Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.01.2010, Az.: 8 LC 156/09
Anspruch auf Neubewertung einer Abschlussprüfung zur Ergotherapeutin; Voraussetzungen für eine Neubewertung einer mit der Bewertung als "mangelhaft" durchgeführten mündlichen Prüfung ; Wirksamkeit der Verordnung über berufsbildende Schulen (BbS-VO 2003) hinsichtlich des erfolgreichen Abschlusses als Ergotherapeutin
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.01.2010
- Aktenzeichen
- 8 LC 156/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 11997
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0128.8LC156.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErgThG
- § 6 Abs. 1 Nr. 2, 3 ErgThAPrV
- § 6 Abs. 4 ErgThAPrV
- § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErgThAPrV
- § 10 Abs. 2 S. 1 ErgThAPrV
- § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO
- § 8 Abs. 2 Nds. AG VwGO
- § 60 Abs. 2 Nr. 3, 5 NSchG
- § 148 NSchG
- § 26 BbS-VO 2003
Fundstelle
- NdsVBl 2010, 183-186
Tatbestand
Die 1979 geborene Klägerin begann im Sommer 2003 bei der Beklagten, einer staatlich anerkannten Berufsfachschule, eine dreijährige Ausbildung zur "Staatlich anerkannten Ergotherapeutin" und wendet sich vorliegend gegen das ihr am 12. Juli 2006 von der Beklagten erteilte Abgangszeugnis. Danach hat die Klägerin die Abschlussprüfung nicht bestanden und deshalb die Ausbildung zur Ergotherapeutin nicht erfolgreich abgeschlossen.
Bundesrechtlich ist die ergotherapeutische Tätigkeit im Ergotherapeutengesetz - ErgThG) - vom 25. Mai 1976 (BGBl. I S. 1246), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. September 2009 (BGBl. I S. 3158), geregelt. Wie andere bundesrechtliche Regelungen für nichtärztliche Gesundheitsfach- bzw. Heilhilfsberufe enthält das Ergotherapeutengesetz keinen Aufgabenvorbehalt, sondern in § 1 ErgThG nur einen Schutz der Berufsbezeichnung "Ergotherapeut". Dieser geschützten Berufsbezeichnung kommt faktisch weitgehend die gleiche Bedeutung wie einer Berufserlaubnis zu; allerdings wird dadurch weder ausgeschlossen, dass die Länder eine abweichende, unter einer anderen Bezeichnung abzuschließende ergotherapeutische Ausbildung regeln, noch ist eine ergotherapeutische Berufsausübung unter einer abweichenden, nicht geschützten Berufsbezeichnung verboten. Die bundesrechtlich geschützte Berufsbezeichnung "Ergotherapeut" darf nach§§ 1, 2 ErgThG nur führen, wer eine staatliche Prüfung nach Maßgabe der gemäß § 5 ErgThG erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Ergotherapeuten - ErgThAPrV -vom 2. August 1999 (BGBl. I S. 1731), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 2. Dezember 2007 (BGBl. I. S. 2686), bestanden hat. Dazu muss der Kandidat in allen in den §§ 5 bis 7 ErgThAPrV näher beschriebenen Prüfungsteilen mindestens ausreichende Leistungen erbracht haben, also in allen drei Klausuren (§ 5 Abs. 3 ErgThAPrV), allen drei Fächern der mündlichen (§ 6 Abs. 2 ErgThAPrV) und beiden Teilen der praktischen Prüfung (§ 7 Abs. 3 ErgThAPrV).
Wie sich aus dem Vorbringen der Beigeladenen ergibt, ist das Land Niedersachsen der Ansicht, es sei befugt, an die Stelle der in derErgThAPrV vorgesehenen Staatsprüfung eine schulische Abschlussprüfung nach Maßgabe der Verordnung über berufsbildende Schulen - BbS-VO 2003 - vom 24. Juli 2000 (GVBl. S. 178), in der hier maßgeblichen Fassung der Änderung vom 17. Juli 2003 (GVBl. S. 294), durchführen zu dürfen. Die BbS-VO 2003 erhebt dabei nicht den Anspruch, dass mit dem Bestehen der vorgesehenen schulischen Abschlussprüfung die Berechtigung zum Führen einer spezifisch niedersächsischen Berufsbezeichnung erworben wird, wie dies für die in § 18 der Anlage 5 zu § 36 genannten Berufe der Fall ist. Nach dem hier einschlägigen § 19 Nr. 3 der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO 2003 soll mit dem Bestehen der Abschlussprüfung vielmehr der für die Erlaubnis zum Führen der (bundesweit geschützten) Berufsbezeichnung erforderliche Nachweis der fachlichen Eignung als Ergotherapeut erbracht werden, d.h. das Land Niedersachsen will die staatliche Prüfung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErgThG i.V.m. §§ 5 ff. ErgThAPrV durch die schulische Abschlussprüfung nach der BbS-VO 2003 ersetzen.
Für einen erfolgreichen Abschluss nach der BbS-VO 2003 werden insoweit nach deren §§ 20, 27 i.V.m. § 17 der Anlage 5 zu § 36 ausreichende Leistungen in allen Fächern der Abschlussprüfung gefordert. Welche Fächer dies im Einzelnen sind, lässt sich der BbS-VO 2003 nicht ausdrücklich entnehmen (vgl. in der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO 2003 jeweils: § 8 Nr. 14 für die schriftliche Prüfung, § 9 Nr. 14 für die praktische Prüfung und § 15 Abs. 2 für den obligatorischen Teil der mündlichen Prüfung). Die Beklagte versteht diese Regelungen so, dass es zwei Fächer gebe, nämlich den "Berufsbezogenen Unterricht" und die "Praxis Ergotherapie". Zum "Berufsbezogenen Unterricht" gehören ihrer Ansicht nach die drei nach § 8 Nr. 14 der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO 2003 anzufertigenden Klausuren sowie die nach § 15 Nr. 2 der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO 2003 obligatorischen Teile der mündlichen Prüfung, zur "Praxis Ergotherapie" die in § 9 Nr. 14 der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO 2003 genannte praktische Prüfung sowie eine etwaige nach § 17 BbS-VO 2003 fakultative mündliche Ergänzungsprüfung. Zur Notenbildung in den Fächern bestimmt § 20 Abs. 1 BbS-VO 2003, dass die Endnote für jedes Fach unter Berücksichtigung der - gemäß § 11 zu bildenden - Vorzensuren (für die in der Abschlussklasse erbrachten Leistungen) und der Prüfungsleistungen vom Prüfungsausschuss festgesetzt wird.
Die Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin trotz Nichteilnahme an zwei von drei zwingend vorgeschriebenen mündlichen Prüfungen zwar im "Berufsbezogenen Unterricht" insgesamt noch "ausreichende" Leistungen erbracht, in der "Praxis Ergotherapie" aber nur "mangelhafte" und damit zum Bestehen nicht hinreichende Leistungen gezeigt habe. In die letztgenannte Bewertung flossen nach dem von der Beklagten angewandten "ungefähren" Maßstab die Vornote und die beiden Teile der praktischen Prüfung regelmäßig mit insgesamt jeweils 50% ein; für die hier ergänzend durchgeführte fakultative mündliche Ergänzungsprüfung war kein Maßstab vorgegeben. Unter Bezugnahme auf § 27 Abs. 3 Satz 1 BbS-VO 2003 wurde die Klägerin darauf verwiesen, die Abschlussklasse und danach die Abschlussprüfung zu wiederholen. Hierzu ist die Klägerin nicht bereit.
Ihren Widerspruch vom 20. Juli 2006 wies die Beigeladene mit Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2007 zurück.
Am 15. Januar 2007 hat die Klägerin den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Sie hat die ErgThAPrV als maßgebliche Rechtsgrundlage angesehen und gerügt, der Prüfungsausschuss sei entgegen § 3 ErgThAPrV gebildet worden. Die Note "mangelhaft" im Fach "Praxis Ergotherapie" sei nur auf Grund unzulässiger Zwischennoten bzw. "halber" Noten für Teilleistungen und durch eine darauf aufbauende ebenso unzulässige, nicht arithmetische Zusammenrechnung dieser Teilbewertungen entstanden. Die mündliche Ergänzungsprüfung habe 25 Minuten gedauert und damit die vorgesehene Dauer von 15 Minuten erheblich überschritten. Inhaltlich sei die Bewertung der mündlichen Pflichtprüfung und des Werkstücks im Rahmen der praktischen Prüfung zu beanstanden. Dass sie, die Klägerin, nicht in Übereinstimmung mit der ErgThAPrV geprüft worden sei, dürfe sich nicht zu ihrem Nachteil auswirken. Auf Grund der abgelegten Prüfungen sei zu beurteilen, ob die Prüfung bei ordnungsgemäßer Durchführung als bestanden zu gelten habe.
Da die Klägerin nicht bereit ist, auch nur Teile der Prüfung zu wiederholen, hat sie ihren angekündigten, auf eine erneute Zulassung zur Prüfung als Erstversuch zielenden Hilfsantrag nicht weiter verfolgt und auch einen auf die Wiederholung von Prüfungsteilen gerichteten Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichts abgelehnt.
Die Klägerin hat beantragt,
das Abgangszeugnis der Beklagten vom 12. Juli 2006 und den Widerspruchsbescheid der Beigeladenen vom 3. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihre Prüfungsleistungen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die BbS-VO 2003 als Rechtsgrundlage für die Abschlussprüfung in der Ergotherapie für anwendbar, deren Vorgaben für gewahrt und die Bewertung der von der Klägerin erbrachten Prüfungsleistungen im Fach "Praxis Ergotherapie" mit "mangelhaft" für zutreffend. Die Prüfer hätten den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum weder bei der von der Klägerin kritisierten Notenbildung noch bei der Durchführung der 25 Minuten dauernden mündlichen Ergänzungsprüfung überschritten. Die Klägerin sei im Übrigen schon deshalb durchgefallen, weil die Prüfung "in allen vorgeschriebenen Bereichen" bestanden sein müsse. Die Klägerin habe aber den behandlungsbezogenen Praxisteil nicht bestanden und an zwei von drei zwingenden mündlichen Prüfungen schon nicht teilgenommen.
Die Beigeladene hat sich schriftlich nicht geäußert und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. März 2008 abgewiesen. Die Abschlussprüfung habe auf der Grundlage der wirksamen ErgThAPrV durchgeführt werden müssen. Dies sei aber nicht geschehen. Stattdessen sei die nicht unwesentlich abweichende BbS-VO 2003 für maßgeblich erachtet worden. Deshalb seien etwa die praktischen Leistungen der Klägerin nur von einer Prüferin und nicht - wie nach der ErgThAPrV geboten - von zwei Personen bewertet worden. Auch die Notenbildung sie abweichend von den Vorgaben der ErgThAPrV erfolgt. Diese Mängel vermittelten der Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf Wiederholung der Prüfung; ein solcher Anspruch werde von ihr jedoch ausdrücklich nicht geltend gemacht und könne ihr daher gerichtlich auch nicht zuerkannt werden. Der stattdessen erhobene Anspruch auf Neubewertung bestehe nicht. Denn der behandlungsbezogene Prüfungsteil könne nunmehr nicht nachträglich von einem an der Abnahme nicht als Prüfer Beteiligten bewertet werden. Bei dieser Lage sei auch die im Abgangszeugnis enthaltene Feststellung nicht zu beanstanden, die Klägerin habe die Ausbildung zur Ergotherapeutin nicht erfolgreich abgeschlossen.
Die Klägerin hat die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung fristgerecht eingelegt und begründet. Sie schließt sich zwar ausdrücklich der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung an, dass die Prüfung verfahrensfehlerhaft erfolgt sei. Ungeachtet dessen meint sie, wegen Fehlern bei der Notenbildung sowie der unterbliebenen gerichtlichen Überprüfung der Bewertung des von ihr angefertigten Werkstücks einen Anspruch auf Neubewertung zu haben. Auf gerichtliche Nachfrage hat sie angegeben, ihr Ausbildungsziel sei es gewesen, die geschützte Bezeichnung "Staatlich anerkannte Ergotherapeutin" führen zu dürfen. Sollte dafür wegen Fehlern in der erfolgten Prüfung die Grundlage fehlen, so beziehe sich das Klagebegehren auf einen (erfolgreichen) Abschluss nach Maßgabe der BbS-VO 2003. Darüber hinaus bestehe auch ein Interesse an einer gegebenenfalls isolierten Aufhebung des Abschlusszeugnisses, da keine rechtmäßige Abschlussprüfung stattgefunden und die Klägerin hierfür gleichwohl eine Prüfungsgebühr gezahlt habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 7. Kammer - vom 11. März 2008 zu ändern, das Abgangszeugnis der Beklagten vom 12. Juli 2006 und den Widerspruchsbescheid der Beigeladenen vom 3. Januar 2007 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, die Prüfungsleistungen der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, die Begründung der Berufung genüge schon nicht den formellen Anforderungen, sei jedenfalls aber in der Sache nicht zutreffend. Die von der Klägerin gewünschte Neubewertung von Prüfungsleistungen nach Maßgabe der bundesrechtlichen ErgThAPrV sei bei einer tatsächlich auf der Grundlage abweichenden Landesrechts, nämlich der BbS-VO 2003, erfolgten Prüfung unmöglich. Im Übrigen verteidigt die Beklagte die sie bindenden Regelungen des niedersächsischen Landesrechts und das hiernach angewandte Verfahren der Notenbildung. Die bloße Behauptung der Klägerin, die vom Prüfer im Einzelnen begründete Bewertung des von ihr gefertigten Werkstücks sei unrichtig, biete keinen ausreichenden Anlass für weitergehende gerichtliche Untersuchungen. Für eine isolierte Aufhebung des Abschlusszeugnisses fehle der Klägerin das Rechtsschutzinteresse.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag, verteidigt aber auf ausdrückliche gerichtliche Nachfrage die von der bundesrechtlichen Regelung in der ErgThAPrV abweichenden Bestimmungen in der BbS-VO 2003. Dem Bund stehe nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG kein Recht zur Regelung der Ausbildung im Bereich der Ergotherapie zu. Die bundesrechtlichen Bestimmungen in dem ErgThG und der ErgThAPrV zur "Staatsprüfung" seien daher verfassungskonform so zu verstehen, dass sie nur anzuwenden seien, soweit die Ergotherapeutenausbildung nicht landesschulrechtlich geregelt sei. Letzteres sei aber nach § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 NSchG in Niedersachsen erfolgt. Nur so könnten kommunale Schulträger zur Errichtung entsprechender Berufsfachschulen verpflichtet und den Schulen in freier Trägerschaft - wie hier der Beklagten - ein Anspruch auf Finanzhilfe nach dem NSchG vermittelt werden. Die niedersächsischen Regelungen gewährleisteten durch die Einbeziehung der während der Schulzeit erbrachten Leistungen einen höheren Standard als die nur eine "Momentaufnahme" darstellende Staatsprüfung nach Bundesrecht. Niedersächsische Schüler würden dadurch nicht benachteiligt. Im Übrigen sei die Rechtmäßigkeit des Abschlusszeugnisses nicht Streitgegenstand des Verfahrens. Werde die Verpflichtungsklage der Klägerin abgewiesen, komme es auf die Rechtmäßigkeit des Abgangszeugnisses nicht mehr an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, überwiegend aber unbegründet. Insbesondere steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Neubewertung nicht zu.
Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung einstimmig für überwiegend unbegründet und im Übrigen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang für begründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Voraussetzung für den von der Klägerin vorrangig verfolgten Anspruch auf Neubewertung ihrer Prüfungsleistungen ist, dass es für die Abnahme der Prüfung als Ergotherapeutin überhaupt eine wirksame Rechtsgrundlage gibt, die danach erforderlichen Leistungen verfahrensfehlerfrei erbracht worden sind, die erfolgte Bewertung fehlerhaft gewesen und eine Neubewertung möglich ist (vgl. Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2 (Prüfungsrecht), 4. Aufl., Rn. 504 ff., 693 ff., 807 ff.). Sind die zum Bestehen der Prüfung notwendigen Leistungen hingegen nur teilweise erbracht worden oder nur teilweise neu bewertbar, so scheidet schon deshalb grundsätzlich ein Anspruch auf Neubewertung aus. Denn auch eine teilweise Neubewertung könnte dann dem Kandidaten nicht mehr zum letztlich erstrebten Erfolg der Prüfung verhelfen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ausnahmsweise - etwa wegen der Anrechnungsmöglichkeit auf andere Prüfungen - ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis daran besteht, zumindest (weitere) Einzelteile der abgelegten Prüfung für bestanden zu erklären. Hieran gemessen kann weder auf der Grundlage der ErgThAprV (1.) noch nach Maßgabe der BbS-VO 2003 (2.) eine Neubewertung erfolgen.
1.
Die Klägerin erstrebt letztlich die Erlaubnis zum Führen der bundesrechtlich geschützten Berufsbezeichnung "Ergotherapeut". Dazu muss sie die staatliche Prüfung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErgThG bestanden haben. Dies wird durch ein Zeugnis bescheinigt, das vom Vorsitzenden des (staatlichen) Prüfungsausschusses gemäß dem als Anlage 3 zu § 10 Abs. 2 Satz 1 ErgThAPrV veröffentlichen Muster auszustellen ist. Der Vorsitzende dieses Prüfungsausschusses ist demnach gemäߧ 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 2 Nds. AG VwGO auch der richtige Beklagte, wenn nach Durchführung einer nicht für bestanden erklärten Prüfung in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Neubewertung nach der ErgThAPrV begehrt wird. Demnach kann die hier mit dem Ziel erhobene Klage, ein neues, besseres Zeugnis nach Maßgabe der ErgThAPrV zu erhalten, schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin ihre Klage bewusst nicht gegen den Vorsitzenden eines staatlichen Prüfungsausschusses, sondern gegen die Beklagte als private Berufsfachschule gerichtet hat.
Darüber hinaus fehlt es aber auch an den weiteren, eingangs dargestellten Voraussetzungen für eine Neubewertung. Nach § 6 Abs. 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 4 ErgThAPrV hätte die Klägerin zum Bestehen der Prüfung erfolgreich eine mündliche Prüfung auch in den Fächern "Medizinsoziologie und Gerontologie" sowie "Grundlagen der Ergotherapie" ablegen müssen. Zu diesem Prüfungsteil ist sie aber nicht (mehr) angetreten. Eine § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErgThAPrV entsprechende praktische Prüfung hat sie zwar abgelegt. Nach der von ihr insoweit durchgeführten Behandlung ist aber entgegen § 7 Abs. 2 Satz 4 ErgThAprV kein Prüfungsgespräch geführt worden. Zudem ist diese Leistung nur von einem und nicht - wie in § 7 Abs. 3 Satz 1 ErgThAprV vorgeschrieben - von zwei Fachprüfern abgenommen und benotet worden. Auch insoweit fehlt es also an der erforderlichen Grundlage für eine Neubewertung.
Schließlich sind substantiierte Einwände gegen die Richtigkeit der jeweils mit "mangelhaft" erfolgten Bewertung der von der Klägerin im sog. Lernfeld 2 gefertigten Klausur (vgl. § 5 Abs. 1 ErgThAPrV) und des von ihr erstellten Werkstücks (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErgThAPrV) nicht vorgetragen worden und auch für den Senat nicht zu erkennen.
Ein Anspruch auf Neubewertung mit dem Ziel, ein besseres Zeugnis auf der Grundlage der ErgThAPrV zu erhalten, ist damit nicht gegeben.
2.
Gleiches gilt, soweit die Klägerin zumindest die Ausstellung eines besseren Zeugnisses auf der Grundlage der BbS-VO 2003 begehrt.
Zwar ist die Klage insoweit zu Recht gegen die Beklagte gerichtet (§ 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 2 Nds. AG VwGO) und nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, da die Beklagte nach § 148 NSchG als Ersatzschule anerkannt ist und auf dieser Grundlage nach § 148 Abs. 2 Satz 3 NSchG wie eine öffentliche Schule Zeugnisse erteilt (vgl. Bräth/Eickmann/Galas, NSchG, 6. Aufl., vor § 139, Rn. 1), d.h. als Beliehene tätig wird.
Es bestehen aber schon erhebliche Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. Denn ein nach der BbS-VO 2003 ausgestelltes Zeugnis über das Bestehen der Abschlussprüfung an einer Berufsfachschule für Ergotherapie ist untauglich, um der Klägerin die erstrebte Erlaubnis nach § 1 ErgThG zu vermitteln. Hierzu muss nach der eindeutigen Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErgThG die in diesem Gesetz und der ergänzenden Verordnung, hier der ErgThAprV, vorgesehene staatliche Prüfung erfolgreich abgeschlossen und ein entsprechendes Zeugnis ausgestellt worden sein. Ein Zeugnis über den erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung und Prüfung nach Maßgabe der abweichenden Bestimmungen der BbS-VO 2003 genügt diesen Anforderungen also nicht. Dass die niedersächsischen Behörden insoweit offenbar tatsächlich anders verfahren, ändert an der Rechtslage nichts. Dass der Klägerin mit einem Zeugnis nach der BbS-VO 2003 gleichwohl anderweitig gedient wäre, ist ebenfalls nicht zu erkennen. Insbesondere vermittelt nach der BbS-VO 2003 eine erfolgreiche schulische Ausbildung als Ergotherapeut nicht die Berechtigung, eine entsprechende landesrechtlich geschützte Berufsbezeichnung - wie die in § 18 der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO 2003 genannten - zu führen. Damit verbliebe als Vorteil für die Klägerin im Obsiegensfalle allein der nach § 19 Nr. 3 BbS-VO 2003 vermittelte "abstrakte" Nachweis der fachlichen Eignung als Ergotherapeutin. Ob ein solcher abstrakter Nachweis an Stelle der üblichen Erlaubnis zum Führen einer geschützten Berufserlaubnis in der Berufswelt Anerkennung findet, erscheint sehr zweifelhaft und ist von der Klägerin trotz gerichtlicher Nachfrage nicht dargelegt worden. Aber selbst wenn man davon absieht und von einem Rechtsschutzbedürfnis zu Gunsten der Klägerin ausgeht, scheidet ein Neubescheidungsanspruch aus.
Dies gilt schon deshalb, weil die BbS-VO 2003 hinsichtlich des erfolgreichen Abschlusses als Ergotherapeutin unwirksam ist und es damit an einer tauglichen Rechtsgrundlage für eine Neubewertung mangelt.
Nach § 60 Abs. 2 Nrn. 3 und 5 NSchG muss die Verordnung insbesondere die Prüfungsfächer oder -gebiete und die Voraussetzungen für das Bestehen der Prüfung einschließlich der Bewertungsmaßstäbe enthalten. Diesen Anforderungen genügte die BbS-VO 2003 hinsichtlich der Ergotherapieprüfung nicht.
Das Verständnis der BbS-VO 2003 wird schon dadurch erheblich erschwert, dass sie hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmungen über den erfolgreichen Abschluss einer dreijährigen Berufsfachschule für Ergotherapie mehrfach gestaffelte allgemeine und besondere Regelungen enthält, nämlich in §§ 8 bis 25 allgemeine Bestimmungen über die Abschlussprüfung, in den §§ 26 bis 28 ergänzende (allgemeine) Bestimmungen über die Leistungsbewertung, Abschlüsse und Wiederholungen, in der Anlage 5 dann "ergänzende und abweichende Vorschriften für die Berufsfachschule, die zu einem beruflichen Abschluss führt", und innerhalb dieser Anlage dann nochmals allgemeine und nur für die Ergotherapieausbildung maßgebliche Sondervorschriften. Aus diesem Normengeflecht lässt sich weder hinreichend deutlich entnehmen, welche Prüfungsfächer nach § 17 der Anlage 5 i.V.m. § 27 Abs. 2 BbS-VO 2003 zum Bestehen notwendig sind, noch wie die Noten in diesen Fächern zu bilden sind.
Denn die BbS-VO 2003 benennt die maßgeblichen Prüfungsfächer in der Ergotherapie weder ausdrücklich noch lassen sich diese Fächer aus dem Zusammenhang klar erkennen. Die Beklagte geht offenbar mit Billigung der Beigeladenen davon aus, dass es nur die beiden Fächer "Berufsbezogener Unterricht" und "Praxis Ergotherapie" gibt. Das erstgenannte "Fach" wird in der BbS-VO 2003 unter den Überschriften "Fach/Fächergruppe" bzw. "Fach, Fächergruppe oder Prüfungsfach" immerhin in § 8 Nr. 14 der Anlage 5 für die schriftliche Prüfung und in § 9 Nr. 14 der Anlage 5 für die praktische Prüfung erwähnt. Ergänzend wird aber in § 12 der Anlage 5 zwingend eine mündliche Prüfung in den "Fächern "Anatomie", "Medizinsoziologie und Gerontologie" sowie "Grundlagen der Ergotherapie" vorgeschrieben. Ein Fach mit dem Namen "Praxis Ergotherapie" findet sich hingegen in der BbS-VO 2003 nicht (mehr), insbesondere wird die in § 9 Nr. 14 der Anlage 5 vorgesehene praktische Prüfung ab der Änderung der BbS-VO durch die Verordnung vom 12. Juli 2002 (GVBl. S. 343) nicht mehr ganz oder - wie zuvor teilweise - einem so lautenden Fach zugeordnet, sondern ausdrücklich dem "Berufsbezogenen Unterricht". Sollte es sich dabei um einen Irrtum gehandelt haben, so ist er weder offensichtlich noch - wie geboten - berichtigt worden. Danach kann die von der Beklagten erfolgte Zuordnung der in § 9 Nr. 14 der Anlage 5 vorgeschriebenen praktischen Prüfung zum Fach "Praxis Ergotherapie" nicht zutreffen. Erheblichen Zweifeln unterliegt auch die Zuordnung der in § 12 der Anlage 5 benannten mündlichen Prüfungsteile zu dem Fach "Berufsbezogener Unterricht", obwohl § 12 insoweit ausdrücklich von (eigenständigen) Fächern spricht und offenbar bewusst an § 6 ErgThAPrV orientiert ist.
Lassen sich somit schon nicht die maßgeblichen Prüfungsfächer eindeutig bestimmen, so gilt dies erst recht für die Bildung der insoweit entscheidenden Noten nach der Skala des § 26 BbS-VO 2003. Die maßgebliche Bestimmung des § 20 Abs. 1 Satz 1 BbS-VO 2003 reicht dazu nicht aus. Danach setzt der Prüfungsausschuss die Endnote für jedes Fach unter Berücksichtigung der - nach § 11 zu bildenden - Vorzensuren und der Prüfungsleistungen fest. Es fehlt jedoch jegliche Konkretisierung, in welchem Umfang die hier zwingend vorgeschriebenen schriftlichen, mündlichen und praktischen Teile der ergotherapeutischen Prüfung jeweils genau prozentual in die Bewertung einfließen, in welchem Verhältnis sie zu den Vorzensuren sowie einer nach § 17 fakultativen mündlichen Ergänzungsprüfung stehen und ob bereits mangelhafte Leistungen in einem wichtigen Teilbereich eines "Faches" zum Misserfolg der gesamten Prüfung führen (können). Normen, die dem Prüfungsausschuss einen so weiten Spielraum belassen, genügen jedenfalls für den Abschluss einer dreijährigen Berufsfachschule, die zu einem beruflichen Abschluss führt, nicht mehr den Anforderungen des § 60 Abs. 2 NSchG.
Im Übrigen ist die BbS-VO 2003 für eine Abschlussprüfung als Ergotherapeutin aber auch deshalb unwirksam, weil das in § 19 der Anlage 5 bezeichnete Prüfungsziel rechtswidrig und damit unwirksam ist. Danach soll das Bestehen der Abschlussprüfung den Nachweis der fachlichen Eignung für den Beruf als Ergotherapeutin erbringen. Nach der Systematik der BbS-VO und des ErgThG kann - wie dargelegt - damit nur ein Nachweis nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErgThG gemeint sein. Der Erwerb der danach erforderlichen Qualifikation wird aber nur durch eine bundeseinheitliche Staatsprüfung gemäß den Vorgaben der ErgThG bestätigt und nicht durch eine davon abweichende Schulprüfung nach landesschulrechtlichen Vorgaben, hier der BbS-VO 2003. Dass die ErgThAPrV wirksam und bindend ist, hat das Verwaltungsgericht auf den Seiten 9 bis 11 seines Urteils ausführlich dargelegt; auf diese zutreffenden Ausführungen wird gemäß § 130b Abs. 2 VwGO Bezug genommen. Aber selbst wenn der Bund - wie von der Beigeladenen für das Land Niedersachsen geltend gemacht wird - insoweit seine Kompetenz überschritten hätte, so dürfte das Land nicht einfach auf Grund einer abweichenden Prüfung eine gleichwertige Qualifikation bescheinigen. Die Abweichungen betreffen auch nicht nur unwesentliche Einzelheiten. So kann jedenfalls nach dem Verständnis der Beklagten eine Prüfung nach der BbS-VO 2003 theoretisch auch erfolgreich abgeschlossen werden, wenn der Kandidat überhaupt keine mündliche Prüfung abgelegt oder in einem, ggf. sogar in beiden Teilen der praktischen Prüfung versagt hat. Bundesrechtlich wäre in diesen Fällen nach der ErgThAPrV ein Erfolg aber jeweils zwingend ausgeschlossen.
Ist die BbS-VO 2003 also hinsichtlich der Regelungen über die Abschlussprüfung für Ergotherapeuten unwirksam, so kann auf diese Grundlage auch kein Anspruch auf Neubewertung gestützt werden.
Eine andere Rechtsgrundlage ist dafür indes nicht ersichtlich; insbesondere kann auch keine neuere Fassung der BbS-VO herangezogen werden. Dazu kann offen bleiben, ob nicht auch die neueren Fassungen die aufgezeigten, zur Unwirksamkeit führenden Mängel aufweisen. Jedenfalls beanspruchen die ab dem Jahr 2003 geltenden Fassungen der BbS-VO nach ihren jeweiligen Übergangsbestimmungen (vgl. etwa § 35 Verordnung über berufsbildende Schulen (BbS-VO) vom 10.6.2009, Nds. GVBl. 2009, 243) keine Geltung für die Prüfung der Klägerin, die ihre Ausbildung im Jahr 2003 begonnen hat, und sie haben auch tatsächlich nicht die Grundlage für ihre Prüfung gebildet.
Die Bescheidungsklage hat deshalb keinen Erfolg.
Auf den darin - entgegen der Auffassung der Beigeladenen - mit enthaltenen Anfechtungsantrag ist allerdings das Abgangszeugnis aufzuheben, soweit es Noten und die Feststellung enthält, die Klägerin habe die Abschlussprüfung nicht bestanden. Diese Feststellung ist bei der maßgeblichen objektiven Betrachtungsweise (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 37 Rn. 8) so zu verstehen, dass die Klägerin eine verfahrensfehlerfrei durchgeführte Abschlussprüfung aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht erfolgreich abgeschlossen hat, und daher nur rechtmäßig, wenn eine verfahrensfehlerfreie Abschlussprüfung tatsächlich stattgefunden hat. Das ist hier jedoch nicht der Fall gewesen. Aus den genannten Gründen ist die Klägerin weder auf der Grundlage der insoweit unwirksamen BbS-VO 2003 noch nach der ErgThAPrV verfahrensfehlerfrei geprüft worden. Unerheblich ist dabei, dass die Klägerin zu zwei der drei nach der ErgThAPrV notwendigen mündlichen Prüfungen nicht mehr angetreten ist. Dies geschah allein deshalb, weil die Klägerin nach der ihr bekannten, für sie aber nicht erkennbar fehlerhaften Rechtsansicht der Beklagten bereits zuvor aus anderen Gründen ohnehin durchgefallen war, eine Fortsetzung der Prüfung also keinen Sinne mehr gehabt hätte. Die Klägerin wird durch die demnach rechtswidrige Feststellung, die Abschlussprüfung nicht bestanden zu haben und in den beiden im Abschlusszeugnis genannten Fächern nur "mangelhafte" bzw. "ausreichende" Leistungen erbracht zu haben, auch in ihrem Recht auf eine verfahrensfreie Prüfung verletzt. Bei Bestand des Zeugnisses müsste sie zudem befürchten, bei einer erneuten Prüfung als Ergotherapeutin als Wiederholerin angesehen zu werden. Schon diese möglichen Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen der Klägerin begründen hier die Zulässigkeit einer isolierten Anfechtung des Abgangszeugnisses und ein hierauf gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.4.1991 - 7 C 36/90 -, BVerwGE 88, 111, 113 ff.; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 42 Rn. 251, 342).