Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 22.11.2006, Az.: S 24 AS 1244/06 ER
Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung im Wege der Grundsicherung für Arbeitsuchende bei Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft; Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung im Sozialgerichtsverfahren; Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 22.11.2006
- Aktenzeichen
- S 24 AS 1244/06 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 47575
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2006:1122.S24AS1244.06ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 86b SGG
- § 7 Abs. 1 S. 1, S. 2 SGB II
- § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II
- § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II
Tenor:
- 1.
Der Antrag wird abgelehnt.
- 2.
Kosten sind nicht zu erstatten.
- 3.
Der Antragstellerin wird auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe für die erste Instanz ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt E. beigeordnet.
Gründe
I.
Die 1948 geborene Antragstellerin begehrt die vorläufige Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II).
Die Antragstellerin bezog durch die Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Am 09.10.2006 stellte sie bei der Antragsgegnerin einen Folgeantrag auf Bewilligung der Leistungen.
Mit Bescheid vom 02.11.2006 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen ab. Sie führte zur Begründung aus, dass nach den Ermittlungen des Außendienstes davon ausgegangen werden müsse, dass die Antragstellerin mit Herrn F. in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe und somit gemeinsam mit diesem einen Antrag nach dem SGB II stellen müsse. Dies ergebe sich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Satz 2 SGB II.
Die Wohnung, in der die Antragstellerin lebt, wurde von Herrn F. angemietet.
Über die Wohnung liegt ein Mietvertrag zwischen Herrn F. als Vermieter und der Antragstellerin und ihrer Enkelin, G., als Mieter vor. Darin werden drei Zimmer für einen Betrag von 370,00 EUR zuzüglich 55,00 EUR Betriebskosten zuzüglich 60,00 EUR Heizkosten, insgesamt also 485,00 EUR untervermietet. Dieser Vertrag datiert auf den 15.03.2005. Weiter liegt eine Mietbescheinigung des Herrn F. für die Antragstellerin vom 08.05.2005 vor. Darin bescheinigt Herr F. der Antragstellerin, dass sie seit dem 01.04.2005 485,00 EUR Miete monatlich zahlt, worin Heizkosten in Höhe von 60,00 EUR und 55,00 EUR Nebenkosten pauschal enthalten sind.
Weiterhin liegt ein neuer Untermietvertrag vor, der auf den 05.04.2006 datiert. Dieser Vertrag soll beginnen ab dem 01.05.2006. Darin vermietet Herr F. an die Antragstellerin zwei Zimmer sowie Küche und Bad zur Mitbenutzung mit einer Fläche von insgesamt 48 m². Als Miete sollen 291,50 EUR Kaltmiete inklusive Betriebskosten zuzüglich Heizkostenpauschale in Höhe von 80,00 EUR gezahlt werden. Zuvor hatte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur Senkung ihrer Unterkunftskosten aufgefordert und dabei einen angemessenen Betrag von 291,50 EUR als Obergrenze angegeben.
Die Antragstellerin kennt nach ihren eigenen Angaben Herrn F. seit August 2003 und lebt mit ihm in der nunmehrigen Wohnung seit dem 15.02.2005 zusammen. Nach ihren Angaben haben die beiden zuvor nicht in einer anderen Wohnung zusammen gewohnt. Auch bestehe eine Freundschaft oder Partnerschaft im engeren Sinne zwischen den beiden nicht und habe auch in der Vergangenheit nicht bestanden. Sie hätten auch keine gemeinsamen Kinder und würden keine Angehörigen des jeweiligen Wohnungspartners treffen. Auch würde gegenseitig nicht dazu beigetragen, den Lebensunterhalt zu bewältigen. Die Antragstellerin hat ausgeführt, Herrn F. Kontovollmacht erteilt zu haben.
Am 06.10.2006 suchte ein Außendienstmitarbeiter der Antragsgegnerin die Wohnung der Antragstellerin auf. Er traf die Antragstellerin und Herrn F. gegen 13.00 Uhr bei der gemeinschaftlichen Vorbereitung des Mittagessens an. Nach den Feststellungen des Außendienstmitarbeiters erstreckt sich die Wohnung über 3 Etagen (Untergeschoss, Erdgeschoss, Obergeschoss). Im Obergeschoss befindet sich ein Schlafzimmer, in dem ein bezogenes Einzelbett vorhanden ist sowie ein dreitüriger Kleiderschrank, in der sich ausschließlich Kleidung und Wäsche der Antragstellerin befindet. Außerdem befindet sich im Obergeschoss ein komplett eingerichtetes Wohnzimmer. Die persönlichen Unterlagen der Antragstellerin sind in einer Kommode im Schlafzimmer aufbewahrt. Außerdem befinden sich im Obergeschoss ein gemeinsam benutztes Badezimmer und ein Raum des Herrn F ... Im Erdgeschoss befindet sich die Küche, die gemeinsam genutzt wird. Eine strikte Trennung und Aufbewahrung der Lebensmittel sei nicht zu erkennen. Allerdings gab es getrennte Arten von Geschirr und auch Teesorten, die getrennt aufbewahrt wurden. Auch im Erdgeschoss befindet sich ein Wohnzimmer. Im Untergeschoss befinden sich eine Vorratskammer sowie ein weiteres Schlafzimmer mit einem Doppelbett und einem Kleiderschrank. Darauf befragt, wem der angetroffenen Personen welches Schlafzimmer gehöre, tätigten die Angetroffenen zunächst unterschiedliche Aussagen. Nach dem Eindruck des Außendienstmitarbeiters ist das Wohnzimmer im Obergeschoss zwar komplett eingerichtet, wird aber nicht benutzt.
Am 18.10.2006 wurde der Wohnung H. durch einen Außendienstmitarbeiter der Antragsgegnerin aufgesucht. Dort hatte Herr F. vor seinem Umzug in die jetzige Wohnung gewohnt. Der Außendienstmitarbeiter sprach dort die Bewohner einer ebenfalls in diesem Haus gelegenen Wohnung an, ob Herr F. mit seiner Freundin, der Antragstellerin, zusammengezogen sei. Dies bejahten die Angesprochenen. Die Nachbarn führten ebenfalls aus, dass die Antragstellerin und Herr F. bereits in der dortigen Wohnung zusammen gewohnt hätten.
Am 13.11.2006 beantragte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin vorläufig zur Bewilligung der beantragten Leistungen zu verpflichten. Sie trägt vor, dass der Zusammenzug mit Herrn F. aus rein wirtschaftlichen Gründen erfolgt sei. Eine nähere persönliche Beziehung zu Herrn F. bestehe nicht. Es bestehe auch keine gemeinsame Haushaltskasse.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen, ohne Herrn F. dabei als eheähnlichen Partner zu berücksichtigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Ansicht, dass der Mietverzicht des Herrn F. in Höhe von etwa 130,00 EUR ab dem 01.05.2006 ein deutliches Indiz für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft sei. Sie verweist weiterhin darauf, dass die Aussagen der Antragstellerin und des Herrn F. darüber, wessen Schlafzimmer das Schlafzimmer im Obergeschoss sei, unstimmig gewesen seien. Außerdem habe der Eindruck bestanden, dass das Schlafzimmer gar nicht benutzt werde. Schließlich sei es unwahrscheinlich, dass Kontovollmacht nur einem Bekannten oder gar nur Vermieter eingeräumt werde.
Die Antragstellerin und Herr F. haben im Gerichtsverfahren zwei eidesstattliche Versicherungen abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, die dem Gericht bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz richtet sich nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung nötig erscheint (Satz 2). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist deshalb, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile müssen glaubhaft gemacht werden, § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Dabei darf die einstweilige Anordnung wegen des summarischen Charakters des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich nicht die Entscheidung der Hauptsache vorwegnehmen.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihrer funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Aufl, § 86 b Rz, 27 ff m.w.N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn auf das vorliegen des Anordnungsgrunds nicht verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang der Hauptsache, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege der Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend zu berücksichtigen. Die Gerichte müssen sich dabei schützend und fördernd vor die Grundrechte der Einzelnen stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgestellt wird, die Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG a.a.O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen nur auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit fordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrunds (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. Rz. 16 b f.).
Nach diesen Voraussetzungen ist der Antrag unbegründet. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht geht davon aus, dass Herr F. und die Antragstellerin in einer Bedarfsgemeinschaft leben, da es sich in diesem Verhältnis um eine eheähnliche Gemeinschaft handelt. Damit kann ein Anspruch der Antragstellerin nicht festgestellt werden, da die insofern erforderlichen Unterlagen und Einkommensnachweise des Herrn F. nicht vorliegen. Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft eine Person, die mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammen lebt, dass nach ständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Gemäß § 7 Abs. 3a SGB II ist ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, dann zu vermuten, wenn Partner 1) länger als 1 Jahr zusammen leben oder 4) befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Nach dem festgestellten Sachverhalt ist hier vom Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen. Die Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II stützen dieses Ergebnis.
1.
Der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft ist in der Gesetzgebung etabliert. Die bisherige Rechtsprechung aus dem Recht der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe kann fortgeführt werden, da der Gesetzgeber bei der Abfassung des SGB II ersichtlich hierauf aufgebaut hat. Es kommt hierbei nicht entscheidend darauf an, ob die Partner bereit sind, füreinander einzustehen, sondern ob von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (statt aller Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 30. Juni 2005, L 8 AS 140/05 ER). Bei einer eheähnlichen Gemeinschaft bestehen gegen die Anrechnung des Partnereinkommens keine verfassungsrechtlichen Bedenken (so auch SG Hannover, S 50 AS 49/05 ER, Seite 5 m.w.N.; hiervon ausgehend auch LSG Niedersachsen-Bremen, L 8 AS 137/05 ER, Beschluss vom 6. Juli 2005).
Der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft ist gemäß Urteil des BVerfG vom 17. November 1992, 1 BvL 8/87, durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung bestimmt worden. Hiernach handelt es sich um eine typische Erscheinung des sozialen Lebens. Von anderen Gemeinschaften hebt sich diese Gemeinschaft hinreichend deutlich ab. Mit dem Begriff "eheähnlich" hat der Gesetzgeber an den Rechtsbegriff der Ehe angeknüpft, unter dem die Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen ist. Gemeint ist also eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BVerfG a.a.O.).
Der mit dem Arbeitslosen nicht verheiratete Partner ist diesem zum Unterhalt nicht verpflichtet; er kann - auch beim Wirtschaften aus einem Topf - sein Einkommen ganz oder in einem hohen Maße zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden. Der Gesetzgeber darf hierbei nur solche Gemeinschaften erfassen, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen "ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann". Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar (BVerfG a.a.O.). Das BVerfG hat weiter ausgeführt, ob eine Gemeinschaft von Mann und Frau diese besonderen Merkmale der eheähnlichen Gemeinschaft aufweise, lasse sich in der Verwaltungspraxis nur anhand von Indizien feststellen. Als solche Hinweistatsachen, die sich nicht erschöpfend aufzählen lassen, kämen etwa in Betracht die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen. Eine eheähnliche Gemeinschaft könne zudem jederzeit ohne ein rechtlich geregeltes Verfahren aufgelöst werden. Ohne rechtlichen Hinderungsgrund könne der mit dem Arbeitslosen nicht verheiratete Partner auch jederzeit sein bisheriges Verhalten ändern und sein Einkommen ausschließlich zur Befriedigung eigener Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener Verpflichtungen verwenden. In der Regel werde dies allerdings mit der Auflösung der Wohngemeinschaft verbunden sein.
Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Urteil vom 17. Mai 1995, 5 C 16/93, aufgegriffen. Hiernach muss für den jeweils streitgegenständlichen Zeitraum festgestellt werden, ob eine Lebensgemeinschaft auf der Grundlage entsprechender innerer Bindungen "auf Dauer angelegt" ist. Dabei sind alle feststellbaren Hinweistatsachen daraufhin in den Blick zu nehmen, ob sie den Schluss rechtfertigen, die Gemeinschaft werde von den Partnern mit dem Willen gelebt, nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer füreinander einzustehen. Das sicher gewichtigste Indiz stellt dabei - beispielhaft - eine lange Dauer des Zusammenlebens bei Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums dar (BVerwG, a.a.O., mit Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG (E 87, 234 (265)). Das BVerwG führt weiter aus: Weitaus größere Schwierigkeiten bereite der Nachweis der eheähnlichen Gemeinschaft, wenn der Beginn des Zusammenlebens mit dem Beginn des streitgegenständlichen Leistungszeitraums zusammenfalle. Als Hinweistatsachen kämen hier etwa in Betracht Dauer und Intensität der Bekanntschaft zwischen den Partnern vor der Begründung ihrer Wohngemeinschaft, der Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation der Partner während der streitgegenständlichen Zeit und die - nach außen erkennbare - Intensität der gelebten Gemeinschaft.
Nach der Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen sind die Indizien unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bewerten und zu gewichten (LSG Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 30. Juni 2005, L 8 AS 140/05 ER). Die Dauer der bestehenden Beziehung ist ein gewichtiges Indiz (LSG Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 7. September 2005, L 8 AS 220/05 ER). Unabhängig von der vom Bundessozialgericht (BSG) zum Sperrzeitenrecht aufgestellten Drei-Jahres-Grenze werde auch unterhaltsrechtlich angenommen, dass vor Ablauf einer gewissen Mindestdauer, nicht beurteilt werden könne, ob die Partner nur probeweise zusammenlebten oder auf Dauer eine verfestigte Gemeinschaft führten (LSG Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 30. Juni 2005, L 8 AS 140/05 ER). Von Bedeutung ist auch, ob die Beteiligten sich selbst als "Lebenspartner" o.ä. bezeichnen (LSG Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 7. September 2005, L 8 AS 220/05 ER), ferner die Angabe als Berechtigter in einer privaten Lebensversicherung (LSG Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 7. September 2005, L 8 AS 220/05 ER) oder der Kauf eines gemeinsamen Einfamilienhauses (LSG Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 6. Juli 2005, L 8 AS 137/05 ER). Indizien für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft sind auch der Zuzug eines Partners zum anderen an einen anderen Ort, eine gemeinsame Wohnung ohne räumliche Trennung, gegenseitige finanzielle Unterstützung in Notfällen sowie eine nach außen erkennbare innere Bindung und eine gemeinsame Lebensplanung des Paares (LSG Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 30. Juni 2005, L 8 AS 140/05 ER). Die Situation in einer eheähnlichen Gemeinschaft muss der Ehe so ähnlich sein, dass als Unterscheidungsmerkmal lediglich das Fehlen eines Trauscheins in Betracht kommt (LSG Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 6. Juli 2005, L 8 AS 137/05 ER).
Danach sprechen die überwiegenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft.
Zunächst hat der Außendienstmitarbeiter der Antragsgegnerin am 18.10.2005 von ehemaligen Nachbarn des Herrn F. die Aussage erhalten, dass die Antragstellerin schon in der vorherigen Wohnung des Herrn F. mit diesem dort zusammengelebt habe und auch mit diesem befreundet sei. Da die Antragstellerin selbst angegeben hat, Herrn F. seit 2003 zu kennen, geht die Kammer deshalb davon aus, dass sich die Antragstellerin und Herr F. nach einer Phase des Kennenlernens bewusst entschlossen haben, zusammen zu ziehen, und dass dieser Entschluss eben nicht aus wirtschaftlichen Gründen getroffen wurde.
Gegen die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft spricht nicht, dass sich in der derzeit bewohnten Wohnung zwei Schlafzimmer und zwei Wohnräume befinden. Zunächst entkräftet das Vorliegen getrennter Schlafzimmer grundsätzlich nicht die Möglichkeit des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft. Es gibt vielmehr viele Gründe dafür, warum auch Partner getrennt schlafen. Auch das Vorliegen zweier Wohnräume spricht nicht grundsätzlich gegen das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft. Auch hier gibt es gute Gründe, warum auch Partner ihren Tagesablauf, gerade wenn er sich überwiegend zu Hause abspielt, getrennt gestalten. Außerdem ist es möglich, dass das zweite Wohn- und Schlafzimmers von der Enkelin der Antragstellerin genutzt wird. Laut Mietvertrag vom 15.03.2005 wohnt die Antragstellerin zusammen mit ihrer Enkelin in der Wohnung. Dass die Enkelin zwischenzeitlich ausgezogen ist, wurde nicht vorgetragen.
Für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft spricht auch die Tatsache, dass die Antragstellerin angegeben hat, Herrn F. Vollmacht für ihr Konto erteilt zu haben. Beschränkte sich das Verhältnis zwischen den Beteiligten tatsächlich, wie angegeben, auf ein Vermieterverhältnis, ist das Einräumen einer Untervollmacht für ein Konto nicht nachzuvollziehen. Damit aber ist die ganze Aussage, dass es sich bei dem Verhältnis der Beteiligten um ein reines Vermieterverhältnis handelt, erschüttert und unglaubhaft. Dagegen spricht auch die genannte Aussage der Nachbarn, dass die Antragstellerin und Herr F. Partner seien.
Für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft spricht auch, dass Herr F. durch den Mietvertrag vom 05.04.2006 auf rund 115,00 EUR Mieteinnahmen pro Monat verzichtet. Zwar ist es grundsätzlich kein ungewöhnlicher Vorgang, dass Vermieter bei Mietern, die im Bezug von Leistungen nach dem SGB II stehen, Mietzinszahlungen verringern, wenn der Leistungsträger die Miete als unangemessen hoch erachtet. Dies geschieht aus dem Gesichtspunkt, mit dem Leistungsträger einen solventen Mietzahler zu haben, den man sich erhalten möchte. Insofern ist es grundsätzlich ein durchaus nachvollziehbares Argument, dass sich Herr F. mit der Antragstellerin die Mieterin erhalten möchte, die er bereits seit einigen Jahren kennt und mit der er gut zusammen leben kann. Im vorliegenden Fall ist es allerdings so, dass Herr F. auf rund 25% seiner bisherigen Mieteinnahmen verzichtet. Diese Summe scheint der Kammer doch dermaßen hoch, dass hier durchaus auch ein Wille zum Ausdruck kommt, der Antragstellerin in ihrer derzeitigen Lebenssituation beizustehen womit der Wille einhergeht, Verantwortung für sie zu übernehmen.
Für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft spricht weiterhin, dass die Antragsgegnerin beim Besuch des Außendienstes am 06.10.2005 festgestellt hat, dass die Antragstellerin sich mit Herrn F. gemeinschaftlich ein Mittagessen zubereitete. Zwar können Mittagessen grundsätzlich auch von Wohngemeinschaftsbewohnern zusammen vorbereitet und zusammen eingenommen werden. Da jedoch einerseits die Antragstellerin immer wieder angibt, zwischen ihr und Herrn F. bestehe ein reines Vermieter/ Mieter-Verhältnis, lässt die festgestellte Tatsache, dass darüber hinaus tatsächlich ein weitaus engerer Kontakt, wie diesem Moment eben in Form des gemeinsamen Mittagessens, besteht, die gemachte Aussage unglaubhaft werden.
Darüber hinaus bekräftigen auch die Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a Nr. 1 und Nr. 4 SGB II das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft (zu den Vermutungstatbeständen siehe Landessozialgericht - LSG - Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 03.08.2006 - L 9 AS 349/06 ER -). Die Antragstellerin wohnt seit rund eineinhalb Jahren mit Herrn F. zusammen. Sie hat ihm auch Vollmacht für ihr Konto erteilt. Selbst wenn man, wie das LSG Niedersachsen-Bremen im genannten Beschluss davon ausgeht, dass die Vermutungstatbestände nur dann zum Tragen kommen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse nicht aufgeklärt werden können, spricht doch zumindest die in der genannten Norm zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Intention einer Beweislastumkehr zu Lasten des Leistungsempfängers dafür, hier erhöhte Maßstäbe an das Vorbringen der Antragstellerin zu legen. In dieser Hinsicht ist jedoch zur Nr. 1 des § 7 Abs. 3a SGB II von der Antragstellerin nur formelhaft wiederholt worden, bei ihrem Verhältnis zu Herrn F. handele es sich um ein reines Vermieter/ Mieter-Verhältnis. Dies ist jedoch durch die tatsächlich getroffenen Feststellungen widerlegt und damit unglaubhaft gemacht worden. Es hätte damit nun der Antragstellerin erneut oblegen, ihr Vorbringen, dass nur ein Zusammenwohnen, nicht aber ein Zusammenleben vorliegt, zu untermauern. Auch zur Begründung, warum sie Herrn F. Untervollmacht für ihr Konto eingeräumt hat, hat die Antragstellerin nichts vorgetragen. Es hätte ihr oblegen, darzulegen, wieso trotz des Einräumens dieser Vollmacht nur ein Vermieter/ Mieter-Verhältnis vorliegt.
Gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) war der Antragstellerin Prozesskostenbeihilfe zu gewähren, da dem Antrag in tatsächlicher Hinsicht ein komplexer Sachverhalt zugrunde lag.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG.