Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 17.05.2006, Az.: S 25 AS 493/06 ER
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 17.05.2006
- Aktenzeichen
- S 25 AS 493/06 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 53214
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 26. April 2006 bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides der Antragsgegnerin vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2006 - längstens jedoch für sechs Monate - unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei Unterliegen im Hauptsacheverfahren Leistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) in gesetzlicher Höhe ohne Berücksichtigung des Einkommens des Herrn D. zu gewähren.
2. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) wegen des Vorliegens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und Herrn D. entfällt.
Die 1978 geborene Antragstellerin bewohnt zusammen mit Herrn E. ausweislich des sich in der Leistungsakte befindlichen Mietvertrages vom 18. Juni 2005 seit dem 01. August 2005 eine 3-Zimmer-Wohnung in F., nachdem die Antragstellerin bereits zum 01. April 2005 in die damalige Wohnung des Herrn E. in G. (mit) eingezogen war. In dem genannten Mietvertrag für die gemeinsame Wohnung verpflichteten sich die Antragstellerin und Herr E. gesamtschuldnerisch zur Mietzahlung.
Die Antragstellerin beantragte am 20. März 2006 bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II. Dabei gab sie sich zunächst als alleinige Antragstellerin an. Im Rahmen des Aufnahmegespräches mit Mitarbeitern der Antragsgegnerin fügte diese Herrn D. als Partner in eheähnlicher Gemeinschaft hinzu, was die Antragstellerin auch mit ihrer Unterschrift bestätigte. Nachdem Herr E. seine Einkommensverhältnissen offen gelegt hatte, lehnte die Antragsgegnerin die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit Bescheid vom 28. März 2006 ab. Den hiergegen am 3. April 2006 erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006 zurück. Hiergegen hat die Antragstellerin am 26. April 2006 beim Sozialgericht H. Klage erhoben (Az.: S 25 AS 473/06).
Gleichzeitig hat die Antragstellerin beim Sozialgericht H. einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, mit dem sie die vorläufige Zahlung von Leistungen ohne Anrechnung des Einkommens des Herrn D. begehrt. Zur Begründung führt sie aus, es sei zwar richtig, dass sich in diesem Jahr eine "Beziehung" zu Herrn E. entwickelt habe, doch sei diese in keiner Weise mit einer eheähnlichen Gemeinschaft zu vergleichen, da sie ihn nicht um Geld anbetteln könne und wolle. Darüber hinaus kenne sie Herrn E. überhaupt erst seit etwa zwei Jahren, auch gebe es keine wechselseitige Befugnis, über die Vermögensgegenstände des Partners zu verfügen, ferner liegen auch keine gemeinsamen Konten vor. Die Vertrautheit, dass Herr E. der Antragstellerin seine persönlichen Daten überließ, um sie der Antragsgegnerin zu übermitteln, habe auf einer unzureichenden Beratung der Antragsgegnerin basiert. Sie ließen sie glauben, dass es so üblich sei, um ein mögliches "Verschieben von Vermögen" zu verhindern, ohne dass die Antragstellerin über mögliche Folgen aufgeklärt worden sei. Die Kosten der Wohnung und die Nebenkosten sowie alle sonstigen Kosten würden jeweils zu gleichen Teilen getragen. Sie erhalte keine Zahlungen von Herrn I., denn das Einkommen und Vermögen solle nicht füreinander eingesetzt werden. Auch würde jeder ein eigenes Zimmer bewohnen, die Wäsche werde getrennt gewaschen und auch im Kühlschrank würden die Vorräte getrennt aufbewahrt.
Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß),
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vorläufig in gesetzlicher Höhe zu gewähren, ohne das Einkommen des Herrn D. zu berücksichtigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist sie insbesondere auf die Begründung im Widerspruchsbescheid. Für eine eheähnliche Gemeinschaft spreche insbesondere, dass sich die von der Antragsgegnerin angeforderten Dokumente auf Herrn D. bezogen. Herr E. habe den Antrag der Antragstellerin durch Herausgabe sämtlicher notwendiger Unterlagen unterstützt. Dies alles könne nur so bewertet werden, dass eine Vertrautheit zwischen der Antragstellerin und ihrem Lebensgefährten vorliegt, die dem Umgang miteinander in einer Ehe in nichts nachstehe. Von einer reinen Wohngemeinschaft könne sicherlich keine Rede sein. Auch der gemeinsame Umzug in eine neue Unterkunft spreche für eine gewachsene Bindung. Schließlich sei die materielle Abhängigkeit in die sich die Antragstellerin und ihr Partner durch Abschluss des Mietvertrages wechselseitig begeben hätten ein ausschlaggebendes Indiz. Einen solchen gegenseitigen Vertrauensbeweis erbringen nur Menschen, die in einer Einstehens- und nicht nur in einer Wohngemeinschaft leben. Zudem habe die Antragstellerin in ihrem Antrag Herrn E. auch als Partner in eheähnlicher Gemeinschaft bezeichnet bzw. die Ergänzung im Antrag so unterschrieben.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Prozess- und der die Antragstellerin betreffende Verwaltungsakte der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
II.
Der zulässige Antrag hat im tenorierten Umfang Erfolg.
Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch voraus, also einen materiell - rechtlichen Anspruch auf die Leistungen, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteiles (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich auf Grund ihres funktionalen Zusammenhanges ein bewegliches System (Meyer-Ladewig, SGG, § 86b, Rdnr. 27 und 29 m. w. N.): Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet so ist der Antrag auf einstweiliger Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung statt zu geben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsachverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, - 1 BvR 569/05 -).
Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, denn es ist der Antragsgegnerin nicht gelungen, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass zwischen der Antragstellerin und Herrn E. eine eheähnliche Lebensgemeinschaft besteht. Daher ist das Einkommen des Herrn D. derzeit nicht auf die Leistungen nach dem SGB II für die Antragstellerin anzurechnen.
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erhalten gemäß § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (sogenannte erwerbsfähige Hilfebedürftige).
Zu den zu gewährenden Leistungen gehören als Arbeitslosengeld II insbesondere die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln oder aus dem zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen sichern kann oder die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Träger anderer Sozialleistungen erhält. § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II bestimmt, dass bei Personen die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen ist. Die Antragstellerin zählt jedoch nicht zum Personenkreis des § 9 Abs. 2 Satz 1. SGB II, denn sie lebt nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Herrn I.. Nach § 7 Abs. 3 Nr. b) SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in "eheähnlicher Lebensgemeinschaft" lebt. Der Begriff der "eheähnlichen Lebensgemeinschaft" ist im Gesetz nicht definiert. Zur Ausfüllung des Begriffs ist daher auf die von der Rechtsprechung entwickelte Definition zurückzugreifen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt:
"Die eheähnliche Gemeinschaft ist eine typische Erscheinung des sozialen Lebens (vgl. BVerfGE 82, 6 [BVerfG 03.04.1990 - 1 BvR 1186/89] (13)). Von anderen Gemeinschaften hebt sie sich hinreichend deutlich ab. Mit dem Begriff "eheähnlich" hat der Gesetzgeber ersichtlich an den Rechtsbegriff der Ehe angeknüpft, unter dem die Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen ist (vgl. BVerfGE 10, 59 (66); 53, 224 (245); 62, 323 (330)). Gemeint ist also eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Wird der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft in § 137 Abs. 2 a AFG demgemäß im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ausgelegt, so ist die Vorschrift auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Einkommensanrechnung nach der Methode der verschärften Bedürftigkeitsprüfung rechtfertigt sich bei Ehegatten zum einen aus der gegenseitigen Unterhaltspflicht und zum anderen aus der Vermutung, dass diese Unterhaltspflicht unter nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten auch tatsächlich erfüllt wird. Für die Partner einer rechtlich nicht geregelten Gemeinschaft bestehen gegenseitige Unterhaltspflichten nicht. Der mit dem Arbeitslosen nicht verheiratete Partner ist diesem zum Unterhalt nicht verpflichtet; er kann - auch beim Wirtschaften aus einem Topf - sein Einkommen ganz oder in einem hohen Maße zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden. Angesichts dieses Unterschiedes zwischen Ehegatten und Partnern eheähnlicher Lebensgemeinschaften war es von Verfassungswegen nicht geboten, eine generelle Gleichstellung von eheähnlichen Gemeinschaften und Ehen durch die Vorschrift des § 137 Abs. 2 a AFG vorzunehmen, um der in der Entscheidung vom 10. Juli 1984 (BVerfGE 67, 186 [BVerfG 10.07.1984 - 1 BvL 44/80]) festgestellten Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Partnern eheähnlicher Gemeinschaften abzuhelfen. Verfuhr der Gesetzgeber jedoch in dieser Weise, durfte er nur solche Gemeinschaften erfassen, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar. Ob eine Gemeinschaft von Mann und Frau diese besonderen Merkmale der eheähnlichen Gemeinschaft aufweist, lässt sich in der Verwaltungspraxis nur anhand von Indizien feststellen. Als solche Hinweistatsachen, die sich nicht erschöpfend aufzählen lassen, kommen etwa in Betracht die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen" (BVerfGE 87, 234 (264) [BVerfG 17.11.1992 - 1 BvL 8/87]; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 02. September 2004, Az: 1 BvR 1962/04; NVwZ 2005, 1178).
Keines der vom Bundesverfassungsgericht für das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sprechenden Kriterien ist nach Überzeugung des Gerichts vorliegend nach im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung des vorliegenden Tatsachenmaterials erfüllt.
Das gewichtigste Indiz für die Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist die Dauer des Zusammenlebens (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. Juni 1999, - 5 B 114/98 -). Zwar kann das Gericht ohne weiteres davon ausgehen, dass zwischen der Antragstellerin und Herrn E. eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft gegeben ist. Dies wird auch von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellt. Eine solche Gemeinschaft genügt allerdings nach der zitierten verfassungsrechtlichen Rechtsprechung nicht, um eine eheähnliche Gemeinschaft zweifelsfrei annehmen zu können. Eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft ist lediglich notwendige Vorbedingung für eine eheähnliche Gemeinschaft, sie ersetzt jedoch nicht die Feststellung, dass sich die Paarbeziehung auch dadurch qualifiziert, dass sie auf Dauer angelegt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die - in den Not- und Wechselfällen des Lebens - ein gegenseitiges Einstehen der Partner mit ihrem jeweiligen Einkommen und Vermögen füreinander begründen. Zwar sprechen vorliegend einige Umstände für das Vorliegen auch einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Ihnen ist jedoch nicht ein derartiges Gewicht zuzusprechen, dass sie im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes als ausschlaggebend anzusehen wären und deshalb von einer Erfolglosigkeit des Hauptsacheverfahrens ausgegangen werden müsste. Nach Auffassung des Gerichtes spricht vor allem gegen eine eheähnliche Gemeinschaft, dass die Antragstellerin und Herr E. ihre Wohngemeinschaft erst mit dem Einzug der Antragstellerin in die Wohnung des Herrn E. im April des vergangenen Jahres begründet haben. Mag es sein, dass - wie die Antragsgegnerin zutreffend bemerkt - der danach erfolgte gemeinsame Umzug in eine gemeinsame Wohnung auf eine gefestigte innere Bindung schließen lässt, jedoch hat die Antragstellerin hierzu glaubhaft - und von der Antragsgegnerin unwidersprochen - vorgetragen, dass sie zum Zeitpunkt des Einzugsdatum in die Wohnung des Herrn E. die BAfög-Förderungshöchstdauer überschritten hatte und ihre Wohnung in H. aus finanziellen Gründen kündigen musste, da ihre Eltern sie nicht ausreichend unterstützen konnten und sie die finanziellen Mittel dazu aus eigener Kraft nicht aufbringen konnte. Herr E. gestattete ihr einige ihrer Möbel in seiner Wohnung zu verstauen, da er ein Zimmer nicht nutzte und die Antragstellerin wichtige Post wirklich erhalten wollte, was z. B. bei ihren Eltern leider nicht gewährleistet sei. Sie habe zwar auch Zeit in J. verbracht, hielt sich jedoch vorrangig in H. bei Freundinnen auf, um ihr Studium zu beenden. Da sie kein Auto besitze, wäre es für sie unmöglich gewesen zwischen J. und H. zu pendeln. Welcher Art die wechselseitigen Beziehungen im Zeitpunkt des Einzugs der Antragstellerin bei Herrn E. im April 2005 waren, hat die Antragsgegnerin nicht einmal versucht zu ermitteln, was letztlich zu ihren Lasten gehen muss. Selbst bei Einbeziehung des Zeitraumes vor dem Umzug in die gemeinsame Wohnung liegt nach Überzeugung des Gerichts noch keine besondere Dauer der Beziehung vor. Zwar hat das Bundessozialgericht die von ihm zunächst geforderte "Dreijahresgrenze" für das Zusammenleben (vgl. Urteil vom 29. April 1998, - B 7 AL 56/97 R -, SozR. 3/4100, § 109 Nr. 15) später relativiert und dargelegt, sie sei nicht im Sinne einer absoluten zeitlichen Mindestvoraussetzung für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft zu verstehen (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2002, - B 7 AL 96/00 R -). Jedoch hat es betont, dass die bisherige Dauer des Zusammenlebens ein wesentliches Indiz für die Ernsthaftigkeit der Beziehung sei.
Der Rechtsprechung, die der Dauer der Zusammenlebens besonderes Gewicht bei der Beurteilung des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft beigemessen hat, schließt sich die Kammer auch hier uneingeschränkt an. Im Regelfall besteht jedenfalls bei einer Dauer des Zusammenlebens von etwa einem Jahr - von besonderen Umständen (etwa der gemeinsamen Sorge um Kinder) abgesehen - regelmäßig kein Grund für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft als Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung.
Hieran gemessen besteht derzeit zwischen der Antragstellerin und Herrn E. noch keine eheähnliche Gemeinschaft, denn die Antragstellerin und Herr E. sind erst zum 01. August 2005 in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Es liegt nach Auffassung des Gerichtes daher auf der Hand, dass in einem solchen Fall noch von keiner Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft die Rede sein kann. Im Übrigen folgt ebenso wenig wie aus jeder Wohngemeinschaft auch nicht aus jeder Liebesbeziehung - die von der Antragstellerin hier auch eingeräumt wird - automatisch eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne der eheähnlichen Gemeinschaft.
Auch die übrigen Umstände des Falles deuten nicht darauf hin, dass zwischen der Antragstellerin und Herrn E. bereits jetzt schon eine eheähnliche Lebensgemeinschaft besteht. Denn auch die weiteren von der Rechtsprechung geforderten Kriterien für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft sind vorliegend nicht erfüllt. Insbesondere das zweite - allerdings von der Bedeutung her der Dauer des Zusammenlebens untergeordnete - Kriterium für die Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes die Versorgung von Kindern und Angehörigen in gemeinsamen Haushalt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juni 1999 - 5 B 114/98 -). Dieses Kriterium ist vorliegend erkennbar nicht erfüllt. Die Antragstellerin und Herr E. haben keine gemeinsamen Kinder. Beide sind - soweit ersichtlich - ledig und haben jeweils eigene Angehörige nur außerhalb der Haushaltsgemeinschaft. Das Verhältnis zwischen der Antragstellerin und Herrn E. fußt damit allenfalls auf gegenseitigen Gefühlen, nicht aber ethisch-moralischen Verpflichtungen.
Auch das dritte vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Kriterium für die Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, das ebenfalls von der Bedeutung her dem ersten Kriterium untergeordnet ist (vgl. BVerwG, a. a. O.), ist vorliegend nicht erfüllt. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Tatsachenmaterials besteht nach Auffassung des Gerichtes kein Anhalt dafür, dass die Partner der Gemeinschaft die Befugnis haben, über Einkommens- und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen. Insbesondere haben die Antragstellerin und Herr E. getrennte Konten. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragstellerin wird nicht aus einem "gemeinsamen Topf" gewirtschaftet, es werde getrennt eingekauft, es bestehen getrennte Fächer im Kühlschrank, auch die Wäsche wird nicht gemeinsam gewaschen. Zudem - dies wäre auch in einer eheähnlichen Gemeinschaft bzw. einer Ehe unüblich - bewohne jeder sein eigenes Zimmer. Ferner überzeugt das Gericht der Einwand der Antragsgegnerin nicht, dass der gemeinsame Abschluss eines Mietvertrages mit daraus resultierender gesamtschuldnerischer Haftung ein Indiz für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft darstelle. Diese Form der Mietverträge ist in der heutigen Zeit auch zwischen reinen Wohngemeinschaften durchaus üblich.
Soweit die Antragsgegner einwendet, auch die Angabe der Antragstellerin im Antrag auf Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende, Herr E. sei ihr Partner in eheähnlicher Gemeinschaft, sei ein ausschlaggebendes Indiz für die Annahme einer solchen Bindung, kann dies das Gericht nicht überzeugen. Es ist nämlich insoweit in Zweifel zu ziehen, ob sich die Antragstellerin der juristischen Tragweite dieser Erklärung bewusst war. Denn das Antragsformular der Antragsgegnerin enthielt nicht einmal die Möglichkeit ein Zusammenwohnen lediglich als Zweckgemeinschaft zu bezeichnen. In der subjektiven Einschätzung der gegenseitigen Beziehung kann aufgrund der eingeschränkten Ankreuzvarianten nach Auffassung des Gerichts kein prozessual wirksames Eingeständnis einer im Rahmen von § 7 SGB II relevanten Tatsache gesehen werden (so auch Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 01. Juni 2005, - S 23 AS 212/05 ER - m. w. N.). Ein solches Eingeständnis kann die Antragstellerin verbindlich schon deshalb nicht abgeben, weil sie juristisch nicht gebildet sein dürfte und der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft ein komplexer Rechtsbegriff ist, dessen Subsumtion detaillierte Kenntnisse der diesbezüglichen Rechtsprechung erfordert. Das Gericht kann daher nicht a priori davon ausgehen, dass die Antragstellerin diesen Begriff im technischen Sinne gemäß den Regelungen des SGB II gebraucht hat, sondern hat - wie geschehen - alle verfügbaren Hinweistatsachen daraufhin in den Blick zu nehmen, ob sie den Schluss rechtfertigen, dass die Partner der betreffenden Lebensgemeinschaft in der Tat den Willen haben, auf Dauer füreinander einzustehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995, - 5 C 16/93 -).
Soweit die Antragsgegnerin darauf hinweist, dass ein stichhaltiges Indiz dafür, dass zwischen der Antragstellerin und Herrn E. eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, darin zu sehen sei, dass Herr E. der Antragstellerin die ihn betreffenden Unterlagen hinsichtlich seiner Einkommensverhältnisse überlassen hat, um diese bei der Antragsgegnerin vorzulegen, überzeugt dies das Gericht in keinster Weise. Denn damit ist Herr E. nur seiner aus § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II folgenden Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nachgekommen. Die Antragsgegnerin kann daraus nicht allen Ernstes herleiten, dass deshalb eine Verantwortungsgemeinschaft vorliegt.
Nach alledem bestehen vorliegend keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass auch nur eines der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft erfüllt sein könnte.
Für ihre Annahme, dass Herr E. mit der Antragstellerin in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt, ist die Antragsgegnerin im Übrigen nach den Grundsätzen der objektiven Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren darlegungs- und beweis- bzw. glaubhaftmachungsbelastet ist (vgl. Sozialgericht Dresden, a. a. O.). Nach Überzeugung des Gerichts müssen daher die verbleibenden Zweifel am Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zu Lasten der Antragsgegnerin gehen.
Wenn danach nicht Überwiegendes dafür spricht, dass zwischen der Antragstellerin und Herrn E. eine eheähnliche Lebensgemeinschaft besteht, liegt zwischen ihnen auch keine Bedarfsgemeinschaft vor, so dass eine Anrechnung des Einkommens und Vermögens des Herrn E. bei der Bewilligung der Leistungen für die Antragstellerin nicht zu erfolgen hat.
Das Gericht verkennt allerdings nicht, dass die Feststellung einer eheähnlichen Gemeinschaft die Antragsgegnerin vor erhebliche Probleme stellt. Diese sind jedoch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes in Kauf zu nehmen. Denn die leichtfertige Annahme des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft beinhaltet die doppelte Gefahr, dass der Antragstellerin Unterstützungsleistungen von seinem "Partner" mangels (doch nicht) vorliegender "innerer Bindungen" versagt bleiben, die tatsächlich hilfebedürftige Antragstellerin darüber hinaus ohne existenzsichernde Leistungen bleibt, die für sie ein menschenwürdiges Dasein sichern sollen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, a. a. O.). Denn die Antragstellerin hätte keinen Anspruch auf Leistungen von der Antragsgegnerin und gleichzeitig aber auch keinen Anspruch auf materielle Unterstützung durch ihren "Partner". Es kann daher nicht richtig sein, dass ein Hilfebedürftiger auf Leistungen eines Dritten verwiesen wird, die dieser tatsächlich nicht erbringt und auch rechtlich - mangels Ehe und daraus resultierender Unterhaltsverpflichtung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) - nicht erbringen muss, wenn nicht zweifelsfrei feststeht, dass der Dritte seinerseits aufgrund innerer Bindungen die Verpflichtung empfindet, für seine Partnerin einzustehen (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 17. Oktober 2002, - B 7 AL 72/00 R).
Soweit die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat, liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens, mithin der Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, - 1 BvR 569/05 -). Ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung bliebe das Existenzminimum der Antragstellerin noch für mehrere Monate nicht im vollem Umfang gedeckt. Dabei handele es sich um eine erhebliche Beeinträchtigung, die auch nachträglich bei einem erfolgreichem Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mehr bzw. nur mit längerer Verzögerung ausgeglichen werden kann, weil der elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden kann, in dem er besteht. Die damit gegeben Vorwegnahme der Hauptsache ist in Kauf zu nehmen, weil der zu befürchtenden Beeinträchtigung der Menschenwürde durch die Vorenthaltung der Leistungen zur Existenzsicherung lediglich die Möglichkeit ungerechtfertigter Geldzahlungen seitens der Antragsgegnerin gegenüber steht.
Die Hilfeleistung ist für die Zeit vom 26. April 2006 (Antragseingang bei Gericht) für den Zeitraum von sechs Monaten zu gewähren. Die Kammer folgt hinsichtlich des Beginnes der Rechtsprechung des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen (vgl. Beschluss vom 24. August 2005 - L 8 SO 78/05 ER -, Beschluss vom 20. September 2005 - L 8 AS 131/05 ER -). Die Dauer der einstweiligen Anordnung entspricht § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II, wonach die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für sechs Monate bewilligt werden sollen. Das Gericht geht allerdings davon aus, dass sich die Antragsgegnerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache (Az.: S 25 AS 473/06) an die Vorgaben dieses Beschlusses halten wird, um weitere einstweilige Rechtsschutzverfahren zu vermeiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG, wobei das Gericht das ihm zustehende billige Ermessen dahin ausgeübt hat, der Antragsgegnerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten in voller Höhe aufzuerlegen, da die Antragstellerin mit ihrem Begehren vollumfänglich durchgedrungen ist.