Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 20.07.2023, Az.: 1 A 6187/20
coronabedingte Einschränkungen im Kurbetrieb; Kurbeitrag; Kein Entfallen der Kurbeitragspflicht wegen coronabedingter Einschränkungen im Kurbetrieb
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 20.07.2023
- Aktenzeichen
- 1 A 6187/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 37848
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2023:0720.1A6187.20.00
Rechtsgrundlagen
- NvwKostG § 18
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Bei der Erhebung eines Kurbeitrags in Staatsbädern auf der Grundlage von § 18 NVwKostG werden Haftungsschuldner gem. Abs. 6 Satz 2 der Vorschrift abweichend von der sonstigen Regelung in § 10 Abs. 4 NKAG zu (direkten) Schuldnern erhoben .
- 2.
Ein infolge staatlicher Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung deutlich verringertes Angebot beitragsfähiger Kureinrichtungen führt solange eine Kernfunktionalität des Kurorts erhalten bleibt nicht zu einem Entfallen oder einer Verringerung der Kurbeitragspflicht.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Kurbeiträgen.
Die Klägerin, eine GmbH, betreibt Rehabilitationskliniken in ganz Deutschland. In Bad I. ist sie Trägerin des J. Zentrums für Verhaltensmedizin Bad I., (früher: K. Psychosomatische Klinik Bad I.).
Die Beklagte, ebenfalls eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter das Land L. ist, ist Betreiberin bzw. Eigentümerin der Kureinrichtungen im Niedersächsischen Staatsbad I., einem staatlich anerkannten Mineral- und Moorheilbad, und nimmt die Aufgaben der dortigen Kurverwaltung wahr. Als solche ist sie gemäß § 1 Satz 2 der Verordnung über den Kurbeitrag im Staatsbad I. (Nds. GVBl. Nr. 15/2007, im Folgenden: I. KurBeitrVO) auch für die Erhebung des Kurbeitrags zuständig. Die für die Patienten der von der Klägerin in Bad I. betriebenen Klinik anfallenden Kurbeiträge werden von der Beklagten - anhand der von der Klägerin abgegebenen Meldeunterlagen - gegenüber der Klägerin abgerechnet. Die Klägerin zieht von ihren Patienten keine Kurbeiträge ein, sondern finanziert die ihr hierfür entstehenden Kosten über den pauschalen (Tages-)Pflege- bzw. Vergütungssatz, der jährlich neu zwischen den einzelnen Rehabilitationseinrichtungen und der Deutschen Rentenversicherung Bund bzw. den Gesetzlichen Krankenversicherungen verhandelt wird und mit dem nach dem jeweiligen Belegungsvertrag - hier gemäß § 3 Abs. 2 des zwischen der K. Psychosomatischen Klinik Bad I. und der Deutschen Rentenversicherung Bund geschlossenen Belegungsvertrages - sämtliche während der Rehabilitationsmaßnahme anfallende Kosten abgegolten sind.
Mit Schreiben vom 17. Juni 2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Verweis auf die coronabedingten Einschränkungen im Kurbetrieb und entsprechende Entscheidungen anderer Kurorte in Mecklenburg-Vorpommern und Bayern den Erlass des Kurbeitrages ab dem 16. März 2020. Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 16. Juli 2020, dass "sich die Satzung zur Erhebung eines Kurbeitrages vor Ort nicht einfach aussetzen lasse". Die aus der Verordnung über die staatliche Anerkennung von Kur- und Erholungsorten resultierenden Anforderungen und Aufwendungen an die kurörtliche Infrastruktur und die Pflege der natürlichen Heilmittel liefen trotz der Corona-Pandemie weiter und verursachten nicht unerhebliche Personal- sowie Energiekosten. Die Finanzierung dieser kurörtlichen Rahmenbedingungen könne nur mit der Ausschöpfung aller vorhandenen Finanzierungsinstrumente, wozu auch die Kurabgabe gehöre, gewährleistet werden. Im Übrigen stelle bereits die Zurverfügungstellung einer einzelnen Funktionalität - wie vorliegend die Offenhaltung des Kurparks (im überwiegenden Zeitraum), der Wanderrouten und Grünflächen - eine Gegenleistung dar und rechtfertige mithin die weitere Erhebung des Kurbeitrags. Der Kurbeitrag könne daher nicht erlassen werden; es werde um Ausgleich der noch offenen Kurbeitragsrechnungen gebeten.
Mit als "Haftungsbescheid" bezeichnetem Bescheid vom 29. Oktober 2020 nahm die Beklagte die Klägerin unter Bezugnahme auf bislang nicht beglichene Rechnungen vom 1. April 2020 über 10.456,26 EUR (Re-Nr. FR 61-2020/2002387) und 5. Mai 2020 über 7.487,82 EUR (Re-Nr. FR 83-2020/2002387) für nicht abgeführte Kurbeiträge in Höhe von insgesamt 17.944,08 EUR in Anspruch und forderte die Klägerin auf, diesen Gesamtbetrag unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Bescheides, zu begleichen.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 30. November 2020 Klage erhoben. Ihre Inanspruchnahme als Haftungsschuldnerin und die im Bescheid als eigenständige Regelung ebenfalls enthaltene Zahlungsaufforderung seien rechtswidrig und verletzten sie in ihren Rechten. Als Haftungsschuldnerin könne sie all das einwenden, was auch die primären Abgabenschuldner, also die Klinikpatienten, gegen den Kurbeitrag einwenden könnten. Ihre Haftung müsse demnach insbesondere ausscheiden, wenn während des Erhebungszeitraums März und April 2020 überhaupt keine Abgabenschuld der Patienten entstanden sei. So liege der Fall vorliegend. Denn jedenfalls im Zeitraum zwischen dem 17. März 2020 und dem 24. April 2020 habe in Bad I. nicht die Möglichkeit zur Nutzung der Kureinrichtungen bestanden, da diese im genannten Zeitraum aufgrund der Corona-Pandemie vollständig geschlossen gewesen seien. Die Möglichkeit zur Nutzung der örtlichen Kureinrichtungen sei jedoch sowohl nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 2 Satz 1 NVwKostG als auch nach Rechtsprechung und Literatur Grundvoraussetzung für die Erhebung von Kurbeiträgen. Bereits aus diesem Grund erweise sich der Haftungsbescheid daher zumindest als teilrechtswidrig. Es könne auch nicht darauf verwiesen werden, dass allgemein Kosten für im Gemeingebrauch stehende Sachen und Liegenschaften auch während der Zeit des Lockdowns angefallen seien. Kurbeiträge dienten weder der Finanzierung des ÖPNV noch der Pflege und Unterhaltung öffentlicher Parkanlagen. Selbst Kurparks fielen nicht unter den Begriff der Kureinrichtungen, für die allein eine Kurabgabe erhoben werden dürfe. Die von der Beklagten in ihrer Klageerwiderung aufgeführten horrenden Personal- und Sachkosten ständen zudem in einem deutlichen Missverhältnis zu dem potentiellen Nutzen, der sich hieraus für Kurgäste ergeben habe. Jedenfalls fehle es insoweit an einem "Einheimischenabschlag" (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 16.04.2013 - 5 K 2495/11). Auch YouTube-Videos und Facebook-Beiträge sowie in Zeitungen veröffentlichte Trivialtexte zu gesundheitlichen Themen könnten nicht als Kureinrichtungen eingestuft werden und vermittelten Kurgästen keine Sondervorteile. Der Haftungsbescheid sei darüber hinaus insgesamt ermessensfehlerhaft. In dem Bescheid werde schon die konkret zugrunde gelegte Anspruchsnorm nicht bzw. nicht korrekt genannt. Zu Unrecht gehe die Beklagte offenbar auch von einer eigenen Abgabenschuld der Klägerin aus und verkenne, dass die Klägerin nach § 6 Abs. 1 I. KurBeitrVO i. V. m. § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 NVwKostG nur verpflichtet sein könne, kurbeitragspflichtige Personen zu melden, den Kurbeitrag einzuziehen und abzuführen. Da die Beklagte nicht erkannt habe, dass die Klägerin nur als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen werden könne und es sich bei ihr und den - bei Vorliegen der Erhebungsvoraussetzungen - primär beitragspflichtigen Klinikpatienten um Gesamtschuldner handeln würde, habe sie auch das ihr insoweit zukommende Auswahlermessen nicht erkannt und ausgeübt. Auch wenn die Inanspruchnahme und Auswahl des Haftungsschuldners im Einzelfall naheliege und daher keine besonderen Ermessenserwägungen voraussetze, sei es ein zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führender Ermessensfehler, wenn im Haftungsbescheid - wie vorliegend - überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt worden seien. Dies stelle einen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr heilbaren Ermessensausfall dar.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2020 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Haftungsbescheid beruhe auf § 18 Abs. 1 NVwKostG i. V. m. §§ 1, 4 und 6 I. KurBeitrVO. Nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 NVwKostG handele es sich bei Kurbeiträgen um zweckgebundene Beiträge. Die Formulierung "dient" in Satz 2 der Vorschrift erzeuge lediglich eine generelle Zweckbindung für den Einsatz der Mittel, aber keine akzessorische Gegenleistungspflicht in dem Sinne, dass eine Verpflichtung zur Vorhaltung bestimmter, konkreter Kureinrichtungen bestände. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sei der Kurbeitrag gerade nicht an die Verpflichtung zur Erbringung bestimmter und einzeln zu definierender Gegenleistungen gebunden. Die Kur- und Erholungseinrichtungen müssten vielmehr nur als Gesamtleistung zur Nutzung angeboten werden. Diese Sichtweise werde auch durch Rechtsprechung und Literatur zu dem Umsatzsteuerermäßigungstatbestand "Bereitstellung von Kureinrichtungen" in § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 2 UStG bestätigt. Es treffe nicht zu, dass in der Zeit vom 14. März 2020 bis zum 23. April 2020 alle Kureinrichtungen im Staatsbad I. vollständig geschlossen gewesen seien. Die Außen-Erholungsangebote sowie die gesamten Parkanlagen, der Bergkurpark, der Hirschpark und der Friedrichspark seien vielmehr weiterhin für alle Kurgäste nutzbar gewesen. Auch die Friedrichsquelle im Friedrichspark sei jederzeit zugänglich gewesen und der dortige Trinkausschank habe allen Kurbadegästen weiterhin zur Verfügung gestanden. Flankierend dazu habe auch das gesamte ÖPNV-Angebot den Kurgästen weiter kostenlos zur Verfügung gestanden. Wesentliche Kurangebote seien damit weiterhin nutzbar gewesen. Demgegenüber hätten im maßgeblichen Zeitraum lediglich keine Veranstaltungen stattfinden können, die Trinkkuren in den Innenräumen hätten nicht angeboten werden dürfen, die Wandelhalle und der Lesesaal seien geschlossen gewesen und auch die M. -Therme habe unter Hygienegesichtspunkten nicht geöffnet werden dürfen. Des Weiteren hätten die "Gesund und Glücklich-Angebote" nicht angeboten werden können. Diese Einschränkungen seien im Verhältnis zu der Möglichkeit der Nutzung der gesamten Außenerholungs- und Parkanlagen jedoch vollkommen unbeachtlich. Die Klägerin verkenne insoweit, dass gerade im Staatsbad I. besonders schöne und außergewöhnliche Kurparkanlagen vorhanden seien, die einer besonders intensiven Pflege und Instandhaltung bedürften. Die von der Klägerin in Bad I. betriebene Klinik liege auch inmitten dieser Parkanlagen sowie in unmittelbarer Nähe der N. -Therme, sodass die Klinikpatienten die Anlagen und Einrichtungen "direkt vor der Haustür" umfassend nutzen könnten. Zudem habe die Beklagte ihre "Angebotspalette" während der Zeit des Lockdowns durch zahlreiche erstellte und den Kurgästen zugänglich gemachte YouTube-Videos und Social-Media-Beiträge sowie Zeitungsartikel zu gesundheitlichen Themen und ab dem 27. April 2020 auch durch angebotene Online-Yogakurse erweitert. Die Kurbeiträge würden zu ganz wesentlichen Teilen für die Pflege, Instandhaltung, Instandsetzung, für das Qualitätsmanagement und die Weiterentwicklung der gesamten kurörtlichen Liegenschaften und Einrichtungen verwendet und darüber hinaus für die Erhaltung und Instandsetzung der frei zugänglichen Erholungsflächen, wie zum Beispiel des Bergkurparks, eingesetzt. Auch während des Lockdowns sei die Beklagte weiter verpflichtet gewesen, die sich aus § 3 der Kurortverordnung ergebenden Anerkennungsvoraussetzungen einzuhalten. Der Großteil aller Kosten im Zusammenhang mit der Vorhaltung der Kureinrichtungen sei in der Zeit vom 17. März 2020 bis zum 23. April 2020 mithin weiter angefallen. Allein für die Unterhaltung des rund 15 Hektar großen Kurparks und der Quellgrundstücke seien im März und April 2020 Personal- und Sachkosten und Kosten für LHO-Instandhaltungen in Höhe von insgesamt 181.046,00 EUR entstanden. Betreffend die weiteren, rund 40 Hektar großen, öffentlichen Parkanlagen (Hauptallee, Schlossallee, Hylligen-Born-Allee, Friedrichspark, Hirschpark, Bergkurpark und Dunsthöhle) sei - unter Zugrundelegung der 2018 und 2019 entstandenen Kosten - für März und April 2020 ebenfalls von entstandenen Kosten in Höhe von etwa 52.000 EUR auszugehen. Da ein Großteil der Erholungseinrichtungen mithin auch in der Zeit des pandemiebedingten Lockdowns zur Nutzung zur Verfügung gestellt und instandgehalten und gepflegt worden sei, lägen die Voraussetzungen für die Erhebung des Kurbeitrages vor. Die Kurbeiträge seien unstreitig auch in den Monaten März und April 2020 zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung, Erneuerung, den Betrieb, die Unterhaltung und die Verwaltung der Einrichtungen des Staatsbades - und damit der Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 2 NVwKostG entsprechend - eingesetzt worden. Befreiungsgründe nach § 3 I. KurBeitrVO seien ebenfalls nicht ersichtlich. Auch ein genereller Anspruch auf Aussetzung der Beitragspflicht wegen der nicht vom Staatsbad zu vertretenen Unmöglichkeit der Nutzung weniger einzelner Angebote sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erkennbar. Die Verpflichtung zur Leistung von Kurbeiträgen sei auch nicht nach § 18 Abs. 2 Satz 1 NVwKostG entfallen. Die dortige "Zweitwohnungsregelung" betreffe - wie sich auch aus der einschlägigen Rechtsprechung ergebe - nämlich ausschließlich Fallkonstellationen, in denen die Gründe dafür, dass die Möglichkeit zur Nutzung der Kureinrichtungen nicht bestehe, in der Sphäre der (grundsätzlich) Beitragspflichtigen lägen. Für die hier vorliegende Fallgestaltung, dass das Staatsbad ohne eigenes Verschulden über eine kurze Zeitspanne daran gehindert gewesen sei, einen Teil ihrer Einrichtungen und Angebote zur Verfügung zu stellen, sei die Regelung dagegen nicht einschlägig. Schließlich seien auch keine Ermessensfehler des angefochtenen Haftungsbescheides ersichtlich. Die Erhebung des Kurbeitrages und der damit einhergehende Haftungsbescheid seien verhältnismäßig und angemessen. Gem. § 18 Abs. 6 Satz 2 i. V. m. § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 NVwKostG sei die Klägerin direkte Schuldnerin der Kurbeiträge. Die generelle Inanspruchnahme (Anm.: gemeint ist wohl Nichtinanspruchnahme) der Gäste der Rehaklinik sei kein Ausnahme-, sondern ein Regeltatbestand, der keiner umfassenden weiteren Begründung bedürfe. Grundsätzliche Ermessenserwägungen seien insoweit nicht anzustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid vom 29. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.
Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu den im Streit befindlichen Kurbeiträgen ist § 18 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1a), Nr. 2 und Nr. 4 und Satz 2 und Abs. 6 Satz 2 NVwKostG i. V. m. §§ 1, 4 und 6 Abs. 1 und 2 I. KurBeitrVO.
a) Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG kann das Land in einer Gemeinde, die - wie das Staatsbad I. - ganz oder teilweise als Kurort staatlich anerkannt ist, einen Kurbeitrag erheben, wenn - was im Staatsbad I. ebenfalls der Fall ist - die Einrichtungen für den Kurbetrieb überwiegend im Eigentum oder in der Verwaltung des Landes oder einer juristischen Person stehen, deren Mehrheitsgesellschafter das Land ist. Der Kurbeitrag dient nach Satz 2 der Vorschrift der vollständigen oder teilweisen Deckung des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung; Verbesserung, Erneuerung, den Betrieb, die Unterhaltung und die Verwaltung der Einrichtungen des Staatsbades. Kurbeitragspflichtig sind nach § 18 Abs. 2 Satz 1 NVwKostG alle Personen, die sich in dem Erhebungsgebiet aufhalten, ohne dort eine Hauptwohnung zu haben, und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtungen geboten wird. Gem. § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1a) und Nr. 2 NVwKostG können Personen, die im Erhebungsgebiet einer als Kurort staatlich anerkannten Gemeinde andere Personen beherbergen, durch Verordnung verpflichtet werden, kurbeitragspflichtige Personen zu melden und den Kurbeitrag von den zu meldenden Personen einzuziehen und an das Land oder eine vom Land bestimmte Stelle abzuführen. Nach § 18 Abs. 5 Nr. 4 NVwKostG können diese Pflichten auch auf die Inhaber von Sanatorien, Kuranstalten und ähnlichen Einrichtungen hinsichtlich der Personen erstreckt werden, die diese Einrichtungen benutzen, ohne im Erhebungsgebiet eine Unterkunft im Sinne der Nr. 1 zu haben. Wer aufgrund einer solchen verordnungsrechtlichen Regelung zur Einziehung und Abführung des Kurbeitrages verpflichtet ist, haftet gem. § 18 Abs. 5 Satz 2 NVwKostG für dessen rechtzeitige Einziehung und vollständige Abführung. Schuldner des Kurbeitrages ist nach § 18 Abs. 6 Satz 1 NVwKostG zum einen die kurbeitragspflichtige Person. Nach § 18 Abs. 6 Satz 2 NVwKostG ist Schuldner des Kurbeitrages zudem u. a. auch, wer nach der vorgenannten Regelung aufgrund einer Verordnung für die rechtzeitige Einziehung und vollständige Abführung haftet.
Gemäß § 1 Satz 1 der aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 18 Abs. 4 und 5 Satz 1 NVwKostG erlassenen I. KurBeitrVO wird im Staatsbad Pyrmont ein Kurbeitrag erhoben. Die Höhe des Kurbeitrages ergibt sich aus § 4 Abs. 1 I. KurBeitrVO i. V. m. der Anlage hierzu. Nach § 6 Abs. 1 I. KurBeitrVO ist - entsprechend der Verordnungsermächtigung in § 18 Abs. 5 NVwKostG - u. a., wer im Erhebungsgebiet Personen beherbergt und ihnen Wohnraum zur vorübergehenden Nutzung überlässt, verpflichtet, der Kurverwaltung die bei ihm gegen Entgelt oder Kostenerstattung verweilenden beitragspflichtigen Personen spätestens am ersten Werktag nach der Ankunft zu melden, den Kurbeitrag einzuziehen und innerhalb von 14 Tagen an die Kurverwaltung abzuführen. Durch § 6 Abs. 2 I. KurBeitrVO werden diese Pflichten - entsprechend § 18 Abs. 5 Nr. 4 NVwKostG - auch auf die Inhaber von Sanatorien, Kuranstalten und ähnlichen Einrichtungen erstreckt.
Die Klägerin ist als Betreiberin des im Staatsbad I. gelegenen J. Zentrums für Verhaltensmedizin mithin gem. § 6 Abs. 1 und 2 I. KurBeitrVO i. V. m. § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1a), Nr. 2 und Nr. 4 NVwKostG zur Meldung der in ihrer Klinik verweilenden beitragspflichtigen Patienten und Begleitpersonen sowie zur Einziehung und Abführung der Kurbeiträge an die Beklagte verpflichtet. Gem. § 18 Abs. 5 Satz 2 NVwKostG haftet sie aufgrund dieser Verpflichtung für die rechtzeitige Einziehung und vollständige Abführung der Kurbeiträge, ist also Haftungsschuldnerin. Infolge der Regelung in § 18 Abs. 6 Satz 2 NVwKostG, die Haftungsschuldner - abweichend von der Regelung in § 10 Abs. 4 NKAG - zu (direkten) Schuldnern "erhebt", ist die Klägerin zudem selbst Schuldnerin der im Streit befindlichen Kurbeiträge. Eine Inanspruchnahme der Klägerin als (bloße) Haftungsschuldnerin im Wege eines "Haftungsbescheides" entspräche daher nicht den rechtlichen Gegebenheiten. Dass die Beklagte den angefochtenen Bescheid dennoch als "Haftungsbescheid" bezeichnet hat, ist aber unschädlich. Es ist zunächst schon nicht eindeutig, ob die Beklagte bei Erlass des Bescheides überhaupt tatsächlich von einer Inanspruchnahme der Klägerin als (bloße) Haftungsschuldnerin ausgegangen ist. Die entsprechende Rechtsgrundlage des § 191 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 4b) NKAG i. V. m. § 18 Abs. 3 NVwKostG ist im angefochtenen Bescheid nicht angeführt worden. Im gerichtlichen Verfahren hat die Beklagte selbst darauf hingewiesen, dass die Klägerin direkte Schuldnerin der Kurbeiträge sei. Selbst wenn die Beklagte aber zunächst rechtsirrig von einer Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin ausgegangen sein sollte, wäre ein entsprechender (Teil-)Austausch der Rechtsgrundlage, der auch keinen veränderten Regelungsgehalt des angegriffenen Verwaltungsaktes zur Folge hätte, im gerichtlichen Verfahren unproblematisch möglich.
b) Rechtliche Mängel in der der Beitragserhebung zugrundeliegenden I. KurBeitrVO und der den Beitragssätzen zugrundeliegenden Kalkulation sind bei der gebotenen Prüfungsdichte, bei der das Gericht gehalten ist, sich nicht "gleichsam ungefragt" auf Fehlersuche zu begeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.04.2002 - 9 CN 1/01 -, juris Rn. 43; Beschl. v. 21.10.2020 - 4 BN 16/20 -, juris Rn. 4) nicht erkennbar geworden. Soweit die Klägerin geltend macht, dass Kurbeiträge weder der Finanzierung des ÖPNV noch der Pflege und Unterhaltung öffentlicher Parkanlagen dienten, die von der Beklagten insoweit angeführten Personal- und Sachkosten zudem in einem deutlichen Missverhältnis zum sich hieraus ergebenden potentiellen Nutzen der Kurgäste ständen und es jedenfalls an einem Einheimischenabschlag für den auf die einheimischen Nutzer bzw. Besucher entfallenden Aufwand fehle (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen: Driehaus, a.a.O., § 11 Rn. 35), versteht die Kammer dies nicht als hinreichend substantiierten Angriff gegen die Kalkulation als solche, sondern dahingehend, dass die Bereitstellung allein dieser Einrichtungen nach Auffassung der Klägerin die Erhebung eines Kurbeitrags nicht rechtfertigt.
c) Die in den - dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden - Rechnungen der Beklagten vom 1. April 2020 und 5. Mai 2020 berücksichtigten An- und Abreisedaten der Klinikpatienten und etwaiger Begleitpersonen, auf deren Grundlage die Berechnung der jeweiligen Aufenthaltsdauern und der hieraus entstandenen Beitragspflichten erfolgt ist, beruhen auf den Meldungen der Klägerin und werden von dieser nicht in Abrede gestellt. Auch die grundsätzliche Beitragspflichtigkeit der Klinikpatienten, deren Aufenthalt im Staatsbad I. den streitgegenständlichen Rechnungen zugrunde liegt, und die Höhe der in Rechnung gestellten Kurbeiträge steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
d) Soweit die Klägerin einwendet, die streitgegenständlichen Kurbeitragspflichten seien aufgrund der coronabedingten Einschränkungen im Kurbetrieb nicht oder zumindest nicht in voller Höhe entstanden, dringt sie hiermit nicht durch.
aa) Insoweit ist zunächst zu konstatieren, dass ein Großteil der in den streitgegenständlichen Rechnungen als kurbeitragspflichtig berücksichtigten Aufenthaltszeiten schon nicht in den von der Klägerin angeführten Lockdown-Zeitraum fällt. Dabei geht die Kammer ausgehend von der Wiedereröffnung der Wandelhalle am 21. April 2020 und des Kurparks am 24. April 2020 von einem Lockdown-Zeitraum vom 17. März 2020 bis zum 23. April 2020 (als letztem Schließungstag) aus. Die Rechnungen betreffen Kurbeiträge für Patienten "im Abreisezeitraum" 01. - 31.03.2020 bzw. 01. - 30.04.2020 und damit durchaus zahlreiche Fälle, in denen die Patienten bereits in davorliegenden Monaten angereist sind. In Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer 42 Tage überschritten hat, sind gemäß Ziffer 1.1.1 der Anlage zu § 4 Abs. 1 I. KurBeitrVO nur 42 Tage - und in einem Fall, in dem die Anreise bereits im Dezember 2019 erfolgt war, 14 weitere Tage auf Grundlage des bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Beitragstarifs - als kurbeitragspflichtig abgerechnet worden, was zur Folge hat, dass selbst in Fällen, in denen die Abreise erst nach dem 17. März 2020 erfolgt ist, innerhalb des Lockdown-Zeitraums liegende Zeiten teilweise schon aus diesem Grund nicht mehr als kurbeitragspflichtig berücksichtigt worden sind. Da An- und Abreisetag gemäß Fußnote 1 zur Anlage zu § 4 Abs. 1 I. KurBeitrVO als ein Tag gezählt werden, sind zudem im Lockdown-Zeitraum gelegene An- und Abreisetage allenfalls als halbe Tage für die Kurbeitragspflicht berücksichtigt worden.
Dies zugrunde gelegt, fallen nach den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 27. Juni 2023 vorgelegten An- und Abreiselisten von den in der Rechnung vom 1. April 2020 mit 3,06 EUR pro Tag als kurbeitragspflichtig abgerechneten 3.399 Tagen lediglich 259,5 Tage in den Lockdown-Zeitraum (259,5 Tage x 3,06 EUR = 794,07 EUR). Die für Begleitpersonen mit 2,50 EUR pro Tag abgerechneten 6 Tage (6 Tage x 2,50 EUR = 15,00 EUR) fallen ausweislich der An- und Abreisedaten ebenfalls nicht in den Lockdown-Zeitraum. Dies gilt selbstredend schließlich auch für die 14 Tage, die noch nach dem bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Beitragstarif abgerechnet worden sind (14 Tage x 2,88 EUR = 40,32 EUR). Von den mit der Rechnung vom 1. April 2020 insgesamt abgerechneten 10.456,26 EUR entfallen damit letztlich nur 794,07 EUR auf Aufenthaltszeiten zwischen dem 17. März 2020 bis und 23. April 2020.
Von den in der Rechnung vom 5. Mai 2020 mit 3,06 EUR pro Tag als kurbeitragspflichtig abgerechneten 2.447 Tagen fallen 1.624,5 Tage in den Lockdown-Zeitraum. Von den in dieser Rechnung insgesamt abgerechneten 7.487,82 EUR entfallen damit 4.970,97 EUR auf Aufenthaltszeiten zwischen dem 17. März 2020 und 23. April 2020 (1.624,5 Tage x 3,06 EUR = 4.970,97 EUR).
Die abweichenden Berechnungsergebnisse der Beklagten im Schriftsatz vom 19. Juli 2023 sind für die Kammer nicht nachvollziehbar.
bb) Unabhängig von Vorstehendem ist die Erhebung des Kurbeitrags in voller Höhe nach Auffassung der Kammer auch für die als kurbeitragspflichtig berücksichtigten Aufenthaltszeiten zwischen dem 17. März und 23. April 2020 gerechtfertigt.
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Kurbeitrag als Gegenleistung dafür erhoben wird, dass dem Abgabepflichtigen die Möglichkeit geboten wird, die Kureinrichtungen und Anlagen in Anspruch zu nehmen und/oder an Veranstaltungen teilzunehmen bzw. ggf. auch den öffentlichen Personennahverkehr ermäßigt oder kostenlos zu nutzen. Die objektive Möglichkeit zur Nutzung beitragsfähiger Einrichtungen und/oder des Besuchs beitragsfähiger Veranstaltungen ist Voraussetzung für die Entstehung der Beitragspflicht. Ein Kurbeitrag kann nur erhoben werden, wenn und soweit die Einrichtungen dem Beitragspflichtigen tatsächlich zur Verfügung stehen (Driehaus, a.a.O., § 11 Rn. 10, 25, 44). Die Klägerin weist mithin zutreffend darauf hin, dass es sich bei § 18 Abs. 2 Satz 1 NVwKostG keineswegs um eine bloße "Zweitwohnungs-Regelung" handelt, sondern um eine allgemein geltende objektive Tatbestandsvoraussetzung für die Entstehung der Beitragspflicht. Nicht für die Entstehung der Beitragspflicht erforderlich ist allerdings, dass die Möglichkeit besteht, alle Einrichtungen zu nutzen oder alle Veranstaltungen zu besuchen. Wenn eine bestimmte Einrichtung vorübergehend geschlossen ist, schließt das die Beitragspflicht nicht aus (Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz, Stand: Oktober 2019, § 10 Rn. 62). Die Bereitstellung von Kureinrichtungen stellt eine einheitliche Gesamtleistung dar, die sich aus verschiedenartigen Einzelleistungen (z. B. die Veranstaltung von Kurkonzerten, das Gewähren von Trinkkuren sowie das Überlassen von Kurbädern, Kurstränden, Kurparks und anderen Kuranlagen oder -einrichtungen zur Benutzung) zusammensetzt (vgl. bezogen auf den Umsatzsteuerermäßigungstatbestand in § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 2 UStG: Driehaus, a.a.O., § 11 Rn. 138). Einrichtungen und Veranstaltungen dienen dann Kur- und/oder Erholungszwecken, wenn sie dazu bestimmt und geeignet sind, die körperliche und seelische Gesundheit zu erhalten, zu fördern oder wiederherzustellen. Dabei ist grundsätzlich ein weiter Maßstab anzulegen (Driehaus, a.a.O., § 11 Rn. 22). Nach einer in der vorbezeichneten Kommentierung zitierten beispielhaften Aufzählung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern gehören zu den "zu Heil-, Kur- oder sonstigen Fremdenverkehrszwecken bereitgestellten Einrichtungen und Anlagen" neben Kurhäusern, Kurparks, Lese- und Schreibsälen, Badeeinrichtungen und Trinkhallen auch Wanderwege, Kurwege, Skiloipen, Liegewiesen, Kurkonzerte, Heimatabende und Wanderveranstaltungen (Driehaus, a.a.O.). Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist - als Teil der allgemeinen Daseinsvorsorge - zumindest keine typische beitragsfähige Einrichtung. Zudem ist Träger des ÖPNV meist ein überregionaler Verbund oder ein Landkreis und nicht die beitragserhebende Gemeinde (Driehaus, a.a.O., Rn. 31).
Diesen gesetzlichen Vorgaben entsprechend setzen auch die in § 3 Abs. 1 I. KurBeitrVO vorgesehenen verschiedenen Befreiungstatbestände von der Beitragspflicht - neben weiteren Voraussetzungen - für eine Beitragsbefreiung stets voraus, dass die betroffene Person die Einrichtungen für den Kurbetrieb nicht in Anspruch nimmt bzw. nicht in Anspruch nehmen kann. § 7 I. KurBeitrVO regelt zudem einen Anspruch auf Rückzahlung von Kurbeiträgen für die Tage, (1.) die die beitragspflichtige Person früher abreist als zunächst angegeben und (2.) an denen die beitragspflichtige Person, nachgewiesen durch ärztliche Bescheinigung, infolge eigener Krankheit oder Krankheit eines Angehörigen die Einrichtungen für den Kurbetrieb nicht nutzen konnte. Diese Befreiungs- und Rückzahlungstatbestände betreffen allerdings - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - ausschließlich Fallkonstellationen, in denen die Gründe dafür, dass die Möglichkeit zur Nutzung der Kureinrichtungen nicht besteht, in der Sphäre der (grundsätzlich) Beitragspflichtigen liegen. Regelungen für Konstellationen wie die Vorliegende, in denen ein Teil der beitragspflichtigen Einrichtungen aus anderen (nicht in die Sphäre der Beitragspflichtigen fallenden) Gründen nicht zur Verfügung steht - quasi aus Gründen höherer Gewalt eine Minder- oder Schlechtleistung vorliegt -, finden sich weder in der I. KurBeitrVO noch in § 18 NVwKostG. Im sonstigen Abgabenrecht ist insoweit etwa hinsichtlich Benutzungsgebühren anerkannt, dass nicht jede behördliche Minder- oder Schlechtleistung einen Anspruch auf Gebührenermäßigung oder den Wegfall der Gebühr nach sich zieht. Vielmehr muss - um für die Höhe des Gebührenanspruchs erheblich zu sein - eine Leistungsstörung von (nach Art, Dauer und/oder Umfang) gewissem Gewicht vorliegen (vgl. zu Straßenreinigungsgebühren: Urt. d. Kammer v. 10.05.2022 - 1 A 3809/19 -, juris Rn. 39, unter Verweis auf Nds. OVG, Beschl. v. 13.01.2010 - 9 LA 205/08 -, juris Rn. 5). Das Äquivalenzprinzip ist erst verletzt, wenn das Ausgleichsverhältnis zwischen Gebühr und Wert der Leistung "gröblich" gestört ist (Nds. OVG, Beschl. v. 15.12.2015 - 9 LA 95/15 -, juris Rn. 9). Im Bereich des Zivilrechts hat der Bundesgerichtshof im Rahmen der rechtlichen Aufarbeitung der COVID-19-Pandemie etwa für den Bereich der Gewerberaummiete und bezogen auf Fitnessstudioverträge ausgeführt, dass pandemiebedingte Geschäfts- und Betriebsschließungen infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eine Störung der sogenannten großen Geschäftsgrundlage darstellen, die regelmäßig weder der Sphäre der einen noch der der anderen Vertragspartei zugeordnet werden kann, sodass auch das hiermit verbundene Risiko regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden kann und regelmäßig eine Betrachtung des Einzelfalls erforderlich ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 19.04.2023 - XII ZR 24/22 -, sowie Urt. v. 12.01.2022 - XII ZR 8/21 -, jeweils in juris).
Gemessen an diesen Maßstäben und unter Berücksichtigung der pandemiebedingten Ausnahmesituation ist den Kurgästen im Staatsbad I. nach Auffassung der Kammer auch während des hier in Rede stehenden Lockdown-Zeitraums durch die zur Verfügung gestellten Kureinrichtungen noch ein hinreichender Vorteil geboten worden, der die Erhebung des Kurbeitrages in voller Höhe rechtfertigt. Dabei ist zwischen den Beteiligten unstreitig und auch der Kammer bewusst, dass insbesondere zwischen dem 17. März 2020 und dem 23. April 2020 aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen ein Großteil der üblicherweise im Staatsbad I. zur Verfügung stehenden Kureinrichtungen nicht genutzt werden konnte. Dies geht in aller Deutlichkeit auch aus einer im Verwaltungsvorgang befindlichen Aufstellung der Beklagten hervor, ausweislich welcher zwischen dem 23. März 2020 und dem 23. April 2020 sogar der Kurpark geschlossen war. Die Wandelhalle war zwischen dem 17. März und dem 20. April 2020 ebenfalls geschlossen, Trinkkuren wurden zwischen dem 17. März und dem 2. Juli 2020 nicht angeboten, die M. -Therme war vom 17. März bis zum 7. Juni 2020 vollständig geschlossen, Kurveranstaltungen fanden vom 14. März bis zum 10. Juni 2020 nicht statt, auch die "Gesund und Glücklich-Angebote" waren ab dem 17. März 2020 für zunächst unbegrenzte Zeit ausgesetzt. Jederzeit zugänglich waren demgegenüber lediglich die Parkanlagen des Bergkurparks, des Hirschparks und des Friedrichsparks, wobei auch der freie Trinkausschank an der Friedrichsquelle im Friedrichspark jederzeit zugänglich war. Ebenfalls jederzeit möglich war die kostenlose Nutzung des ÖPNV (Buslinien in Bad I.). Zudem hat die Beklagte ihre "Angebotspalette" während der Zeit des Lockdowns zur Kompensation der pandemiebedingten Einschränkungen durch zahlreiche erstellte und den Kurgästen zugänglich gemachte YouTube-Videos und Social-Media-Beiträge erweitert, in denen die Beschäftigten des Staatsbades etwa Faszientraining, Yoga-, Stretch- und Relax- oder sonstige Bewegungsübungen erklären und vormachen oder sich mit anderen gesundheitlichen Themen - wie z. B. rheumatoider Arthritis, bestimmten Vitaminen oder Atemtechnik - befassen (vgl. im Einzelnen die Aufstellung in Anlage B3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 4. März 2021). Ergänzend hierzu veröffentlichte die Beklagte auch in den lokalen Zeitungen verschiedene Artikel zu gesundheitlichen Themen.
Angesichts der pandemiebedingten Ausnahmesituation reichten diese zur Nutzung zur Verfügung stehenden Einrichtungen für eine Entstehung der vollen Beitragspflicht aus. Die Covid-19-Pandemie stellte eine exorbitante Sondersituation, ein für niemanden vorhersehbares und unbeherrschbares, von außen kommendes Ereignis, das auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet bzw. abgewendet werden konnte, mithin höhere Gewalt, dar. Sie führte in allen Lebensbereichen zu massiven, vor Eintritt der Pandemie nicht vorstellbaren Einschränkungen. Die Beklagte war infolge der staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie - also quasi durch das Eingreifen einer dritten Person - in dem hier in Rede stehenden Zeitraum gehindert, einen Großteil ihrer Kureinrichtungen und Veranstaltungsangebote den Kurgästen zur Verfügung zu stellen. Da die Einrichtungen - insbesondere der Kurpark - dennoch weiterhin gepflegt und instandgehalten werden mussten, fielen die Kosten für die Vorhaltung der Kureinrichtungen für die Beklagte aber trotzdem weiter an. Vor diesem Hintergrund kann eine bloße Minderleistung in Form eines deutlich verringerten Angebots nach Auffassung der Kammer keineswegs ohne Weiteres zu einem vollständigen Entfallen oder einer Verringerung der Kurbeitragspflicht führen. Solange jedenfalls eine "Kernfunktionalität" des Kurorts durch die Zurverfügungstellung einzelner Kureinrichtungen aufrechterhalten worden ist, erscheint die Erhebung des Kurbeitrags in Anbetracht der pandemiebedingten Sondersituation vielmehr weiterhin (in voller Höhe) gerechtfertigt.
Dies ist vorliegend der Fall gewesen. Das Staatsbad I. ist unter anderem ein staatlich anerkanntes Mineralheilbad. Unabdingbare ortsspezifische Voraussetzung für eine staatliche Anerkennung als solches ist das Vorhandensein natürlicher Heilquellen im Boden sowie einer Einrichtung zur Abgabe von Heilwässern oder Heilgasen (z. B. Inhalationen, Trinkkuren, Wannenbäder, Quellgasbäder, Therapie- und Schwimmbecken). Das Staatsbad I. verfügt über insgesamt sechs Heilquellen, die für Trinkkuren genutzt werden können, nämlich die Quelle Hylliger Born, die Helenenquelle, die Friedrichquelle, die Wolfgangquelle, die Hufelandquelle und die Trampel´sche Quelle, sowie über die Salinenquelle, die für Badekuren geeignet ist. Die Wässer der sechs erstgenannten Heilquellen werden üblicherweise in der Wandelhalle ausgeschenkt (vgl. https://www.staatsbad-I..de/naturheilmittel-/-quellen/heilquellen); ein Trinkausschank befindet sich aber auch an der Friedrichquelle im Friedrichspark. Da jedenfalls dieser auch während des Corona-Lockdowns jederzeit frei zugänglich war, stand zumindest eine für ein staatlich anerkanntes Mineralheilbad spezifische Kureinrichtung im gesamten Lockdown-Zeitraum weiterhin zur Verfügung. Ebenfalls weiterhin nutzbar waren der Bergkurpark, der Hirschpark und der Friedrichspark. Diese sind, auch wenn es sich hierbei nicht um den eigentlichen, eintrittsbeschränkten Kurpark, sondern um frei zugängliche Landschaftsparkflächen handelt, nach Auffassung der Kammer aufgrund des mit ihrer Nutzung verbundenen Gesundheits- und Erholungsmehrwertes durchaus ebenfalls als (beitragsfähige) Kureinrichtungen einzustufen. Der Umstand, dass sie auch für Einheimische frei zugänglich sind, ändert hieran nichts. Auch die Möglichkeit zur kostenlosen Nutzung des ÖPNV stellt nach Auffassung der Kammer eine (von der Beklagten finanzierte) kurbeitragsfähige Einrichtung dar. Nicht von Belang ist insoweit, ob die Kurgäste diese ihnen zur Verfügung gestellte Leistung tatsächlich genutzt haben. Schließlich hat die Beklagte durch die zur Verfügung gestellten Onlineangebote - YouTube-Videos und Social-Media-Beiträge - eine Kompensation für Angebote und Einrichtungen, die aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen nicht zur Verfügung gestellt werden konnten, geschaffen. Die Beklagte hat damit letztlich genau das getan, was während der COVID-19-Pandemie unter dem Zwang der Verhältnisse in allen Lebensbereichen getan wurde, nämlich Angebote, die üblicherweise persönlich und vor Ort dargeboten werden, durch Online-Angebote ersetzt. Die erstellten und bereitgestellten Videos, von denen sich die Kammer im Internet (unter https://youtube.com/@staatsbadI. 2400) auszugsweise selbst einen Eindruck verschafft hat, sind nach Auffassung der Kammer in Anbetracht der pandemiebedingten Ausnahmesituation vor diesem Hintergrund ebenfalls als beitragsfähige Einrichtungen einzustufen und stellen eine geeignete Kompensation für Kurangebote, die pandemiebedingt nicht zur Verfügung gestellt werden konnten, dar.
Soweit die Klägerin schließlich darauf verweist, dass andere Gemeinden aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen im Kur- bzw. Tourismusbetrieb die Erhebung des Kurbeitrags bzw. der Kurtaxe ausgesetzt hätten, dringt sie hiermit ebenfalls nicht durch. Die Entscheidungen von Rechtsträgern an anderen Kurstandorten können für die Beklagte keine Rechtsbindungen nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG begründen.
e) Entgegen der Auffassung der Klägerin erweist sich der angefochtene Bescheid auch nicht aufgrund fehlender Ermessenserwägungen als rechtswidrig.
Zwar handelt es sich bei den primär kurbeitragspflichtigen Klinikpatienten und der Klägerin als Schuldnerin im Sinne von § 18 Abs. 6 Satz 2 NVwKostG um Gesamtschuldner im Sinne von § 44 Abs. 1 AO i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 2b NKAG und § 18 Abs. 3 NVwKostG, sodass der Beklagten hinsichtlich der Entscheidung, ob sie beide oder welchen der Gesamtschuldner sie in Anspruch nimmt, grundsätzlich Ermessen zukam. Dieses Ermessen war in Anbetracht der Umstände der vorliegenden Fallkonstellation aber dahingehend "auf Null" reduziert, dass bei Lichte betrachtet nur noch eine Inanspruchnahme der Klägerin ermessensfehlerfrei in Betracht kam. Denn es ist in Rechnung zu stellen, dass die Klägerin von der Deutschen Rentenversicherung bzw. - soweit diese zuständiger Kostenträger war - der Gesetzlichen Krankenversicherung den vollen vereinbarten Vergütungs- bzw. Tagessatz für die in Reha befindlichen Klinikpatienten erhalten hat, durch den sämtliche während der Reha-Maßnahme anfallenden Kosten, mithin auch der Kurbeitrag, abgegolten sein sollen. Dies ist so anzusehen, als ob die Klinikpatienten ihrerseits den Kurbeitrag bereits gezahlt, nämlich an die Klägerin abgeführt hätten. Eine (erneute) Heranziehung der Klinikpatienten erschiene bei dieser Sachlage verfehlt. Dementsprechend entspricht es auch der ständigen Praxis zwischen der Beklagten und der Klägerin, dass die anfallenden Kurbeiträge der Klägerin und nicht den einzelnen Klinikpatienten in Rechnung gestellt werden. Diese langjährige Praxis, die sogar gänzlich ohne den Erlass von formellen Heranziehungsbescheiden auskam, hat es gleichsam ausgeschlossen, die Klägerin nur deshalb nicht in Anspruch zu nehmen, weil erstmals eine formelle Heranziehung erforderlich wurde. Der hier angefochtene Heranziehungsbescheid konnte nach alledem ermessensfehlerfrei nur gegenüber der Klägerin ergehen, die ihrerseits wirtschaftlich die Kurbeiträge bereits vereinnahmt hatte. Explizite Ermessenserwägungen der Beklagten waren vor diesem Hintergrund entbehrlich.
2.
Unabhängig von Vorstehendem und die Entscheidung selbständig tragend weist die Kammer darauf hin, dass sich der angefochtene Bescheid nach § 128 AO i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 3b NKAG auch in einen Erstattungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 2 AO i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 5a NKAG zur Festsetzung eines Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO analog i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 2b NKAG umdeuten ließe (vgl. ausführlich zu einem derartigen Erstattungsanspruch bei durch einen Beherbergungsbetrieb aufgrund einer unwirksamen Satzung von den Gästen eingezogener, aber nicht an die Gemeinde abgeführter Kurtaxe: Sächsisches OVG, Urt. v. 29.07.2020 - 5 A 1014/17 - juris).
Die Klägerin hat von der Deutschen Rentenversicherung bzw. - soweit diese zuständiger Kostenträger war - der Gesetzlichen Krankenversicherung den vollen vereinbarten pauschalen Vergütungs- bzw. Tagessatz für die in Reha befindlichen Klinikpatienten erhalten, durch den sämtliche während der Reha-Maßnahme anfallenden Kosten, mithin auch der Kurbeitrag, abgegolten sein sollen. Sie muss sich damit so ansehen lassen, als ob die Klinikpatienten (bzw. deren Sozialversicherungsträger) den Kurbeitrag in Höhe der verordnungsrechtlichen Vorgaben an sie abgeführt hätten. Müsste sie die vereinnahmten Kurbeiträge aufgrund der von ihr geltend gemachten coronabedingten Schließungen nicht an die Beklagte abführen, stände sie - ohne selbst irgendwelche Nachteile aufgrund dieser Schließungen gehabt zu haben - bei Lichte betrachtet wirtschaftlich besser da, als sie es unter normalen Umständen getan hätte, wäre mithin ungerechtfertigt bereichert. Die Beklagte hätte gegen die Klägerin in diesem Fall einen Erstattungsanspruch gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2b NKAG i. V. m. § 37 Abs. 2 AO analog auf Erstattung der (bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in voller Höhe) vereinnahmten Kurbeiträge, den sie gegenüber der Klägerin durch Bescheid nach § 11 Abs. 1 Nr. 5a NKAG i. V. m. § 218 Abs. 2 Satz 2 AO festsetzen könnte. Etwaige Auseinandersetzungen betreffend einer eventuellen Schlecht- oder Nichtleistung der Beklagten bei der Bereitstellung von Kureinrichtungen wären nicht zwischen der Klägerin und der Beklagten, sondern zwischen der Beklagten und den einzelnen Kurgästen oder zwischen der Beklagten und der Deutschen Rentenversicherung bzw. der Gesetzlichen Krankenversicherung zu führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO. Der durch die Beklagte vollstreckbare Kostenerstattungsbetrag übersteigt die in § 708 Nr. 11 ZPO genannte Summe.