimreisescheines für ihn und seine Abschiebung in die Republik Moldau nicht möglich (BeiA. A, Bl. 330 f.).

Mit Anwaltsschriftsatz vom 22. Januar 2001 beantragte der Kläger erfolglos die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG und führte zur Begründung aus, er sei zur Mitwirkung bei der Beschaffung russischer Passpapiere bereit (BeiA. A, Bl. 278). Er legte sodann die Kopie eines weißrussischen Führerscheins vor, in dem als Geburtsdatum der M. 1966 vermerkt war.

Die weißrussische Botschaft verweigerte am 25. September 2001 die Ausstellung eines Passersatzpapieres, nachdem der Kläger bei einer persönlichen Anhörung in der Botschaft erklärt hatte, er sei kein Weißrusse (BeiA. B, Bl. 415 f.).

Im Rahmen der erneuten Beantragung einer Aufenthaltsbefugnis ließ der Kläger am 15. Januar 2003 (BeiA. B, Bl. 510) vortragen, er habe beim Bundesamt aus Angst erklärt, aus Moldau zu stammen, um nicht nach Russland abgeschoben zu werden.

Am 21. September 2006 behauptete der Kläger, er habe nie einen weißrussischen Pass besessen. Bei Beantragung des weißrussischen Führerscheines habe er seinen sowjetischen Pass vorgelegt. Außerdem habe er einen sowjetischen Führerschein gehabt, um seine Identität nachzuweisen. Seine Geburtsurkunde habe er im Laufe des Jahres verloren. Auf Nachfrage nach seiner früheren Militärzugehörigkeit behauptete der Kläger nunmehr, er sei "nicht stationiert" gewesen (BeiA. B, Bl. 593).

Mit Schreiben vom 27. Februar 2009 teilte der Föderale Migrationsdienst der Russischen Föderation gegenüber der deutschen Botschaft in Moskau mit, dass N., O. P., geboren am I. 1966, nicht Staatsangehöriger der Russischen Föderation sei. Dem Antrag auf Rückübernahme könne somit nicht entsprochen werden (BeiA. B, Bl. 615). Am 2. August 2011 legte der Kläger eine am 27. Juli 2011 ausgestellte Bescheinigung des Generalkonsulats der Russischen Föderation vor, die bestätigt, dass C. Q. R., geboren am I. 1966 im Gebiet S., RSFSR, gemäß der Gesetzgebung der Russischen Föderation nicht die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation besitzt (BeiA. B, Bl. 662).

Am 26. Februar 2009 erkannte der Kläger die Vaterschaft zu dem am T. 2009 in U. geborenen deutschen Kind V. W. an (BeiA. B, Bl. 636). Er besitzt zusammen mit der Kindesmutter das gemeinsame Sorgerecht (BeiA. B, Bl. 626).

Strafrechtlich ist der Kläger mehrfach in Erscheinung getreten:

- Mit Urteil des AG Neustadt a. Rbge. vom 7. Oktober 1999 wurde er wegen räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Im Berufungsverfahren änderte das LG Hannover am 13. Januar 2000 das Strafmaß in eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

- Am 3. April 2001 verurteilte ihn das AG Leer zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen wegen eines Verstoßes gegen das Ausländergesetz.

- Am 29. Januar 2004 verurteilte ihn das AG Leer zu einer Geldstrafe von 40 Tages-sätzen wegen Diebstahls geringwertiger Sachen.

- Am 28. Februar 2004 folgte eine Verurteilung durch das AG Braunschweig wegen Diebstahls und Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen.

- Am 29. Juli 2004 verurteilte ihn das AG Wolfsburg wegen Erschleichens von Leistungen in 2 Fällen zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen.

- Es folgte am 26. August 2004 eine Verurteilung durch das AG Emden wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in 2 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

- Am 6. Oktober 2004 wurde der Kläger vom AG Braunschweig wegen Diebstahls (Tatzeit 19. Juni 2004) zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

- Das AG Braunschweig bildete durch Beschluss vom 27. Juli 2005 hinsichtlich der Verurteilungen vom 29. Juli 2004, 26. August 2004 und 6. Oktober 2004 eine nachträgliche Gesamtstrafe von 10 Monaten Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

- Mit Urteil des AG Wolfsburg vom 28. Januar 2014 wurde der Kläger erneut verurteilt, diesmal wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen. Die gleichzeitig verhängte Wiedererteilungssperre der Fahrerlaubnis endet am 27. Oktober 2014.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG bzw. nach § 25 Abs. 5 AufenthG und eines Reiseausweises für Ausländer. Zur Begründung verwies er darauf, dass er weder einen russischen noch einen weißrussischen oder moldawischen Reisepass erhalten könne. Er halte sich bereits seit Oktober 1998 ausreisepflichtig geduldet im Bundesgebiet auf. Er versorge sein deutsches Kind praktisch allein, weil die Kindesmutter schwer alkoholkrank und zur Ausübung der elterlichen Sorge nicht in der Lage sei. Seine letzte strafrechtliche Verurteilung sei 2004 erfolgt. Sein Lebensunterhalt werde durch eigene Erwerbstätigkeit gesichert.

Die Beklagte lehnte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und eines Reiseausweises mit Bescheid vom 8. Februar 2012 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger erfülle die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht, weil seine Identität und Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen seien. Für den Fall der Vorlage eines Nationalpasses stellte die Beklagte dem Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Aussicht.

Am 17. Februar 2012 hat der Kläger Klage erhoben. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger ausgeführt, er kümmere sich allein um sein Kind und erhalte während seiner arbeitsbedingten Abwesenheit Unterstützung von einer Tagesmutter. Die Mutter sehe ihr Kind nur sehr selten.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis und einen Reiseausweis für Ausländer zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe bisher keine ausreichenden Bemühungen zur Passbeschaffung nachgewiesen. Er habe unterschiedliche Namen und Geburtsdaten benutzt. Er habe angegeben, Ausweispapiere der Sowjetunion erhalten und sich immer wieder vorübergehend angemeldet zu haben. Deshalb sei seine Aussage, keine Identitätspapiere beschaffen zu können, nicht nachvollziehbar. Im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger an seiner Identitätsfeststellung nicht mitwirke.

Mit Urteil vom 7. Dezember 2012 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 8. Februar 2012 verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG scheitere an der fehlenden Identitätsklärung, dem Vorliegen von Ausweisungsgründen und der Verletzung der Passpflicht, ohne dass Gründe für ein Absehen von diesen Regelerteilungsvoraussetzungen vorlägen. Der Kläger könne allerdings eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG beanspruchen. Dem Kläger sei die Ausreise aufgrund seiner Vaterschaft zu seinem deutschen Kind und der tatsächlichen familiären Lebensgemeinschaft aus rechtlichen Gründen auf unabsehbare Zeit unmöglich, zumal der Kläger und die Mutter des Kindes familienrechtlich vereinbart hätten, dass ihre Tochter beim Kläger leben solle und ihre Mutter sie nur selten und sporadisch sehe. Mit dem Wegfall dieses Ausreisehindernisses sei in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Eine Abweichung vom Regelfall der Soll-Vorschrift des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG scheide aus, da eine Aufenthaltsbeendigung des ausreisepflichtigen Klägers zu einer Trennung von seiner deutschen Tochter auf unabsehbare Zeit führte und das Kindeswohl gefährdete. Von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG könne nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen werden. Das der Beklagten dabei eingeräumte Ermessen sei im vorliegenden Fall dahingehend reduziert, dass sie von den Regelerteilungsvoraussetzungen absehen müsse. Einen Anspruch auf Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer nach § 5 Abs. 1 AufenthV habe der Kläger hingegen nicht, da er das Gericht angesichts seines wechselnden Vortrags hinsichtlich seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht davon habe überzeugen können, dass es ihm unmöglich sei, einen Reisepass seines Heimatlandes zu erhalten.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat deren Berufung mit Beschluss vom 21. August 2013 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, die vom Verwaltungsgericht angenommene Ermessensreduzierung sei nicht gegeben. Von der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG werde in aller Regel nicht abgesehen werden können. Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung habe die Behörde auch zu berücksichtigen, ob der Ausländer alle ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und zur Beschaffung eines Passes bzw. Passersatzpapieres unternommen habe. Weigere sich der Ausländer jedoch, an der Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit mitzuwirken oder lägen die Voraussetzungen für einen sonstigen Ausweisungsgrund vor, komme ein Absehen von den Erteilungsvoraussetzungen regelmäßig nicht in Betracht. Der Kläger habe wechselnde Identitäten benutzt und kein einziges gültiges Identitätsdokument vorgelegt. Der schützenswerten familiären Lebensgemeinschaft und damit den Interessen des Kindes werde durch die Ausstellung großzügig bemessener Duldungen Rechnung getragen. Die Beklagte habe immer ihre Bereitschaft zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorlage eines gültigen Identitätsdokuments und Einleitung aller notwendigen Schritte zur Passbeschaffung erklärt. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in einem Ausweisersatz auf Grundlage der derzeitigen Angaben des Klägers stellte eine Legalisierung von Personendaten dar, die eines Nachweises entbehrten und an deren Wahrhaftigkeit berechtigte Zweifel bestünden.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es sei von einer Ermessensreduzierung bei der Frage des Absehens von den Regelerteilungsvoraussetzungen auszugehen. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegenüber dem Kläger stünden auf unabsehbare Zeit nicht in Rede. Bereits seit Jahren erhalte der Kläger von der Beklagten "Kettenduldungen". Es sei zweifelhaft, ob eine derartige Verwaltungspraxis dem Willen des Gesetzgebers entspreche. Eine "zutreffende Identität" sei nicht aufzudecken, da der Kläger diese nach seiner Überzeugung bislang bereits zutreffend angegeben habe. Ergänzend verweist der Kläger auf sein bisheriges Klagevorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist auch begründet.

Der Senat ist auf die Überprüfung eines Anspruchs des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG beschränkt, da die Klageabweisung im Übrigen - auch hinsichtlich des Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG - mangels Rechtsmitteleinlegung durch den Kläger rechtskräftig geworden ist. Der Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus familiären Gründen bildet einen gegenüber einem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen zu unterscheidenden eigenständigen Streitgegenstand, da die beiden Aufenthaltstitel sich in ihren Rechtsfolgen unterscheiden (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium BVerwG, Urt. v. 14. Mai 2013 - 1 C 17/12 -, juris, Rdnr. 10 m.w.N.).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

Nach dieser Bestimmung kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Unter "Ausreise" im Sinne dieser Vorschrift ist sowohl die zwangsweise Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen. Nur wenn sowohl die Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise unmöglich sind, kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 -, juris, Rdnr. 15 m.w.N.).

Der vollziehbar ausreisepflichtige Kläger ist gehindert, freiwillig aus dem Bundesgebiet auszureisen. Seiner Ausreise stehen rechtliche Gründe entgegen, mit deren Wegfall in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Nach der bereits erwähnten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ist eine freiwillige Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, die die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen unter anderem auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 Abs. 1 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG. Bei Bestehen solcher Abschiebungsverbote hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Rückführung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben. Dann aber ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (vgl. BVerwG, a.a.O., Rdnr. 17).

Aufgrund der engen Beziehung des Klägers zu seiner minderjährigen Tochter liegt ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vor. Im Hinblick auf diese engen familiären Bindungen ist dem Kläger unter Berücksichtigung der in Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK getroffenen Wertentscheidungen die Ausreise unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5. Juni 2013 - 2 BvR 586/13 -, juris, Rdnr. 12, m.w.N. aus der eigenen Rechtsprechung).

Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfG, a.a.O, Rdnr. 13, m.w.N. aus der eigenen Rechtsprechung).

Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen. Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfG, a.a.O, Rdnr. 14 m.w.N. aus der eigenen Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall besteht zwischen dem sorgeberechtigten Kläger und seiner am 1. Juni 2009 geborenen deutschen Tochter unstreitig eine schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft. Der Kläger und die Mutter der gemeinsamen Tochter haben am 12. März 2010 vor dem Amtsgericht Wolfsburg vereinbart, dass diese weiterhin bei ihrem Vater leben solle (BeiA. B, Bl. 643 f.). Ausweislich der Angaben des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 7. Dezember 2012 besucht die Kindesmutter ihre Tochter nur selten und hält auch Verabredungen nicht verlässlich ein. Wenn der Kläger arbeite, befinde sich seine Tochter bei einer Tagesmutter. Dies funktioniere wunderbar. Diese Angaben sind in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Senat bestätigt worden. Vor dem Hintergrund der offensichtlichen Abhängigkeit der Tochter von der Personensorge des Klägers und ihres geringen Alters kommt eine auch nur vorübergehende Trennung nicht in Betracht. Mit einer Änderung dieser Situation und damit einem Wegfall des Ausreisehindernisses ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.

§ 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG steht der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nicht entgegen. Danach darf eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt nach Satz 4 der Vorschrift insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt. Danach soll ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nur den Ausländern zugute kommen, die nicht ausreisen können, nicht aber denen, die nicht ausreisen wollen. Dem persönlichen Verhalten des Ausländers kommt somit insbesondere im Hinblick auf die gesetzlichen Mitwirkungs- und Initiativpflichten (vgl. § 82 Abs. 1 AufenthG) eine wichtige Bedeutung zu. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kommt demnach nicht in Betracht, wenn der Ausländer die Situation der Nichtausreise entweder vorsätzlich oder zurechenbar herbeigeführt (etwa durch Vernichtung des Passes) oder zumutbare Handlungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses unterlassen hat. Davon muss im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Täuschung des Klägers über seine Identität und Staatsangehörigkeit sowie seine die Beschaffung von Ausreisepapieren blockierende Haltung ausgegangen werden. Dennoch bleibt dem Kläger eine Ausreise wegen der familiären Beziehung zu seiner Tochter weiterhin auf unabsehbare Zeit unmöglich, so dass spätestens seit der tatsächlichen Übernahme der Personensorge für seine Tochter die erforderliche Kausalität zwischen der Unterlassung zumutbarer Handlungen zur Beseitigung der auf der Unklarheit über seine Identität und Staatsangehörigkeit bestehenden Ausreisehindernisse und der gerade deswegen unterbliebenen Ausreise fehlt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. April 2011 - 1 C 3.10 -, juris, Rdnr. 20; Senatsurt. v. 10. Dezember 2008 - 13 LB 13/07 -, juris, Rdnr. 35; Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 25 AufenthG, Rdnr. 126; Burr, in: GK-AufenthG, § 25 Rdnr. 43, 172, Loseblatt, Stand September 2012). Es liegt der Fall einer sogenannten "überholenden Kausalität" vor.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG scheitert jedoch an der Nichterfüllung der Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a und Nr. 4 AufenthG. Die Identität des Klägers sowie seine Staatsangehörigkeit sind ungeklärt. Aus diesem Grunde erfüllt der Kläger auch seine Passpflicht nicht. Daneben ist aufgrund der begangenen Straftaten auch die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).

Von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG darf zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann abgewichen werden, wenn besondere, vom Regelfall abweichende Umstände dargetan sind, die eine von der Normallage abweichende Interessenbewertung rechtfertigen. Ein derartiger Ausnahmefall kommt immer dann in Betracht, wenn atypische Geschehensabläufe vorliegen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht einer gesetzlichen Regelerteilungsvoraussetzung beseitigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. August 2008 - 1 C 32.07 -, juris, Rdnr. 27; Funke- Kaiser, in: GK-AufenthG, § 5, Rdnr. 21, Loseblatt, Stand Juni 2012; Hailbronner, Ausländerrecht, § 5 AufenthG, Rdnr. 5, Loseblatt, Stand Juni 2011). Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann vorliegen, wenn die Versagung eines Aufenthaltstitels höherrangigem Recht, insbesondere verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen wie Art. 6 GG widerspräche (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. August 2008, a.a.O.; Funke-Kaiser, a.a.O., Rdnr. 22; Hailbronner, a.a.O., Rdnr. 6; jew. m.w.N.).

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einen ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG geregelt hat. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist bei der Erteilung eines solchen Titels nur von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zwingend abzusehen. Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber nicht schon allein die Ausübung der Personensorge für ein minderjähriges deutsches Kind als ausreichend erachtet, um auch von den übrigen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG zu dispensieren. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist bei der Frage des Vorliegens eines Ausnahmefalles zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass insbesondere an der Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, damit verhindert wird, dass ein und dieselbe Person im Rechtsverkehr mit mehreren unterschiedlichen Identitäten und amtlichen Ausweispapieren auftreten kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 1. September 2011 - 5 C 27.10 -, juris, Rdnr. 13 zum Einbürgerungsverfahren). Darüber hinaus begründet Art. 6 Abs. 1 GG - worauf bereits hingewiesen wurde - keinen Anspruch auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels, sofern der Fortbestand der familiären Lebensgemeinschaft auf andere Weise gewährleistet werden kann. Die Personensorge des Klägers für sein minderjähriges Kind kann im vorliegenden Fall zumindest vorübergehend bis zur Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit des Klägers auch durch großzügig bemessene Duldungen hinreichend sichergestellt werden. Der in § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers, sogenannte "Kettenduldungen" zu vermeiden, tritt im Falle einer beharrlichen Weigerung des Ausländers, zur Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen beizutragen, hinter die mit diesen verfolgte Zwecke zurück. Der Ausländer hat es in derartigen Fällen selbst in der Hand, durch entsprechende Mitwirkungshandlungen die bislang einem Aufenthaltstitel noch entgegenstehenden Hindernisse zu beseitigen. Ausreichende Handlungen in dieser Hinsicht hat der Kläger bislang nicht vorgenommen. Die Vorlage einer Bescheinigung des Generalkonsulats der Russischen Föderation vom 27. Juli 2011, derzufolge der Kläger nicht die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation besitzt, reicht dazu bei Weitem nicht aus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger durch sein bisheriges Verhalten die Klärung seiner Identität und Staatsangehörigkeit in erheblichem Maße erschwert hat. Aus diesem Grunde sind von ihm nunmehr um so intensivere - ggf. mit der Ausländerbehörde abgestimmte - Bemühungen zu erwarten, die die Klärung dieser Fragen zum Ziel haben. Einer Verfestigung des Aufenthalts durch Erteilung eines Aufenthaltstitels bedarf es vor diesem Zeitpunkt demgegenüber nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit ihres Vaters und damit die Vergewisserung über ihre Abstammung auch im Interesse der Tochter des Klägers liegen.

Für die Frage der vom Verwaltungsgericht angenommenen Reduzierung des nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eingeräumten Ermessens kann nichts anderes gelten. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist bei den dort umschriebenen Aufenthaltstiteln das Absehen von den Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG in das nicht weiter gebundene Ermessen der Ausländerbehörde gestellt. Entsprechend dem Zweck der Norm, eine zusammenfassende Sonderregelung für die Aufnahme in das Bundesgebiet aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen zu schaffen, ist eine umfassende und grundsätzlich offene Abwägung zwischen den hinter § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG stehenden öffentlichen Interessen und den privaten Interessen des Ausländers zu treffen (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., Rndr. 148 f.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich durch § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bereits diejenigen Fallgestaltungen von der Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzungen dispensiert hat, in denen es typischerweise unverhältnismäßig wäre, eine Aufenthaltserlaubnis zu versagen (vgl. Hailbronner, a.a.O., Rdnr. 81). Vor diesem Hintergrund und angesichts der bereits im Rahmen der Prüfung eines Ausnahmefalles angesprochenen Gesichtspunkte ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit des Klägers, der nicht nur zur Klärung seiner wahren Identität und Staatsangehörigkeit nichts beigetragen, sondern diese zunächst durch falsche Angaben bewusst hintertrieben hat, den Vorrang vor den für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sprechenden Aspekten eingeräumt hat. Eine zu einer Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führende Ermessensreduzierung liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.