Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.02.2016, Az.: 9 KN 288/13

Allgemeininteresse; Anliegerinteresse; Frontmetermaßstab; Gemeindeanteil; Hinterlieger; Straßenreinigungsgebühren; Winterdienst

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.02.2016
Aktenzeichen
9 KN 288/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43210
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Ermessenserwägungen des Ortsgesetzgebers im Rahmen der Festlegung des Gemeindeanteils bei Straßenreinigungsgebühren müssen alle für die Bemessung der Höhe des Allgemeininteresses wesentlichen Aspekte berücksichtigen und sich insbesondere an den örtlichen Gegebenheiten orientieren; allgemein gültige Prozentsätze kommen insoweit nicht in Betracht.
2. Die Ermessenserwägungen müssen sich aus den dem Ortsgesetzgeber vorgelegten Unterlagen und/oder dem Sitzungsprotokoll ergeben.
3. Das Anliegerinteresse gibt im Straßenreinigungsgebührenrecht das Interesse wieder, das sämtliche Eigentümer von Grundstücken, die an gereinigte Straßen innerhalb der öffentlichen Einrichtung der Straßenreinigung angrenzen bzw. durch diese erschlossen werden, an der Reinigung der Straßen und sonstigen Anlagen innerhalb der öffentlichen Einrichtung haben.
4. Das durch den Gemeindeanteil abgedeckte Allgemeininteresse wird dagegen begründet durch das Interesse der Gemeinde an der Reinigung ihrer Straßen, Wege und sonstigen Anlagen und das Reinigungsinteresse der einrichtungsfremden Nutzer; zu diesen gehören sowohl die ortsansässigen Eigentümer von Grundstücken an nicht zur öffentlichen Einrichtung der Straßenreinigung gehörenden Straßen als auch die Ortsfremden, soweit diese beiden Personengruppen die Straßen und sonstigen Anlagen innerhalb der öffentlichen Einrichtung in Anspruch nehmen.
5. Wird ein das Allgemeininteresse an der gesamten öffentlichen Einrichtung der Straßenreinigung einheitlich abdeckender Gemeindeanteil festgelegt, hat der Ortsgesetzgeber zunächst die Höhe des Allgemeininteresses bei den einzelnen Straßengruppen und sonstigen Anlagen in seinem Gebiet zu ermitteln, sodann diese hinsichtlich ihrer jeweiligen Reinigungsfläche zueinander ins Verhältnis zu setzen und aus diesem Verhältnis der verschiedenen Gruppen zueinander und dem Ausmaß der einrichtungsfremden Nutzung innerhalb der Gruppen den einheitlichen Gemeindeanteil zu errechnen.

Tenor:

Die Straßenreinigungsgebührensatzungen der Stadt Barsinghausen vom 20. September 2012 betreffend die Gebührenjahre 2010, 2011 und 2012 in der Fassung der Änderungssatzungen vom 19. November 2014 und die Straßenreinigungsgebührensatzung der Stadt Barsinghausen vom 13. Dezember 2012 betreffend die Gebührenjahre 2013 und 2014 in der Fassung der Änderungssatzung vom 19. November 2014 werden für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsteller zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen die Straßenreinigungsgebührensatzungen der Antragsgegnerin vom 20. September 2012 betreffend die Gebührenjahre 2010, 2011 und 2012 in der Fassung der Änderungssatzungen vom 19. November 2014 - SGS 2010, SGS 2011, SGS 2012 - sowie gegen die Straßenreinigungsgebührensatzung der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2012 betreffend die Gebührenjahre 2013 und 2014 in der Fassung der Änderungssatzung vom 19. November 2014 - SGS 2013/14 -.

Er ist Eigentümer eines im Bereich der Antragsgegnerin gelegenen und aus dem Flurstück 6/2, Flur 2, Gemarkung F. bestehenden Grundstücks. Die Antragsgegnerin zog ihn mit Bescheid vom 29. November 2012 zu Gebühren für die Straßenreinigung und den Winterdienst für die Gebührenjahre 2010, 2011 und 2012 in Höhe von insgesamt 969,79 EUR aufgrund ihrer Straßenreinigungsgebührensatzungen vom 20. September 2012 heran. Diese auf der Grundlage der die Jahre 2010, 2011 und 2012 betreffenden Gebührenkalkulation der G. vom 9. August 2012 beschlossenen Satzungen traten rückwirkend zum 1. Januar 2010, 1. Januar 2011 und 1. Januar 2012 in Kraft und ersetzten die Straßenreinigungsgebührensatzung der Antragsgegnerin vom 10. Dezember 2009. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2013, der den Gebührenbescheid vom 11. Januar 2013 ersetzte, zog die Antragsgegnerin den Antragsteller aufgrund der Straßenreinigungsgebührensatzung vom 23. Dezember 2012 ferner zu Gebühren für die Straßenreinigung und den Winterdienst für das Jahr 2013 in Höhe von 724,28 EUR heran. Diese aufgrund der Gebührenkalkulation der G. für die Jahre 2013 und 2014 vom 10. Dezember 2012 beschlossene Satzung trat zum 1. Januar 2013 in Kraft. Der Antragsteller hat gegen die genannten Bescheide der Antragsgegnerin am 23. Dezember 2013 beim Verwaltungsgericht Hannover Klage erhoben.

Nach § 1 der genannten Straßenreinigungsgebührensatzungen in der Fassung der Änderungssatzungen vom 19. November 2014 führt die Antragsgegnerin die Reinigung der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze innerhalb der geschlossenen Ortslage als öffentliche Einrichtung nach Maßgabe ihrer Straßenreinigungssatzung und der Straßenreinigungsverordnung in der jeweils gültigen Fassung durch. Gebührenpflichtig sind nach § 2 Abs. 1 der Satzungen die Benutzer der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung, wobei als Benutzer der Straßenreinigung einschließlich des Winterdienstes die Eigentümer der Grundstücke gelten, die nach dem Straßenverzeichnis der Anlage zur Straßenreinigungssatzung in der jeweils gültigen Fassung an gereinigten Straßen, Wegen und Plätzen liegen. Ab dem Jahr 2012 sind gemäß der Anlage zu der Straßenreinigungssatzung vom 21. Dezember 2011 sämtliche Gemeindestraßen mit Ausnahme der in der genannten Anlage aufgeführten Straßen in den Winterdienst einbezogen. Nach § 2 Abs. 3 der Satzungen werden den Eigentümern der anliegenden Grundstücke u. a. die Eigentümer der Hinterliegergrundstücke gleichgestellt. Der nicht auf die Anlieger umzulegende, also von der Antragsgegnerin zu tragende Teil der Straßenreinigungskosten einschließlich der Kosten für den Winterdienst wird in § 3 Abs. 1 der Straßenreinigungsgebührensatzungen vom 20. September 2012 und in § 4 Abs. 2 der Straßenreinigungsgebührensatzung vom 13. Dezember 2012 auf jeweils 25 % festgelegt.

Der Antragsteller hat am 10. Oktober 2013 in Bezug auf die genannten Gebührensatzungen einen Normenkontrollantrag gestellt, zu dessen Begründung er Folgendes ausführt: Sein Normenkontrollantrag sei zulässig. Er habe zwar erst am 23. Dezember 2013 gegen den Gebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 29. November 2012 Klage erhoben und damit die Klagefrist versäumt, das Verwaltungsgericht Hannover habe ihm jedoch durch rechtskräftiges Zwischenurteil vom 9. Juli 2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich dieses Fristversäumnisses gewährt. Sein Normenkontrollantrag sei unter mehreren Gesichtspunkten auch begründet: Zwischen der sich aus der Straßenreinigungssatzung ergebenden Reinigungspflicht und der sich aus der Gebührensatzung ergebenden Gebührenpflicht bestehe eine Divergenz. Denn durch die Gleichstellung von Hinterliegergrundstücken mit Anliegergrundstücken in den angefochtenen Straßenreinigungsgebührensatzungen würden Grundstückseigentümer zur Straßenreinigungsgebühr herangezogen, die nach der Straßenreinigungssatzung nicht reinigungspflichtig seien. Durch die Beschränkung der Straßenreinigung auf bestimmte Straßen und die Nicht-Einbeziehung bestimmter weniger Straßen in den Winterdienst entstehe eine Ungleichbehandlung der Straßenanlieger, die auf den Gebührensatz durchschlage. Den Gebührenpflichtigen sei durch den rückwirkenden Erlass der Straßenreinigungsgebührensatzungen vom 20. September 2012 hinsichtlich der Jahre 2010 bis 2012 die Möglichkeit genommen worden, die Straßenreinigungsleistungen zu dokumentieren und zu überprüfen, ob diese Leistungen tatsächlich erbracht worden seien. Der durch die Rückwirkung eingetretene Beweisverlust führe zu einer unangemessenen Benachteiligung der Bürger. Es würden Gebühren für eine vermeintlich wöchentlich durchgeführte Straßenreinigung erhoben, die aber nicht durchgeführt worden sei. Der Rat der Antragsgegnerin sei bei seiner Beschlussfassung von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Denn er habe insbesondere im Hinblick auf den Winterdienst angenommen, dass dieser flächendeckend gewährleistet werden könne. Dies sei jedoch nicht der Fall. Der Winterdienst werde mit unterschiedlicher Priorität durchgeführt, was dazu führe, dass manche Straßen kapazitätsbedingt nicht oder erst verspätet geräumt würden. Die Bürger würden zur Zahlung von Gebühren für die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung herangezogen, die ihnen mangels Kapazität nicht zur Verfügung gestellt werden könne. Außerdem seien die Gebührensätze willkürlich festgesetzt worden. Die Gebührenkalkulation für die Jahre 2010, 2011 und 2012 habe einen Gebührensatz für den Winterdienst im Jahr 2010 in Höhe von 1,45 EUR, im Jahr 2011 in Höhe von 0,97 EUR und im Jahr 2012 in Höhe von 0,62 EUR je Meter Straßenfront ergeben. Tatsächlich seien jedoch Gebührensätze für den Winterdienst in Höhe von nur 0,34 EUR je Meter Straßenfront in den diese Jahre betreffenden Straßenreinigungsgebührensatzungen festgelegt worden. Die zugrunde liegende Kostenberechnung sei daher letztlich falsch gewesen. Gleiches gelte für die Straßenreinigung außerhalb des Winterdienstes. Die Gebührenkalkulation habe für die Straßenreinigung Gebührensätze für das Jahr 2010 in Höhe von 1,66 EUR, für das Jahr 2011 in Höhe von 1,88 EUR und für das Jahr 2012 in Höhe von 2,42 EUR je Meter Straßenfront ermittelt. Die niedrigere Festlegung der Gebührensätze in den Straßenreinigungsgebührensatzungen für diese Jahre beruhe daher ebenfalls auf einer falschen Berechnung und willkürlichen Festsetzung.

Der Antragsteller beantragt,

die Straßenreinigungsgebührensatzungen der Antragsgegnerin vom 20. September 2012 für die Gebührenjahre 2010, 2011 und 2012 in der Fassung der Änderungssatzungen vom 19. November 2014 sowie die Straßenreinigungsgebührensatzung der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2012 für die Gebührenjahre 2013 und 2014 in der Fassung der Änderungssatzung vom 19. November 2014 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie bestreitet die Antragsbefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers hinsichtlich der Durchführung eines Normenkontrollverfahrens gegen die Straßenreinigungsgebührensatzungen vom 20. September 2012 für die Gebührenjahre 2010, 2011 und 2012. Denn der Straßenreinigungsgebührenbescheid vom 29. November 2012 betreffend diese Gebührenjahre sei bestandskräftig. Da die Veranlagung zu Straßenreinigungsgebühren für diese Jahre abgeschlossen sei, fehle dem Antragsteller bezüglich dieser Satzungen das Rechtsschutzbedürfnis. Der Normenkontrollantrag sei ferner insgesamt nicht begründet. Es sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts geklärt, dass ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht vorliege, wenn auch die Eigentümer von Hinterliegergrundstücken zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen würden, da auch den Eigentümern dieser Grundstücke ein Vorteil aus der Straßenreinigung zukomme. Es könne auch keine Ungleichbehandlung darin gesehen werden, dass einige Straßen nicht gereinigt und in einigen Straßen kein Winterdienst durchgeführt werde. Von der Straßenreinigung seien nur Straßen von unwesentlicher Bedeutung ausgenommen. Der Winterdienst werde auf der Grundlage einer Prioritätenliste praktisch flächendeckend an einem Tag bei allen in den Winterdienst einbezogenen Straßen durchgeführt.   Ihr Rat sei daher entgegen der Behauptung des Antragstellers bei der Beschlussfassung über die angefochtenen Satzungen nicht von einer fehlerhaften Beschlussgrundlage ausgegangen. Die Winterdienstgebühren würden nur von den Anliegern erhoben, deren Straßen nicht vom flächendeckenden Winterdienst gemäß der Anlage zur jeweiligen Straßenreinigungssatzung ausgenommen seien. Den angefochtenen Straßenreinigungsgebührensatzungen lägen auch ordnungsgemäße Gebührenkalkulationen zu Grunde. Die Gebührensätze für die normale Straßenreinigung und den Winterdienst seien in den Gebührensatzungen vom 20. September 2012 für die Jahre 2010 bis 2012 niedriger festgelegt worden als es nach der Gebührenkalkulation der G. möglich gewesen wäre, da sie im Hinblick auf die Rückwirkung dieser Satzungen das Schlechterstellungsverbot des § 2 Abs. 2 Satz 4 NKAG habe beachten müssen und sie deshalb die Gebührensätze in derselben Höhe wie bei den ersetzten Satzungen beschlossen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag des Antragstellers ist zulässig.

Die angefochtenen Satzungen unterliegen nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO  in Verbindung mit § 7 des bis zum 30. Dezember 2014 gültig gewesenen Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zur VwGO bzw. § 75 des ab dem 31. Dezember 2014 gültigen Niedersächsischen Justizgesetzes der Normenkontrolle.

Der Antragsteller ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt und hat auch ein anzuerkennendes Rechtsschutzinteresse. Hinsichtlich der SGS 2010, SGS 2011, SGS 2012 und SGS 2013/14, soweit sie die Gebührenjahre 2010 bis 2013 betreffen, kann der Antragsteller geltend machen, zum Adressatenkreis der Satzungen zu gehören und auch noch eine Anwendung der Satzungen auf ihn abwenden zu können, da die auf der Grundlage dieser Satzungen ergangenen Bescheide der Antragsgegnerin vom 29. November 2012 für die Gebührenjahre 2010 bis 2012 und vom 23. Dezember 2013 für das Gebührenjahr 2013 noch nicht bestandskräftig sind. Der Antragsteller hat zwar durch die Klageerhebung gegen diese Bescheide erst am 23. Dezember 2013 in Bezug auf den Bescheid vom 29. November 2012 die Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO versäumt. Das Verwaltungsgericht Hannover hat dem Antragsteller jedoch durch rechtskräftiges Zwischenurteil vom 9. Juli 2014 (1 A 8170/13) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Frist zur Erhebung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. November 2012 gewährt. Auch im Hinblick auf das Gebührenjahr 2014 kann der Antragsteller geltend machen, durch die Anwendung der SGS 2013/2014 in seinen Rechten verletzt zu sein, da er - wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat - gegen den das Jahr 2014 betreffenden Gebührenbescheid fristgerecht Klage erhoben hat.

Bei der Prüfung der Begründetheit des Normenkontrollantrags ist der Senat nicht gehindert, die Feststellung, dass die angefochtenen Satzungen unwirksam sind, auf die Fehlerhaftigkeit von Satzungsbestimmungen zu stützen, die der Antragsteller, der die Satzungen in vollem Umfang angefochten hat, in seiner Antragsbegründung nicht angegriffen hat. Denn das Normenkontrollgericht ist bei der Prüfung der Wirksamkeit einer insgesamt angefochtenen Satzung nicht auf die vom Antragsteller geltend gemachten Mängel beschränkt. Es kann demgemäß die angegriffene Satzung auch aus Gründen als rechtsfehlerhaft ansehen, welche der Antragsteller nicht vorgetragen hat (BVerwG, Beschluss vom 20.6.2001 - 4 BN 21.01 -, Rn. 12 und 13 in juris; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2015, § 47 Rn. 87). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich nicht um eine “ungefragte Fehlersuche“ handelt, weil der Fehler sich - wie hier - schon bei Durchsicht der angefochtenen Satzungen aufdrängt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.4.2002  - 9 CN 1.01 - 2. und 3. Leitsatz und Rn. 43 f. in juris, Beschluss vom 20.6.2001 - 4 BN 21.01 - Rn. 17 in juris).

Bei Zugrundelegung dieses Prüfungsumfangs ist der Normenkontrollantrag des Antragstellers begründet. Die SGS 2010, SGS 2011, SGS 2012 und SGS 2013/14 sind aufgrund eines von dem Antragsteller nicht gerügten, aber sich bereits nach dem Wortlaut der Satzungen aufdrängenden Satzungsfehlers unwirksam. Denn die Antragsgegnerin hat den Gemeindeanteil in § 3 Abs. 1 SGS 2010, SGS 2011, SGS 2012 und § 4 Abs. 2 SGS 2013/14 fehlerhaft und damit unwirksam festgelegt.

Die Notwendigkeit, im Straßenreinigungsgebührenrecht einen Gemeindeanteil zu bestimmen und damit nicht die gesamten Kosten der Straßenreinigung auf die Eigentümer der an gereinigte Straßen angrenzenden Grundstücke (Anlieger) sowie (falls die Satzung dies vorsieht) auf die Eigentümer der weiteren durch die jeweilige Straße erschlossenen Grundstücke (Hinterlieger) abzuwälzen, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Straßenreinigung nicht nur im Interesse dieser Grundstückseigentümer  innerhalb der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung (Anliegerinteresse), sondern auch im Interesse der einrichtungsfremden Straßennutzer und in diesem Umfang im Allgemeininteresse durchgeführt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.5.1984 - 8 C 55.82 und 8 C 58.82 - BVerwGE 69, 242 sowie Rn. 17 in juris, Urteil vom 7.4.1989 - 8 C 90.87 - BVerwGE 81, 371 = KStZ 1989 192; Urteil des erkennenden Senats vom 8.6.1993 - 9 K 4785/91 - sowie dessen Beschluss vom 9.8.1999 - 9 L 2759/99 -; Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2015, § 6 Rn. 744). Da die öffentliche Einrichtung “Straßenreinigung“ - in aller Regel und auch hier - nicht nur einzelne Straßen, sondern alle nach dem Satzungsrecht zu reinigenden Straßen, Wege und Plätze innerhalb der geschlossenen Ortslage umfasst (vgl. § 1 der angefochtenen Satzungen), sind Anliegerinteresse und Allgemeininteresse abweichend vom Straßenausbaubeitragsrecht zu definieren, bei dem die jeweilige ausgebaute Straße die öffentliche Einrichtung bildet und sich das Anliegerinteresse allein nach dem Umfang desjenigen Verkehrs, der von den an dieser Straße anliegenden Grundstücken ausgeht bzw. dorthin führt, bestimmt. Das Anliegerinteresse gibt im Straßenreinigungsgebührenrecht das Interesse wieder, das sämtliche Eigentümer von Grundstücken, die an gereinigte Straßen innerhalb der öffentlichen Einrichtung “Straßenreinigung“ angrenzen bzw. durch diese erschlossen werden, an der Reinigung der Straßen und sonstigen Anlagen innerhalb der öffentlichen Einrichtung haben. Das Allgemeininteresse wird dagegen begründet durch das Interesse der einrichtungsfremden Nutzer an gereinigten Straßen; zu diesen Nutzern gehören sowohl die ortsansässigen Eigentümer von Grundstücken an nicht zur öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung gehörenden Straßen als auch die Ortsfremden, soweit diese beiden Personengruppen Durchgangsstraßen, Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr, Anliegerstraßen sowie sonstige gereinigte Einrichtungen der Gemeinde in Anspruch nehmen; außerdem kann die Gemeinde selbst zusätzlich ein eigenes Interesse an der Reinigung ihrer Straßen, Wege und sonstigen Anlagen innerhalb der satzungsmäßig definierten öffentlichen Einrichtung haben (vgl.  OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9.9.2015 - 6 A 10447/15 - 2. Leitsatz und Rn. 25 in juris zu entsprechenden Erwägungen bei wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen). Der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verbietet es, diejenigen Kosten, die der Befriedigung dieses Allgemeininteresses dienen, den Anliegern (und Hinterliegern) aufzubürden (BVerwG, Urteile vom 25.5.1984 - 8 C 55.82 und 8 C 58.82 - Leitsatz und Rn. 17 in juris und vom 7.4.1989 - 8 C 90.87 - 1. Leitsatz und Rn. 16 in juris).

Die Festlegung der Höhe des auf das Allgemeininteresse entfallenden Teils der Straßenreinigungskosten (Gemeindeanteil) liegt im Ermessen des Ortsgesetzgebers (vgl. z. B. Beschluss des erkennenden Senats vom 17.10.2007 - 9 LA 377/05 - Rn. 8 in juris sowie dessen Urteil vom 1.2.2016 - 9 KN 277/14 -). Dabei belässt ihm der Gleichheitssatz für die Bewertung des Allgemeininteresses eine weitgehende Einschätzungsfreiheit (BVerwG, Urteil vom 7.4.1989 - 8 C 90.87 - KStZ 1989, 192 sowie 2. Leitsatz und Rn. 19 in juris). Die Ermessenserwägungen müssen aber alle für die Bemessung der Höhe des Allgemeininteresses wesentlichen Aspekte berücksichtigen (Wiedmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 7. Aufl. 2013, Rn. 353). Sie müssen sich aus den dem Rat vorgelegten Unterlagen - etwa der Sitzungsvorlage, der Gebührenkalkulation und deren Anlagen oder sonstigen Unterlagen - und/oder dem Protokoll der Ratssitzung ergeben (Wiedmann, a.a.O.). Es muss deutlich werden, dass sich der Ortsgesetzgeber bei seiner Entscheidung an den örtlichen Gegebenheiten orientiert hat, insbesondere an dem Verhältnis zwischen der Anzahl einerseits der Straßen, die überwiegend von dem zur öffentlichen Einrichtung gehörenden Personenkreis genutzt werden, und andererseits derjenigen Straßen, die in erheblichem Umfang auch einem einrichtungsfremden Benutzerkreis dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.4.1989, a.a.O.). Es ist zwar rechtlich zulässig, aber nicht notwendig, dass der Gemeindeanteil differenziert nach der Verkehrsbedeutung der jeweils gereinigten Straßen festgelegt wird (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 7.4.1989, a.a.O. sowie Urteil des erkennenden Senats vom 14.10.1997 - 9 L 3432/96 - Rn. 29 in juris). Wird jedoch ein das Allgemeininteresse an der gesamten öffentlichen Einrichtung der Straßenreinigung einheitlich abdeckender Gemeindeanteil festgelegt, muss nachvollziehbar sein, wie dieser ermittelt worden ist. Erforderlich ist, dass der Ortsgesetzgeber zunächst die Höhe des Allgemeininteresses ermittelt, das bei den einzelnen Straßengruppen (beispielsweise Anliegerstraßen, Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr, Durchgangsstraßen) und sonstigen Anlagen (beispielsweise öffentlich zugängliche Park- und Grünanlagen) in seinem Gebiet jeweils an der Straßenreinigung besteht; dabei wird er zu dem Ergebnis kommen müssen, dass das Allgemeininteresse umso höher ist, je intensiver einrichtungsfremde Nutzer die betreffende Straßengruppe oder Anlage in Anspruch nehmen. In einem weiteren Schritt sind sodann die jeweils gebildeten Straßengruppen und sonstigen Anlagen hinsichtlich ihrer jeweiligen Reinigungsfläche zueinander ins Verhältnis zu setzen. Aus diesem Verhältnis der verschiedenen Gruppen zueinander und dem Ausmaß der einrichtungsfremden Nutzung innerhalb der Gruppen errechnet sich der einheitlich festgelegte Gemeindeanteil (vgl. Wiedmann, a.a.O., Rn. 353). Soweit der Senat den Ansatz eines kommunalen Eigenanteils bei Straßenreinigungsgebühren in Höhe von 25 % generell als unbedenklich angesehen hat (Urteil vom 24.8.1994 - 9 K 5140/93 - Rn. 36 in juris; siehe auch Beschluss vom 9.8.1999 - 9 L 2759/99 -), hält er hieran nicht mehr fest, da der Gemeindeanteil nach den oben dargestellten Maßgaben im Hinblick auf die jeweiligen örtlichen Verhältnisse im Einzelfall zu ermitteln ist (vgl. entsprechend zum Fremdenverkehrsbeitragsrecht das Senatsurteil vom 1.2.2016 - 9 KN 277/14 -) und feste Prozentsätze für die Festlegung des Gemeindeanteils daher nicht in Betracht kommen. Außerdem dürfte ein Gemeindeanteil in dieser Höhe vor allem in Gemeinden mit einem hohen Anteil von Durchgangsstraßen, bei denen die Straßenreinigung überwiegend im Interesse einrichtungsfremder Nutzer durchgeführt wird, zu niedrig sein.

Diesen Anforderungen genügt die Festlegung des Gemeindeanteils in § 3 Abs. 1 SGS 2010, SGS 2011 und SGS 2012 nicht. Die Vorschrift hat - unter der fehlerhaften Überschrift „Gebührenmaßstab“ - folgenden Wortlaut:

„Die Straßenreinigungsgebühren sollen die Kosten der Straßenreinigung decken. Die Stadt trägt den nicht umlagefähigen Teil der Kosten. Dieser Anteil wird auf 25 v. H. der gesamten Straßenreinigungskosten einschließlich der Kosten des Winterdienstes festgesetzt.

Der auf die Stadt entfallende Teil umfasst:

1. Die Kosten für die Reinigung der der Öffentlichkeit zugänglichen Park- und Grünanlagen sowie für Straßenkreuzungen und -einmündungen, Verkehrsinseln und ähnliche dem Verkehr dienende Anlagen,

2. die Kosten für die Reinigung der überwiegend dem Durchgangsverkehr dienenden Straßen, soweit die Kosten durch den Durchgangsverkehr verursacht werden, und

3. die Kostenanteile für Billigkeitserlasse nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 a) NKAG  i.V.m. § 227 Abs. 1. AO 1977.“

Diese Satzungsbestimmungen verdeutlichen, dass die Antragsgegnerin bei der Bildung des Gemeindeanteils nicht den oben dargestellten Maßgaben gerecht geworden ist, da sie das Anlieger- und Allgemeininteresse nur unvollständig bewertet hat. Die Antragsgegnerin hat nämlich dem Gemeindeanteil lediglich die Kosten zugeordnet, die auf die Reinigung der unter der Nr. 1 genannten Anlagen sowie auf die Reinigung der überwiegend dem Durchgangsverkehr dienenden Straßen (Nr. 2) entfallen. Es fehlt völlig die Berücksichtigung des Allgemeininteresses hinsichtlich der Reinigung der übrigen Straßentypen - beispielsweise der Anliegerstraßen und der Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr -, die (in unterschiedlicher Intensität) ebenfalls von einrichtungsfremden Personen genutzt werden und bei denen daher ein Teil der Kosten auf das Allgemeininteresse an der Straßenreinigung entfällt. Dass die Aufzählung in § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 SGS 2010, SGS 2011 und SGS 2012 nicht abschließend sein soll - wie die Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben -, ergibt sich aus dem Wortlaut der Satzung nicht. Auch hat die Antragsgegnerin gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 SGS 2010, SGS 2011 und SGS 2012 „Kostenanteile für Billigkeitserlasse nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 a) NKAG  i.V.m. § 227 Abs. 1. AO 1977“ in den Gemeindeanteil einbezogen, die nicht über die Straßenreinigungsgebühren, sondern aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu refinanzieren sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.8.1989 -2 S 2805/87 -, VBlBW 1990, 103, 108; Lichtenfeld in Driehaus, a.a.O., § 6 Rn. 744). Derartige Kosten dürfen deshalb unter keinem Gesichtspunkt, also auch nicht in Form der Anrechnung auf den Gemeindeanteil, in den Gebührenhaushalt einbezogen werden.

Auch aus den dem Rat der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen - den Sitzungsvorlagen der Verwaltung für die Ratssitzungen vom 20. September 2012 und 19. November 2014 und der Gebührenkalkulation vom 9. August 2012 für die Gebührenjahre 2010 bis 2012 - und den Protokollen der Ratssitzungen vom 20. September 2012 und 19. November 2014 ergeben sich keine Hinweise darauf, welche Ermessenserwägungen der Rat der Antragsgegnerin bei der Festlegung der in der Satzung ausgewiesenen Kriterien für die Bildung des Gemeindeanteils angestellt hat, aus welchen konkreten Gründen der Rat einen Gemeindeanteil gerade von 25 % gewählt hat und auf welche Weise der 25 %ige Gemeindeanteil errechnet worden ist. Auch ist nicht erkennbar, dass die Straßengruppen zueinander ins Verhältnis gesetzt worden sind. Einen ausreichenden Hinweise enthält auch nicht der in der Vorlage der Verwaltung für die Ratssitzung vom 20. September 2012 enthaltene Satz „Wie bei Gebühren und Beiträgen generell üblich, kann die Stadt nicht 100 % der Kosten umlegen, so dass ein oberverwaltungsgerichtlich anerkannter Anteil von 25 % in jedem Fall bei ihr verbleibt“. Denn die Bezugnahme auf eine obergerichtliche Rechtsprechung ersetzt nicht die aus den oben genannten Gründen notwendige nachvollziehbare Darstellung der Ermittlung des Gemeindeanteils anhand der örtlichen Verhältnisse im Einzelfall. Aus den genannten, dem Rat der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen und den Protokollen der Ratssitzungen geht auch nicht hervor, dass der Rat bei seinen Beschlussfassungen auf die Gebührenkalkulation zu der Straßenreinigungsgebührensatzung vom 10. Dezember 2009, soweit diese nach den Ausführungen der Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung Hinweise auf die Ermittlung der Höhe des Gemeindeanteils von 25 % enthalten soll, hat Bezug nehmen wollen. Diese Gebührenkalkulation hatte dem Rat bei seinen Beschlussfassungen am 20. September 2012 und 19. November 2014 nicht vorgelegen, wie die Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin nach dem oben Gesagten bei der Bildung des Gemeindeanteils ein unzutreffendes System bzw. fehlerhafte Kriterien angewendet hat, ist nach alledem entgegen den oben dargestellten Erfordernissen in keiner Weise nachvollziehbar, wie der das Allgemeininteresse an der gesamten öffentlichen Einrichtung der Straßenreinigung einheitlich abdeckende Gemeindeanteil von 25 % in § 3 Abs. 1 Satz 3 SGS 2010, SGS 2011 und SGS 2012 zustande gekommen ist.

Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für die Regelung des Gemeindeanteils in § 4 Abs. 2 SGS 2013/14. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

„Der Kostenanteil, der auf das allgemeine Interesse an der Straßenreinigung sowie auf die Reinigung der Straßen oder Straßenteile entfällt, für die eine Reinigungspflicht nicht besteht, trägt die Stadt. Er beträgt 25 v. Hundert der gesamten Straßenreinigungskosten einschließlich der Kosten des Winterdienstes.

Der auf die Stadt entfallende Teil umfasst insbesondere:

1.Die Kosten für die Reinigung der der Öffentlichkeit zugänglichen Park- und Grünanlagen sowie für Straßenkreuzungen und -einmündungen, Verkehrsinseln und ähnliche dem Verkehr dienende Anlagen,
2.die Kosten für die Reinigung der überwiegend dem Durchgangsverkehr dienenden Straßen, soweit die Kosten durch den Durchgangsverkehr verursacht werden, und
3.die Kostenanteile für Billigkeitserlasse nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 a) NKAG  i.V.m. § 227 Abs. 1. AO 1977.“

Auch diese Regelungen werden den an die Bildung des Gemeindeanteils zu stellenden Anforderungen nicht gerecht. Durch den Zusatz „insbesondere“ in Satz 3 wird betont, dass dem Gemeindeanteil vor allem die Kosten zuzuordnen sind, die auf die Reinigung der unter der Nr. 1 genannten Anlagen sowie auf die Reinigung der überwiegend dem Durchgangsverkehr dienenden Straßen (Nr. 2) entfallen. § 4 Abs. 2 SGS 2013/14 enthält keinen Hinweis darauf, dass auch bei weiteren Straßengruppen (welche?) ein Gemeindeanteil anfällt. Es fehlt daher auch nach diesen Satzungsbestimmungen eine hinreichend umfassende Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der Reinigung im Hinblick auf alle im Einrichtungsgebiet vorhandene Straßengruppen. Außerdem sind nach § 4 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGS 2013/14 wiederum „Kostenanteile für Billigkeitserlasse nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 a) NKAG  i.V.m. § 227 Abs. 1. AO 1977“ in den Gemeindeanteil einbezogen worden, die nach den obigen Ausführungen nicht über die Straßenreinigungsgebühren, sondern aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu refinanzieren sind. Schließlich erscheint es fraglich, ob auf den Gemeindeanteil auch gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 SGS 2013/14 diejenigen Kosten angerechnet werden dürfen, die auf die Reinigung der Straßen oder Straßenteile entfallen, für die eine Reinigungspflicht nicht besteht.

Auch aus den dem Rat der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen - den Sitzungsvorlagen der Verwaltung für die Ratssitzungen vom 13. Dezember 2012 und 19. November 2014 und der Gebührenkalkulation vom 10. Dezember 2012 für die Jahre 2013 und 2014 - und den Protokollen der Ratssitzungen vom 13. Dezember 2012 und 19. November 2014 ergeben sich keine Hinweise darauf, welche Ermessenserwägungen der Rat der Antragsgegnerin bei der Festlegung der in der Satzung ausgewiesenen Kriterien für die Bildung des Gemeindeanteils angestellt hat, aus welchen konkreten Gründen der Rat einen Gemeindeanteil gerade in Höhe von 25 % gewählt hat und auf welche Weise dieser Gemeindeanteil errechnet worden ist. Es fehlt neben einer Bewertung des Allgemeininteresses bei allen Straßengruppen im Einrichtungsgebiet insbesondere eine Darstellung des Verhältnisses der einzelnen Straßengruppen zueinander und eine nachvollziehbare Ermittlung des das Allgemeininteresse an der gesamten öffentlichen Einrichtung der Straßenreinigung einheitlich abdeckenden Gemeindeanteils von 25 % nach den oben dargestellten Kriterien. In der Gebührenkalkulation vom 10. Dezember 2012 ist lediglich in den “Vorbemerkungen“ unter dem Punkt 3.3 ausgeführt worden, dass „der Abzug in Höhe von 25 %“ der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (Urteil vom 12.12.1989 - 9 L 83/89 -) entspricht. Diese bloße Bezugnahme auf die Senatsrechtsprechung ersetzt jedoch nicht die aus den oben genannten Gründen notwendige nachvollziehbare Darstellung der Ermittlung des Gemeindeanteils anhand der örtlichen Verhältnisse im Einzelfall. Auch geht aus den dem Rat der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen und den Protokollen der Ratssitzungen nicht hervor, dass der Rat bei seinen Beschlussfassungen hat Bezug nehmen wollen auf die Gebührenkalkulation zu der Straßenreinigungsgebührensatzung vom 10. Dezember 2009, die dem Rat zwar nicht vorgelegen hat, die aber nach den Ausführungen der Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung Hinweise auf die Ermittlung der Höhe des Gemeindeanteils von 25 % enthalten soll.

Die somit gegebene Unwirksamkeit der Satzungsregelungen über den Gemeindeanteil in § 3 Abs. 1 SGS 2010, SGS 2011 und SGS 2012 sowie in § 4 Abs. 2 SGS 2013/14 hat die Gesamtunwirksamkeit der vom Antragsteller in vollem Umfang angefochtenen Gebührensatzungen der Antragsgegnerin zur Folge. Steht eine einzelne unwirksame Satzungsregelung derart untrennbar in einem Gesamtzusammenhang mit dem übrigen Normgefüge, dass eine Teilunwirksamkeit ausscheidet, muss das Normenkontrollgericht die Satzung insgesamt für unwirksam erklären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.8.1991 - 4 NB 3.91 - NVwZ 1992, 567; Urteile vom 16.12.1999 - 4 CN 7.98 - BVerwGE 110, 193, vom 2.8.2012 - 7 CN 1.11 - NVwZ 2013, 227 und vom 17.2.2005   - 7 CN 6.04 - NVwZ 2005, 695; Senatsurteil vom 10.11.2014 - 9 KN 33/14 -Rn. 91 in juris). Hier steht die fehlerhafte Festlegung des Gemeindeanteils in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Festlegung der Gebührensätze in § 5 SGS 2010, SGS 2011 und SGS 2012 sowie in § 5 SGS 2013/14. Denn der Gemeindeanteil von 25 % ist sowohl bei der Berechnung der umlagefähigen Kosten der Straßenreinigung als auch bei der Berechnung der umlagefähigen Kosten des Winterdienstes von den jeweils gebührenfähigen Kosten abgezogen worden. Die umlagefähigen Kosten sind sodann durch die jeweiligen Leistungseinheiten (Frontmeter) dividiert worden, woraus sich der jeweilige Gebührensatz ergeben hat. Die Fehlerhaftigkeit des Gemeindeanteils führt daher zwangsläufig zur Fehlerhaftigkeit der beschlossenen Gebührensätze. Die Gebührensätze gehören zum wesentlichen Mindestinhalt der angefochtenen Satzungen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG). Unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 139 BGB scheidet daher eine Abtrennbarkeit der Satzungsregelungen in § 3 Abs. 1 SGS 2010, SGS 2011 und SGS 2012 sowie in § 4 Abs. 2 SGS 2013/14 aus dem ansonsten fortbestehenden Normgefüge und eine Unwirksamerklärung nur dieser Satzungsregelungen aus.

Die vom Antragsteller schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Einwände gegen die Wirksamkeit der streitigen Straßenreinigungsgebührensatzungen der Antragsgegnerin greifen allerdings nicht durch:

Sein Einwand, in § 1 der angegriffenen Gebührensatzungen seien falsche Straßenreinigungssatzungen in Bezug genommen worden, hat sich - wie er in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat - aufgrund der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Änderungen des § 1 erledigt.

Mit seinem Vorbringen, dass durch die Gleichstellung von Anlieger- und Hinterliegergrundstücken Eigentümer gebührenpflichtig würden, die (als Hinterlieger) nicht Benutzer der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung und nicht reinigungspflichtig seien, wendet sich der Antragsteller gegen § 2 Abs. 9 SGS 2010, § 2 Abs. 6 SGS 2011 und § 2 Abs. 3 SGS 2012 sowie SGS 2013/14, wonach „die Eigentümer der übrigen durch die Straße erschlossenen Grundstücke (Hinterlieger)“ den Eigentümern der anliegenden Grundstücke bei der Festlegung des Kreises der Gebührenpflichtigen gleichgestellt werden. Diese Regelung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Gleichstellung entspricht der ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung in § 52 Abs. 3 Satz 2 NStrG. Entgegen der Ansicht des Antragstellers wird durch das gerügte Auseinanderfallen einerseits des Kreises der Reinigungspflichtigen und andererseits des Kreises der Gebührenpflichtigen nicht eine sachwidrige Ungleichbehandlung von vergleichbaren Sachverhalten im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG begründet. Denn bei der Übertragung der Verpflichtung zur Straßenreinigung auf die Anlieger gemäß § 52 Abs. 4 Satz 1 NStrG und der Festlegung des Kreises der Gebührenpflichtigen in § 52 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NStrG bei einer von der Gemeinde durchgeführten Straßenreinigung handelt es sich um unterschiedliche, rechtlich eigenständig zu beurteilende Sachverhalte. Nur wenn die Pflicht zur Straßenreinigung nach § 52 Abs. 2 NStrG bei der Gemeinde verbleibt, also nicht auf die Anlieger übertragen wird, ist die Erhebung von Gebühren für die Straßenreinigung zulässig, dann aber auch entsprechend § 52 Abs. 3 Satz 2 NStrG bei allen, die von der gereinigten Straße einen Vorteil haben, also auch bei den Eigentümern von Hinterliegergrundstücken (zur Rechtmäßigkeit der Gleichstellung von Anlieger- und Hinterliegergrundstücken vgl. Beschlüsse des BVerwG vom 9.12.1993 - 8 NB 5.93 - KStZ 1994, 152 = NStN 1995, 14 und vom 8.12.1986 - 8 B 74.86 - KStZ 1987, 72; Urteile des Senats vom 24.8.1994 - 9 K 5140/93 - NStN 1995, 15 = Nds.VBl. 1995, 62, und vom 11.5.2000 - 9 L 2479/99 und 9 L 2506/99 -,  Beschluss des Senats vom 31.5.2010 - 9 LA 137/09 -).

Mit seinem Einwand, wegen der Beschränkung der Straßenreinigung und des Winterdienstes auf bestimmte Straßen finde eine „Ungleichbehandlung der Gebührenpflichtigen“ statt, will der Antragsteller anscheinend rügen, dass der Gebührenpflicht nach dem Satzungsrecht der Antragsgegnerin nur diejenigen unterliegen, die Eigentümer von Anlieger- oder Hinterliegergrundstücken an Straßen sind, bei denen die Leistungen der Straßenreinigung bzw. des Winterdienstes erbracht werden. Dass die Eigentümer von Anlieger- oder Hinterliegergrundstücken an den sonstigen, also den nicht gereinigten Straßen nicht gebührenpflichtig sind, wird vom Gesetz aber gerade gefordert. Denn § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 NKAG setzt die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bzw. der mit ihr gebotenen Leistung voraus, die aber gemäß § 52 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NStrG nur bei den „der Reinigung unterliegenden Straßen“, also nicht bei nicht gereinigten Straßen gegeben ist.

Die Rügen des Antragstellers, dass der Winterdienst entgegen der Annahme des Rates nicht flächendeckend durchgeführt werden könne, dass manche Straßen kapazitätsbedingt nicht oder erst verspätet geräumt würden und dass deshalb Gebühren für eine Einrichtung gezahlt würden, die kapazitätsbedingt nicht zur Verfügung stehe, verhelfen seinem Normenkontrollantrag ebenfalls nicht zum Erfolg. Sie beziehen sich nicht auf die - hier allein zu prüfende - Wirksamkeit von Normen in den angefochtenen Satzungen, sondern auf die Rechtsanwendung im Einzelfall, die nur zum Gegenstand der Klageverfahren gegen die erlassenen Gebührenbescheide gemacht werden kann. Dass der Winterdienst nicht in allen Straßen sofort und zeitgleich durchgeführt wird, liegt wegen der aus Kostengründen zwangsläufigen Kapazitätsbeschränkungen in der Natur der Sache und begründet deshalb keinen rechtserheblichen Mangel der gebührenpflichtigen Leistung.

Die Angriffe des Antragstellers gegen die Zulässigkeit der in § 11 SGS 2010, SGS 2011 und SGS 2012 vorgesehenen Rückwirkung sind ebenfalls unbegründet. Die Voraussetzungen für eine zulässige Rückwirkung von Abgabensatzungen sind in § 2 Abs. 2 NKAG geregelt und in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. zum Schlechterstellungsverbot z. B. Beschluss des Senats vom 21. 11. 2006 - 9 ME 214/06 -). Der vom Antragsteller vorgetragene Umstand, dass die Unzulänglichkeit von Straßenreinigungen für die Vergangenheit schwerer nachweisbar sei als für die Gegenwart, steht der vom Gesetz ausdrücklich zugelassenen Rückwirkung ersichtlich nicht entgegen. Denn Fragen der Beweisführung im Hinblick auf die ordnungsgemäße Durchführung der Straßenreinigung betreffen die tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall und berühren die grundsätzliche Zulässigkeit einer Rückwirkung ebenso wenig wie die Maßstäbe für eine zulässige Rückwirkung. Folglich kann die Frage, ob die Straßenreinigung im Gebiet der Antragsgegnerin ordnungsgemäß oder aber derart schlecht durchgeführt worden ist, dass die Erhebung der vollen Gebühr ausscheidet, (vgl. zu den insoweit geltenden Maßstäben Beschlüsse des Senats vom 20.8.2015 - 9 LA 38/14, 9 LA 39/14 und 9 LA 40/14 - und vom 13.1.2010 - 9 LA 205/08 - Rn 7 in juris; siehe ferner Sächs.OVG Urteil vom 17.6.1998 - 2 S 646/96 -) nicht im hier anhängigen Normenkontrollverfahren, sondern nur in den Klageverfahren gegen die Gebührenbescheide für die einzelnen Erhebungsjahre streiterheblich sein.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers liegt in dem Umstand, dass die Antragsgegnerin einen niedrigeren als den kalkulierten Gebührensatz beschlossen hat, keine Willkür. In einer Gebührenkalkulation wird nicht der zu beschließende, sondern der höchstens zulässige Gebührensatz ermittelt. Vorliegend musste sich die Antragsgegnerin sogar für einen niedrigeren als den höchstens zulässigen Gebührensatz entscheiden, weil nur auf diese Weise dem Gebot des § 2 Abs. 2 Satz 4 NKAG  Rechnung getragen werden konnte, wonach bei dem rückwirkenden In-Kraft-Setzen einer Regelung die Gesamtheit der Abgabepflichtigen nicht ungünstiger gestellt werden darf als nach der ersetzten Satzung (vgl. dazu z. B. Senatsbeschluss vom 21.11.2006 - 9 ME 214/06 -).

Auch die vom Antragsteller - mündlich - gegen die Normierung des Frontmetermaßstabs in § 3 Abs. 2 SGS 2010, SGS 2011 und SGS 2012 sowie in § 4 Abs. 1 SGS 2013/14 erhobenen Einwände greifen nicht durch. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist anerkannt, dass der Frontmetermaßstab im Straßenreinigungsgebührenrecht einen sachgerechten Verteilungsmaßstab bildet (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 8.6.1993 - 9 K 4785/91 - sowie dessen Beschluss vom 31.5.2010 - 9 LA 137/09 -; siehe ferner Sächs. OVG, Urteil vom 17.6.1998 - 2 S 646/96 - sowie Lichtenfeld in Driehaus, a.a.O., § 6 Rn. 762a), und zwar auch bei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken, die an Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage liegen. An dieser Rechtsprechung, die sich - was der Antragsteller verkennt - für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke häufig eher günstiger auswirken dürfte als eine Rechtsprechung, die andere Maßstäbe anwendet, hält der Senat fest.

Mit seinem - ebenfalls mündlichen - Vortrag, dass landwirtschaftlich genutzte Grundstücke innerhalb der geschlossenen Ortslage nicht zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen werden dürften, wendet sich der Antragsteller gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 SGS 2010, SGS 2011 und SGS 2012 sowie § 2 Abs. 1 Satz 3 SGS 2013/14, wonach die Eigentümer der an den gereinigten Straßen liegenden Grundstücke (also auch solche, die landwirtschaftlich genutzt werden) als Benutzer der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung gelten. Die dagegen vorgebrachten Angriffe des Antragstellers sind ebenfalls unbegründet. In der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist geklärt, dass landwirtschaftlich genutzte Grundstücke an Straßen, die innerhalb der geschlossenen Ortslage liegen, zur Verschmutzung der angrenzenden Straße beitragen und deren Eigentümer einen Vorteil von der regelmäßigen Straßenreinigung haben, so dass diese straßenreinigungsgebührenpflichtig sind (vgl. Beschluss vom 29.10.2007     - 9 LA 373/05 -, Urteil vom 30.11.2009 - 9 LB 415/07 - und Beschluss vom 23.12.2013 - 9 LA 36/12 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO  in Verbindung mit den §§ 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.