Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.01.2010, Az.: 9 LA 205/08

Bedeutung des Äquivalenzprinzips bei der Erhebung von Straßenreinigungsgebühren im Fall der Nichterfüllung oder Schlechterfüllung der Pflicht zur Straßenreinigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.01.2010
Aktenzeichen
9 LA 205/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 10576
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0113.9LA205.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 27.02.2008 - AZ: 1 A 514/06

Fundstellen

  • DVP 2012, 37
  • DWW 2010, 272-273
  • FStNds 2010, 205-207
  • GK 2010, 237-238
  • KommJur 2011, 160
  • NVwZ-RR 2010, 329-330
  • NZM 2011, 272
  • NdsVBl 2010, 108
  • NordÖR 2010, 167-168
  • ZKF 2010, 94-95

Amtlicher Leitsatz

Eine Nicht- oder Schlechterfüllung der Pflicht zur Straßenreinigung (z.B. wegen parkender Autos) führt erst dann zu einem Wegfall oder einer Minderung der Straßenreinigungsgebühr, wenn nach Art, Dauer und/oder Umfang erhebliche Reinigungsmängel festzustellen sind, so dass die Straße als Ganzes nicht mehr als gereinigt angesehen werden kann.

Entscheidungsgründe

1

Der auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Weder weist der vorliegende Rechtsstreit besondere rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder eine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) auf, noch bestehen die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

2

Zur Darlegung besonderer rechtlicher Schwierigkeiten sowie einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wirft der Kläger die Frage auf, ob das Äquivalenzprinzip bei der Erhebung von Straßenreinigungsgebühren bedeutet, dass die Gemeinde verpflichtet ist, für eine umfassende Reinigung der Straßen zu sorgen. Er will geklärt wissen, ob die Anlieger hinnehmen müssen, dass die Straßen wegen parkender Autos in bestimmten Teilbereichen nicht gereinigt werden, oder ob in solchen Fällen ein erhöhter Reinigungsaufwand seitens der Gemeinde (etwa eine teilweise Reinigung von Hand) zu fordern ist. Er behauptet, die Beklagte sei ihren Straßenreinigungsobliegenheiten nicht nachgekommen.

3

Diese Fragen und Behauptungen rechtfertigen - so wie sie formuliert sind - die begehrte Zulassung der Berufung schon deshalb nicht, weil sie in dem angestrebten Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich wären. Sie stellen nämlich den Umfang und Inhalt der gemeindlichen Straßenreinigungspflicht in den Mittelpunkt und befassen sich insbesondere damit, wie die Straßenreinigung erfolgen muss, wenn Fahrzeuge auf der Verkehrsfläche parken. Darum geht es im vorliegenden Rechtsstreit indessen nicht. Dort ist Streitgegenstand, ob die als Gegenleistung für die Straßenreinigung anzusehende Gebühr zu mindern ist oder wegfallen muss, wenn die Straße wegen parkender Autos in Teilbereichen nicht gereinigt wird.

4

Der Senat unterstellt zu Gunsten des Klägers, dass er diese entscheidungserhebliche Frage aufgeworfen hat. Die begehrte Zulassung der Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache kann gleichwohl nicht ausgesprochen werden, weil sich die Frage auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung beantworten lässt, ohne dass es dazu der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.

5

Nach dem gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip muss die Höhe der Gebühr Art und Umfang der in Anspruch genommenen Leistung oder Benutzung entsprechen. Das Äquivalenzprinzip ist verletzt, wenn das Ausgleichsverhältnis zwischen Gebühr und Wert der Leistung "gröblich" gestört ist (BVerwG, Urt. vom 9.11.1984 - 8 C 37.82 - KStZ 1985, 107; OVG Saarland, Urt. vom 8.11.1985 - 2 R 48/85 - KStZ 1987, 54, 57; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 9.2.2006 - 7 A 11037/05 -, zitiert nach [...]). Da bei einer Gebührenerhebung mittels eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs - hier nach Frontmetern - lediglich eine generalisierende und pauschalierende Bemessung der Abgabe nach der Leistung stattfindet, kann bei Benutzungsgebühren nicht jede behördliche Minder- oder Schlechtleistung einen Anspruch auf Gebührenermäßigung oder den Wegfall der Gebühr nach sich ziehen. Vielmehr muss - um für die Höhe des Gebührenanspruchs erheblich zu sein - eine Leistungsstörung von (nach Art, Dauer und/oder Umfang) gewissem Gewicht vorliegen (ebenso z.B. Sächsisches OVG, Urt. vom 17.6.1998 - 2 S 646/96 -, OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 9.2.2006, a.a.O., OVG Saarland, Urt. vom 8.11.1985, a.a.O., OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 27.5.1994 - 9 A 199/94 -, zitiert nach [...]).

6

Bei der Beurteilung, ob dies der Fall ist, muss zunächst berücksichtigt werden, dass sich die durch die Straßenreinigungsgebühr abgegoltene Leistung auf die Straße als Ganzes, also nicht auf alle einzelnen Teilbereiche der Straße bezieht. Zur Wahrung des vollen Gebührenanspruchs reicht es mithin aus, dass die Straße in ihrer Gesamtheit, also nicht notwendig an jeder einzelnen Stelle (z.B. auch dort, wo während des Reinigungsvorgangs Fahrzeuge parken), in einen sauberen Zustand versetzt wird (so z.B. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 9.2.2006, a.a.O.). Ferner fällt ins Gewicht, dass nur der gegebenen Situation entsprechende Reinigungsbemühungen geschuldet werden, so dass Unzulänglichkeiten der Reinigung, die auf die bestehenden Verkehrsverhältnisse zurückzuführen sind, als situationsbedingt hingenommen werden müssen (vgl. OVG Saarland, Urt. vom 8.11.1985, a.a.O. sowie VG Düsseldorf, Urt. vom 25.1.2005 - 16 K 2578/04 -, zitiert nach [...]). Eine Verpflichtung, das Parken von Fahrzeugen durch die Einrichtung von auf die Reinigungszeiten begrenzte Parkverbotszonen zu verhindern, besteht für die Gemeinden jedenfalls unter gebührenrechtlichen Gesichtspunkten nicht (ebenso VG Düsseldorf, Urt. vom 25.1.2005, a.a.O.). Haben demnach parkende Fahrzeuge die Reinigung erschwert oder teilweise verhindert, so liegt darin in aller Regel keine das gebührenrechtliche Ausgleichsverhältnis wesentlich störende Schlechtleistung, solange die Straße "im Großen und Ganzen" noch als gereinigt angesehen werden kann (VG Düsseldorf, Urt. vom 25.1.2005, a.a.O.). Diese Betrachtungsweise trägt dem Umstand Rechnung, dass vor allem in größeren Städten häufig parkende Autos oder andere Hindernisse die Reinigungsbemühungen erschweren und eine umfassende Straßenreinigung aller Teilbereiche daher schon aus tatsächlichen Gründen nicht erfolgen kann (vgl. OVG Saarland, Urt. vom 8.11.1985, a.a.O.).

7

Nach alledem führt eine Nicht- oder Schlechterfüllung erst dann zu einem Wegfall oder einer Minderung der Straßenreinigungsgebühr, wenn nach Art, Dauer und/oder Umfang erhebliche Reinigungsmängel festzustellen sind, so dass die Straße als Ganzes nicht mehr als gereinigt angesehen werden kann (vgl. auch VG Hannover, Urt. vom 5.6.2009 - 1 A 2303/08 -, zitiert nach [...]). Eine Erheblichkeit liegt z.B. vor, wenn die unzureichende Straßenreinigung die Verkehrssicherheit beeinträchtigt oder mit den allgemeinen Hygienebedürfnissen unvereinbar ist. Von der Existenz solcher erheblicher Reinigungsmängel kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Dies hat das Verwaltungsgericht unter Beachtung der aufgezeigten Maßstäbe zutreffend dargelegt, so dass auch die ebenfalls geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht gegeben sind.