Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 11.05.2006, Az.: S 25 AS 395/06 ER

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
11.05.2006
Aktenzeichen
S 25 AS 395/06 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 53212
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antragsgegner wird im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, den Antragstellern unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei Unterliegen im Hauptsacheverfahren bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bewilligungsbescheides vom 04. April 2006 - längstens jedoch für sechs Monate - Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 362,50 € ab dem 07. April 2006 zu zahlen.

Der Antragsgegner trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe der nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) zu übernehmenden Kosten der Unterkunft und Heizung.

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Die 1951 geborene Antragstellerin lebt zusammen mit ihrem ebenfalls 1951 geborenen Ehemann, dem Antragsteller zu 2.), in einer 68 qm großen 3-Zimmerwohnung in E.. Ausweislich der Bescheinigung des Vermieters der Antragsteller vom 22. März 2005 ist monatlich eine Kaltmiete in Höhe von 256,- €, Nebenkosten in Höhe von 30,- € sowie eine Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 90,- € fällig. Dies ergibt einen Gesamtmietzins in Höhe von monatlich 376,- €.

3

Nachdem der Antragsgegner mit Bescheid vom 25. Oktober 2005 Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 331,- € für den Zeitraum vom 1. November 2005 bis zum 30. April 2006 bewilligt hatte, änderte er diesen Bescheid mit Änderungsbescheid vom 4. April 2006 für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 30. April 2006 und bewilligte den Antragstellern einen Betrag von monatlich 337,- €. Hierbei berücksichtigte er eine Kaltmiete in Höhe von 256,- €, Nebenkosten in Höhe von 30,- € sowie Heizkosten (ohne Warmwasseranteile) in Höhe von 51,- €.

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Hiergegen erhoben die Antragsteller mit Schreiben vom 6. April 2006 Widerspruch, über den bislang - soweit ersichtlich - nicht entschieden worden ist.

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Mit Schriftsatz vom 4. April 2006, eingegangen beim Sozialgericht F. am 7. April 2006, haben die Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung begehrt. Zur Begründung führten sie aus, nach einem Bescheid an die Agentur für Arbeit stünden ihnen 355,65 € monatliche Miete zu. Durch den Antragsgegner würden aber monatlich nur 281,- € überwiesen. Es ergebe sich daher monatlich eine Differenz in Höhe von 74,65 €, die für den vergangenen Zeitraum nachzuzahlen seien. Zukünftig stünden ihnen monatlich 355,65 € zu.

6

Nachdem das Gericht die Beteiligten mit Verfügung vom 27. April 2006 darauf hingewiesen hat, dass als angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung ein Betrag in Höhe von insgesamt 376,00 € (Nettokaltmiete zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung zuzüglich Heizkostenvorauszahlung) abzüglich eines Anteils für die Warmwasserbereitung angemessen sein dürfte, beantragten die Antragsteller beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß),

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den Antragsgegner zu verpflichten, höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung seit dem 1. Januar 2006 bis zum 30. April 2006 zu gewähren.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Zur Begründung führt er aus, der Antrag sei für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 6. April 2006 schon deshalb abzulehnen, weil für diesen Zeitraum auf jeden Fall keine Eilbedürftigkeit bestünde. Auch für die Zeit ab dem 7. April 2006 liege kein Anordnungsgrund vor. Ausweislich des Bescheides vom 4. April 2006 seien die Leistungen für die Antragsteller rückwirkend zum 1. Januar 2006 auf nunmehr monatlich 337,- € erhöht worden. Für den Zeitraum bis zum 30. April 2006 ergebe sich daher lediglich eine Differenz für den genannten Zeitraum in Höhe von 14,92 €. Dieser Betrag sei derart gering, dass eine gerichtliche Eilentscheidung hierfür nicht in Frage kommen könnte. Darüber hinaus erhalten die Antragsteller bereits ab dem 1. April 2005 Leistungen, die anscheinend nicht den tatsächlich aufzubringenden Beträgen für Unterkunft und Heizung entsprechen. Es sei daher nicht ersichtlich, weshalb nun auf einmal eine gerichtlichen Eilentscheidung in Betracht kommen solle. Darüber hinaus sei auch zu beachten, dass die Kosten für die Versorgung mit Trinkwasser von den monatlich anfallenden Kosten abzusetzen seien, da diese nach Auffassung des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 31. März 2006, - L 7 AS 343/05 ER -) bereits mit den Regelleistungen abgegolten seien. Diese seien bei einem 2-Personen-Haushalt auf etwa 10,- € monatlich zu schätzen, so dass sich ein monatlicher Differenzbetrag zu den bisher ausgezahlten Leistungen in Höhe von 15,50 € ergebe.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogen die Antragsteller betreffende Leistungsakte des Antragsgegner sowie die Prozessakte und die gewechselten Schriftsätze insgesamt ergänzend Bezug genommen.

II.

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Der Antrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, er ist zulässig und für den Zeitraum ab dem 7. April 2006 auch begründet.

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Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch voraus, also einen materiell - rechtlichen Anspruch auf die Leistungen, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet.

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Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteiles (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich auf Grund ihres funktionalen Zusammenhanges ein bewegliches System (Meyer-Ladewig, SGG, Rdnr. 27 und 29 m. w. N.): Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet so ist der Antrag auf einstweiliger Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung statt zu geben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsachverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, - 1 BVR 569/05 -).

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Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen.

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Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Antragsteller für den Zeitraum ab dem 7. April 2006 einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft dargetan.

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Im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist nach dem Vorbringen der Beteiligten nur streitig, in welcher Höhe der Antragsgegner Mietnebenkosten sowie Heizkosten zu übernehmen hat. Demgegenüber ist der sich aus der Bescheinigung des Vermieters vom 22. März 2005 ergebene Kaltmietzins in Höhe von 256,- € monatlich nicht streitbefangen.

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Hinsichtlich der Mietnebenkosten- sowie der Heizkostenvorauszahlungspauschale gilt folgendes: Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 des SGB II werden Leistungen für die Unterkunft und die Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendung erbracht, soweit diese angemessen sind. Dadurch, dass das Gesetz die tatsächlichen Kosten der Unterkunft anspricht, wird deutlich, dass der Gesetzgeber bei Mietwohnungen nicht nur die reine Miete (sogenannte Kaltmiete), sondern auch die dazu gehörigen üblichen Nebenkosten mit erfassen wollte. Daher ist es gerechtfertigt, neben der reinen Miete auch die Betriebskosten mit in Ansatz zu bringen, die der Vermieter von Gesetzes wegen gegenüber seinen Mietern in Ansatz bringen darf. Dies sind gemäß § 556 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. der Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2346) die laufenden öffentlichen Lasten des Grundstücks (insbesondere die Grundsteuer, die Gebühren für Wasserzähler und Wassermengenregler, die Kosten der Entwässerung des Grundstückes (Kanalbenutzungsgebühren, Niederschlagswasser, Beseitigungsbeträge, Beiträge zum Entwässerungsverband, Deichgebühren), Kosten eines Aufzuges, Kosten der Straßenreinigung und Müllabfuhr, Kosten der Beleuchtung gemeinsam genutzter Anlagen, Kosten der Reinigung des Schornsteines und der Messung des Heizungsanlage durch den Schornsteinfeger, Kosten der Beseitigung der Abwässer und Fäkalien, Kosten einer Gemeinschaftsanlage, Wartungskosten, Heizungsanlagen ohne Abwasserhebeanlagen, sowie die Kosten der Gartenpflege und eines Hauswarts (soweit seine Tätigkeit nicht die Instandhaltung, Instandsetzung, Erneuerung, Schönheitsreparaturen oder die Hausverwaltung betrifft (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 31. März 2006, - L 7 AS 343/05 ER -). Insoweit ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die vorgenannten Kosten durch die Nebenkostenvorauszahlungspauschale in Höhe von monatlich 30,- € abgedeckt sein sollten.

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Soweit der Antragsgegner auf den soeben zitierten Beschluss des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen verweist, wonach zu den notwendigen Betriebskosten einer Mietwohnung die Kosten des Wasserverbrauches nicht gehören, sondern vielmehr mit der Regelleistung bereits abgegolten seien und folglich bei den monatlichen Mietnebenkosten in Abzug zu bringen seien, überzeugt dies das Gericht im vorliegenden Fall indessen nicht. Nach Überzeugung des Gerichts ist es zweifelhaft, ob der Bezug von Wasser für die Ernährung und Körperpflege sowie die Reinigung von Wäsche tatsächlich mit den Regelsatzleistungen abgegolten sein soll. Vielmehr kann mit dem in § 20 Abs. 1 S. 1 SGB II enthaltenen Regelsatzbestandteil für Ernährung allenfalls der Einkauf der für eine vollwertige Ernährung erforderlichen Lebens- und ggf. Genussmittel abgegolten sein (vgl. Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 1. Auflage 2005, § 20, Rdn. 31 ff.). Hinsichtlich des Regelsatzbestandteils für die Körperpflege ist anerkannt, dass es sich hierbei um Kosten für Seife, Zahnpasta, Shampoo und andere Mittel der Körperreinigung handeln soll, nicht jedoch auch um die damit - zugegebenermaßen - untrennbar verbundenen Kosten für Wasser- und Abwasser (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, Rdn. 46, der zwar auch von warmem Wasser spricht, was jedoch vor dem Kontext zu sehen sein dürfte, dass die Warmwasserbereitung als solche unzweifelhaft in den Regelsatzleistungen enthalten ist).

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Auch lässt sich der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt erhobenen Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998, die auf den Stand 1. Juli 2003 hochgerechnet wurde (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 15/1516, S. 56) und die die Grundlage für die sich aus § 20 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 SGB II ergebenden Regelleistungsbestandteile und die Regelleistungshöhe bildete, gerade nicht entnehmen, dass bei den dort einzeln abgefragten Regelsatzbestandteilen auch die damit verbundenen Wasser- und Abwasseranteile mit abgefragt worden sind (vgl. hierzu die auf der Grundlage der EVS 1998 erstellten Tabellen unter http:// www.tachelessozialhilfe.de/literatur/Leitfaden.html#link2 unter Heranziehung der Tabelle "Errechnung des 'Ausgangswertes'" in: info also 2004, S. 189). Dafür lässt sich im Übrigen auch aus der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 (vgl. hierzu die Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 02. Dezember 2004, abzurufen unter http:// www.destatis.de/presse/deutsch/pm2004/p5170530.htm sowie die Pressebroschüre "Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte", abzurufen unter http:// www.destatis.de/presse/deutsch/pk/2004/evs 2003i.pdf ) nichts herleiten. Schließlich ist es nach Auffassung des Gerichts lebensfremd, wenn man annehmen wollte, dass diejenigen, die anlässlich dieser Einkommens- und Verbrauchsstichproben befragt wurden, bei den Positionen der Ernährung und der Körperpflege sowie der Reinigung von Wäsche etc. auch an die damit verbundenen Ausgaben für Wasser- bzw. Abwasser gedacht haben.

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Schließlich steht die vom Antragsgegner ins Feld geführte Auffassung des Landessozialgerichts auch im Widerspruch zu den bisherigen Entscheidungen zu der Frage, welche Nebenkosten von dem jeweils zuständigen Leistungsträger zu erstatten sind. Insoweit ist die fehlende Herausrechnung eines Betrages für Wasser und Abwasser bislang von den anderen Senaten nicht näher beleuchtet worden, vielmehr ist sie bislang unbeanstandet geblieben (vgl. nur Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. März 2006 - L 8 AS 307/05 -; Beschluss vom 13. März 2006 - L 7 AS 53/06 ER - sowie Beschluss vom 2. Februar 2006 - L 8 AS 500/05 ER -). Den zuletzt zitierten Entscheidungen ist gemeinsam, dass zwar ein Abschlag für die Warmwasserbereitung nicht beanstandet wird, jedoch ein Abschlag für Wasser und Abwasser gerade nicht erfolgt.

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Auch und gerade vor dem Hintergrund der Höhe der Regelleistung und des Erhalts des soziokulturellen Existenzminimums erscheint es nach Auffassung der Kammer nicht hinnehmbar, nunmehr auch noch die Wasser- und Abwasserkosten zum Bestandteil der Regelleistung zu erheben und damit die durch den jeweiligen Leistungsträger zu erbringenden Kosten der Unterkunft (noch weiter) abzusenken.

23

Insoweit hat das erkennende Gericht keine Veranlassung, von der bisherigen Praxis abzuweichen, wonach auch Wasser- und Abwasserkosten zu übernehmende Kosten der Unterkunft darstellen.

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Danach kann der vom Antragsgegner begehrte Abschlag von 10,- € monatlich nicht erfolgen. Es verbleibt daher nach Überzeugung des Gerichts bei der Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 30,- €.

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Hinsichtlich der Heizungskosten folgt das Gericht der Auffassung des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen, wonach es in der erster Linie auf die Vorauszahlungsfestsetzung im Mietvertrag ankommt. Hierzu führt das Landessozialgericht (Beschluss vom 15. Dezember 2005 - L 8 AS 427/05 ER -) aus:

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"Die Höhe der laufenden Kosten für Heizung ergibt sich entweder aus dem Mietvertrag oder aus den Vorauszahlungsfestsetzungen der Energie- beziehungsweise Fernwärmeversorgungsunternehmen. Für diese monatlich bestimmten Heizungskosten spricht zunächst eine Vermutung der Angemessenheit, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches und damit unangemessenes Heizverhalten vorliegen (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, 1. Auflage 2005, § 22 Rdn. 50 und 51). Tatsächlich bestimmt sich nämlich die Höhe der Heizkosten sowohl nach gebäude- als auch personenbezogenen Faktoren: Lage und Bauzustand der betreffenden Wohnung, die Höhe der Räume, die Wärmeisolierung der Wände, Türen und Fenster sind ebenso von Bedeutung wie die technische Qualität der Heizungsanlage in ihrem Wirkungsgrad. Hinzu kommen meteorologische Einflüsse (lange oder kurze, kalte oder milde Winter) als auch Erfordernissen des Personenkreises, der die Wohnung bewohnt (z. B. Alter, Kleinkinder, Behinderte). Daraus ergibt sich, dass sich der notwendige und vom Träger zu übernehmende Heizungsbedarf nicht allein an Durchschnittswerten oder allgemeinen Richtlinien orientieren kann (vgl. Lang in: Eicher/Spellbrink a.a.O. § 22 Rdn. 46; Gerenkamp in: Mergler/Zink, Kommentar zum SGB II, Stand: Oktober 2004, § 22 Rdn. 6). Daher können quadratmeterbezogene Richtlinien nicht schematisch zugrunde gelegt werden, zumal sich nach den vorliegenden Unterlagen keinerlei Hinweis darauf ergibt, dass die Antragstellerin ein unangemessenes Heizungsverhalten an den Tag legt. Gleichfalls ist in den Akten kein Hinweis darauf enthalten, der Antragsgegner hätte die Antragstellerin unter Darlegung konkreter Gesichtspunkte dazu aufgefordert, ihre Heizkosten in realistischer Weise senken zu können."

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Diese Auffassung ist in verschiedenen Entscheidungen des Landessozialgerichts bestätigt worden (vgl. nur Beschluss vom 31. März 2006, - L 7 AS 343/05 ER -; Beschluss vom 20. März 2006, - L 9 AS 31/06 ER sowie Beschluss vom 09. Januar 2006, - L 7 AS 163/05 ER -). Das Gericht schließt sich dieser Sichtweise uneingeschränkt an.

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Insgesamt ergeben sich daher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 362,50 € (256,- € zzgl. 30,- € Nebenkosten zzgl. 90,- € Heizungskostenvorauszahlung abzgl. 15 % Anteil für die Warmwasserbereitung).

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Soweit die Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben, besteht zumindest ab dem Zeitpunkt des Einganges des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht am 7. April 2006 zugleich ein Anordnungsgrund. Da die Antragsteller nur Leistungen zum Lebensunterhalt beziehen, die sich an dem Existenzminimum orientieren, ist ihnen bei der hier streitigen Größenordnung und der Dauer des Verfahrens nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

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Soweit der Antragsgegner hierzu einwendet, streitgegenständlich sei ohnehin nur der Zeitraum vom 7. April 2006 bis zum 30. April 2006, geht dieser Einwand fehl. Das Gericht geht nach verständiger Würdigung des Begehrens der Antragsteller davon aus, dass die Antragsteller auch für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2006 höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung begehren und darüber hinaus auch einen Leistungsantrag hinsichtlich der Leistungen der Grundsicherung gestellt haben. Aus prozessökonomischen Gründen und zur Vermeidung weiterer einstweiliger Rechtsschutzverfahren sah sich das Gericht daher veranlasst, auch über den 30. April 2006 hinaus - unter entsprechender Anwendung des § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II - die Leistungen ab dem 7. April 2006 für 6 Monate zuzusprechen.

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Soweit die Antragsteller allerdings für den Zeitraum vor dem 7. April 2006 Leistungen begehren, haben sie hierfür keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Eine Verpflichtung zur Bewilligung von Leistungen vor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht kommt grundsätzlich nicht in Frage. Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB II geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht rückwirkend zu bewilligen ist, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER - B - und Beschluss vom 28. Oktober 2005 - L 8 AS 2783/05 ER - B -). Hierzu haben die Antragsteller jedoch nichts vorgetragen, so dass eine zusprechende Entscheidung für den Zeitraum vor dem 07. April 2006 nicht in Betracht kommen kann.

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Die Antragsteller haben daher einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund für den Zeitraum ab dem 7. April 2006 glaubhaft gemacht.

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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG, wobei das Gericht das ihm zustehende billige Ermessen dahin ausgeübt hat, dem Antragsgegner 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller aufzuerlegen, da die Antragsteller mit ihrem Begehren vor dem Hintergrund des Unterliegens hinsichtlich der rückwirkenden Gewährung für den Zeitraum von Januar 2006 bis März 2006 (= 3 Monate) nur zum Teil - nämlich für den Zeitraum von April 2006 bis September 2006 (= 6 Monate) - obsiegten.