Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.07.2014, Az.: 5 LA 64/14

Arbeitszeitgutschrift auf das Arbeitszeitkonto eines Polizeibeamten wegen dienstunfähiger Erkrankung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.07.2014
Aktenzeichen
5 LA 64/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 21343
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0721.5LA64.14.0A

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 13. Kammer (Einzelrichter) - vom 18. März 2014 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 212,72 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist Polizeihauptmeisterin und bei der Bundespolizeiinspektion Flughafen C. im Wechselschichtdienst eingesetzt. In der Zeit vom 20. August 20 bis einschließlich 2. September 20 war sie dienstunfähig erkrankt. Am Samstag, dem 1. September 20 und am Sonntag, dem 2. September 20 war die Klägerin nach einem Rahmendienstplan jeweils zu einer Tagesschicht im 12-Stunden-Dienst von 6.30 Uhr bis 18.30 Uhr eingeteilt.

Im Rahmen der Berechnung der Arbeitszeit schrieb die Bundespolizeiinspektion Flughafen C. der Klägerin für die versäumten Arbeitstage im August 20 die Stunden gut, die sie auf der Grundlage des Dienstplans für den Monat August hätte ableisten müssen.

Für den Monat September 20 führte die Bundespolizeiinspektion die Klägerin im allgemeinen Tagesdienst. Für den 1. und 2. September 20 wurde der Klägerin keine Arbeitszeit angerechnet, weil an Samstagen und Sonntagen im allgemeinen Tagesdienst im Bereich der Bundespolizei "dienstfrei" ist.

Die Klägerin ist mit dieser Berechnung nicht einverstanden und hat mit ihrer Klage begehrt, ihr für den 1. und 2. September 20 weitere Arbeitsstunden gutzuschreiben, weil sie für diese beiden Tage nach dem Dienstplan zu zwei 12-Stunden-Schichten eingeteilt gewesen sei.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. März 2014 abgewiesen.

II.

Der Zulassungsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg.

1.

Die Berufung ist nicht wegen einer Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.

Eine Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist gegeben, wenn das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung einen entscheidungserheblichen abstrakten Grundsatz tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgestellt hat, der mit einem ebensolchen Grundsatz in einer Entscheidung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeführten Gerichte nicht übereinstimmt. Ein solcher Grundsatz, den das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, muss zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen sein; er muss sich aber aus der angefochtenen Entscheidung hinreichend deutlich ergeben. Eine Divergenz liegt dagegen nicht vor, wenn das Verwaltungsgericht einen im Einzelfall nicht in Frage gestellten Grundsatz stillschweigend übergeht, nicht hinreichend anwendet, außer Acht lässt oder (rechtsfehlerhaft) für nicht anwendbar erachtet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.3.1988 - BVerwG 7 B 46.88 -, juris Rn. 4; Nds. OVG, Beschluss vom 22.2.2008 - 5 LA 92/06 -).

Gemessen hieran hat die Klägerin eine Divergenz nicht dargelegt. Sie beruft sich auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. November 2012 (- BVerwG 2 B 2.12 -, juris) und meint, das Urteil des Verwaltungsgerichts weiche hiervon ab. Das Bundesverwaltungsgericht hat in jenem Beschluss entschieden, dass dem dienstunfähig erkrankten Beamten diejenige Zeit auf dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben ist, in der er ohne die Erkrankung Dienst hätte leisten müssen. In diesem zeitlichen Umfang muss er den versäumten Dienst nicht nachholen (a. a. O., Leitsatz). Die Dienstleistungspflicht der betroffenen Beamten wird durch einen Schichtenplan zeitlich konkretisiert (a. a. O., Rn. 10).

Die Klägerin trägt vor, nach den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grund-sätzen habe sie - anders als das Verwaltungsgericht entschieden hat - Anspruch auf die begehrte Gutschrift. Damit rügt sie aber nur eine unrichtige Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten, dargelegten Rechtsgrundsätze. Dies stellt indes keine Abweichung im Sinne des Zulassungsrechtes dar. Eine Divergenzrüge kann nicht gegen eine rein einzelfallbezogene, rechtliche oder tatsächliche Würdigung erhoben werden. Vielmehr bedarf es hierzu einer Gegenüberstellung der sich widersprechenden Rechtssätze des verwaltungsgerichtlichen Urteils einerseits und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts andererseits. An einer solchen Gegenüberstellung fehlt es hier.

2.

Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 30.4.2008 - 5 LA 200/07 -; BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838).

Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Vorbringen der Klägerin nicht zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Klägerin hat keine gewichtigen, gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Gründe aufgezeigt, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg.

Die Klägerin trägt ohne Erfolg vor, dass unter Berücksichtigung des vom Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 26.11.2012, a. a. O.) entwickelten Ausfallprinzips für sie die Stunden zugrunde gelegt werden müssten, die tatsächlich ohne die Erkrankung angefallen wären. Sie, die Klägerin, sei bereits in einer festen Dienstgruppe bzw. einer festen Schicht eingeteilt gewesen.

Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, wonach zu Beginn der Erkrankung der Klägerin im August 20 hinsichtlich der Krankheitstage im September 20 noch kein verbindlicher Dienstplan vorlag, hat sie mit diesem Vorbringen jedoch nicht in Frage zu stellen vermocht. Wie bereits ausgeführt, wird die Dienstleistungspflicht der betroffenen Beamten durch einen Schichtenplan zeitlich konkretisiert (BVerwG, Beschluss vom 26.11.2012, a. a. O., Rn. 10). Zwar war die Klägerin zu Beginn ihrer Erkrankung für den Monat September 20 in einem Rahmendienstplan für die beiden streitigen Tage 1. und 2. September jeweils in einer Tagesschicht eingeteilt. Der Regelung in Ziffer 10 Buchstabe a Absatz 1 des Rundschreibens des Bundespolizeipräsidiums über "Auslegungsfragen zur Arbeitszeitverordnung" vom 1. September 2009 ist aber zu entnehmen, dass der Rahmendienstplan noch nicht verbindlich ist, sondern erst der bestätigte, also durch den Dienstvorgesetzten abgezeichnete Monatsdienstplan. Denn der Dienst der Mitarbeiter ist nach dieser Regelung auf Grundlage bestehender (Rahmen-)Dienstpläne oder sonstiger Vereinbarungen monatlich im Voraus konkret zu planen. Soweit die Klägerin meint, der Dienstherr könne auf den Gedanken kommen, sich bis "fast Ultimo" eines jeweiligen Monats eine letztliche Genehmigungspflicht für Dienstpläne vorzubehalten, beruht die verbindliche Genehmigung des Monatsplans erst am Ende des Vormonats nach dem Vortrag der Beklagten darauf, dass dann noch flexibel dienstliche Belange sowie Lehrgänge der Mitarbeiter oder sonstige Abwesenheiten berücksichtigt werden können. Diese Vorgehensweise obliegt dem Organisationsermessen des Dienstherrn und ist nicht zu beanstanden. Durchgreifende Bedenken dagegen, die Erkrankung eines Mitarbeiters zu berücksichtigen, wenn dieser über das Monatsende hinaus erkrankt und er zum Zeitpunkt der Erkrankung noch nicht für den kommenden Monat in einem neuen Dienstplan eingeteilt ist, sind ebenfalls nicht erkennbar, solange dies jedenfalls nicht dazu führt, dass der Betroffene wegen seiner Erkrankung Dienst nachholen muss (vgl. wiederum BVerwG, Beschluss vom 26.11.2012, a. a. O., Leitsatz). Denn es fehlt insoweit an einer Konkretisierung der Dienstleistungspflicht des Mitarbeiters. Ist dagegen bereits zum Zeitpunkt der Erkrankung ein verbindlicher Monatsplan erstellt, ist nach Ziffer 10 Buchstabe a Absatz 1 Satz 3 des Rundschreibens bei Krankheit die Berechnung der Arbeitszeit zunächst auf Grundlage des bestätigten Monatsdienstplans vorzunehmen. So ist bei der Klägerin hinsichtlich der Krankheitstage im August 20 verfahren worden. Dass sie - was rechtwidrig wäre - aufgrund ihrer Erkrankung versäumten Dienst nachholen müsste, ist weder erkennbar noch von der Klägerin im Zulassungsverfahren gerügt.

Dass die Klägerin - wie sie herausstellt - ohne ihre Erkrankung am 1. und 2. September 20 zur Dienstleistung verpflichtet gewesen wäre, steht außer Frage. Soweit sie vorträgt, kausal für den Fortfall des Dienstes sei nur die Erkrankung, nicht der Dienstplan, ist ihr entgegenzuhalten, dass maßgeblich für die Konkretisierung der Dienstleistungspflicht der konkrete Dienstplan ist. An einer solchen Konkretisierung fehlt es aber, wenn - wie hier - eine Erkrankung über den verbindlichen Zeitraum der Dienstplanung hinausgeht (vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 20.10.2011 - 6 A 1265/09 -, juris Rn. 51).

Der weitere Vortrag der Klägerin, die Bundespolizeiinspektion habe sie gleichsam "gedanklich" für zwei Tage einer anderen Dienstgruppe zugeordnet, die an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet sei, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Soweit die Klägerin im September 20 weiterhin ihrer Dienstgruppe angehört und nach ihrer Genesung wieder gemäß dem Monatsschichtplan gearbeitet hat, ist noch nicht erkennbar, dass dieser Umstand der von der Bundespolizeiinspektion vorgenommenen Berechnung der Arbeitszeit entgegenstünde. Denn maßgeblich ist - wie dargelegt -, ob für die Krankheitstage ein verbindlicher Dienstplan vorlag, was hier nicht der Fall war. Jedoch hat die Bundespolizeiinspektion in dem nach Beginn der Erkrankung der Klägerin für den Monat September 20 genehmigten Monatsdienstplan sowie im Dienstbuch-Einlegeblatt wie im Rahmendienstplan für die Klägerin am 1. und 2. September 20 jeweils die Schicht "T" bzw. "T 2", also Tagesschicht vorgesehen (Bl. 57 BA A), obgleich die Bundespolizeiinspektion die Klägerin aufgrund ihrer Krankschreibung bis zum 2. September 20 für die September-Krankheitstage im allgemeinen Tagesdienst geführt hat. Diese Vorgehensweise mutet widersprüchlich an. Dass die Bundespolizeiinspektion gleichwohl die Klägerin vor Genehmigung des konkreten Dienstplans bis zur Genesung entsprechend ihrer Verwaltungspraxis im Tagesdienst geführt hat, lässt sich jedoch gerade noch hinreichend den handschriftlichen Eintragungen im Dienstbuch-Einlegeblatt (Bl. 60) entnehmen.

Die Klägerin wendet ohne Erfolg ein, es gebe keinen Anlass, auf den Inhalt von Ziffer 10 des Rundschreibens des Bundespolizeipräsidiums zurückzugreifen. Die Beklagte habe hinsichtlich der Berücksichtigung der Stunden kein Ermessen gehabt. Folglich gebe es auch keine ermessensleitenden Vorschriften, für deren Auslegung die Selbstbindung der Verwaltung unter Maßgabe von Art. 3 Abs. 1 GG maßgebend sei. Wie bereits ausgeführt, wird die Dienstleistungspflicht der betroffenen Beamten durch einen Schichtenplan zeitlich konkretisiert (BVerwG, Beschluss vom 26.11.2012, a. a. O., Rn. 10). Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Beklagte die Handhabung von Schichtenplänen durch Verwaltungsvorschriften regelt.

3.

Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine tatsächliche oder rechtliche Grundsatzfrage aufwirft, die im Berufungsrechtszug entscheidungserheblich ist und im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.4.2005 - 5 LA 162/04 -).

Es fehlt bereits an der Darlegung einer für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen und klärungsbedürftigen Frage. Der Hinweis der Klägerin, dass die Beklagte vom Bundesrechnungshof gerügt worden sei und dass das vom Bundesverwaltungsgericht kolportierte Ausfallprinzip Grund für die im Rundschreiben des Bundespolizeipräsidiums angeordnete Vorgehensweise sei, reicht für die Darlegung dieses Zulassungsgrundes nicht aus.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).