Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.07.2014, Az.: 12 LA 182/13

Auslegung des objektiven Erklärungsgehalts einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (hier: Bestimmung der zulässigen Lagermenge)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.07.2014
Aktenzeichen
12 LA 182/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 21359
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0702.12LA182.13.0A

Fundstellen

  • AbfallR 2014, 307
  • FStNds 2014, 672-674

Amtlicher Leitsatz

Zur Auslegung des objektiven Erklärungsgehalts einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung; hier: Bestimmung der zulässigen Lagermenge.

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer (Einzelrichter) - vom 9. Juli 2013 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 17.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Teilstilllegungsanordnung des Beklagten.

Die Klägerin betreibt an ihrem Anlagenstandort in G., H. (Flur I., Flurstück J.), aufgrund der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 12. Januar 2005 eine Anlage zur zeitweiligen Lagerung und sonstigen Behandlung von nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen. Nachdem der Beklagte im Februar 2012 festgestellt hatte, dass auf dem Betriebsgelände ca. 13.300 Tonnen ungebrochenen Bauschuttmaterials lagerten, gab er der Klägerin nach Anhörung mit Bescheid vom 21. August 2012 unter Fristsetzung auf, die Lagermenge des ungebrochenen Bauschuttmaterials an dem bezeichneten Standort auf die genehmigte Lagermenge (5.000 Tonnen) zu reduzieren. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 9. November 2012 zurück.

Die gegen die ergangenen Bescheide erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin weiter die Auffassung vertrat, die im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens in dem Lageplan angegebene Lagermenge ungebrochenen Bauschutts sei lediglich als Momentaufnahme zu verstehen und nicht als verbindliche Obergrenze in der Genehmigung festgeschrieben, hat das Verwaltungsgericht mit dem im Tenor bezeichneten Urteil unter Bezugnahme auf die zutreffenden Gründe in den angefochtenen Bescheiden abgewiesen und ergänzend ausgeführt: Ein Einschreiten gegen den teilweise illegalen Betrieb im Bereich Lagerung des ungebrochenen Bauschutts sei gerechtfertigt gewesen, soweit die durch die eindeutige Fassung der Nebenbestimmungen, insbesondere in Nr. 5.1 und 5.5 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 12. Januar 2005, auf 5.000 Tonnen begrenzte Lagermenge überschritten werde. Es entspreche nicht nur den hiesigen Nebenbestimmungen, sondern auch der gängigen Auslegung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen, den Genehmigungsinhalt im Zusammenhang mit den Antragsunterlagen zu bestimmen, die Art, Kapazität und Betriebsweise einer immissionsschutzrechtlich zu bewertenden Anlage vorgäben. Der Klägerin sei es möglich (gewesen), einen Antrag auf Genehmigung des geänderten Betriebs zu stellen, damit die Bewältigung möglicher Immissionskonflikte mit den Nachbarn im dafür vorgesehenen Verfahren geprüft werden könne.

II.

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des allein in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Die Klägerin ist nach wie vor der Auffassung, dass ihre Anlage nicht ohne die erforderliche Genehmigung betrieben werde, denn mit der Genehmigung sei, wie deren Auslegung ergebe, die zulässige Lagermenge nicht auf maximal 5.000 Tonnen beschränkt worden. Vielmehr dürfe sie - die Klägerin - aufgrund der Genehmigung so viele Rohmaterialien und Wertstoffe lagern, wie auf der genehmigten Fläche möglich sei. Dieses Vorbringen begründet ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht.

Inhalt und Umfang auch der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ergeben sich vornehmlich aus dem Genehmigungsbescheid. Bei der Auslegung ist auf den objektiven Erklärungsgehalt des Bescheids aus der Sicht des Adressaten abzustellen, dabei sind auch die Antragsunterlagen heranzuziehen (vgl. dazu etwa BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 - 7 C 35.87 -, BVerwGE 84, 220; Jarass, BImSchG, 10. Aufl., § 6 Rdnr. 56).

Das Verwaltungsgericht hat bereits im Tatbestand des angefochtenen Urteils zutreffend berichtet, dass nach den Nebenbestimmungen zu dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 12. Januar 2005 - dort unter (Auflagen: A) Allgemein) Nr. 4 - die Anlage nach Maßgabe der im Anlagenverzeichnis aufgeführten Beschreibungen und Zeichnungen zu errichten und zu betreiben ist, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist. Zu den im Anlagenverzeichnis aufgeführten Unterlagen gehört auch der Werkslage- und Gebäudeplan vom Oktober 2004, in dem sich zu der Einzeichnung der "Halde Rohmaterial" der Zusatz findet: "ca. 3000 bis 5000 to". In der ebenfalls zu den Antragsunterlagen gehörenden und im Genehmigungsbescheid in Bezug genommenen "Beschreibung der zum Betrieb erforderlichen technischen Einrichtungen und Nebeneinrichtungen, sowie der vorgesehenen Verfahren" (Anlage 3.1) heißt es ferner, vorgesehen seien separate Lagerflächen für Betonbruch, Ziegelbruch und Schotter; die Lagerflächen seien für eine Gesamtkapazität von ca. 3.000 Tonnen ausgelegt. Die in dem Lage- und Gebäudeplan größenordnungsmäßig angegebenen Lagermengen konnte der Beklagte in Verbindung mit der Betriebsbeschreibung nur als konkrete Bezeichnung der geplanten und zur Genehmigung gestellten Lagermengen und nicht lediglich als unverbindliche "Momentaufnahme" verstehen. Auf diese beantragten Lagermengen stellt die Genehmigung unter den Nebenbestimmungen Nr. 4 und 5 ab. Zwar hätte es der unmittelbaren Verständlichkeit und Klarheit gedient, wenn die maximal zulässige Lagermenge ausdrücklich in den Genehmigungsbescheid aufgenommen worden wäre, aus dem Fehlen einer konkret bezifferten Lagermenge im Genehmigungsbescheid selbst kann aber bei verständiger Auslegung des objektiven Erklärungsgehalts des Genehmigungsbescheids unter Einbeziehung der Antragsunterlagen nicht geschlossen werden, dass der Beklagte die in dem Lage- und Gebäudeplan bezeichnete maximale Lagermenge nicht zum Inhalt der Genehmigung habe machen wollen.

Soweit nachfolgend unter den Nrn. 5.1 bis 5.5 die beantragten Lagermengen beschränkt werden, handelt es sich um ergänzende Bestimmungen auf der Grundlage der beantragten und genehmigten Mengen. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass es der Klägerin gestattet wäre, über die in den Antragsunterlagen eingegrenzte und mit maximal 5.000 Tonnen beschriebene Lagermenge hinaus so viele Materialien wie räumlich möglich zu lagern. Das gilt insbesondere auch mit Blick auf die Nebenbestimmung Nr. 5.5. Die Bezugnahme in dieser Auflage auf die Zeichnung - Werkslage- und Gebäudeplan - hat nicht nur, wie die Klägerin meint, Bedeutung für den Standort der Anlage. Der Sinn dieser (wie auch der vorstehenden) Nebenbestimmungen unter Nrn. 5.1 ff. besteht - wie gesagt - nicht darin, den sich aus Nr. 4 und 5 der Nebenbestimmungen in Verbindung mit den Antragsunterlagen ergebenden Genehmigungsumfang zugunsten der Klägerin zu erweitern. Bei den Nebenbestimmungen gemäß Nrn. 5.1 bis 5.5 handelt es sich vielmehr um Regelungen, die an die beantragten und genehmigten Lagermengen anknüpfen und Beschränkungen vorsehen, die sich aus sonstigen Anforderungen in der Genehmigung ergeben. Davon unberührt bleibt die Bezugnahme auf den zur Prüfung und Genehmigung gestellten Anlagenumfang, der durch die eingegrenzte Kapazität der Lagerflächen für das angelieferte Rohmaterial bestimmt wird.

Entgegen ihrer Auffassung musste die Klägerin aufgrund der von ihr eingereichten Antragsunterlagen auch davon ausgehen, dass sich die erteilte Genehmigung nicht auf Lagermengen von mehr als 5.000 Tonnen erstreckt. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung gestattet nur das, was vom Antragsteller beantragt und worüber folglich von der zuständigen Behörde positiv entschieden worden ist. Hier hatte die Klägerin ausweislich der Antragsunterlagen die Errichtung und den Betrieb der beantragten Anlage mit einer Lagerkapazität von 3.000 bis 5.000 Tonnen Rohmaterial zur Genehmigung gestellt. Sie hatte unter diesen Umständen keinen berechtigten Grund zu der Annahme, dass die Behörde mit ihrer auf die Antragsunterlagen bezogenen Genehmigungsentscheidung über diesen Rahmen hinausgehen wollte. Dagegen spricht auch, dass sich die Genehmigungsbedürftigkeit nicht nur auf die Anlage als solche, sondern auch auf ihre Lage, ihre Beschaffenheit und ihren Betrieb im Einzelnen, also etwa auch auf Art und Menge der Einsatzstoffe, bezieht. Derartige Einzelheiten können für die Frage der Genehmigungsfähigkeit der Anlage von wesentlicher Bedeutung sein, denn es ist vor Erteilung der Genehmigung insbesondere zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Anlage aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs geeignet ist, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG und folgt der von den Beteiligten nicht angegriffenen Wertbemessung des Verwaltungsgerichts.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).