Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 29.09.2006, Az.: S 25 AS 963/06 ER
Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung im Wege der Grundsicherung für Arbeitsuchende; Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung im Sozialgerichtsverfahren; Anforderungen an die Geltendmachung eines Anordnungsgrundes; Begriff der Aufwendungen i.S.d. § 11 Abs. 2 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II); Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Wohnunterkunft
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 29.09.2006
- Aktenzeichen
- S 25 AS 963/06 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 47581
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2006:0929.S25AS963.06ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 86b Abs. 2 SGG
- § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II
- § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II
Tenor:
Der Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung ab dem 01. Februar 2006 zu gewähren, wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren um die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), dabei insbesondere um die Frage der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung.
Der 1947 geborene Antragsteller lebt zusammen mit seiner Ehefrau, der 1949 geborenen schwerbehinderten Antragstellerin, seit dem 01. Mai 2003 in einem Einfamilienhaus, das sie von ihrem Sohn - Herrn D. - gemietet haben. Für die 98,22 qm große Wohnfläche zahlen sie ausweislich der Vermieterbescheinigung vom 26. Mai 2005 monatlich einen Nettokaltmietzins in Höhe von 708,00 EUR. Für die Nebenkosten ist monatlich ein Betrag in Höhe von 86,38 EUR (Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Abfall- und Schornsteinfegergebühren sowie Wasser- und Abwassergebühren) sowie für Heizkosten ein monatlicher Abschlag in Höhe von 125,67 EUR, wobei die Kosten für die Warmwasseraufbereitung enthalten sind, zu zahlen.
Die Antragsteller stehen seit dem 01. Juli 2005 im laufenden Leistungsbezug der im Auftrag des Antragsgegners handelnden Samtgemeinde Wathlingen. Mit Schreiben vom 05. Juli 2005 forderte die Samtgemeinde die Antragsteller auf, ihre Unterkunftskosten zu senken. In dem Schreiben wies sie die Antragsteller darauf hin, monatlich seien 261,00 EUR Kaltmiete sowie 64,20 EUR Heizkosten angemessen, die Unterkunftskosten seien derzeit unangemessen hoch und daher bis zum 31. Dezember 2005 zu senken bzw. es seien intensive Suchbemühungen nachzuweisen.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2005 wandten sich die Antragsteller an die Samtgemeinde und teilten mit, dass ihre Tochter E. wegen eines am 10. Mai 2005 erlittenen schweren Verkehrsunfalls erst am 10. November 2005 aus der Neurologischen Klinik F. entlassen worden und wegen der mit dem Verkehrsunfall einhergehenden schwierigen familiären Situation eine Senkung der Unterkunftskosten nicht möglich gewesen sei.
Mit Folgebescheid vom 13. Januar 2006 bewilligte die Samtgemeinde für den Zeitraum vom 01. Januar 2006 bis zum 30. April 2006 nunmehr Leistungen in Höhe von 897,43 EUR (Kosten der Unterkunft: 794,38 EUR sowie Heizkosten: 103,05 EUR (125,67 EUR abzgl. 22,62 EUR Warmwasseranteil)) sowie für den Zeitraum vom 01. Mai 2006 bis zum 30. Juni 2006 in Höhe von 400,03 EUR (Kosten der Unterkunft: 347,38 EUR sowie Heizkosten: 52,65 EUR (64,20 EUR abzgl. 11,55 EUR Warmwasseranteil)). Zur Begründung führte die Samtgemeinde aus, wegen des besonderen Einzelfalls würden die tatsächlichen Kosten bis zum 30. April 2006, danach jedoch nur noch die angemessenen Kosten anerkannt. Hiergegen erhoben die Antragsteller mit Schreiben vom 21. Januar 2006 Widerspruch, in dem sie auch mitteilten, dass ihre Tochter seit dem 01. Januar 2006 wieder bei ihnen wohne. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung seien bis zum 30. Juni 2006 zu gewähren, da die Leistungen der Agentur für Arbeit auch bis zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden seien. Diesen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 03. August 2006 zurück. Hiergegen ist bei dem Sozialgericht Lüneburg zum Aktenzeichen S 25 AS 913/06 ein Klageverfahren anhängig.
Mit Änderungsbescheid vom 02. März 2006 bewilligte die Samtgemeinde daraufhin für den Zeitraum vom 01. Februar 2006 bis zum 30. April 2006 nur noch Leistungen in Höhe von 598,28 EUR, für den Zeitraum ab dem 01. Mai 2006 nur noch Leistungen in Höhe von 318,97 EUR wegen des zum 01. Februar 2006 erfolgten Einzuges der Tochter, für die jeweils 1/3 der Kosten in Abzug zu bringen sei. Hiergegen erhoben die Antragsteller mit Schreiben vom 05. März 2006 ebenfalls Widerspruch, den der Antragsgegner mit einem weiteren Widerspruchsbescheid vom 03. August 2006 zurückwies.
Mit weiterem Bescheid vom 19. April 2006 bewilligte die Samtgemeinde nunmehr für die Monate Mai und Juni 2006 Leistungen in Höhe von 360,35 EUR (Kosten der Unterkunft: 304,08 EUR, Heizkosten: 56,27 EUR), wobei aufgrund der nachgewiesenen Schwerbehinderung der Antragstellerin eine größere Wohnfläche berücksichtigt wurde. Wie die jetzigen Kosten der Unterkunft genau errechnet wurden, erschließt sich aus den Verwaltungsvorgängen jedoch nicht. Mit weiterem Bescheid vom 13. Juli 2006 änderte die Samtgemeinde die Leistungshöhe für den Zeitraum ab dem 01. Mai 2006 erneut und bewilligte nunmehr einen Betrag in Höhe 368,86 EUR.
Aufgrund eingetretener Änderungen bei den laufenden Nebenkosten bewilligte die Antragsgegnerin mit sodann Bescheid vom 19. Juli 2006 für den Zeitraum vom 01. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 monatliche Leistungen in Höhe von 378,75 EUR (Kosten der Unterkunft: 322,48 EUR sowie Heizkosten 56,27 EUR), nachdem die jeweiligen Anteile der Tochter, die nach Auffassung der Samtgemeinde nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehört, in Abzug gebracht wurden (161,24 EUR Kosten der Unterkunft und 28,13 EUR Heizkosten).
Die Antragsteller haben am 24. August 2008 um einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht Lüneburg nachgesucht. Zur Begründung ihres Begehrens führen sie aus, durch die Kürzung der Leistungen ab Februar 2006 seien sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Es treffe zwar zu, dass der Antragsgegner eine Verlängerung der Frist zur Kostensenkung eingeräumt habe, aber dabei habe es sich nur um einen Monat gehandelt. Durch die Aufnahme der Tochter im Februar 2006 sei eine Wohnungssuche o. ä. nicht möglich gewesen, im Übrigen seien die tatsächlichen Kosten auch angemessen und in voller Höhe zu übernehmen. Gleiches gelte auch für die monatlichen Abschläge für die Stromversorgung
Die Antragsteller beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß),
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen ab dem Monat Februar 2006 vorläufig die tatsächlichen Kosten für die Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Ausführungen in den angegriffenen Entscheidungen und vertieft sein bisheriges Vorbringen dahingehend, dass von den tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung ab dem 01. Februar 2006 ein Abzug für die Mietanteile der Tochter vorzunehmen sei, weil diese zum Haushalt gehöre; seit dem 01. Mai 2006 seien bei der Berechnung der Leistungen nur noch die angemessenen Kosten zu übernehmen. Dabei könnten wegen der Schwerbehinderung der Ehefrau 85 qm Wohnfläche anerkannt werden. Allerdings sei auch hier der Mietanteil der Tochter in Höhe von 161,24 EUR in Abzug zu bringen. Dementsprechend würden Unterkunftsleistungen in Höhe von 322,48 EUR gewährt, wobei dieser Betrag noch höher liege als die Werte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle, wenn man den Mietanteil für die Tochter berücksichtige. Hinsichtlich der Heizkosten ergäben sich die ab dem 01. Mai 2006 zugrunde zu legenden angemessenen Heizkosten aus einer Berechnung, die die Gebäudeart, das Alter des Gebäudes, die Wohnfläche, Art und Alter der Heizanlage, die Fensterflächen, die Gradtagestabelle sowie den Tarif des Energielieferanten berücksichtige. Die angemessenen Heizkosten würden daher monatlich 84,40 EUR betragen. Nach Abzug des Heizkostenanteils der Tochter seien daher 56,27 EUR zu gewähren.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die die Antragsteller betreffende Verwaltungsakte ergänzend Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
II.
Das Antragsbegehren war zunächst in entsprechender Anwendung des § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dahin auszulegen, dass sich die Antragsteller gegen den Abzug der Miet- und Heizkostenanteile für ihre Tochter ab Februar 2006 (dazu unter 1.) sowie die Nichtberücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung ab dem 01. Mai 2006 (dazu unter 2. und 3.) wenden.
Der so verstandene zulässige Antrag ist unbegründet.
Das Gericht kann auf Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1); es kann eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Satz 2). Neben dem Anordnungsgrund, das ist: der Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, setzt die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz nach herrschender Meinung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, § 86b, Rdnr. 26c) den Anordnungsanspruch, das ist: der materiell-rechtliche Anspruch auf die Leistung, voraus, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System gegenseitiger Wechselbeziehung: Ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund (wie vor, Rdnr. 29). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn die grundrechtlichen Belange des Antragstellers berührt sind, weil sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen müssen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -).
Alle Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes sind - unter Beachtung der Grundsätze der objektiven Beweislast - glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -); die richterliche Überzeugungsgewissheit in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes erfordert insoweit eine lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit (Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 16b). Sind Grundrechte tangiert, ist die Sach- und Rechtslage allerdings nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Antragsteller weder hinsichtlich der Kosten der Unterkunft (dazu unter 2.) noch hinsichtlich der Heizkosten (dazu unter 3.) einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können.
1.
Zunächst ist die Praxis der Samtgemeinde und des Antragsgegners nicht zu beanstanden, wonach bei der Berechnung der den Antragstellern zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung jeweils der Anteil, der auf die Tochter entfällt, in Abzug gebracht wird und daher zugunsten der Antragsteller jeweils nur 2/3 der jeweiligen Kosten gewährt werden. Denn insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung pro Kopf zu ermitteln und in die Bedarfsberechnung einzustellen sind (vgl. Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22, Rdnr. 38). Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - nicht alle Haushaltsangehörigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sind. Da die Tochter bereits aufgrund ihres Alters nicht (mehr) zur Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller gehört (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) und gemäß § 7 Abs. 5 SGB II aufgrund ihrer Ausbildung nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II ist, hat sie einerseits zwar keine Leistungsansprüche, muss aber andererseits bei der Berechnung der Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller - pro Kopf - berücksichtigt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob sie selbst Einkommen hat oder nicht. Bei Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen ist für die individuelle Zuordnung eine Aufteilung der Unterkunftskosten insbesondere dann vorzunehmen, wenn auch nicht hilfebedürftige Personen die Unterkunft nutzen. Die Zuordnung erfolgt aus Praktikabilitätsgründen grundsätzlich unabhängig von Alter, konkretem Wohnflächenbedarf oder Nutzungsintensität gemäß einer Aufteilung nach "Kopfzahl" (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 20. März 2006, - L 9 AS 31/06 ER -). Das Gleiche gilt auch entsprechend für die Kosten für Heizung, so dass zu Gunsten der Antragsteller unter Außerachtlassung der Tochter lediglich 2/3 der Kosten für Wohnung und Heizung in Ansatz zu bringen sind.
2.
Unter Zugrundelegung des danach hier anzuwendenden Kopfteilprinzips haben die Antragsteller einen Anordnungsanspruch hinsichtlich höherer Kosten der Unterkunft nicht glaubhaft machen können. Nach den §§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. §§ 7, 19 S. 1 SGB II werden laufende Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt, sofern sie angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
a)
Soweit sich die Antragsteller gegen die Kürzung bereits ab dem 01. Februar 2006 wenden, ist dem Gericht eine Entscheidung verwehrt, da es sich bis zum Eingang des einstweiligen Rechtsschutzantrages bei Gericht um einen vergangenen Zeitraum handelt und sich die für die Bejahung eines Anordnungsgrundes erforderliche Notlage erst durch den Antragseingang bei Gericht am 24. August 2006 manifestiert (vgl. nur Beschluss vom 24. August 2005, - L 8 SO 78/05 ER -, Beschluss vom 20. September 2005, - L 8 AS 31/05 -).
b)
Für den Zeitraum ab dem 24. August 2006 haben die Antragsteller jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Bei der Beurteilung der Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft ist - im Hinblick auf die Aufgabe der Hilfe zum Lebensunterhalt, nur den notwendigen Bedarf sicherzustellen - nicht auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne zu ermitteln (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. November 1994 - 5 C 11/93 - BVerwGE 97,110). Dabei muss gewährleistet sein, dass nach der Struktur des örtlichen Wohnungsbestandes die Hilfeempfänger tatsächlich die Möglichkeit haben, mit den als angemessen bestimmten Beträgen eine bedarfsgerechte und menschenwürdige Unterkunft anmieten zu können. Ist bzw. war dem Leistungsempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret nicht verfügbar und zugänglich, sind die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen (BVerwG, Urteil vom 28. April 2005, - 5 C 15/04 -; Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rdnr. 31; Hessisches Landessozialgericht , Beschlüsse vom 13. Dezember 2005 - L 9 AS 48/05 ER - und vom 17. Februar 2006 - L 7 AS 96/05 ER).
Zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten legt die Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und - soweit andere Anhaltspunkte nicht zur Verfügung stehen - auch im Hauptsacheverfahren regelmäßig die aktuelle Wohngeldtabelle nach § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) zugrunde (vgl. hierzu jüngst Sozialgericht Lüneburg , Urteil vom 29. August 2006, - S 25 AS 55/06 -). Im Regelfall wird dabei der Tabellenwert der rechten Spalte berücksichtigt. Dies beruht darauf, dass nach Kenntnis der Kammer und in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen die Bezugsfertigkeit des Wohnraums für die Höhe der vereinbarten Miete geringe Aussagekraft hat; ausschlaggebend ist die Lage und Ausstattung der Wohnung und die Nachfrage nach dem jeweiligen Wohnraum. Außerdem spiegeln die derzeitigen Tabellenwerte nicht die aktuelle Mietpreisentwicklung wider. Um diesen Unwägbarkeiten Rechnung zu tragen und auch Leistungsbeziehern nach dem SGB II den Erhalt einer angemessenen Wohnung zu ermöglichen, wird regelmäßig der Tabellenwert der rechten Spalte zur Bestimmung der Angemessenheit zugrunde gelegt. Dies hat den weiteren Vorteil, dass der Begriff der Angemessenheit klar und eindeutig bestimmt wird, auch um den Sozialleistungsträgern und den Empfängern der Leistung eine deutliche "Richtlinie" an die Hand zu geben (vgl. hierzu Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen , Urteil vom 23. März 2006, - L 8 AS 388/05 - sowie jüngst Beschluss vom 11. August 2006, - L 8 AS 206/05 ER -).
Danach wäre grundsätzlich eine Wohnungsmiete einschließlich Nebenkosten (ohne Heizkosten) bei drei Personen von bis zu 410,00 EUR monatlich angemessen. Denn der Ort G. - der Wohnort der Antragsteller - im Landkreis H. gehört zur Mietenstufe II (Anlage zu § 1 Abs. 4 Wohngeldverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 2001, BGBl. I, S. 2722, zuletzt geändert durch Artikel 54 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I, S. 2954). Wenn drei Personen zum Haushalt gehören, ergibt sich daraus unter Zugrundelegung des Tabellenwertes der rechten Spalte (Wohnraum der ab 01. Januar 1992 bezugsfertig geworden ist) ein Tabellenwert in Höhe von 410,00 EUR. Vorliegend betragen die tatsächlichen Kosten der Unterkunft (ohne Heizkosten) nach eigenem Vortrag 708,00 EUR Kaltmietzins zuzüglich 86,38 EUR Nebenkosten, mithin insgesamt 794,38 EUR. Diese Werte liegen oberhalb der Werte der Wohngeldtabelle, die - soweit andere objektive Anhaltspunkte den örtlichen Wohnungsmarkt im unteren Preissegment nicht abbilden können - anzuwenden sind.
c)
Darüber hinaus ist jedoch in Übereinstimmung mit der Praxis des Antragsgegners davon auszugehen, dass wegen der Schwerbehinderung der Antragstellerin ein höherer Wohnflächenbedarf anzuerkennen ist. Denn aus der Richtlinie über die soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen (Wohnraumförderungsbestimmungen, Runderlass des Ministeriums vom 27. Juni 2003, Nds. Ministerialblatt 2003, S. 580) ergibt sich, dass die für drei Personen grundsätzlich als angemessen geltende Wohnfläche von 75 qm für jeden schwerbehinderten Menschen um jeweils weitere 10 qm zu erhöhen ist. Daher stehen den Antragstellern und ihrer Tochter insgesamt 85 qm Wohnfläche zu. Insoweit erscheint es nach Auffassung der Kammer angemessen, in diesen Fällen denjenigen (fiktiven) Wert der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zugrunde zu legen, der darin für ein zusätzliches Familienmitglied vorgesehen ist. Für vier Familienmitglieder bei Wohnungen, die in Bereichen der Mietenstufe II gelegen sind, ergibt sich ein angemessener Mietzins in Höhe von 475,00 EUR (inklusive Nebenkosten). Davon ausgehend steht zunächst fest, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Antragsteller in Höhe von 708,00 EUR zuzüglich Nebenkosten unangemessen sind.
d)
Entgegen der Auffassung der Antragsteller greift auch für den hier streitigen Zeitraum die befristete Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 2 letzter Halbsatz SGB II nicht ein. Danach sind die Aufwendungen für die Unterkunft, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf der Bedarfsgemeinschaft solange zu berücksichtigten, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, insbesondere war es den Antragstellern zuzumuten, die Unterkunftskosten nach erfolgter Kostensenkungsaufforderung durch die Samtgemeinde G. zu senken, nachdem unter Berücksichtigung des bedauernswerten Verkehrsunfalls der Tochter der Antragsteller bereits eine Fristverlängerung bis zum 30. April 2006 gewährt worden war. Insoweit ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass diese Fristverlängerung unangemessen kurz gewesen wäre. Insbesondere war es den Antragstellern nach der Wiederaufnahme der Ausbildung der Tochter im Februar 2006 auch zuzumuten, ihre Unterkunftskosten zu senken bzw. entsprechende Kostensenkungsbemühungen nachzuweisen. Dass sie dies bis zum heutigen Zeitpunkt nicht für erforderlich gehalten oder jedenfalls Entsprechendes nicht glaubhaft gemacht haben, muss zu ihren Lasten gehen. Der bloße Hinweis auf den Verkehrsunfall der Tochter ersetzt nicht die Darlegung und Glaubhaftmachung von deshalb nicht möglichen Kostensenkungsbemühungen, wobei sich die Kammer durchaus der schwierigen familiären Situation durch den Verkehrsunfall bewusst ist, andererseits dieser Situation jedoch ausreichend durch die Fristverlängerung Rechnung getragen worden ist.
e)
Im Ergebnis stehen den Antragstellern monatliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 316,67 EUR (inklusive Nebenkosten) als angemessene Kosten der Unterkunft zu. Da den Antragstellern jedoch monatlich bereits mehr gewährt wird - nämlich 322,48 EUR (inklusive Nebenkosten) -, ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
3.
Auch soweit die Antragsteller die Gewährung der tatsächlichen (vollen) laufenden Heizkosten in Höhe von 125,67 EUR begehren, haben sie keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können. Zunächst sind entgegen der Auffassung der Antragsteller auch die laufenden Kosten der Heizung kopfteilig auf die Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft aufzuteilen. Darüber hinaus ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass die bislang von dem Antragsgegner bewilligten 56,27 EUR pro Monat nicht zu beanstanden sind, ein Anspruch auf die begehrten 125,67 EUR monatlich besteht nicht. Denn die Antragsteller haben gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nur einen Anspruch auf Bewilligung der angemessenen Unterkunftskosten, so dass auch nur ein Anspruch auf anteilige Heizkosten im Verhältnis der angemessenen (hier 85 qm) zu der tatsachlichen Wohnfläche (hier 98,22 qm) besteht (vgl. hierzu auch Hessisches Landessozialgericht , Beschluss vom 21. März 2006 - L 9 AS 124/05 ER -). Ausweislich des sich aus den Verwaltungsvorgängen ergebenden Zahlenmaterials fallen monatliche Heizkosten in Höhe von 125,67 EUR an, so dass sich für die angemessene Wohnfläche ein Betrag für angemessene Heizkosten in Höhe von 108,76 EUR ergibt (125,67 EUR geteilt durch 98,22 qm vervielfältigt mit 85 qm). Hiervon sind noch die Kosten für die Warmwasseraufbereitung in Höhe von 18% (= 19,58 EUR) in Abzug zu bringen. Die Höhe des Warmwasserabzugs ist in dieser Größenordnung anzusetzen; der Ansatz entspricht § 9 Abs. 3 S. 4 Heizkostenverordnung vom 13. Februar 1981 (BGBl. I, S. 261) in der Fassung der Verordnung vom 19. Januar 1989 (BGBl. I, S. 109). Dieser Wert wurde auf der Grundlage von Abrechnungsverfahren von Messdiensten ermittelt, die von Fachleuten aus dem Heizungs- und Installationsbereich bestätigt wurden (vgl. Hessisches Landessozialgericht , Beschluss vom 21. März 2006 - L 9 AS 124/05 ER -; Beschluss der Kammer vom 02. Juni 2006, - S 25 AS 483/06 ER -), so dass sich ein Betrag in Höhe von 89,18 EUR für alle Haushaltsangehörigen ergibt. Unter Abzug des Heizkostenanteils der Tochter ergeben sich monatliche Heizkosten für die Antragsteller in Höhe von 59,45 EUR. Ein Anordnungsanspruch hinsichtlich der begehrten tatsächlichen Heizkostenabschläge (ohne Abzug der Heizkostenanteile der Tochter) in Höhe von 125,67 EUR monatlich besteht nicht und ist daher nicht glaubhaft gemacht.
4.
Soweit sich die Antragsteller im Rahmen des Verfahrens auch auf ihre Stromkostenabrechnung berufen haben, weist das Gericht noch darauf hin, dass diese Kosten gemäß § 20 Abs. 1 SGB II Bestandteil der Regelleistung sind und daher im Rahmen der Gewährung der Kosten der Unterkunft und Heizung nicht berücksichtigungsfähig sind.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.