Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 02.05.2006, Az.: S 25 AS 455/06 ER
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 02.05.2006
- Aktenzeichen
- S 25 AS 455/06 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 53213
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Der Antragsgegner wird im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - Geldleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) ohne Anrechnung des der Ehefrau des Antragstellers gezahlten Existenzgründungszuschusses gemäß § 421 I Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) ab dem 19. April 2006 bis zum Ende des laufenden Bewilligungsabschnittes zu gewähren.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe
I.
Der 1979 geborene Antragsteller, der zusammen mit seiner Ehefrau D. in E. lebt, begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) ohne Anrechnung des der Ehefrau seit dem 30. September 2005 gewährten Existenzgründungszuschusses.
Nachdem die im Auftrag des Antragsgegners handelnde Samtgemeinde E. die dem Antragsteller für den Zeitraum vom 01. November 2005 bis zum 31. Dezember 2005 gewährten Leistungen mit Bescheid vom 02. Februar 2006 wegen angeblicher Überzahlung teilweise zurückforderte, bewilligte er ihm mit Bescheid vom gleichen Tage für den Zeitraum vom 01. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006 Leistungen in Höhe von insgesamt 44,16 €, wobei das Einkommen der Ehefrau aus Erwerbstätigkeit und der gemäß § 421 I Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) durch die Agentur für Arbeit F. mit Bescheid vom 06. Oktober 2005 für den Zeitraum vom 30. September 2005 bis zum 29. Juni 2006 gewährte Existenzgründungszuschuss in Höhe von 600,00 € auf den Bedarf angerechnet wurden.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 03. Februar 2006 Widerspruch, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2006 zurückwies. Über die hiergegen am 29. März 2006 bei dem Sozialgericht G. erhobene Klage (Az.: S 25 AS 355/06) ist bislang noch nicht entschieden worden.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 11. April 2006 - bei dem Sozialgericht G. am 19. April 2006 eingegangen - einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung führt er aus, der Existenzgründungszuschuss werde seit vier Monaten auf die Bedarfsgemeinschaft und damit auf den Lebensunterhalt angerechnet. Dies habe zur Folge, dass ihm und seiner Ehefrau 600,00 € im Monat weniger zum Leben blieben. Im Übrigen verweist er auf die zur Problematik der Anrechnung des Existenzgründungszuschusses ergangene Rechtsprechung des Landessozialgerichts H..
Nach seinem schriftsätzlichem Vorbringen beantragt er (sinngemäß),
den Antragsgegner zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des an seinen Ehefrau gezahlten Existenzgründungszuschuss in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt er aus, die Frage der Anrechnung des Existenzgründungszuschusses sei in der Rechtsprechung streitig. Eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sei daher nicht geboten. Im Übrigen sei es zweifelhaft, ob dem Antragsteller überhaupt ein Anordnungsgrund zustehe, es sei nicht ersichtlich, dass eine Insolvenz drohe, die Existenzgründung gefährdet sei oder erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstünden.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte im Einstweiligen Rechtsschutzverfahren sowie die Prozessakte im parallelen Hauptsacheverfahren zum Aktenzeichen S 25 AS 355/06.
II.
Der zulässige Antrag hat im tenorierten Umfang Erfolg.
Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch voraus, also einen materiell - rechtlichen Anspruch auf die Leistungen, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteiles (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich auf Grund ihres funktionalen Zusammenhanges ein bewegliches System (Meyer-Ladewig, SGG, Rdnr. 27 und 29 m. w. N.): Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet so ist der Antrag auf einstweiliger Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung statt zu geben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsachverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, - 1 BVR 569/05 -).
Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erhalten gemäß § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (sogenannte erwerbsfähige Hilfebedürftige).
Zu den zu gewährenden Leistungen gehören als Arbeitslosengeld II insbesondere die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II).
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln oder aus dem zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen sichern kann oder die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält. S 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II bestimm, dass bei Personen die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partner zu berücksichtigen ist. Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 a SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner auch der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte.
Eine Berücksichtigung des Existenzgründungszuschusses der Ehefrau des Antragstellers bei der Ermittlung der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist ausgeschlossen, weil es sich bei den Existenzgründungszuschuss im Sinne des § 412 I Abs. 1 SGB III um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II handelt.
Zu der Frage, ob der Existenzgründungszuschuss Einkommen darstellt, dass auf den allgemeinen Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes anzurechnen ist, darstellt, hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - worauf der Antragsteller zu Recht hingewiesen hat - mit Beschluss vom 23. Juni 2005 (Aktenzeichen: L 8 AS 97/05 ER) folgendes ausgeführt:
"Der Existenzgründungszuschuss nach § 421 I Abs. 1 SGB III ist eine zweckbestimmte Einnahme des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II. Er darf dem gemäß bei der Bedarfsberechnung zu Lasten der Antragsteller nicht berücksichtigt werden. Der Existenzgründungszuschuss dient nicht der Sicherung des Lebensunterhalts wie die Leistungen des Alg II, sondern anderen Zwecken.
Nach § 421 I Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen (hauptberuflichen) Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss. Der Zuschuss wird geleistet, wenn der Existenzgründer (Nr. 1) in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden ist, (Nr. 2) nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen nach § 15 des Vierten Buches erzielen wird, das voraussichtlich 25.000,00 EUR im Jahr nicht überschreiten wird. Der Zuschuss wird gemäß § 421 I Abs. 2 SGB III bis zu drei Jahre erbracht und wird jeweils längstens für ein Jahr bewilligt. Er beträgt im ersten Jahr nach Beendigung der Arbeitslosigkeit monatlich 600,00 EUR, im zweiten Jahr monatlich 360,00 EUR und im dritten Jahr monatlich 240,00 EUR. Die Vorschrift des § 421 I SGB III geht zurück auf Vorschläge der sog Hartz-Kommission zur "Ich-AG" bzw. "Familien-AG" (vgl. dazu Bericht der Hartz-Kommission in Soziale Sicherheit 2002, Seite 254, 259) und ist durch Art 1 Nr. 15 des Zweiten Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (vom 23. Dezember 2002, BGBl Seite 4621) in das SGB III eingeführt worden; nach Art 17 dieses Gesetzes trat die Vorschrift am 1. Januar 2003 in Kraft. Nach dem Bericht der Hartz-Kommission (aaO) und der Begründung des Gesetzesentwurfes maßgeblichen (Bundestagsdrucksache 15/26, Seite 19 dort § 421m) betrifft die Gewährung des Existenzgründungszuschusses einmal eine neue Form in der Bekämpfung von Schwarzarbeit, weil mittels der Aktivierung von Arbeitslosen im Wege des Existenzgründungszuschusses verhindert werden soll, dass Personen eine Lohnersatzleistung beziehen, welche potenziell den Charakter einer Subvention von Schwarzarbeit besitzt. Weiterhin bezweckt die Vorschrift des § 421 I SGB III (vgl. die vorgenannten Fundstellen) die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit.
Doch ist der Existenzgründungszuschuss nicht darauf ausgerichtet, den Lebensunterhalt des Existenzgründers zu sichern. Dadurch unterscheidet sich die Regelung des § 421 I SGB III von der Vorschrift des § 57 SGB III, in welchem die Gewährung des Überbrückungsgeldes geregelt ist. Aus dieser Vorschrift ergibt sich der Gesetzeszweck auch der Sicherung des Lebensunterhaltes eindeutig aus der Vorschrift des § 57 Abs. 1 SGB III. Denn danach haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen (hauptberuflichen) Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Überbrückungsgeld. Diese ausdrückliche Nennung des Gesetzeszwecks Sicherung des Lebensunterhalts fehlt in § 421 I SGB III (vgl. zum vorstehenden: Voelzke in Hauk/Noftz, SGB III-Kommentar, K § 421e Rdnr. 7; Link in Eicher/Schlegel, Kommentar zum SGB III, Loseblattsammlung, Stand März 2005, § 57 Rdnrn 1f; Marschner in Gemeinschaftskommentar zum SGB III, Loseblattsammlung, Stand Februar 2005, § 421 I Rdnrn 3ff; Becker in Praxiskommentar - SGB III, § 421 I Rdnrn 6f; Becker in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, Seite 533, Rdnrn 122f; - sämtliche Kommentatoren nehmen als Gesetzeszweck des Existenzgründungszuschusses nach § 421 I SGB III nicht die Sicherung des Lebensunterhalts an -).
Der Existenzgründungszuschuss dient daher neben dem og. Zweck der Bekämpfung der Schwarzarbeit weiterhin der sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung. Der Existenzgründer kann damit die anfallenden Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. Die Rentenversicherungspflicht dieses Personenkreises ergibt sich aus § 2 Satz 1 Nr. 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI). Er wird weiterhin in die Lage versetzt, gegebenenfalls für seine (private) Krankenversicherung zu sorgen und eine zusätzlich private Altersvorsorge aufzubauen.
Diesen Zweck dient das Alg II nicht; vielmehr bestimmt § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II, dass das Alg II der Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung dient. Zwar sind Alg II-Bezieher rentenversicherungspflichtig, § 3 Satz 1 Nr. 3a SGB VI. Die Beiträge trägt der Bund gemäß § 170 Abs 1 Nr. 1 SGB VI; es handelt sich damit nicht um eine Leistung nach dem SGB II, sondern um eine Leistung nach einem anderen Sozialgesetzbuch. Entsprechendes gilt für die gesetzliche Krankenversicherung (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2a, 251 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V)) sowie die soziale Pflegeversicherung, §§ 20 Abs. 1 Nr 2a, 59 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI)).
Der (Haupt-) Zweck des Existenzgründungszuschusses liegt schließlich darin, die selbständige Tätigkeit an sich, den Betrieb der Firma, sicherzustellen. Die Belastungen durch den Betrieb (Anschaffungen und Erhalt der Betriebsmittel) sollen durch den Existenzgründungszuschuss aufgefangen werden. Der Bestreitung des Lebensunterhalts dient das Alg II sowie etwa verbleibende Gewinne aus dem Betrieb.
Mithin dient der Existenzgründungszuschuss nach § 421 I SGB III nicht der Sicherung des Lebensunterhalts wie das von den Antragstellern bezogene Alg II, sondern den og. anderen Zwecken, nämlich der Bekämpfung der Schwarzarbeit, der sozialen Sicherung und den Erhalt des neu begründeten Betriebes.
Zugunsten der Antragsteller ist weiterhin zu bedenken, dass das SGB II - ebenso wie das SGB III - Leistungen zur Existenzgründung vorhält, und zwar in § 29 SGB II. Danach kann bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist (vgl. dazu Spellbrink, Das Einstiegsgeld nach § 29 SGB II - oder von den Aporien "moderner" Gesetzgebung, Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) 2005, 231). Das Einstiegsgeld wird gemäß § 29 Abs 1 Satz 2 SGB II als Zuschuss zum Alg II erbracht. Auch aus § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ergibt sich, dass Leistungen nach dem SGB II - also das Einstiegsgeld gemäß § 29 SGB II - nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Erhielte der Antragsteller zu 2. das Einstiegsgeld nach § 29 SGB II, würde es bei der Bedarfsberechnung nicht nachteilig berücksichtigt werden. Es wäre daher ein unverständlicher Wertungswiderspruch, wenn die entsprechende Leistung nach § 421 I SGB III als Einkommen berücksichtigt würde." (vgl. in diesem Sinne auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. Februar 2006, - L 8 AS 477/05 ER -).
Diese Ansicht, die auch vom Sozialgericht Köln (Beschluss vom 15. August 2005 - S 24 AS 95/05 ER -) und dem Sozialgericht Leipzig (Beschluss vom 25. August 2005, - S 16 AS 350/05 ER -) sowie vom Sozialgericht Lüneburg (Beschluss vom 21. Oktober 2005, S 30 AS 647/05 ER -, Gerichtsbescheid vom 19. April 2006, - S 25 AS 773/05 -) geteilt wird, macht sich auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die erkennende Kammer zu eigen. Dabei ist sich die Kammer dessen bewusst, dass - worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat - durchaus auch in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten wird, der Existenzgründungszuschuss sei eine zweckidentische Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes und mithin auf Leistungen nach dem SGB II anzurechnen (vgl. Landessozialgericht Hessen, Beschluss vom 29. Juni 2005, - L 7 AS 22/05 ER -, Verwaltungsgericht Bremen, Beschluss vom 20. Juni 2005 - S 1 V 873/05 -, Sozialgericht Augsburg, Urteil vom 13. September 2005, - S 1 AS 292/05 -, Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. November 2005, - L 2 B 44/05 AS ER -). Indessen meint das Gericht, bei dieser Lage zur Rechtserkenntnis aus praktischen Gründen nicht vom Judikat des zuständigen Landessozialgerichtes I. abweichen zu wollen. Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - auch nicht darauf an, dass es sich hier um ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz handelt.
Soweit der Antragsgegner einwendet, jedenfalls sei ein Anordnungsgrund nicht gegeben, kann er hiermit nicht gehört werden. Nach Auffassung des Gerichtes liegt es auf der Hand, dass durch die bedarfsmindernde Berücksichtigung des Existenzgründungszuschusses die Existenz des aufgebauten Betriebes der Ehefrau des Antragstellers bedroht ist. Würde der Existenzgründungszuschuss bedarfsmindernd berücksichtigt, stünde also der Sicherung und dem Aufbau des Betriebes nicht zur Verfügung, bestünde die Gefahr, dass die Ehefrau des Antragstellers den Betrieb nicht aufrecht erhalten kann, mit dem doch zukünftig die Leistungen für den Lebensunterhalt sicher gestellt werden sollen. Müsste der Antragsteller die Entscheidung in der Hauptsache abwarten, könnten möglicherweise Jahre vergehen, was dazu führen könnte, dass der Betrieb aufgegeben werden müsste. Ein derartiges Abwarten ist dem Antragsteller und seiner Ehefrau schon wegen des Zwecks des Existenzgründungszuschusses, nämlich dem Aufbau eines Betriebes, offensichtlich nicht zumutbar.
Hinsichtlich des Leistungsbeginnes hat das Gericht auf den Eingang der Antragsschrift abgestellt, weil regelmäßig erst ab diesem Zeitpunkt Hilfe erforderlich ist, um eine gegenwärtige Notlage abzuwenden; Anhaltspunkte dafür, dass Hilfe auch für den zurück liegenden Zeitraum zu gewähren ist, weil der Antragstellers einen Nachholbedarf hätte, der geeignet ist, die Sicherung des laufenden Unterhaltes unmittelbar zu gefährden, sind nicht ersichtlich (vgl. hierzu Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, Rdnr. 1245). Durch die einstweiligen Anordnung soll in Verfahren dieser Art eine gegenwärtige Notlage behoben werden, weil die Zeit des Einganges bei Gericht bis zu seiner Entscheidung nicht zu Lasten des Hilfesuchenden gehen darf (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Juni 2005, - S 8 AS 97/05 ER -).
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG, wobei das Gericht das ihm insoweit zustehende billige Ermessen dahin ausgeübt hat, dem Antragsgegner die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aufzuerlegen, weil dieser mit seinem Begehren vollumfänglich obsiegt hat.